Urteil des OLG Köln vom 10.02.1999

OLG Köln (abmahnung, mitarbeiter, konkurrenzverbot, beschwerde, einleitung, verhalten, verhältnis, notwendigkeit, tätigkeit, unterlassen)

Oberlandesgericht Köln, 6 W 2/99
Datum:
10.02.1999
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
6. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
6 W 2/99
Vorinstanz:
Landgericht Köln, 81 O 131/98
Schlagworte:
Abmahnung, Entbehrlichkeit
Normen:
ZPO §§ 91a, 93
Leitsätze:
1. Wird ein Vertreiber von Vermögensanlagen von einem Konkurrenten
wegen (unlauterer) Abwerbung von drei namentlich genannten
Mitarbeitern abgemahnt und wird diese Abmahnung vom Abgemahnten
unter -vertretbarem- Hinweis auf ein fehlendes Konkurrenzverbot
zurückgewiesen, macht ein solches Verhalten des Abgemahnten
dessen erneute Abmahnung zwecks Vermeidung von Kostennachteilen
nicht entbehrlich, wenn der Abmahnende gut einen Monat später einen
gleichartigen Verstoß des Abgemahnten rügt, bei dem aber aus der auch
für den Abmahnenden erkennbaren Sicht des Abgemahnten eine
Rechtfertigung wie beim vorausgegangenen Verstoß, nicht in Betracht
kommen konnte. 2. Zur Frage des Ausnahmetatbestandes des
Vorsatzes im Abmahnrecht. 3. Die Frage, ob das Verfügungsgericht den
Verfügungsantrag mit Recht auf die konkrete Verletzungsform
beschränken durfte, ist für die Kostenentscheidung nach §§ 91a, 93 ZPO
und die dabei anzustellende Prüfung der Notwendigkeit oder
Entbehrlichkeit einer Abmahnung ohne Belang.
Rechtskraft:
unanfechtbar
Tenor:
Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen den am 4.
Dezember 1998 verkündeten Kostenbeschluß der 1. Kammer für
Handelssachen des Landgerichts Köln (81 O 131/98) wird
zurückgewiesen. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden der An-
tragstellerin auferlegt.
G r ü n d e :
1
Die fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde der Antragstellerin ist nicht begründet.
Das Landgericht hat in der angefochtenen Entscheidung die Kosten des in der
Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärten Verfügungsverfahrens der
Antragstellerin auferlegt, weil die Antragsgegnerin keinen Anlaß für die
Inanspruchnahme gerichtlicher Hilfe gegeben habe. Es sei ein allgemeiner Grundsatz
des Wettbewerbsrechts, daß der Verletzte bei Vermeidung von Kostennachteilen
gehalten sei, vor der Inanspruchnahme gerichtlicher Hilfe den Gegner abzumahnen. Ein
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Fall, in dem ausnahmsweise eine Abmahnung entbehrlich sei, liege nicht vor.
Diese Ausführungen greift die sofortige Beschwerde ohne Erfolg an:
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1.
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Im Wettbewerbsrecht kann ein Unterlassungsanspruch ohne Kostenrisiko des
Anspruchsinhabers grundsätzlich erst gerichtlich geltend gemacht werden, wenn der
Gegner zuvor erfolglos abgemahnt worden ist. Ausnahmen sind, wie der Senat bereits
früher (WRP 1983, 118) ausgesprochen hat, aus Gründen der Rechtssicherheit und
auch zur Vermeidung nicht notwendiger Inanspruchnahme der Gerichte, in engen
Grenzen zu halten. Eine Abmahnung ist infolge dessen nur dann entbehrlich, wenn
entweder die Abmahnung das Verhalten des Abgemahnten ersichtlich nicht beeinflußt
haben, also erfolglos geblieben wäre oder aber, wenn eine Abmahnung dem Gläubiger
aus rechtlich anzuerkennenden Gründen nicht zumutbar war (vgl. Teplitzky,
wettbewerbsrechtliche Ansprüche, 7. Aufl., § 41 Rn. 21; Köhler/Piper, UWG, vor § 13,
Rn. 149; Gloy, Handbuch des Wettbewerbsrechts, 2. Aufl., § 60 Rn. 5, jeweils mit
umfassenden weiteren Nachweisen). Die Entbehrlichkeit einer Abmahnung wird in der
Rechtsprechung und im Schrifttum insbesondere in Fällen erwogen, in denen der
Verletzer unter Mißachtung eines bereits ausgesprochenen gerichtlichen Verbots oder
einer bereits erfolgten Abmahnung eine in die gleiche Richtung gehende, im Kern
gleiche oder ganz ähnliche Verletzungshandlung begeht (Senat, WRP 1988, 482 f;
Teplitzky a. a. O., Rn. 38). Die Antragstellerin hat indessen nicht hinreichend vortragen
können, daß die Abmahnung im Streitfall unter diesem rechtlichen Aspekt entbehrlich
gewesen ist.
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a)
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Sie weist insoweit daraufhin, daß sie bereits mit Anwaltsschreiben vom 15.07.1998 die
Antragsgegnerin abgemahnt habe, Mitarbeiter zu beschäftigen, die noch an die
Antragstellerin vertraglich gebunden seien und denen es aufgrund dieser vertraglichen
Situation nicht gestattet sei, eine Konkurrenztätigkeit zu entwickeln. Es heißt in dem
Schreiben weiter: "Konkret handelt es sich dabei um die Mitarbeiter D., L. und de Lo..
