Urteil des OLG Köln vom 18.12.2008

OLG Köln: eingriff, ausschluss, liquidität, gesellschafter, zusage, insolvenz, verfügung, beendigung, kausalität, darlehen

Oberlandesgericht Köln, 18 U 162/06
Datum:
18.12.2008
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
18. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
18 U 162/06
Vorinstanz:
Landgericht Bonn, 12 O 1/05
Leitsätze:
Zur Frage enes existenzvernichtenden Eingriffs durch Ausschluss einer
GmbH vom konzerneigenen Cash-Pool-System.
Tenor:
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 27.7.2006 verkündete Urteil
der 2. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Bonn - 12 O 1/05 -
abgeändert und die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung
durch Leistung einer Sicherheit in Höhe von 110 % des vollstreckbaren
Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung
Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages
leistet.
Der Gegenstandswert für das Berufungsverfahren wird auf 1.745.421,49
€ (944.000 € + 801.421,49 € für den Hilfsantrag auf Erstattung der
Ausschüttungen) festgesetzt.
Die Revision wird nicht zugelassen.
G r ü n d e :
1
I.
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Der Kläger nimmt als Insolvenzverwalter der N. M. GmbH die Beklagte als deren
Alleingesellschafterin auf Erstattung der zur Insolvenztabelle angemeldeten und
festgestellten Forderungen der Gläubiger, die durch die Insolvenzmasse nicht gedeckt
sind, in Anspruch. Hilfsweise stützt er die Klage in der Berufung auf Ausschüttungen der
Insolvenzschuldnerin an die Klägerin im Rahmen des Cash-Pool-Verfahrens.
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Die N. M. GmbH wurde 1987 mit einem Stammkapital von 250.000 DM gegründet. Seit
1990 war die Beklagte die einzige Gesellschafterin. Die Insolvenzschuldnerin nahm am
sog. Drecon-Verfahren der Beklagten teil, einem Cash-Pool-Verfahren, bei dem die
Salden auf den Konten der Insolvenzschuldnerin täglich durch Überweisung der
entsprechenden Beträge zwischen der Beklagten und der Insolvenzschuldnerin
ausgeglichen wurden. Mit Schreiben vom 18.9.1995 wies die Insolvenzschuldnerin die
Beklagte darauf hin, dass aus ihrer Sicht das Grundkapital von 250.000 DM der
zwischenzeitlichen Steigerung des Jahresumsatzes von seinerzeit 2,7 Mio. DM auf rd.
20 Mio. DM nicht gerecht werde und bei weitem zu niedrig sei und bat um eine
Kapitalerhöhung auf 5 Millionen DM (Anl. K 7, K 10). Die Hauptverwaltung der
Beklagten nahm hierzu in einem Schreiben an die Hauptniederlassung L. vom
27.11.1995 Stellung (Anl. K 8). Hierin wies sie darauf hin, dass die Gesellschaft, wie die
meisten Tochtergesellschaften, zwar "für sich alleine betrachtet unterkapitalisiert" sei.
Eine Kapitalerhöhung sei dennoch aus mehreren Gründen nicht erforderlich. In dem
Schreiben heißt es hierzu u.a.: "Die Finanzierung der Beteiligungsgesellschaften ist
grundsätzlich zu jedem Zeitpunkt über die C. + C. Bauaktiengesellschaft sichergestellt.
Das heißt, es besteht nicht die Gefahr eines Liquiditätsengpasses wegen
unzureichender Eigenkapitalausstattung."
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Am 12.2.2001 beschloss die Beklagte, die Insolvenzschuldnerin mit sofortiger Wirkung
von dem Drecon-Verfahren auszuschließen. Gleichzeitig stellte sie ihr eine Kreditlinie
von 300.000 DM zur Verfügung. Am 24.8.2001 beantragte die Insolvenzschuldnerin die
Eröffnung des Insolvenzverfahrens.
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Der Kläger hat die Klage auf die Rechtsprechung zum existenzvernichtenden Eingriff
und auf § 826 BGB gestützt. Die Haftung der Beklagten ergebe sich sowohl aus der
Beendigung der Teilnahme der Insolvenzschuldnerin am Drecon-Verfahren als auch
aus einer im Verhältnis zum Umsatz erheblichen Unterkapitalisierung der
Insolvenzschuldnerin.
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Der Kläger hat beantragt,
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festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, alle zur Insolvenztabelle
angemeldeten und festgestellten Forderungen der Gläubiger der Fa. N. M. GmbH
durch Zahlung in die Insolvenzmasse auszugleichen, soweit diese nicht durch die
vorhandene Insolvenzmasse abzüglich Massekosten und Masseschulden gedeckt
sind. Dabei tritt die Rechtskraftwirkung des § 178 Abs. 2 InsO nicht ein, soweit die
Beklagte keine Gelegenheit zum Widerspruch hatte.
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Die Beklagte hat beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Das Landgericht hat nach Einholung eines Sachverständigengutachtens der Klage
stattgegeben. Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und
Streitstands wird auf das Urteil des Landgerichts Bezug genommen. Die Beklagte
beantragt mit ihrer form- und fristgerecht eingereichten Berufung die Abweisung der
Klage.
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Die Beklagte rügt, dass der vorliegende Sachverhalt weder in den Anwendungsbereich
der auf Richterrecht beruhenden Existenzvernichtungshaftung falle, noch das
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Landgericht die tatbestandlichen Voraussetzungen dieser Haftung zutreffend geprüft
und festgestellt habe. Die Haftung setze einen Eingriff des (Allein)gesellschafters in das
Vermögen der GmbH voraus, der zur Folge habe, dass die GmbH ihren
Verbindlichkeiten nicht mehr nachkommen könne. Diese Voraussetzungen habe das
Landgericht nicht beachtet, ferner habe es Beweisantritte zur fehlenden Ursächlichkeit
der vom Gericht als existenzvernichtenden Eingriff eingestuften Maßnahme für den
Insolvenzantrag übergangen.
