Urteil des OLG Köln vom 29.09.1998

OLG Köln (zeuge, eintritt des versicherungsfalles, amtliches kennzeichen, fahrzeug, versicherungsnehmer, betrug, vvg, zpo, bild, person)

Oberlandesgericht Köln, 9 U 15/98
Datum:
29.09.1998
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
9. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
9 U 15/98
Vorinstanz:
Landgericht Köln, 24 O 151/96
Tenor:
Die Berufung der Klägerin gegen das am 12.01.1998 verkündete Urteil
der 24. Zivilkammer des Landgerichts Köln - 24 O 151/96 - wird
zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Klägerin.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 543 Abs. 1 ZPO abgesehen.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
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Die in formeller Hinsicht bedenkenfreie Berufung der Klägerin hat in der Sache keinen
Erfolg. Zwar ist der Klägerin unstreitig von der Beklagten ein Sicherungsschein erteilt
worden, durch den die Bestimmungen der §§ 3 Nr. 2 AKB, 75, 76 VVG insoweit
abbedungen worden sind, als die normalerweise dem Versicherungsnehmer
zustehende Verfügungsbefugnis hinsichtlich der Versicherungsforderung auf den
Sicherungsscheininhaber übergeht. Das Landgericht hat die Klage aber zu Recht
abgewiesen, weil die Klägerin den Eintritt des Versicherungsfalles, also die
entschädigungspflichtige Entwendung des Fahrzeugs BMW 325 I Cabrio, amtliches
Kennzeichen x - xx xxx, nicht bewiesen hat. Der Klägerin steht deshalb gegenüber der
Beklagten wegen des von ihr behaupteten, angeblich am Abend des 03.05.1994 in
V./Niederlande erfolgten Diebstahlereignisses kein Anspruch aus §§ 1, 49 VVG, § 12
Nr. 1 I b AKB auf Entschädigung aus der von dem Zeugen L. für das Fahrzeug bei der
Beklagten abgeschlossenen Fahrzeugversicherung zu.
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Wie schon das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, kommen dem
Versicherungsnehmer in der Diebstahlversicherung grundsätzlich
Beweiserleichterungen zugute, da er in aller Regel keine Zeugen oder sonstige
Beweismittel für die Entwendung beibringen kann und der Wert der
Diebstahlversicherung in den häufigen Fällen fehlender Tataufklärung deshalb von
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vornherein in Frage gestellt wäre. Der Versicherungsnehmer respektive der Inhaber des
Sicherungsscheins hat im Normalfall deshalb lediglich das äußere Bild einer
entschädigungspflichtigen Fahrzeugentwendung zu beweisen, das heißt
nachzuweisen, daß er das Fahrzeug zu einer bestimmten Zeit an einem bestimmten Ort
abgestellt und es später dort gegen seinen Willen nicht mehr vorgefunden hat (ständige
höchstrichterliche Rechtsprechung, der der Senat folgt; vgl. grundlegend BGH VersR
1984, 29 ff. und BGH VersR 1997, 691 = r+s 1997, 185 f.). Dieser sogenannte
"Minimalsachverhalt" ist allerdings ohne jede Einschränkung der Beweisanforderungen
voll zu beweisen (BGH VersR 1993, 571 f. = r+s 1993, 169 f. und Prölss/Martin-
Kollhosser, VVG, 26. Auflage 1998, §§ 49 Rdnr. 31). Dazu ist es zwar nicht erforderlich,
daß der Beweis mit einer mathematisch unumstößlichen Sicherheit geführt wird.
Ausreichend, aber auch notwendig, ist vielmehr eine an Sicherheit grenzende
Wahrscheinlichkeit, das heißt ein für das praktische Leben brauchbarer Grad an
Gewißheit, der vorhandenen Zweifeln Schweigen gebietet, ohne sie völlig
auszuschließen (BGHZ 53, 245, 256; r+s 1989, 297, 298; Senat r+s 1996, 365 f.). Hat
der Versicherungsnehmer diesen Beweis zur Überzeugung des Gerichts geführt, muß
sodann der Versicherer Umstände darlegen und beweisen, die mit erheblicher
Wahrscheinlichkeit (es reicht weder eine "überwiegende" Wahrscheinlickeit aus, wie
vom Landgericht im Hinweisbeschluß vom 17.11.1997 erwähnt, noch ein "hinreichender
Verdacht", wie im angefochtenen Urteil ausgeführt) die Vortäuschung des
Versicherungsfalles nahelegen (vgl. dazu Römer/Langheid, VVG, § 49 Rdnrn. 17, 18).
