Urteil des OLG Köln vom 08.12.1994

OLG Köln (ddr, der rat, gemeinde, zgb, kaufpreis, heilung des formmangels, vertrag, bundesrepublik deutschland, einmalige abfindung, eigentum)

Oberlandesgericht Köln, 18 U 15/94
Datum:
08.12.1994
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
18. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
18 U 15/94
Vorinstanz:
Landgericht Köln, 20 O 491/92
Tenor:
Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Köln
vom 1.12.1993 - 20 O 491/92 - abgeändert. Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz trägt die Klägerin. Die
Kosten des Berufungsverfahrens werden dem Beklagten auferlegt. Das
Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
T a t b e s t a n d
1
Die Parteien sind geschiedene Eheleute, die bis 1987/89 in der ehemaligen DDR
lebten. Ihre Ehe ist seit dem 5.12.1990 geschieden. Mit der Klage ver- langt die Klägerin
in erster Linie Auszahlung ei- nes angeblich vom Beklagten aus einem Hausverkauf
vereinnahmten Betrages von 29.250,-- DM.
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Im Jahre 1979 errichteten die Parteien in G. bei Potsdam auf dem ihnen vom
ehemaligen Staat der DDR zur unbefristeten Nutzung überlassenen Grundstück "A.K.
45" ein Einfamilienhaus, das ihnen nach dem Güterrecht der DDR gemeinschaftlich
gehörte. Nach einem gemeinsam gefaßten Beschluß, in die Bundesrepublik
Deutschland auszureisen, siedelte zunächst am 18.9.1987 die Klägerin in die Bundes-
republik über, indem sie nach einem genehmigten Besuch bei Bekannten in H. nicht
mehr in die DDR zurückkehrte. Es existiert eine von der Klägerin unter dem 15.9.1987
unterzeichnete sogenannte "Ei- desstattliche Erklärung" (Bl. 22 AH), in der die Klägerin
bestätigt, eine einmalige Abfindung von 80.000,-- M (Ost) erhalten und keine Anrechte
mehr auf das Haus zu haben.
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Am 20.9.1989 siedelte auch der Beklagte mit seinen beiden Söhnen im Wege einer
genehmigten Familien- zusammenführung in die Bundesrepublik über. Dabei
veräußerte er das Eigenheim für 117.300,-- M (Ost) an das jordanische Ehepaar C. und
M. K. auf fol- gende Weise:
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Nachdem der Beklagte zunächst am 18.7.1989 hand- schriftlich erklärt hatte, als
"rechtmäßiger Ei- gentümer des Eigenheimes" dieses an die Eheleute K. zu verkaufen
(Bl. 32 BA), erteilte er den Zeugen K. am 15.8.1989 schriftlich folgende Voll- macht:
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"Hiermit erteilte ich D.S., dem Ehepaar M. und C. K. die Vollmacht zur Wahrnehmung
ihrer vermögensrechtlichen Ansprüche, die sich aus der Nutzung und Investitionen in
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die Aufbauten auf dem Grundstück G. , A. K. 45 ergeben..." (Bl. 33 BA).
Aufgrund dieser Vollmacht, die vom staatlichen Notariat Potsdam-Land beglaubigt und
vom Rat des Bezirks Potsdam genehmigt wurde, schlossen das Ehepaar K. und der Rat
der Gemeinde G. am 5.12.1989 - also nach der Ausreise des Beklagten - eine
schriftliche Vereinbarung, die auszugsweise wie folgt lautete:
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"Als bevollmächtigte Personen, Ehepaar K., ...wird der Rat der Gemeinde G. als Besitzer
und Verkäufer des Eigenheims A.K. 45 bestimmt. Damit wird Rat der Gemeinde ins
Grundbuch eingetragen. Nun wird auch die Gewährung eines Kreditvertrages für das
Ehepaar K. möglich.
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Nach Gewährung des Kreditvertrages erfolgt der Abschluß des Kaufvertrages. Der Rat
der Gemein- de G. verkauft die Aufbauten auf dem Grund- stück, A.K. 45, an das
Ehepaar K. unter Auf- sicht der Notarin, K.G..
