Urteil des OLG Köln vom 29.01.2004

OLG Köln: widerklage, auflage, verschulden, verjährung, abmahnung, auslage, anzeichen, auskunft, widerruf, bestandteil

Oberlandesgericht Köln, 6 W 8/04
Datum:
29.01.2004
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
6. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
6 W 8/04
Vorinstanz:
Landgericht Köln, 81 O 31/03
Normen:
ZPO § 93
Tenor:
1.) Die sofortige Beschwerde der Beklagten gegen die
Kostenentscheidung in dem Urteil der 1. Kammer für Handelssachen
des Landgerichts - 81 O 31/03 - vom 7.11.2003 wird zurückgewiesen.
2,) Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat die Beklagte zu tragen.
G R Ü N D E
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I
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Die Parteien streiten im Beschwerdeverfahren über die Kosten einer Widerklage. Die
Klägerin hatte die Beklagte wegen der Auslage eines Prospektes mit irreführendem
Inhalt abgemahnt, Unterlassung und Übernahme der Abmahnkosten verlangt und sich
zusätzlich eines Auskunfts- und Schadensersatzanspruches berühmt. Nach Ablauf der
im Abmahnverfahren gesetzten Frist hat die Klägerin Klage erhoben und Unterlassung,
Auskunft sowie den Widerruf einer bestimmten in dem Prospekt enthaltenen Aussage
verlangt. Schadensersatz hat sie demgegenüber - auch in Form eines
Feststellungsantrages - nicht geltend gemacht. Die Klageschrift enthielt auch einen
Vorbehalt etwaiger Schadensersatzansprüche nicht. Die Beklagte hat mit der
Klageerwiderung Widerklage erhoben, mit der sie die Feststellung begehrt hat, dass ein
Schadensersatzanspruch wegen der streitgegenständlichen Aussage in dem Prospekt
nicht bestehe, und dazu u.a. ausgeführt, sie habe den Prospekt von Dritter Seite
erhalten und die Umstände, aus denen die Klägerin die Unrichtigkeit der
Prospektaussage herleite, nicht gekannt. Die Klägerin hat darauf vorgetragen, es habe
gleichwohl zunächst ein Schadensersatzanspruch bestanden, dieser werde aber aus
Gründen der inzwischen eingetretenen Verjährung nicht mehr verfolgt. Den
Widerklageantrag hat sie in der mündlichen Verhandlung unter Verwahrung gegen die
Kostenlast anerkannt. In dem darauf ergangenen Teilanerkenntnis- und Schlussurteil ist
die Beklagte auf die Klage antragsgemäß verurteilt und sind ihr - bezüglich der
Widerklage in Anwendung des § 93 ZPO - die gesamten Kosten des Rechtsstreits
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auferlegt worden. Die Beklagte hat gegen die Kostenentscheidung sofortige
Beschwerde mit dem Antrag eingelegt, der Klägerin die Kosten der Widerklage
aufzuerlegen. Sie meint, die eingetretene Verjährung habe dem Feststellungsbegehren
aus Rechtsgründen nicht entgegenstanden, und da sie zu einer "Gegenabmahnung"
nach allgemeiner Auffassung nicht verpflichtet gewesen sei, habe es ihr entgegen der
Auffassung des Landgerichts auch nicht oblegen, bei der Klägerin nachzufragen, ob das
Schadensersatzbegehren aufrechterhalten bleibe. Die Klägerin verteidigt die
landgerichtliche Entscheidung.
II
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Die gem. § 99 Abs.2 S.1 ZPO statthafte sofortige Beschwerde gegen das
Teilanerkenntnis- und Schlussurteil ist zulässig (vgl. z.B. Zöller-Herget, ZPO, 24.
Auflage, § 99 Rz 9 m.w.N.), aber nicht begründet. Zu Recht hat das Landgericht die
Beklagte mit den Kosten der Widerklage belastet, weil die Voraussetzungen des § 93
ZPO vorliegen. Das gilt auch unter Berücksichtigung des Beschwerdevorbringens der
Beklagten.
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Die Klägerin hat den mit der Widerklage geltendgemachten Feststellungsantrag im
Sinne der Vorschrift sofort anerkannt. Dafür reicht es aus, wenn der (Wider-)beklagte
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ein unbeschränktes Anerkenntnis in der ersten mündlichen Verhandlung abgibt (vgl.
Thomas-Putzo, ZPO, 24. Auflage, § 93 Rz 9 m.w.N.), wie es hier durch die Klägerin und
Widerbeklagte geschehen ist. Daher ist es unschädlich, dass sie vorher mit Schriftsatz
vom 19.5.2003 noch ein eingeschränktes - und daher im Hinblick auf die
Kostenvorschrift des § 93 ZPO unzureichendes - Anerkenntnis des Widerklageantrages
abgegeben hatte.
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Die Klägerin hatte auch nicht im Sinne der Vorschrift Anlass zur Erhebung der
Widerklage gegeben. Hierfür reichte es im Zeitpunkt der Erhebung der Widerklage unter
den gegebenen Umständen nicht aus, dass die Klägerin sich in der vorangegangenen
Abmahnung wegen der Auslage des Prospektes auch eines
Schadensersatzanspruches berühmt hatte.