Gelingt dieser Beweis, muß der Versicherungsnehmer den Fahrzeugdiebstahl voll
beweisen (BGH VersR 1997, 181 = r+s 1997, 6).
Im Streitfall hat die Klägerin schon das äußere Bild einer entschädigungspflichtigen
Fahrzeugentwendung nicht im Sinne des § 286 Abs. 1 ZPO nachgewiesen. Nach dem
Ergebnis der vor dem Landgericht durchgeführten Beweisaufnahme vermag sich auch
der Senat nicht davon zu überzeugen, daß die Behauptung der Klägerin zutrifft, der
Zeuge L. habe das bei der Klägerin geleaste Fahrzeug am 03.05.1994 kurz vor 19.12
Uhr in V./Niederlande in einer in der Nähe des dortigen Spielkasinos befindlichen
Straße abgestellt, dort habe er es später, und zwar in Begleitung des Zeugen P., nicht
wieder vorgefunden. Der Senat hat vielmehr Bedenken, ob die Bekundungen des
Zeugen L. zum Abstellen des Fahrzeugs wahr sind. Diese Bedenken fußen weniger auf
dem vom Landgericht zutreffend herausgestellten Umstand, daß sich die Zeugen L. und
P. in einem nicht unwesentlichen Punkt widersprochen haben, und zwar insoweit, als es
um die Frage geht, wann man nach Verlassen des Kasinos auf das Auto zu sprechen
gekommen ist. Während der Zeuge L. nämlich sinngemäß bekundet hat, er und der
Zeuge P. seien nach Verlassen des Kasinos zum - angeblichen - Abstellort des
Fahrzeugs gegangen, dort habe er bemerkt, daß es verschwunden gewesen sei, hat der
Zeuge P. sinngemäß gesagt, nicht erst beim Eintreffen am angeblichen Abstellort,
sondern bereits zuvor sei darüber gesprochen worden, wo der Zeuge L. das Fahrzeug
abgestellt habe. Die Bedenken, aufgrund derer sich der Senat außerstande sieht, dem
Zeugen L. zu glauben, ergeben sich vielmehr aus seinem Vorleben. Der Zeuge L. ist
nämlich durch das rechtskräftige Urteil der 7. großen Strafkammer des Landgerichts
Köln vom 17.09.1992 (107-84/92 LG Köln) wegen Unterschlagung in Tateinheit mit
Urkundenfälschung in vier Fällen, wegen Beihilfe zum Betrug in Tatmehrheit mit
Urkundenfälschung, wegen Vortäuschens einer Straftat in Tatmehrheit mit versuchtem
Betrug sowie wegen Beihilfe zur Vortäuschung einer Straftat in Tateinheit mit Beihilfe
zum versuchten Betrug zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und sechs
Monaten auf Bewährung verurteilt worden. Zwar folgt allein aus der Tatsache, daß ein
Zeuge in der Vergangenheit mit dem Gesetz in Konflikt geraten ist, nicht zwangsläufig
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und gleichsam generell die Unglaubhaftigkeit seiner Aussage oder die
Unglaubwürdigkeit seiner Person. Hier ist aber entscheidend, daß der Zeuge L.
unstreitig in sehr massiver Weise an Autoschiebereien beteiligt war. Ungemein auffällig
ist dabei, daß der Zeuge L. schon einmal wahrheitswidrig behauptet hat, ein von ihm vor
einem Kasino abgestelltes Auto sei gestohlen worden. Denn nach den vom Landgericht
Köln in der Strafsache getroffenen, auf der glaubhaften Einlassung des Zeugen L.