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Den Kaufpreis in Höhe von 117.300,-- M soll je zu 1/3 auf die noch einzurichtenden
Devisenaus- länderkonten für D., M. und A. S. eingezahlt werden." (Bl. 46 BA)
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Am 12.1.1990 schlossen sodann der Rat der Ge- meinde G. und die Zeugen K. einen
notariellen Kaufvertrag, in dem der Rat der Gemeinde G. den Eheleuten K. das
Eigenheim für 117.300,-- M (Ost) verkaufte und wonach der Kaufpreis auf ein näher
bezeichnetes Konto des Rates der Gemeinde G. bei der Staatsbank Potsdam eingezahlt
werden sollte (Bl. 23 BA). Dieser Vertrag wurde vom Rat des Bezirks Potsdam
genehmigt. Die Zeugen K. wurden im Mai oder Juni 1990 als Eigentümer des
Eigenheims ins Grundbuch eingetragen.
11
Den Kaufpreis von 117.300,-- M (Ost), der nach der Währungsumstellung einem
Kaufpreis von 58.650,-- DM entspricht, zahlten die Zeugen K. an die Gemeinde G., die
dem Beklagten hiervon am 22.8.1990 Mitteilung machte (Bl. 149 GA). Der Be- klagte
ließ sich das Geld jedoch nicht auszahlen, sondern bemühte sich stattdessen um eine
Rücküber- tragung des Eigenheims. Nachdem er seine Vollmacht vom 15.8.1989
bereits im Januar oder Februar 1990 widerrufen hatte, leitete er am 14.9.1990 ein
entsprechendes Restitutionsverfahren ein (Bl. 154 GA). Einen Antrag auf Eintragung
eines Widerspruchs im Wege einstweiliger Verfügung beim Kreisgericht Potsdam-Land
- 22 C 474/91 - nahm er später zurück.
12
Mit der Klage beansprucht die Klägerin die Hälfte des Kaufpreises für sich.
13
Sie hat behauptet, die Hälfte des Geldes, das dem Beklagten auf einem Sonderkonto
zur Verfügung ge- stellt worden sei, stehe ihr zu, da sie Miteigen- tümerin des
Eigenheims gewesen sei. Die Angaben in der auf den 15.9.1987 datierten
"Eidesstattlichen Erklärung" seien fiktiv. Jene Erklärung habe sie nur abgegeben, um
eine bei "Republikflucht" damals übliche Vermögenseinziehung seitens des Staates zu
verhindern und das Haus der Familie zu erhalten. Tatsächlich habe sie vom Beklagten
kein Geld erhalten. Sie habe die Erklärung auch nicht am 15.9.1987, sondern erst
während ihres zweiwöchigen Besuchsaufenthalts in der Bundesrepublik abgefaßt und
entsprechend zurückdatiert. Der Beklagte sei daher um die Hälfte des Kaufpreises
ungerechtfer- tigt bereichert.
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Die Klägerin hat beantragt,
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den Beklagten zu verurteilen, an sie 29.250,-- DM nebst 4 % Zinsen seit dem 15.8.1990
zu zahlen.
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Der Beklagte hat beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Er hat behauptet, er habe die Klägerin ent- sprechend der "Eidesstattlichen Erklärung"
vom 15.9.1987 für ihren Hausanteil abgefunden. Die Parteien hätten sich bereits 1987
getrennt. Aus diesem Grunde habe die Klägerin ihm ihre Haushälf- te übertragen. Sie
habe dafür am 15.9.1987 von ihm persönlich 10.000,-- DM erhalten und vom Zeugen H.
weitere 70.000,-- DM, die dieser ihm (dem Beklag- ten) darlehensweise zur Verfügung
gestellt habe.
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Das Landgericht hat nach Beweisaufnahme den Be- klagten aus dem Gesichtspunkt der
ungerechtfertig- ten Bereicherung antragsgemäß verurteilt. Es hat als nicht bewiesen
angesehen, daß der Beklagte tatsächlich einen Abstand an die Klägerin für deren
Grundstückshälfte gezahlt habe, und die Ver- einbarung der Parteien vom 15.9.1987
gemäß § 117 BGB als nichtig angesehen.