Die Beendigung der Teilnahmemöglichkeit am sog. Drecon-Verfahren sei aus mehreren
Gründen kein haftungsbegründender existenzvernichtender Eingriff:
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Soweit das Landgericht der Teilnahme der GmbH an dem Cash-Pool-Verfahren
kapitalersetzende Funktion zumesse, übersehe es, dass Ansprüche aus
existenzvernichtendem Eingriff und Ansprüche aus §§ 30, 31 GmbHG sich
ausschließen. Zudem lägen aber auch die Voraussetzungen der §§ 30, 31 GmbHG
nicht vor. Zum einen unterliege nur das unstreitig vorhandene Stammkapital von
250.000 DM dem Schutz der §§ 30, 31 GmbHG. Zum anderen fehle es an einer
verbotenen Rückzahlung seitens der Insolvenzschuldnerin. Die Teilnahme an einem
Cash-Pool-System wirke wie eine Kreditzusage. Erst mit der bankarbeitstäglichen
Verrechnung der Salden auf dem Verrechnungskonto erfolge die Valutierung und damit
eine konkrete Darlehensvergabe. Der Widerruf einer Kreditzusage könne nie Ansprüche
nach §§ 30, 31 GmbHG zur Folge haben, da hierfür Rückzahlungen auf ein
Gesellschafterdarlehen, durch die das Stammkapital der Gesellschaft angegriffen
werde, erforderlich wären.
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Darüber hinaus liege auch kein Eingriff vor. Ein solcher Eingriff setzte die Entziehung
von Vermögenswerten voraus. Die Beendigung der Teilnahme am Drecon-Verfahren
bedeute dagegen lediglich die Rücknahme einer abstrakten Kreditzusage, führe aber
nicht zu einem Abfluss von Vermögen der GmbH. Vielmehr habe sie - die Beklagte - die
Insolvenzschuldnerin über Jahre hinweg kreditiert; mit der Entscheidung vom 12.2.2001
habe sie ihr lediglich keine weiteren Darlehen mehr gewährt.
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Eine materielle Unterkapitalisierung begründe keine Haftung wegen
existenzvernichtenden Eingriffs. Falsch sei auch die Feststellung des Landgerichts, der
Sachverständige habe eine Unterkapitalisierung festgestellt. Das Gutachten des
Sachverständigen enthalte vielmehr zur Frage der Unterkapitalisierung keine eigenen,
konkreten Feststellungen.
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Es fehle auch an der für die Haftung erforderlichen Kausalität zwischen dem
Vermögensentzug und der Insolvenz der Gesellschaft. Das Landgericht habe die
Kausalität schon nicht hinreichend festgestellt. Auch aus dem Gutachten des
Sachverständigen ergebe sie sich nicht hinreichend konkret. Der Sachverständige sei
vielmehr zu dem Ergebnis gelangt, dass die Beendigung der Teilnahme am Drecon-
Verfahren keine unmittelbaren Auswirkungen auf die Liquidität der Gesellschaft gehabt
habe, vielmehr habe der Gesellschaft ausreichend Liquidität zur Verfügung gestanden.
Dementsprechend sei das Insolvenzverfahren auch nicht wegen Zahlungsunfähigkeit,
sondern wegen Überschuldung eröffnet worden. An der Überschuldung hätte aber auch
die weitere Teilnahme am Drecon-Verfahren nichts geändert, weil durch Abruf von
Mitteln über das Drecon-Verfahren entsprechende Verbindlichkeiten ihr - der Beklagten
- gegenüber entstanden wären. Solche Verbindlichkeiten seien nach der
Rechtsprechung auch dann im Überschuldungsstatus zu passivieren, wenn es sich um
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eigenkapitalersetzende Gesellschafterdarlehen handle. Schließlich könne die
Ursächlichkeit auch deshalb ausgeschlossen werden, weil die Insolvenzschuldnerin auf
den Kreditrahmen von 300.000 DM zur Erfüllung ihrer laufenden Verbindlichkeiten nicht
angewiesen gewesen sei. Sie habe die ihr eingeräumte Kreditlinie nämlich zu keinem
Zeitpunkt voll ausgeschöpft. Da Zahlungseingänge nicht mehr an den Cash-Pool
abgeführt worden seien, habe die Insolvenzschuldnerin über ausreichende eigene
liquide Mittel in Form von Bankguthaben zur Fortführung des operativen
Geschäftsbetriebs verfügt. Sie habe demgemäß auch sämtliche laufenden und fälligen
Verbindlichkeiten gegenüber Drittgläubigern bedient. Damit stehe fest, dass die
Insolvenz nicht auf fehlender Liquidität beruht habe und es daher auch keinen
sachlichen Zusammenhang zwischen der Beendigung des Drecon-Verfahrens und der
späteren Insolvenz gebe.
Zur Höhe der Haftung rügt die Beklagte, dass die vom Landgericht angenommene
Begrenzung der Haftung auf 3 Millionen DM im Tenor der Entscheidung nicht zum
Ausdruck gekommen sei. Ferner müssten auf diesen Betrag ihre bereits erbrachten
Leistungen in Höhe von 688.014,84 € angerechnet werden. Dieser Betrag ergebe sich
aus dem Schuldsaldo auf dem Verrechnungskonto der Insolvenzschuldnerin bei
Beendigung ihrer Teilnahme am Drecon-Verfahren sowie in Rechnung gestellter
Dienstleistungen und Warenlieferungen. Diese Forderung habe sie zur Insolvenztabelle
angemeldet.