beruhenden Feststellungen hat sich der Zeuge am 15.07.1986 aus dem
Fahrzeugbestand der damals in K. ansässigen Firma v.d.L. einen Mercedes
ausgeliehen, mit dem er in Begleitung des gesondert verfolgten C. zum Spielkasino in
A. gefahren ist. Nachdem er das Fahrzeug vom Kasinopersonal hatte parken lassen, hat
er seinen Begleiter C. zur Rückführung des Fahrzeugs zur Firma v.d.L. veranlaßt, und
zwar unter Verwendung eines Zweitschlüssels. Der Versuch, anschließend bei dem
Versicherer für den angeblichen Diebstahlschaden Versicherungsleistungen zu
erhalten, ist nach den vom Landgericht getroffenen Feststellungen daran gescheitert,
daß der Versicherer den behaupteten Diebstahl in Zweifel zog.
Diese Tat, derentwegen der Zeuge L. wegen Vortäuschens einer Straftat in Tatmehrheit
mit versuchtem Betrug (§§ 145 d, 263, 22, 53 StGB) zu Einzelstrafen von drei und
weiteren neun Monaten Freiheitsstrafe verurteilt worden ist, ist aber nicht die einzige, die
- in weitem Sinne - mit dem Verschieben von Kraftfahrzeugen in Zusammenhang steht.
Vielmehr hat der Zeuge L. bereits am 24.04.1984 einen über eine Bank finanzierten,
über 100.000,-- DM teuren Mercedes 500 SE unterschlagen, indem er das Fahrzeug
unter bewußter Mißachtung des Sicherungseigentums der Bank mittels eines
gefälschten Kfz-Briefs in die USA verschob. Im Jahre 1985 hat der Zeuge L. ausweislich
der vom Landgericht Köln in seinem Strafurteil getroffenen Feststellungen ein von einer
dritten Person gestohlenes Fahrzeug der Marke BMW 735 i unter Verwendung eines
gefälschten Kfz-Briefes in die USA exportiert. Neben weiteren Taten hat das
Landgericht Köln dann rechtskräftig festgestellt, daß der Zeuge L. im Jahre 1986 dem
gesondert verfolgten S. dabei behilflich war, einen von S. geleasten Porsche 930 Turbo
bei dem gesondert verfolgten C. unterzustellen, wobei dem Zeugen L. klar war, daß S.
bei seiner Versicherung wahrheitswidrig einen Diebstahl anzeigen würde, um in den
Genuß von Versicherungsleistungen zu gelangen.
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Die vorstehenden, in Kürze wiedergegebenen Straftaten des Zeugen L. verbieten es
dem Senat im Streitfall, den Bekundungen des Zeugen einen entscheidungsrelevanten
Beweiswert beizumessen. Dies gilt auch unter Berücksichtigung der Tatsache, daß
auch ein unredlicher Versicherungsnehmer oder ein unredlicher berechtigter Fahrer
eines Kraftfahrzeugs Opfer eines Diebstahls werden kann. Soweit die Klägerin in
diesem Zusammenhang einwendet, trotz der Vorverurteilung des Zeugen L. und der
Tatsache, daß es zur Anklageerhebung wegen der Vortäuschung eines weiteren Kfz-
Diebstahls wegen Verfolgungsverjährung nicht gekommen ist (Bl. 1648 der Strafakte 53
Js 2/89 StA Köln), sei kein Grund erkennbar, warum der Zeuge L. der Wahrheit zuwider
das Abstellen des Fahrzeugs in V. bekundet haben könnte, übersieht sie, daß der
Zeuge L. jedenfalls dann ein sich aufdrängendes Motiv zur Falschaussage hatte, wenn
er von ihm vormals bereits praktizierte kriminelle Verhaltensweisen wieder
aufgenommen und das Kraftfahrzeug verschoben hat.
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Die hiernach in der Person des Zeugen L. begründeten Zweifel an der Richtigkeit seiner
Sachdarstellung zu dem von ihm bekundeten Abstellen des Fahrzeugs am 03.05.1994
in V. gehen zu Lasten der für das äußere Bild darlegungs- und beweispflichtigen
Klägerin. Ihre Berufung war deshalb mit der Kostenfolge des § 97 Abs. 1 ZPO
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zurückzuweisen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§
708 Nr. 10, 713 ZPO.
Streitwert und Wert der
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Beschwer der Klägerin: 35.565,22 DM
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