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Mit der Berufung verfolgt der Beklagte seinen Kla- geabweisungsantrag weiter. Er greift
insbesondere die Beweiswürdigung des Landgerichts an und macht geltend, auch nach
dem Vortrag der Klägerin sei die Eigentumsübertragung auf ihn tatsächlich ge- wollt
gewesen, da anderenfalls die Haushälfte der Klägerin staatlicherseits eingezogen
worden wäre. Es liege daher eine wirksame Eigentumsübertragung und kein
Scheingeschäft vor.
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Er bestreitet jetzt ausdrücklich, aus dem Hausver- kauf Geld erhalten zu haben; auch
habe er keinen Zugriff auf ein etwaiges Konto. Er betreibe sei- nerseits vielmehr die
Rückgabe des Eigenheims nach dem Vermögensgesetz, weil er vom ehemaligen Staat
der DDR durch unlautere Mittel zum Verkauf des Hauses gedrängt worden sei. Das
Ministerium für Staatssicherheit der DDR habe ihm seinerzeit das Ehepaar K.
präsentiert und ihn mit der Drohung, bei einer kurzfristigen Ausweisung werde er keine
Zeit mehr zu einer Veräußerung haben, zur Abgabe der Vollmachtserklärung veranlaßt.
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Der Beklagte beantragt,
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unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen.
24
Die Klägerin beantragt,
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1. die Berufung zurückzuweisen;
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2. hilfsweise, den Beklagten zu verurteilen, darin einzuwilligen, daß der bei der
Gemeinde G. (Amt Stahnsdorf) hinterlegte Kaufpreis aus dem Verkauf des
Hausgrundstücks G. , Ortsteil K., A.K. 45, zur Hälfte an die Klägerin ausgezahlt wird;
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3. weiter hilfsweise, den Beklagten zu verurtei- len, darin einzuwilligen, daß im Falle der
Rückübertragung des Eigenheims 1/2-Anteil die- ses Eigenheims auf die Klägerin
zurück übertra- gen wird.
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Die Klägerin verteidigt das erstinstanzliche Ur- teil und behauptet, der Kaufpreis sei von
den Zeu- gen K. auf ein Konto eingezahlt worden, über das der Beklagte allein
verfügungsbefugt sei. Die vom Beklagten behaupteten Umstände des Hausverkaufs
1989 bestreitet sie. Der Beklagte habe sich die Käufer selbst ausgesucht. Sie und ihr
Mann seien bereits 1987 davon ausgegangen, daß sie ihr Haus verkaufen müßten,
wenn sie in den Westen gingen. Der geltend gemachte Zahlungsanspruch stehe ihr
zumindest als Zugewinnsausgleich zu.
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Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streit- standes wird auf den Akteninhalt,
insbesondere die vorgelegten Unterlagen, verwiesen. Die Akten des Kreisgerichts
Potsdam-Land - 22 C 474/91 - waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung. Auf
ihren Inhalt wird ebenfalls Bezug genommen.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
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Die in formeller Hinsicht bedenkenfreie Berufung hat auch in der Sache Erfolg.
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I. Die Klage ist zulässig, wobei die Frage, ob für die von der Klägerin geltend gemachten
Ansprüche der Rechtsweg zu den Zivilgerichten eröffnet ist oder ob das
Vermögensgesetz (VermG) hierfür die Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte
begründet, vom Senat nicht mehr zu prüfen war, § 17 a Abs. 5 GVG. Das Landgericht
hat die Zulässigkeit des Rechtsweges durch das angefochtene Sachurteil in- zidenter
bejaht, ohne daß dies verfahrensrechtlich zu beanstanden wäre. Da nämlich der
Beklagte die Zulässigkeit des Rechtswegs in I. Instanz nicht gerügt hat, war das
Landgericht zu einer Vorabent- scheidung durch Beschluß gemäß § 17 a Abs. 3 GVG
nicht verpflichtet. In derartigen Fällen ist dem Berufungsgericht gemäß § 17 Abs. 5 GVG
die Prüfung der Zulässigkeit des Rechtswegs entzogen (BGH, NJW 93, 389 f m.w.N.;
1799 f).
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II. Die Klage ist aber unbegründet, und zwar sowohl hinsichtlich des Hauptantrags, als
auch bezüglich der beiden Hilfsanträge.