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Schließlich erhebt sie die Einrede der Verjährung. Hierzu behauptet sie, der Kläger
habe bereits im Jahr 2001 Kenntnis von dem Anspruch erlangt. Das folge aus seinem
als vorläufiger Insolvenzverwalter erstatteten Gutachten vom 29.10.2001, dessen
Wortlaut in weiten Teilen identisch mit der Klageschrift sei.
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Die Beklagte beantragt,
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das Urteil des Landgerichts abzuändern und die Klage insgesamt abzuweisen.
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Der Kläger beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen,
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hilfsweise,
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die Beklagte zu verurteilen, an ihn 801.421,49 € nebst Zinsen in Höhe von 5
Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 13.2.2001 zu zahlen.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage auch hinsichtlich des Hilfsantrages abzuweisen.
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Der Kläger ist der Ansicht, die Beklagte hafte unbegrenzt, da sie seinerzeit mit
Schreiben vom 27.11.1995 eine unbegrenzte Kreditzusage durch Teilnahme am Cash-
Pool-System erteilt habe. Hierin liege gleichzeitig eine - einer Patronatserklärung
vergleichbare - bindende Zusage, eventuelle Verluste auszugleichen. Die Kreditlinie
habe wie Eigenkapital wirken sollen, was die Beklagte der Insolvenzschuldnerin in der
Besprechung vom 9.1.2001 (Anl. 32 zum Gutachten, Bl. 338 Anlagenband) nochmals
zugesichert habe.
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Die Haftung folge auch aus § 826 BGB unter dem Gesichtspunkt des
existenzvernichtenden Eingriffs. Der Ausschluss vom Drecon-Verfahren bedeute einen
Eingriff in das Vermögen der GmbH. Die zugesagte Liquidität stelle einen
Vermögenswert dar, sie sei wie materielles Eigenkapital zu behandeln. Die
Sittenwidrigkeit des Eingriffs ergebe sich daraus, dass die Insolvenzschuldnerin im
Vertrauen auf die Zusage keine ausreichenden Reserven gebildet habe. Die mit dem
Ausschluss vom Drecon-Verfahren eingeräumte Kreditlinie von 300.000 DM stelle
angesichts der bisherigen Zusage über 3 Millionen DM keine ausreichende
Kompensation dar. Soweit die Insolvenzschuldnerin mit Schreiben vom 28.2.2001 eine
Zusage der Beklagten bestätigt habe, das Kreditlimit für fällige Lohn- und
Gehaltsansprüche sowie Lieferanten- und Nachunternehmerzahlungen bei Bedarf im
Umfang der nicht verfügbaren Beträge zu erhöhen (Anl. 36 zum
Sachverständigengutachten, Bl. 350 Anlagenband), umfasse dies nur bestimmte
Verbindlichkeiten und es fehle eine hinreichend bindende Zusage. Der Kredit sei auch
nicht in Anspruch genommen worden. Nach dem Ausschluss vom Drecon-Verfahren
habe die Insolvenzschuldnerin nur noch die dringendsten Verbindlichkeiten bedient.
Weiterer Vortrag zum Finanzbedarf sei ihm nicht möglich, da allein die Beklagte über
die erforderlichen Unterlagen verfüge.
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Die Kausalität habe das Landgericht zutreffend angenommen. Mitursächlichkeit reiche
für die Haftung aus. Der Widerruf der Kreditlinie habe sich unmittelbar auf die
Überschuldungsbilanz ausgewirkt. Da die Kreditlinie Eigenkapitalfunktion gehabt habe,
hätte die Beklagte sich gegen die Inanspruchnahme der Kreditlinie nicht wehren dürfen
und bezüglich ihrer Darlehensforderungen gegen die Insolvenzschuldnerin eine
Rangrücktrittserklärung abgeben müssen. Solche mit Rangrücktrittserklärung
versehenen Gesellschafterforderungen seien in der Überschuldungsbilanz nicht zu
passivieren, so dass eine rechnerische Überschuldung nicht eingetreten wäre. Die
Ausführungen zur Nichtausschöpfung der Kreditlinie von 300.000 DM seien rechtlich
unerheblich. Die Insolvenzschuldnerin habe nicht alle Forderungen Dritter bedient,
sondern lediglich die zur Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebs unumgänglichen
Verbindlichkeiten. Zum anderen habe die Beklagte selbst in einem "Bericht zum
30.6.2001" ein operatives Betriebsergebnis zum 30.6.2001 von - 2.537.000 DM
errechnet.
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Der Schaden liege auch auf Grundlage der neuen Rechtsprechung des
Bundesgerichtshofs zum existenzvernichtenden Eingriff in der Summe der zur
Insolvenztabelle angemeldeten und nicht von der Masse gedeckten Forderungen, da
die Beklagte ohne den Ausschluss vom Drecon-Verfahren die Forderungen aufgrund
ihrer damaligen Zusagen bedient hätte. Die Kosten des Insolvenzverfahren seien
derzeit noch nicht bezifferbar.
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Der Anspruch sei nicht verjährt. Kenntnis von dem Schadensersatzanspruch habe er
frühestens im Jahr 2003 erlangt. Darüber hinaus beruft sich der Kläger auf § 852 Abs. 2
BGB. Der hier geltend gemachte Betrag entspreche dem Vermögensvorteil der
Beklagten.
