Urteil des OLG Köln vom 09.11.1993

OLG Köln (kläger, tatsächliche vermutung, werturteil, vermutung, bezeichnung, bezug, zustand, zukunft, zpo, mieter)

Oberlandesgericht Köln, 3 U 37/93
Datum:
09.11.1993
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
3. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
3 U 37/93
Vorinstanz:
Landgericht Aachen, 1 O 562/92
Schlagworte:
Unterlassungsanspruch Ehrverletzend Äußerung Wiederholungsgefahr
Widerruf Tatsachenbehauptung Asozial Werturteil
Normen:
BGB § 823; BGB § 1004
Leitsätze:
1. Der Begriff "asozial" enthält keine widerrufsfähige
Tatsachenbehauptung, sondern ist reines Werturteil. 2. Die zum
Unterlassungsanspruch vorauszusetzende Wiederholungsgefahr wird in
der Regel aus der Tatsache der ehrverletzenden Äußerung vermutet.
Gewichtige und ernstzunehmende spätere Erklärungen desjenigen, der
derartige Äußerung gemacht haben soll, können diese Vermutung
entfallen lassen.
Tenor:
Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Landgerichts Aachen vom
16.12.1992 (1 O 562/92) wird zurückgewiesen. Die Kläger tragen die
Kosten des Berufungsverfahrens. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
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3
Die Berufung ist zulässig, aber unbegründet.
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Die Klage ist unbegründet, weil den Klägern weder ein Anspruch auf Widerruf, noch
auf Unterlassung zusteht.
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Ein Widerrufsrecht steht den Klägern nicht in entsprechender Anwendung der §§
1004 Abs. 1, 823 Abs. 1, 824 Abs. 1 BGB zu, weil es sich bei der angeblichen
Äußerung des Beklagten, die Kläger seien "asozial", nicht um eine widerrufsfähige
Tatsachenbehauptung, sondern um ein reines Wert-urteil handelt, das einem
Widerrufsanspruch nicht zugänglich ist (BGHZ 34, 99; BGH NJW 1966, 649 und NJW
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1989, 774).
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Der Begriff "asozial" erfüllt nicht die eine Tatsachenbehauptung kennzeichnenden
Kriterien. Daß mit der Bezeichnung nicht ein objektivierbarer Zustand bzw. eine
Eigenschaft einer Person oder ein persönliches Verhalten beschrieben wird, zeigt
sich bereits daran, daß der Gehalt des Begriffes "asozial" einer objektiven Klärung
durch Beweis-aufnahme nicht zugänglich ist.
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Auch wenn die angebliche Äußerung mit bestimmten konkreten Vorfällen verbunden
gewesen sein soll, wie dem unaufgeräumten Zustand des Kellers sowie
Mietrückständen, ändert sich dadurch an dem Cha-rakter der Äußerung als bloßer
schlußfolgernder Bewertung nichts. Ob diese konkreten Vorwürfe die Bezeichnung
als "asozial" rechtfertigen könnten, hängt von einer bloßen und nach dem jeweiligen
Standpunkt sicherlich unterschiedlich ausfallenden Bewertung der Tatsachen ab.
Hierdurch wird deut-lich, daß es sich eben nicht um eine Tatsachenbe-hauptung, die
objektiv wahr oder unwahr sein kann, sondern lediglich um ein Werturteil handelt.
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Den Klägern steht auch kein Unterlassungsanspruch zu.
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Unabhängig von der Frage, ob der Beklagte die angebliche Äußerung getan hat, fehlt
es an der für einen Unterlassungsanspruch erforderlichen Wieder-holungsgefahr, die
von den Klägern darzulegen und zu beweisen ist.
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Zwar besteht grundsätzlich für diese Besorgnis ei-ne tatsächliche Vermutung, wenn
ein rechtswidriger Eingriff in Gestalt einer ehrverletzenden Äußerung erfolgt ist. Diese
Vermutung ist im vorliegenden Fall jedoch hinlänglich ausgeräumt durch objektive
Umstände, die die Annahme der Gefahr, der Beklagte würde künftig weitere
ehrverletzende Äußerungen in bezug auf die Kläger abgeben, widerlegen.
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Es ist insbesondere zu berücksichtigen, daß der Beklagte bereits in dem von den in
erster Linie von der angeblichen Äußerung betroffenen Mietern R. angestrengten
Verfahren 1 O 148/92 LG Aachen in einem Vergleich erklärt hat, er habe weder in der
Vergangenheit die Familie R. als "asozial" bezeichnet, noch werde er dies in Zukunft
tun. Dieselbe Äußerung hat er auch im vorliegenden Verfahren bezüglich der Kläger
abgegeben. Hinzu kommt, daß der Beklagte die angebliche Äußerung in
Verärgerung über die Unordnung im Keller des Miet-hauses gemacht hätte und erst
durch Fragen seitens des Mieters R. zur Bezeichnung auch der Kläger als "asozial"
veranlaßt worden wäre.
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Unter diesen Umständen, insbesondere angesichts der für den Beklagten mit dem
Klageverfahren der Mieter R. verbundenen Nachteile, spricht nichts dafür, daß der
Beklagte in Zukunft in bezug auf die Kläger ehrverletzende Äußerungen abgeben
könn-te. Dies war auch für die Kläger bereits bei Kla-geerhebung erkennbar, da
ihnen zu diesem Zeitpunkt der Inhalt des Vergleichs aus dem Klageverfahren der
Mieter R. bekannt war und sich in der bis da-hin verstrichenen Zwischenzeit von cirka
8 Monaten keine ehrverletzenden Äußerungen des Beklagten er-geben bzw.
wiederholt hatten.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die
vorläufige Vollstreck-barkeit auf §§ 708 Nr. 11, 713 ZPO.
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Streitwert der Berufung und Beschwer für die Klä-ger: 4.000,00 DM.
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