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1. Ein Anspruch auf Zahlung von 29.500,-- DM, wie er mit dem Hauptantrag geltend
gemacht wird, steht der Klägerin gegen den Beklagten nicht zu. Ein solcher Anspruch
könnte sich nur aus Auftrag (§ 203 des Zivilgesetzbuches - ZGB - der DDR bzw. § 667
BGB) oder ungerechtfertiger Bereiche- rung (§ 356 ZGB DDR bzw. § 812 BGB) ergeben
und setzt damit voraus, daß der Beklagte einen Betrag von 29.500,-- DM aus dem
Hausverkauf tatsächlich erlangt hat. Hierfür hat die Klägerin jedoch nicht genügend
vorgetragen.
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Soweit sie behauptet, das Geld sei dem Beklagten auf einem bei dem Amt St.
eingerichteten Sonder- konto zur Verfügung gestellt worden, über das der Beklagte
alleine verfügungsbefugt sei, ist dies schon nach den eigenen, von der Klägerin
eingereichten Unterlagen nicht richtig. Aus dem Schreiben des Amtes St. vom
25.04.1994 (Bl. 168 GA) ergibt sich, daß sich der Kaufpreis bei der Gemeinde G.
befindet und von dieser fest angelegt worden ist. Dafür, daß sich das Geld dort noch
befindet und nicht etwa dem Beklagten zur Verfü- gung steht, sprechen auch sowohl der
notarielle Kaufvertrag vom 12.01.1990, in dem vereinbart wurde, daß der Kaufpreis von
den Eheleuten K. "an den Veräußerer" auf ein näher bezeichnetes Konto "des Rates der
Gemeinde G." eingezahlt werden sollte, als auch das von der Klägerin vorgelegte
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Schreiben der Gemeindeverwaltung G. vom 22.08.1990 (Bl. 149 GA), worin die
Gemeinde dem Beklagten den Verkauf des Hauses mitteilt und um Angabe von Kon-
tonummern bittet, auf die der Kaufpreis eingezahlt werden könne. Wie inzwischen
unstreitig ist, hat sich der Beklagte den Betrag in der Folgezeit aber nicht auszahlen
lassen, sondern sich um Rückgabe des Eigenheims bemüht; dies wird auch durch ent-
sprechende Schreiben des Beklagten vom 13.07.1990 (Bl. 41 BA) und vom 14.09.1990
(Bl. 154 GA) be- legt. Die Behauptung einer Zurverfügungstellung des Betrages auf
einem Sonderkonto mit Alleinver- fügungsbefugnis des Beklagten ist danach ersicht-
lich ins Blaue hinein erfolgt und mangels näherer Angaben zu kontoführender Stelle und
Kontonummer unsubstantiiert.
Der Beweisantrag auf Vernehmung der Zeugen K. ist insoweit als Ausforschungsantrag
unzulässig, zumal nicht ersichtlich ist, wieso die Zeugen K. hierzu Näheres wissen
sollen.
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Der mit dem Hauptantrag geltend gemachte Zahlungs- betrag kann auch nicht als
Zugewinnsausgleich ver- langt werden. Zum einen setzt die Geltendmachung des
Zugewinns eine Darlegung und Verrechnung des beiderseitigen Zugewinns voraus (§§
1378, 1373 ff BGB). Und zum anderen ist für einen derartigen Ausgleichsanspruch
erstinstanzlich auch nicht das Landgericht, sondern das Familiengericht/Amtsge- richt
zuständig (§ 621 Abs. 1 Ziff. 8 ZPO).
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2. Soweit die Klägerin im Berufungsrechtszug hilfs- weise beantragt, den Beklagten zu
verurteilen, darin einzuwilligen, daß der hinterlegte Kaufpreis zur Hälfte an sie
ausgezahlt werde, ist die Klage ebenfalls unbegründet.
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Auch insoweit kommen als Anspruchsgrundlage Auf- trag (§§ 203 ZGB DDR bzw. 667
BGB) und ungerecht- fertigte Bereicherung (§§ 356 ZGB DDR bzw. 812 BGB) in
Betracht. Wenn nämlich der Beklagte gegen die Gemeinde G./Amt St. einen Anspruch
auf Auszah- lung des Kaufpreises hätte, so könnte der Beklagte nach den vorgenannten
Bestimmungen zur Herausgabe in der Weise verpflichtet sein, daß er einer Aus-
zahlung des hälftigen Kaufpreises an die Klägerin zustimmen müßte.