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Der Kläger stützt die Haftung ferner auf die Unterkapitalisierung und beruft sich auf eine
Entscheidung des Bundesgerichtshof ZIP 1994, 207. Dort habe der Bundesgerichtshof
befunden, dass die materielle Unterkapitalisierung einer Tochtergesellschaft die
Durchgriffshaftung des Alleingesellschafters zur Folge haben könne. Das Landgericht
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habe mit Recht ausgeführt, dass an dem Tatbestand der Unterkapitalisierung kein
vernünftiger Zweifel bestehen könne. Die Beklagte habe das in ihren damaligen, vom
Landgericht zitierten Schreiben ebenso gesehen.
Schließlich macht der Kläger in der Berufung hilfsweise einen Anspruch aus §§ 30, 31
GmbHG a.F. wegen der von der Insolvenzschuldnerin zwischen dem 1.1. und 12.2.2001
im Rahmen des Drecon-Verfahrens an die Beklagte geleisteten Zahlungen in Höhe von
801.421,49 € (Aufstellung GA 491 und Kontoauszüge GA 502 ff.) geltend. Gemäß dem
sog. November-Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH Urt. v. 24.11.20003 - II ZR 171/01 -
BGHZ 157, 72) unterlägen auch Auszahlungen an die Muttergesellschaft im Rahmen
eines Cash-Pool-Systems dem Auszahlungsverbot des § 30 GmbHG, soweit das
Eigenkapital nicht mehr vorhanden sei. Die Insolvenzschuldnerin habe zum 30.12.2000
bereits eine Unterbilanz aufgewiesen, hieran habe sich bis zum Insolvenzantrag am
24.8.2001 nichts mehr geändert.
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Die Beklagte erhebt gegenüber dem hilfsweise geltend gemachten Anspruch die
Einrede der Verjährung und verweist ferner auf ihre im Rahmen des Drecon-Verfahrens
an die Beklagte geleisteten Zahlungen in Höhe von 834.326,53 €.
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Der Kläger ist der Ansicht, der Anspruch sei nicht verjährt. Es gelte die 10-jährige
Verjährung. Die Beklagte habe böslich gehandelt, da ihr die das Auszahlungsverbot
begründenden Tatsachen - insbesondere die Unterbilanz - bekannt gewesen seien.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die
wechselseitigen Schriftsätze der Parteien und die von ihnen vorgelegten Unterlagen
Bezug genommen.
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II.
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Die zulässige Berufung ist begründet.
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Die Beklagte ist weder aufgrund bindender Finanzierungszusagen, noch nach § 826
BGB unter dem Gesichtspunkt eines existenzvernichtenden Eingriffs oder dem
Gesichtspunkt einer sog. materiellen Unterkapitalisierung zum Ausgleich der im
Insolvenzverfahren angemeldeten Gläubigerforderungen verpflichtet. Ferner ist auch der
hilfsweise geltend gemachte Anspruch aus § 31 GmbHG auf Rückerstattung der im
Rahmen des Drecon-Verfahrens zwischen dem 1.1. und 12.2.2001 erhaltenen
Zahlungen nicht begründet.
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1. Ein vertraglicher Anspruch auf Erstattung der Gläubigerforderungen besteht nicht. Die
Beklagte hat sich der Insolvenzschuldnerin gegenüber weder durch das Schreiben vom
27.11.1995 noch durch die Aufnahme in das konzerneigene Cash-Pool-System
verpflichtet, ihr die zur Erfüllung ihrer Verbindlichkeiten erforderlichen Mittel auch künftig
zur Verfügung zu stellen.
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Eine allgemeine Pflicht des Gesellschafters, der Gesellschaft die von ihr benötigte
Liquidität zur Verfügung zu stellen, besteht nicht. Vielmehr gilt der Grundsatz der
Finanzierungsfreiheit (Goette/Kleindiek, Eigenkapitalersatzrecht in der Praxis, 5. Aufl.,
Rn 2).
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Das Schreiben der Beklagten vom 27.11.1995 (Anl. K 8) begründet keinen Anspruch auf
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Zurverfügungstellung von Liquidität bzw. auf unbegrenzte Teilnahme am Drecon-
Verfahren. Das Schreiben enthält keine Finanzierungszusage. Vielmehr ist Inhalt des
Schreibens eine ablehnende Stellungnahme zu einer Kapitalerhöhung. Diese sei nicht
erforderlich, weil zum einen die Finanzierung der Tochtergesellschaften durch die
Beklagte sichergestellt sei, zum anderen die Eigenkapitalquote durch Sparmaßnahmen
und Einbringen unverhältnismäßig hoher Forderungen an Argen in die Beklagte
verbessert werden könnte. Das Schreiben besagt damit nur, dass unter den
gegenwärtigen Bedingungen eine Kapitalerhöhung nicht als erforderlich angesehen
wird, es lässt sich aber nicht in eine zeitlich und betragsmäßig unbefristete
Liquiditätszusage umdeuten. Das Schreiben begründet darüber hinaus auch formal
keinen vertraglichen Anspruch der Insolvenzschuldnerin, weil es nicht an sie gerichtet
ist, sondern an die Hauptniederlassung der Beklagten, also nur die interne
Willensbildung der Beklagten betrifft. Die Weiterleitung des Schreibens an die
Insolvenzschuldnerin ändert hieran nichts. Sie dient der Information der
Insolvenzschuldnerin darüber, dass eine Kapitalerhöhung abgelehnt wurde, nicht aber
der Begründung eines vertraglichen Anspruchs der Insolvenzschuldnerin auf künftige
Liquidität.
