Urteil des OLG Köln vom 27.01.2003

OLG Köln: beweisverfahren, verfahrenseinleitung, inventar, hausrat, rückgriff, sanierung, beweisergebnis, gewährleistung, bauvertrag, datum

Oberlandesgericht Köln, 17 W 271/02
Datum:
27.01.2003
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
17. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
17 W 271/02
Vorinstanz:
Landgericht Aachen, 12 OH 5/01
Tenor:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Das Verfahren über die Beschwerde ist gerichtsgebührenfrei. Kosten
werden nicht erstattet.
G r ü n d e
1
Die Streitwertbeschwerde des Verfahrensbevollmächtigten der Antragsgegnerin ist
zulässig, hat jedoch in der Sache keinen Erfolg. Der Gegenstandswert für das
selbständige Beweisverfahren ist vom Landgericht zu Recht auf 15.000,00 EUR
festgesetzt worden.
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Der Senat folgt der obergerichtlichen Rechtsprechung, derzufolge bei der Bemessung
des Gegenstandswerts für ein selbständiges Beweisverfahren, das werkvertragliche
Gewährleistungsansprüche bei Baumängeln zum Gegenstand hat, maßgeblich auf den
objektivierbaren Mängelbeseitigungsaufwand abzustellen ist. Danach kommt es nicht
auf die subjektive Einschätzung des Antragstellers in seiner Antragsbegründung an,
sondern auf die objektive Bewertung der mitgeteilten Beweistatsachen (vgl. OLG
Frankfurt/Main BauR 1997, 518; OLG Köln OLGR 1999, 80; OLG Frankfurt/Main OLGR
1999, 140; vgl. ferner Siegburg, Handbuch der Gewährleistung beim Bauvertrag, 4.
Aufl., Rz. 2430 ff. -m.w.N.-), und zwar im Zeitpunkt der Verfahrenseinleitung (OLG
Hamburg NJW-RR 2000,827; Zöller/Herget, ZPO, 23. Aufl., § 3 Rn. 16 "Selbständiges
Beweisverfahren" m.w.N.).
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Der Senat folgt damit nicht der Auffassung, wonach der Gegenstandswert sich
ausschließlich nach dem das Verfahren einleitenden Antrag und den dort
zugrundegelegten Wertangaben richten soll (vgl. OLG Hamm OLGR 1996, 203; OLG
Koblenz BauR 1998, 593; OLG Bamberg OLGR 1998, 282; OLGR 1999, 295; OLGR
1999, 203). Desgleichen erachtet es der Senat nicht als gerechtfertigt, an einer auf
deutlich überhöhten Angaben der antragstellenden Partei beruhenden
Streitwertfestsetzung unabänderlich festzuhalten (so aber OLG Celle OLGR 1997, 183;
OLG Frankfurt/Main OLGR 1999, 140). Die Bemessung des Gegenstandswerts aufgrund
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einer objektiven Bewertung der mitgeteilten Tatsachen gebietet sich aus allgemeinen
zivilprozessualen Grundsätzen. So wie die Partei ihre Streitwertangaben gemäß § 23
Abs. 2 GKG jederzeit berichtigen kann, darf auch das Gericht nach § 25 Abs. 2 Satz 2, 3
GKG seine Streitwertfestsetzung ändern. Wegen des Grundsatzes der materiellen
Wahrheit ist das Gericht verpflichtet, den der Parteidisposition entzogenen wirklichen
Wert - ggf. unter Abänderung einer unrichtigen früheren Wertveranschlagung -
festzusetzen (vgl. Siegburg a.a.O. Rz. 2433 -m.w.N.-).
Im gegebenen Fall kann bei objektiver Bewertung der zugrundeliegenden Tatsachen
kein höherer Gegenstandswert als 15.000,00 EUR festgesetzt werden:
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Die Beweisaufnahme hat die Wertangaben der Antragstellerin in ihrer Antragsschrift
vom 28.03.2001 nicht bestätigt. Die vom Landgericht beauftragte Sachverständige X hat
Schadensbeseitigungskosten in Höhe von insgesamt 27.000,00 DM netto ermittelt.
Unter Einschluss der gesetzlichen Mehrwertsteuer ergäbe sich ein Bruttobetrag von
31.320,00 DM, in welchem allerdings ein Abzug "neu für alt" nicht enthalten ist. Unter
Berücksichtigung eines solchen Abzuges kann nach dem Beweisergebnis damit von
einem Gegenstandswert von insgesamt ca. 30.000,00 DM ausgegangen werden.
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Soweit die Antragstellerin weiter geltend gemacht hat, dass neben einer Sanierung von
Schornstein und pilzkontaminierten Flächen auch eine Dekontaminierung von Inventar
und Hausrat, evtl. weitere Maßnahmen erforderlich seien und Sanierungskosten von
insgesamt ca. 172.000,00 DM anfielen, kann dies der Streitwertfestsetzung nicht
zugrundegelegt werden. Die von der Antragstellerin anfangs des Verfahrens vertretene
Auffassung spiegelt nicht den durch die Beweiserhebung objektivierten Wert wieder,
sondern nur deren subjektiven Standpunkt, der sich aus den vom Landgericht im
Nichtabhilfebeschluss vom 8.10.2002 dargelegten Gründen, denen der Senat beitritt, im
Beweisaufnahmeverfahren nicht bestätigt hat. Die in der Antragsschrift vertretene
Überbewertung des Gegenstandswerts, von der die Antragstellerin nach
Gutachtenerstattung Abstand genommen hat, ist damit für die Festsetzung des
Gegenstandswerts nicht verbindlich.
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Auch das mit Schriftsatz vom 18.10.2002 vorgelegte Anspruchsschreiben der
Antragstellerin vom 2.10.2002 (GA 176 ff.) bietet zu einer Abänderung der
angefochtenen Entscheidung keinen Anlass. Entscheidend ist insoweit, dass auf das
Interesse der Antragstellerin bei Verfahrenseinleitung abzustellen ist. Dieses Interesse
hat sich im Beweisverfahren lediglich im Umfang der von der Sachverständigen X
vorgenommenen Kostenschätzungen objektiviert. Die von der Antragstellerin nach
Abschluss des Beweisverfahrens erhobenen Forderungen rechtfertigen - soweit sie
denn zu den Kosten gehören, deren Ermittlung Gegenstand des Beweisverfahrens
gewesen war - keinen Rückgriff auf deren Vorstellungen bei Einleitung des
selbständigen Beweisverfahrens.
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Eine Kostenentscheidung ist mit Rücksicht auf § 25 Abs. 4 GKG nicht veranlasst.
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