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Dem Beklagten steht aber gegen die Gemeinde G. kein Anspruch auf Zahlung von
58.500,-- DM zu.
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a) Ein solcher Anspruch ergibt sich nicht aus dem notariellen Kaufvertrag vom
12.01.1990. An diesem Kaufvertrag, der zwischen dem Rat der Gemeinde G. und den
Zeugen K. abgeschlossen worden ist, war der Beklagte in keiner Weise beteiligt. Es
handelt sich auch nicht um einen Vertrag zugunsten Drit- ter, da der Beklagte dort auch
nicht als Drittbe- günstigter benannt ist; insbesondere sollte der Kaufpreis nach dem
Vertrag nicht an den Beklagten, sondern an die Gemeinde G. gezahlt werden.
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b) Aus der zeitlich früher liegenden privatschriftli- chen Vereinbarung vom 05.12.1989,
die zwischen den Zeugen K. als "Bevollmächtigten" und der Gemeinde G.
abgeschlossen worden ist, ergibt sich ebenfalls kein Zahlungsanspruch des Beklagten.
Denn diese Vereinbarung ist, abgesehen von der Frage, ob die Eheleute K. bei
Abschluß dieses Vertrages über- haupt erkennbar für den Beklagten gehandelt haben,
auch nach früherem DDR-Recht unwirksam.
43
Für die zivilrechtliche Wirksamkeit der vor dem Beitritt der ehemaligen DDR am
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03.10.1990 abge- schlossenen Verpflichtungsgeschäfte und Eigentums- übertragungen
ist nach Art. 232 § 1 und Art. 233 § 2 EGBGB das Recht der früheren DDR maßgeblich
(BGH, NJW 93, 389 f m.w.N.). Für die Übertragung des Eigentums an einem Eigenheim,
das von einem Bürger der früheren DDR in Ausübung des ihm vom Staat verliehenen
Nutzungsrechts an einem volksei- genen Grundstück errichtet worden war und das des-
halb sein Eigentum war (§§ 287 Abs. 1, 288 Abs. 4 ZGB DDR), galten danach die
Vorschriften für Grundstücke entsprechend, § 295 Abs. 2 S. 2 ZGB DDR.
Da hier durch den Vertrag vom 05.12.1989 das Eigentum an dem auf dem Grundstück
K. 45 errichte- ten Eigenheim übertragen werden sollte, bedurfte es gemäß §§ 297 Abs.
1, 295 Abs. 2 ZGB DDR zur Wirksamkeit des Vertrages sowohl der Beurkundung -
durch das Staatliche Notariat oder das sonst zuständige Organ (§§ 67 Abs. 1 S. 3 ZGB
DDR, 5, 6 Grundstücksdokumentationsordnung - GDO DDR) - als auch der staatlichen
Genehmigung. An beidem fehlt es hier. Weder ist der Vertrag durch das Staatliche
Notariat oder den Rat des Bezirks (§§ 5, 6 GDO DDR) beurkundet worden, noch ist er
gemäß §§ 2, 7 Grundstücksverkehrsverordnung - GVVO DDR vom Rat des Kreises
genehmigt worden. Beides führt zur Nichtkeit des Vertrages. Hinsichtlich des
Formmangels folgt dies aus § 66 Abs. 2 ZGB DDR (siehe auch BGH, DtZ 94, 345 f),
bezüglich der fehlenden staatlichen Genehmigung ergibt es sich aus § 68 Abs. 1 Nr. 4
ZGB DDR. Eine Heilung des Formmangels, etwa durch Eintragung ins Grundbuch,
entsprechend der Regelung des § 313 S. 2 BGB kennt das frühere Recht der DDR nicht.
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Selbst wenn man in der Vereinbarung vom 05.12.1989 nur einen Eigentumsverzicht im
Sinne von § 310 ZGB DDR sähe, wogegen allerdings die mit der "Ver- einbarung"
ersichtlich gewollte Verquickung der Eigentumsänderung mit einer Gegenleistung
spricht, so würde dies am Ergebnis nichts ändern. Auch dann wäre nämlich der Vertrag
formnichtig. Er hätte dann zwar nicht der Beurkundung bedurft; gemäß §§ 310 ZGB
DDR, 5, 6 GDO, 2, 7 GVVO DDR hätte ein Eigentumsverzicht aber gegenüber dem Rat
des Krei- ses oder des Bezirks erklärt und beglaubigt oder dort zu Protokoll erklärt
werden müssen. Außerdem hätte es auch insoweit der staatlichen Genehmigung - wie
oben dargelegt - bedurft.