Ein Anspruch auf weitere Liquidität ergibt sich auch nicht aus der bisherigen Teilnahme
der Insolvenzschuldnerin am Drecon-Verfahren und der ihr hierbei eingeräumten
Kreditlinie. Die Teilnahme der Insolvenzschuldnerin am Drecon-Verfahren beinhaltet
keine Zusage auf künftige Mittelzuwendungen. Eine entsprechende Absprache oder
auch nur eine vertragliche Grundlage für die Teilnahme der Insolvenzschuldnerin am
konzerninternen Cash-Pool-Verfahren hat der Kläger nicht vorgetragen. Allein aus der
tatsächlichen Handhabung lässt sich keine Bestandsgarantie und kein Anspruch auf
Leistung weiterer Mittel entnehmen. Mangels entgegenstehender Vereinbarung und
Zusicherung konnte die Beklagte die Teilnahme der Insolvenzschuldnerin am Drecon-
Verfahren für die Zukunft jederzeit beenden. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus
der Rechtsprechung zu sog. Finanzplankrediten oder Liquiditätszusagen. Danach
können im Einzelfall Darlehen kraft rechtsgeschäftlicher Einigung wie Eigenkapital zu
qualifizieren sein mit der Folge, dass der Gesellschafter sich von seiner Zusage auch in
der Krise der Gesellschaft nicht lösen kann, weil er die Finanzierung gerade für diesen
Fall zugesagt hat (BGH Urt. v. 28.6.1999 - II ZR 272/98 - BGHZ 142, 116; hierzu
Goette/Kleindiek, Eigenkapitalersatzrecht in der Praxis, 5. Aufl., Rn 114 ff.).
Voraussetzung hierfür ist aber eine bindende Zusage. Eine entsprechende
Vereinbarung hat der Kläger aber gerade nicht vorgetragen und sie lässt sich auch aus
den vorliegenden Unterlagen nicht feststellen. Dem Schreiben vom 27.11.1995 lässt
sich - wie oben ausgeführt - gerade nicht entnehmen, dass die Beklagte der
Insolvenzschuldnerin durch die Teilnahme am konzerninternen Cash-Pool unbegrenzt
Liquidität zur Verfügung stellen wollte. Auch das Protokoll der Besprechung vom
9.1.2001 (Anl. 32 zum Sachverständigengutachten, Bl. 338 Anlagenband) enthält keine
Zusage für die Zukunft, sondern lediglich die Aussage, dass aufgrund der bestehenden
Kreditlinie, die wie Eigenkapital zu handhaben sei, keine Überschuldung eingetreten sei
und keine Insolvenz drohe.
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2. Dem Kläger steht auch kein Schadensersatzanspruch aus § 826 BGB aus dem
Gesichtspunkt des existenzvernichtenden Eingriffs zu.
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Nach diesem von der Rechtsprechung entwickelten Haftungskonzept haftet der
Gesellschafter nach § 826 BGB auf Schadensersatz, wenn er auf die Zweckbindung des
Gesellschaftsvermögens keine Rücksicht nimmt und der Gesellschaft ohne
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angemessenen Ausgleich Vermögenswerte entzieht, die sie zur Erfüllung ihrer
Verbindlichkeiten benötigt, und so die Insolvenz der Gesellschaft herbeiführt (BGH Urt.
v. 16.7.2007 - II ZR 3/04 - BGHZ 173, 246 = DStR 2007, 1586 mit Anm. Goette).
Voraussetzung einer solchen Haftung ist ein missbräuchlicher, zur Insolvenz der GmbH
führender oder diese vertiefender kompensationsloser Eingriff in das der Zweckbindung
zur vorrangigen Befriedigung der Gesellschaftsgläubiger dienende
Gesellschaftsvermögen (BGH, a.a.O.; BGH Urt. v. 7.1.2008 - II ZR 314/05 - DStR 2008,
886). Diese Voraussetzungen liegen nicht vor.
2.1. Es fehlt schon an einem kompensationslosen Eingriff in das gebundene Vermögen
der Insolvenzschuldnerin. Nicht jedwede Verursachung der Insolvenz führt bereits zu
einem Schadensersatzanspruch wegen Existenzvernichtung. Vielmehr setzt der
Anspruch einen Eingriff in das den Gläubigern als Haftungsfonds dienende
Gesellschaftsvermögen voraus. Die Existenzvernichtungshaftung soll wie eine das
Kapitalerhaltungssystem ergänzende, aber auch deutlich darüber hinausgehende
"Entnahmesperre" wirken (BGH Urt. v. 16.7.2007 - II ZR 3/04 - DStR 2007, 1586, 1590).
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Die Beklagte hat der Schuldnerin kein zweckgebundenes, zur vorrangigen Befriedigung
der Gläubiger dienendes Vermögen entzogen. Sie hat es vielmehr lediglich abgelehnt,
ihr weiteres Kapital im Rahmen des Cash-Pooling zuzuführen, dafür aber auch
eventuelle Guthaben auf dem Konto der Insolvenzschuldnerin belassen. Das
Unterlassen hinreichender Kapitalausstattung ist schon begrifflich kein Eingriff in das
gebundene Vermögen der GmbH (BGH Urt. v. 28.4.2008 - II ZR 264/06 - BGHZ 176,
204). Das gleiche gilt für die Weigerung, der Gesellschaft weiterhin Kredit zur Verfügung
zu stellen. Hierin liegt ebenfalls kein Entzug vorhandener Vermögenswerte.