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Diese Berühmung könnte nur dann Anlass zur Erhebung der Widerklage gegeben
haben, wenn der Klägern die beanspruchten Schadensersatzansprüche tatsächlich
nicht zustanden, die Beklagte an der Verteilung der unrichtigen Verlautbarung also kein
Verschulden traf. Ob das zutrifft, ist zweifelhaft, lässt der Senat aber offen.
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Denn es hätte der Beklagten - die Berechtigung ihres Begehrens unterstellt - in der
konkreten Situation jedenfalls oblegen, die Klägerin vor Klageerhebung ihrerseits
abzumahnen. Es trifft allerdings zu, dass der zu Unrecht Abgemahnte grundsätzlich
nicht verpflichtet ist, bevor er sich durch gerichtliche Schritte gegen die erhobenen
Vorwürfe mit gerichtlicher Hilfe zur Wehr setzt, im Wege der Gegenabmahnung dem
Schuldner die Gelegenheit zu geben, den Streit beizulegen (vgl. OLG Stuttgart WRP
88,766; OLG Hamburg WRP 94,315,320; Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche,
7. Auflage, Kap. 41 RZ 72 ff; Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 22. Aufl., Einl.
UWG RZ 561). Dieser Grundsatz gilt aber nicht uneingeschränkt und z.B. dann nicht,
wenn der Abmahnende erkennbar von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen
(vgl. OLG München WRP 97, 979 f) oder wenn anzunehmen ist, dass er auf eine
Gegenabmahnung hin seinen früher geltendgemachten Anspruch fallen lassen werde
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(vgl. OLG Stuttgart WRP 85, 449). Auch in der vorliegenden Fallkonstellation oblag es
der Beklagten, nicht vor einer Gegenabmahnung die negative Feststellungswiderklage
zu erheben.
Nachdem das Landgericht die Beklagte auf die Klage rechtskräftig zu Unterlassung,
Auskunft und Widerruf verurteilt hat, steht zwischen den Parteien fest, dass die Auslage
des Prospektes wegen irreführenden Inhalts wettbewerbswidrig war. Dass der Klägerin
als unmittelbarer Wettbewerberin hierdurch ein Schaden entstanden war, war nach der
Lebenserfahrung zu vermuten. Nach dem Beweis des ersten Anscheins hatte die
Klägerin überdies davon ausgehen können, dass die Beklagte auch das für den
Schadensersatzanspruch weiter erforderliche Verschulden traf und sie entweder
wusste, dass die in dem Prospekt zitierte Aussage nicht - wie dort angegeben -
Bestandteil einer Rezension des als E bezeichneten Systems war, oder sie - wenn ihr
dies unbekannt gewesen sein sollte - zumindest der Vorwurf der Fahrlässigkeit traf. In
dieser Situation war zu erwarten, dass die Klägerin ihre Schadensersatzansprüche
fallengelassen hätte, wenn die Beklagte sie darüber aufgeklärt hätte, dass und warum
sie entgegen dem Anscheinsbeweis ein Verschulden nicht traf.
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Es bestanden überdies deutliche Anzeichen dafür, dass die Klägerin die
Schadensersatzansprüche, derer sie sich in der Abmahnung noch berühmt hatte, nicht
mehr weiter verfolgen und insbesondere nicht gerichtlich geltend machen wollte. Die
Klägerin hatte inzwischen - wie in der Abmahnung angekündigt - Klage erhoben und
darin die Schadensersatzansprüche gerade nicht geltend gemacht. Dies wäre indes -
zumindest im Wege eines Feststellungsantrages gem. § 256 ZPO - möglich gewesen
und hätte der ständigen Übung im gewerblichen Rechtsschutz entsprochen. Zu einer
solchen Vorgehensweise wäre die Klägerin überdies auch praktisch gezwungen
gewesen, weil die drohende Verjährung nur so hätte unterbrochen werden können. In
dieser Situation war aus dem Umstand, dass die Klägerin Schadensersatzansprüche
mit der Klage nicht geltend machte, ein deutliches Anzeichen dafür zu entnehmen, dass
sie solche Ansprüche überhaupt nicht mehr verfolgen wollte. Auch dies hätte die
Beklagte vor der Klageerhebung veranlassen müssen, der Klägerin Gelegenheit zu
geben, von ihrer früheren Berühmung auch ausdrücklich abzurücken.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs.1 ZPO.
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Der Beschwerdewert wird auf einen Betrag zwischen 3.500 und 4.000 EUR festgesetzt.
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Ausgehend von der unbeanstandet gebliebenen Streitwertfestsetzung des Landgerichts
zur Hauptsache beläuft sich der Beschwerdewert auf die Summe der in erster Instanz
nach einem Streitwert von 20.000 EUR entstandenen Kosten, mithin auf einen Betrag
innerhalb der Gebührenstufe zwischen 3.500 und 4.000 EUR.
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