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Der Vertrag vom 05.12.1989 war daher in jedem Falle wegen Formmangels und
fehlender staatlicher Genehmigung gemäß §§ 66 Abs. 2, 68 Abs. 1 Nr. 4 ZGG DDR
unwirksam. Da das frühere Recht der DDR das Abstraktionsprinzip nicht kannte und die
Unwirksamkeit der Übereignung dementsprechend zur Unwirksamkeit des gesamten
Geschäfts führte (siehe BGH, NJW 93, 389; 94, 1283, 1285; DtZ 94, 345 f), steht dem
Beklagten somit kein vertraglicher Zah- lungsanspruch gegen die Gemeinde G. zu.
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c) Ebensowenig hat der Beklagte gegen die Gemeinde einen Anspruch aus
ungerechtfertigter Bereicherung gemäß § 356 ZGB DDR bzw. § 812 BGB. Unstreitig hat
die Gemeinde den Kaufpreis von 58.500,-- DM nämlich durch Zahlung der Zeugen K.
erlangt. "Zum Nachteil" oder auf Kosten des Beklagten und even- tuell auch der
Klägerin könnte sie das Geld nur dann erlangt haben, wenn der zwischen ihr und den
Zeugen K. abgeschlossene notarielle Kaufvertrag mit Eigentumsübertragung vom
12.01.1990 wirksam oder jedenfalls nicht rückabzuwickeln wäre. Dann nämlich hätten
die Parteien ihr Eigentum an dem Haus verloren, und die Gemeinde wäre um den
Gegen- wert auf Kosten des Beklagten (oder auch der Klä- gerin) bereichert, da auch
nach der (unwirksamen) Vereinbarung vom 05.12.1989 die Gegenleistung für das
Hauseigentum letztlich dem Beklagten als ver- meintlichem Hauseigentümer zukommen
sollte.
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Tatsächlich aber hat der notarielle Übertra- gungsvertrag vom 12.01.1990 den Zeugen
K. kein Eigentum verschaffen können. Nach § 27 ZGB DDR tritt ein Eigentumsübergang
nur dann ein, wenn der Veräußerer selbst Eigentümer oder aber zur Veräu- ßerung
berechtigt ist; ein Gutglaubenserwerb an Grundstücken oder Eigenheimen war nach
DDR-Recht nicht möglich (§§ 27, 28 ZGB DDR; BGH, DtZ 94, 345 f; ZGB-Kommentar
des Justizministeriums der DDR, 1983, § 27). Da hier die Gemeinde G. durch den
Vertrag vom 05.12.1989 - wie dargelegt - kein Eigentum erworben hatte, konnte sie
demzufolge ihrerseits auch kein Eigentum an die Zeugen K. übertragen. Steht aber das
Haus tatsächlich noch im Eigentum des Beklagten oder der Parteien (gemäß §§ 14
Familiengesetz - FamG DDR, 13 Abs. 1 S. 1 EGFamG DDR, 66, 67 ZGB DDR) bedurfte
auch eine Eigentumsübertragung von der Klägerin auf den Beklagten zur Wirksamkeit
der Beurkundung (vgl. BGH, NJW 94, 1283 f) so hat die Gemeinde G. den Kaufpreis
jedenfalls nicht auf Kosten des Beklag- ten (bzw. der Parteien) erlangt. Vielmehr wird sie
den Kaufpreis wegen ihres Unvermögens der Ei- gentumsverschaffung an die Zeugen
K. zurückzahlen müssen, während der Beklagte bzw. beide Parteien das Eigenheim von
den Zeugen K. herausverlangen können.