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Der Ausschluss der GmbH vom Drecon-Verfahren erfolgte auch nicht
kompensationslos. Nur ein kompensationsloser Eingriff vermag die
Existenzvernichtungshaftung auszulösen. Als Folge des Ausschlusses vom Drecon-
Verfahren verblieb ein eventueller positiver Saldo auf dem Konto bei der
Insolvenzschuldnerin. Ferner hat die Beklagte ihr eine Kreditlinie in Höhe von 300.000
DM zur Verfügung gestellt (Anl. K 12) sowie am 19.2.2001 zugesagt, das Kreditlimit auf
dem Konto der E. Bank bei Bedarf für nicht gedeckte, fällige Lohn- und
Gehaltsforderungen einschließlich Sozialabgaben sowie Lieferanten- und
Nachunternehmerzahlungen zu erhöhen (Bestätigungsschreiben der
Insolvenzschuldnerin an die Beklagte vom 28.2.2001, Anl. 36 zum Sachverständigen,
Bl. 350 Anlagenband). Dass hierdurch die Vorteile aus der Teilnahme am Drecon-
Verfahren nicht ausgeglichen wurden, steht nicht fest. Die Insolvenzschuldnerin hat die
Kreditlinie von 300.000 DM bis zur Stellung des Insolvenzantrages nicht ausgeschöpft,
mag dies auch damit zusammenhängen, dass sie - wie der Kläger vorträgt - lediglich die
dringendsten Rechnungen bezahlt hat. Sonstige Umstände, aus denen sich ableiten
lässt, dass der Entzug vom Drecon-Verfahren ohne ausreichende Kompensation erfolgt
ist, sind nicht ersichtlich. Dies geht zu Lasten des Klägers. Da der kompensationslose
Eingriff haftungsbegründende Voraussetzung für die Existenzvernichtungshaftung ist,
liegt die Darlegungs- und Beweislast bei ihm. Eine erweitere Darlegungslast der
Beklagten ergibt sich auch nicht aus den Grundsätzen über die sekundäre
Darlegungslast. Es liegen nicht genügend Anhaltspunkte dafür vor, dass nur die
Beklagte über die entsprechenden Unterlagen verfügt. Der Sachverständige hat den
größten Teil der Unterlagen in einem Kellerraum der Insolvenzschuldnerin gefunden (Bl.
6 und 11 ff. des Gutachtens sowie die Schreiben vom 30.9.2005, 3.11.2005 und
14.11.2005, GA 154, 157 und 164). Es fehlen zwar Monatsabschlüsse mit Summen- und
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Saldenlisten, die entsprechenden Konten hat die Beklagte dem Sachverständigen indes
übersandt. Dass ihr weitere Unterlagen vorliegen, steht nicht fest.
Auch die weiteren vom Kläger genannten Umstände vermögen die Sittenwidrigkeit des
Ausschlusses der Insolvenzschuldnerin vom Drecon-Verfahren nicht zu begründen.
Hierfür reicht der Vortrag nicht aus, dass die Insolvenzschuldnerin im Vertrauen auf die
Kredite der Beklagten keine eigenen finanziellen Reserven aufgebaut hat. Auch
eventuelle Gewinnabführungen in den Jahren bis 1997 begründen nicht die
Sittenwidrigkeit des Ausschlusses der Insolvenzschuldnerin vom Drecon-Verfahren.
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2.2. Unabhängig vom Fehlen eines sittenwidrigen Eingriffs steht auch nicht fest, dass
durch den Ausschluss vom Drecon-Verfahren die Insolvenz herbeigeführt oder vertieft
wurde.
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Der Insolvenzantrag wurde 6 Monate nach dem Ausschluss der Insolvenzschuldnerin
vom Drecon-Verfahren gestellt, Insolvenzgrund war die Überschuldung. Der bestehende
zeitliche Zusammenhang ist nicht so eng, dass er für sich schon die Kausalität zu
begründen vermag.
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Nach den Ausführungen des Sachverständigen hatte die Beendigung der
Teilnahmemöglichkeit am Cash-Pool-Verfahren der Beklagten keine unmittelbaren
Auswirkungen auf die Liquidität der Insolvenzschuldnerin, da durch die Bankguthaben
und das eingeräumte Kreditlimit bei der E. Bank, insbesondere die Zusage, den
Kreditrahmen für fällige Lohn- und Gehaltsforderungen sowie Lieferanten- und
Nachunternehmerzahlungen zu erhöhen, die Bezahlung der laufenden
Verbindlichkeiten der Insolvenzschuldnerin gewährleistet war (Gutachten Bl. 34 f.).
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Ebenso wenig steht fest, dass der Ausschluss vom Drecon-Verfahren zur
Überschuldung geführt oder diese vertieft hat. Der Sachverständige meint, dass - ohne
Berücksichtigung der hohen Kosten des Insolvenzverfahrens - die Insolvenzschuldnerin
zur Begleichung der Verbindlichkeiten in der Lage gewesen wäre (vgl. Schreiben des
Sachverständigen vom 14.11.05, GA 166: Verbindlichkeiten waren durch das
vorhandene Vermögen nahezu gedeckt). Die Teilnahme der Insolvenzschuldnerin am
Drecon-Verfahren hatte keine unmittelbare Auswirkungen auf die
Überschuldungsbilanz. Den wechselseitigen Zahlungen im Rahmen des Drecon-
Verfahrens standen entsprechende wechselseitige Darlehensansprüche gegenüber.
Dass die Teilnahme am Drecon-Verfahren im Rahmen der Überschuldungsprüfung als
eine die Überschuldung im Sinne von § 19 InsO ausschließenden stillen Reserve
behandelt werden kann, ist nicht ersichtlich. Schließlich lässt sich die Kausalität für die
Überschuldung auch nicht daraus herleiten, dass nach dem Ausschluss vom Drecon-
Verfahren aus Verbindlichkeiten gegenüber dem Gesellschafter Fremdverbindlichkeiten
geworden sind. Dies hat nur dann Auswirkungen auf die Überschuldung, wenn der
Gesellschafter entsprechende qualifizierte Rangrücktritte erklärt. Hierzu ist er aber nicht
verpflichtet.
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Soweit der Sachverständige in seinem Gutachten den Ausschluss vom Drecon-
Verfahren als mitursächlich für die Insolvenz ansieht, stützt er das lediglich auf die
hierdurch hervorgerufene Verunsicherung bei den Mitarbeitern und die negativen
Auswirkungen auf die Reputation am Markt (Gutachten Bl. 36 ff.), nicht aber darauf, dass
der Insolvenzschuldnerin keine ausreichenden Mittel zur Begleichung der fälligen
Verbindlichkeiten mehr zur Verfügung standen. Dies reicht zum Nachweis der Kausalität
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nicht aus. Konkrete Feststellungen zu den finanziellen Auswirkungen dieser Effekte hat
der Sachverständige nicht getroffen und lassen sich auch nicht treffen.
3. Der vom Kläger zur Begründung seiner Klage angeführte Gesichtspunkt einer durch
den Ausschluss der Insolvenzschuldnerin vom Drecon-Verfahren eingetretenen
materiellen Unterkapitalisierung rechtfertigt ebenfalls keine Haftung der Beklagten als
Gesellschafterin für die Forderungen der Insolvenzgläubiger. Aus einer unzureichenden
Kapitalausstattung einer GmbH lässt sich eine Durchgriffshaftung des Gesellschafters
nicht herleiten (BGH Urt. v. 28.4.2008 - II ZR 264/06 - BGHZ 176, 204 = DStR 2008,
1293).
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Eine solche Haftung ist weder gesetzlich normiert noch richterrechtlich anzuerkennen.
Der Gesetzgeber hat sie im Rahmen des Gesetzes zur Modernisierung des GmbH-
Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG) bewusst auch für die mit nur
geringem Kapital ausgestattete Unternehmergesellschaft nicht eingeführt (RegE, BR-
Drs 354/07, S. 66). Auch die höchstrichterliche Rechtsprechung erkennt eine
Durchgriffshaftung wegen materieller Unterkapitalisierung nicht an (BGH Urt. v.
28.4.2008 - II ZR 264/06 - BGHZ 176, 204 = DStR 2008, 1293). Sie würde die
gesetzliche Wertung über die Kapitalausstattung von Unternehmen mit einem gesetzlich
festgelegten Mindestkapital unterlaufen, zu erheblicher Rechtsunsicherheit führen und
dadurch letztlich die GmbH als Gesellschaftsform in Frage stellen (BGH a.a.O.).
57
4. Die Klage ist schließlich auch hinsichtlich des in Berufung gestellten
Hilfsantrages
nicht begründet. Dem Kläger steht kein Anspruch aus § 31 GmbHG auf Erstattung der
von der Insolvenzschuldnerin zwischen dem 1.1. und 12.2.2001 im Rahmen des
Drecon-Verfahrens an die Beklagte geleisteten Zahlungen von insgesamt 801.421,49 €
zu.
58
Die Klageänderung ist nach § 533 ZPO zulässig. Die Beklagte hat der Klageänderung
nicht widersprochen. Die Zahlungsflüsse sind unstreitig.
59
Der Kläger sieht in den Zahlungen vom Konto der GmbH auf das zentrale Konto der
Muttergesellschaft im Rahmen des täglichen Saldenausgleichs beim Drecon-Verfahren
eine nach §§ 30, 31 GmbHG verbotene Leistung. Dabei stützt er sich auf die aufgrund
der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 24.11.2003 (II ZR 171/01, BGHZ 157,
72) entstandene Diskussion über Cash-Pool-Systeme. Bis zu dieser sog. November-
Entscheidung wurden Darlehen der Gesellschaft an einen Gesellschafter (sog.
upstream Darlehen) nicht als verbotene Leistung im Sinne von §§ 30, 31 GmbHG
angesehen, weil sie - jedenfalls bei werthaltigem Rückzahlungsanspruch - bilanziell
neutral sind. Der Auszahlung der Darlehensmittel steht bilanziell ein entsprechender
Rückzahlungsanspruch gegenüber. In seiner Entscheidung vom 24.11.2003 hat der
BGH dagegen entschieden, dass Kreditgewährungen an Gesellschafter, die nicht aus
Rücklagen oder Gewinnvorträgen, sondern gebundenem Vermögen erfolgen, auch
dann als verbotene Auszahlungen zu behandeln sind, wenn der Rückzahlungsanspruch
im konkreten Fall vollwertig ist. Dieser Rechtsprechung ist für Zahlungen an den
Gesellschafter, die durch einen vollwertigen Gegenleistungsanspruch gedeckt sind,
nicht zu folgen. Solche Zahlungen verstoßen nicht gegen das Auszahlungsverbot nach
§ 30 GmbHG und begründen daher auch keinen Rückerstattungsanspruch der
Gesellschaft aus § 31 GmbHG. Maßgeblich ist vielmehr die bilanzielle
Betrachtungsweise, da § 30 GmbHG nur einen Vermögensschutz enthält, nicht aber
einen gegenständlichen Schutz. Dies ist durch die Neufassung von § 30 Abs. 1 S. 2
60
GmbHG durch das Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung
von Missbräuchen (MoMiG) ausdrücklich klargestellt. Das gilt auch für vor Inkrafttreten
des MoMiG erfolgte Zahlungen, da der Gesetzgeber mit § 30 Abs. 1 GmbHG keine neue
Rechtslage schaffen, sondern lediglich die bisherige Rechtslage im Hinblick auf das
Urteil des Bundesgerichtshofs vom 24.11.2003 klarstellen wollte (Wedemann, GmbHR
2008, 1131, 1134; ebenso für die gleichlautende Klarstellung in § 57 Abs. 1 S. 3 AktG
BGH Urt. v. 1.12.2008 - II ZR 102/07 - laut Pressemitteilung des BGH vom 1.12.2008).