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Ein solcher Herausgabeanspruch bezüglich des Ei- genheims ist auch nicht durch einen
Restitutions- anspruch nach dem Vermögensgesetz verdrängt. Zwar geht es vorliegend
um einen Vermögenswert, der "nach Überführung in Volkseigentum durch den
Verfügungsberechtigten an Dritte veräußert" (§ 1 Abs. 1 Lit. c VermG) bzw. "aufgrund
unlauterer Machenschaften, z.B. durch ... Nötigung oder Täuschung von Seiten des
Erwerbers, staatlicher Stellen oder Dritter erworben wurde" (§ 1 Abs. 3 VermG). Nach
Rechtsprechung des Bundesgerichts- hofs, der sich der Senat anschließt, setzen diese
Bestimmungen jedoch eine ansonsten nach DDR-Recht wirksame Überführung in
Volkseigentum bzw. eine wirksame Veräußerung voraus, während bei einer be- reits
aus sonstigen Gründen zivilrechtlich unwirk- samen Eigentumsübertragung der
vermögensrechtliche Tatbestand grundsätzlich nicht erfüllt ist (BGH, NJW 93, 388 f; 389
ff; 94, 1283 ff; DtZ 94, 345 f; Wasmuth in Rechtshandbuch Vermögen und Investi- tionen
in der ehemaligen DDR, Band I, Kommentar, § 1 VermG Rdnr. 104). An beidem fehlt es
hier. Bereits die Eigentumsübertragung an die Gemeinde G. war nicht wirksam. Die
Formwidrigkeit des Vertrages vom 05.12.1989 und die daraus folgende fehlende
Eigentümerstellung der Gemeinde G. beim notariellen Vertrag vom 12.01.1990 stellen
zu dem - nach dem Beklagtenvortrag gegebenen - rechtswid- rigen staatlichen Druck,
unter dem die Geschäfte zustandegekommen sein sollen, hinzutretende Mängel dar, die
dem allgemeinen Risiko des Rechtsverkehrs in der ehemaligen DDR zuzurechnen sind.
Anderes hätte nur dann zu gelten, wenn die den Verträgen anhaftenden Mängel selbst
einen Tatbestand des Teilungsunrechts ausmachten, nämlich als unerlaub- te
Machenschaften zu werten wären (BGH, NJW 93, 388 f; 389 ff; DtZ 94 a.a.O.; OLG
Rostock, DtZ 94, 249 f). Dies ist hier jedoch nicht der Fall. Das Unterbleiben der
notariellen Beurkundung des Vertrages vom 05.12.1989 war auch nach dem Beklag-
tenvorbringen nicht Bestandteil der unlauteren Ma- chenschaften. Vielmehr setzte deren
Erfolg gerade voraus, daß die nach dem allgemeinen Recht der DDR vorgeschriebene
notarielle Beurkundungsform ge- wahrt wurde (vgl. BGH, DtZ 94, 345 f).
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Nach allem steht dem Beklagten somit kein Anspruch gegen die Gemeinde auf
Auszahlung des Kaufpreises zu - mit der Folge, daß auch die Klägerin nicht
Einwilligung in die hälftige Auszahlung des Betra- ges an sie verlangen kann.
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3. Der weiter gestellte Hilfsantrag auf Einwilligung des Beklagten dahingehend, daß im
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Falle der Rück- übertragung des Eigenheims ein Hälfteanteil an diesem Eigenheim auf
die Klägerin zurückübertragen wird, ist schließlich ebenfalls unbegründet. Wie sich aus
dem Vorstehenden ergibt, steht dem Be- klagten kein Anspruch auf Rückübertragung
nach dem Vermögensgesetz zu, so daß auch dieses Einwilli- gungsbegehren der
Klägerin ins Leere geht.
Nach allem war die Klage abzuweisen und das land- gerichtliche Urteil entsprechend
abzuändern.
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Der nach Schluß der mündlichen Verhandlung einge- reichte Schriftsatz der Klägerin
vom 14.11.1994 gab keinen Anlaß zur Wiedereröffnung der mündli- chen Verhandlung,
§§ 156, 296 a ZPO.
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Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91, 97 Abs. 2 ZPO. Die Kosten des
Berufungsverfahrens waren dabei dem Beklagten aufzuerlegen, weil dieser erst in II.
Instanz substantiiert bestritten hat, den Kaufpreis aus dem Hausverkauf tatsächlich
erlangt zu haben.
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreck- barkeit folgt aus § 708 Ziff. 10 ZPO.
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Streitwert und Beschwer der Klägerin: 29.250,-- DM.
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