Die "klärende Regelung" (BT-DrS 16/6140, S. 41) durch den Gesetzgeber erfolgte
gerade im Hinblick auf Cash-Pool-Systeme.
Jedenfalls steht dem Anspruch aber die Einrede der Verjährung entgegen. Der Kläger
hat den Anspruch erstmals in seinem Schriftsatz vom 22.2.2008 geltend gemacht. Zu
diesem Zeitpunkt waren eventuelle Ansprüche aus § 31 GmbHG bereits verjährt.
61
§ 31 Abs. 5 GmbHG in der seinerzeit (Anfang 2001) geltenden Fassung sah eine
Verjährungsfrist von 5 Jahren vor, sofern dem Empfänger nicht eine bösliche
Handlungsweise zur Last fiel. In diesem Fall galt die Regelverjährung. Durch das am
15.12.2004 in Kraft getretene Gesetz zur Anpassung von Verjährungsvorschriften an
das Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts wurde die Verjährungsfrist einheitlich
auf 10 Jahre festgesetzt. Soweit nach altem Recht die Verjährungsfrist von 5 Jahren
galt, findet diese auf vor dem 15.12.2004 entstandene Ansprüche weiterhin Anwendung.
Nach Art. 229 § 12 Abs. 1 i.V.m. § 6 Abs. 1 und 3 EGBGB ist für Übergangsfälle
grundsätzlich die kürzere Frist maßgeblich. Die 5-jährige Verjährungsfrist war zum
Zeitpunkt der Geltendmachung des Hilfsanspruchs bereits verstrichen.
62
Nach Art. 229 § 12 Abs. 2 EGBGB gilt allerdings für solche Ansprüche, die im Dezember
2004 noch nicht verjährt waren und deren Verjährung sich nach altem Recht nach der
(30-jährigen) Regelverjährung richteten, rückwirkend die neue Frist von 10 Jahren.
Danach wäre bei böslicher Handlungsweise der Beklagten die 10-jährige Verjährung
anzuwenden mit der Folge, dass Verjährung noch nicht eingetreten wäre. Eine solche
bösliche Handlungsweise ist der Beklagten indes nicht vorzuwerfen. Nach der
Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH Urt. v. 23. 6. 1997 - II ZR 220/95 - BGHZ
136, 125, 131; Urt. v. 29. 9. 2008 - II ZR 234/07 - DStR 2008, 2378) handelt ein
Gesellschafter "böslich", wenn er die Auszahlung in Kenntnis ihrer Unzulässigkeit
entgegennimmt, also weiß, dass bereits eine Überschuldung oder eine Unterbilanz
besteht oder dass infolge der Auszahlung das zur Deckung des Stammkapitals
erforderliche Vermögen nunmehr angegriffen wird. Für den maßgeblichen Zeitpunkt der
Zahlungen im Januar/Februar 2001 kann eine solche Kenntnis nicht unterstellt werden.
Bis zur Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 24.11.2003 entsprach es der ganz
überwiegenden Auffassung, dass Darlehen der Gesellschaft an den Gesellschafter (sog.
upstream-Darlehen) bei vollwertigem Rückzahlungsanspruch nicht unter §§ 30, 31
GmbH fallen (sog. Aktiventausch; zur Rechtsprechungsänderung
Scholz/H.P.Westermann, aaO, § 30 Rn 20; Langner, GmbHR 2005, 1017, 1018). Hin-
und Herzahlungen im Rahmen eines Cash-Pools haben keine bilanziellen
Auswirkungen und waren nach §§ 30, 31 GmbHG neutral. Damit fehlt es an dem für die
Verlängerung der Verjährung wegen böslichen Verhaltens erforderlichen Vorsatz bei
der Beklagten.
63
Der Hilfsantrag ist auch nicht unter dem Gesichtspunkt der Rückzahlung eines
eigenkapitalersetzenden Darlehens begründet. Auch eventuelle Ansprüche auf
Rückerstattung eigenkapitalersetzender Darlehensrückzahlungen sind verjährt. Denn
64
der Rückerstattungsanspruch analog § 31 GmbHG nach den Rechtsprechungsregeln
unterliegt ebenfalls der Verjährung nach § 31 Abs. 5 GmbHG (Hueck/Fastrich in
Baumbach/Hueck, GmbHG, 18. Auf., § 32a Rn 96).
III.
65
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige
Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. Die Festsetzung des Gegenstandswerts
ergibt sich aus § 45 Abs. 1 S. 2 GKG.
66
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor, § 543 Abs. 2
ZPO. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung und auch die Fortbildung
des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern nicht eine
Entscheidung des Revisionsgerichts. Die Voraussetzungen des existenzvernichtenden
Eingriffs sind durch die jüngere Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs geklärt. Auch
hinsichtlich der Frage, ob im konkreten Fall dem Gesellschafter eine "bösliche
Handlungsweise" im Sinne von § 31 Abs. 5 S. 2 GmbHG a.F. vorzuwerfen ist, liegen die
Voraussetzungen für die Zulassung der Revision nicht vor, zumal der Frage nur noch für
Altfälle Bedeutung zukommt.
67