Gegen diese Mitarbeiter haben wir heute mit gleicher Post Klage erhoben und machen
insoweit Unterlassungs- und Schadensersatzansprüche geltend. Die Beschäftigung
solcher vertraglich gebundener Mitarbeiter ist wettbewerbswidrig und deshalb von ihnen
zu unterlassen." Beigefügt war der Entwurf einer strafbewehrten
Unterlassungserklärung, wonach sich die Antragsgegnerin verpflichten sollte, es zu
unterlassen, Außendienstmitarbeiter zu beschäftigen, die noch im Verhältnis zur
Antragstellerin ein Konkurrenzverbot zu beachten hätten. Mit Anwaltsschreiben vom
27.07.1998 ließ die Antragsgegnerin mitteilen, daß sie die Unterlassungserklärung nicht
abgeben werde, da "ein wirksames Konkurrenzverbot, gegen das verstoßen würde",
nicht ersichtlich sei. Ob dieser Rechtsstandpunkt der Antragsgegnerin zutreffend war
oder nicht, kann dahinstehen. Offensichtlich handelte es sich hier jedenfalls nicht um
eine von vornherein abwegige und indiskutable Rechtsposition der Antragsgegnerin:
Diese hatte nämlich in der Zwischenzeit, wie die Antragstellerin selbst vorträgt, an
zahlreiche Gerichte Schutzschriften versandt und die Antragstellerin selbst hat daraufhin
von einer gerichtlichen Inanspruchnahme der Antragsgegnerin abgesehen, sondern es
bei den bereits eingeleiteten Verfahren gegen ihre "früheren" Mitarbeiter belassen.
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Demgegenüber betraf das vorliegende Verfügungsverfahren die für den August 1998
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ausgemachte Tätigkeit eines weiteren Mitarbeiters (R.) der Antragstellerin für die
Antragsgegnerin. R. hatte bei der Antragstellerin mit Schreiben vom 06.08.1998 zum
30.09.1998 gekündigt, so daß hier eine Tätigkeit für die Antragsgegnerin unter Verstoß
gegen das Konkurrenzverbot auf der Hand lag. Die Antragsgegnerin hat denn auch im
Verfügungsverfahren sogleich im Hinblick auf die Beschäftigung des
Versicherungsvertreters Rösler eine strafbewehrte
Unterlassungsverpflichtungserklärung abgegeben. Bei dieser Sachlage kann die
Antragstellerin nicht einwenden, angesichts des zuvor bestrittenen
Konkurrentenschutzverstoßes in den drei "Parallelfällen" sei eine Abmahnung im
Streitfall R. von vornherein aussichtslos gewesen. Nachdem sie in den drei
erstgenannten Fällen ihre eigene Rechtsposition gegenüber der Antragsgegnerin nach
Ablehnung der Unterwerfungserklärung nicht weiterverfolgt hat, vermag sie nun nicht
darzulegen, warum aus dem damaligen Verhalten der Antragsgegnerin folge, daß sie
auf eine vorprozessuale Abmahnung auch in einem eindeutig gelagerten Fall wie dem
Fall Rösler uneinsichtig und ablehnend reagieren werde.
b)
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Die Antragstellerin beruft sich ferner darauf, daß die Antragsgegnerin einen von ihrem
Vertreter R. vermittelten Auftrag sehenden Auges entgegengenommen habe, obgleich
ihr dessen fortdauernde vertragliche Bindung zu der Antragstellerin bekannt gewesen
sei.
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Unter welchen Gegebenheiten ein vorsätzlicher oder grob fahrlässiger
Wettbewerbsverstoß des Verletzers eine Abmahnung entbehrlich macht, ist in den
Einzelheiten umstritten (vgl. Teplitzky a. a. O., Rn. 25, 29, 36; Gloy, a. a. O., Rn. 9;
Köhler/Piper, a. a. O., Rn. 150, 151). Diese Frage bedarf hier keiner Entscheidung. Die
Antragstellerin hat nämlich für eine Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis der
Vorstandsmitglieder der Antragsgegnerin über die gegen das Konkurrenzverbot
verstoßende Beschäftigung Röslers nichts konkretes vorgetragen; dafür streitet auch
kein Lebenserfahrungssatz. Aus dem Beschwerdevorbringen mag freilich hinreichend
hervorgehen, daß der Mitarbeiter K. der Antragsgegnerin, der früher selbst bei der
Antragstellerin beschäftigt war, kontinuierlich Personal bei der Antragstellerin
abgeworben hat und auch über den Wettbewerbsverstoß R.s unterrichtet war. Dieses
etwaige Wissen eines Mitarbeiters ist im Rahmen der Frage, ob eine Abmahnung an die
Adresse der Antragsgegnerin vor Einleitung des Verfügungsverfahrens entbehrlich war,
der Antragsgegnerin nicht zuzurechnen. Da die Antragstellerin keine greifbaren
Anhaltspunkte dafür hatte, daß die Vorstandsmitglieder der Antragsgegnerin über
denselben Informationsstand wie Klein verfügten, mußte sie ins Kalkül ziehen, daß die
Vorstandsmitglieder der Antragsgegnerin erstmals durch die zugegangene Abmahnung
von dem inkriminierten Wettbewerbsverstoß erfahren würden. Damit stand aber die
Vergeblichkeit der Abmahnung aus der Sicht der Antragstellerin keinesfalls von
vornherein zu vermuten. Sie hätte daher zur Vermeidung des Kostenrisikos
ausgesprochen werden müssen.
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2.
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Die Antragstellerin hat im Beschwerdeverfahren besonderes Gewicht auf ihre Ansicht
gelegt, ihrem Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung vom 25.08.1998, wonach
es der Antragsgegnerin untersagt werden sollte, "Außendienstmitarbeiter zu
beschäftigen, die noch im Verhältnis zur Antragstellerin ein Konkurrenzverbot zu
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beachten haben", habe bei richtiger Sachbehandlung unverändert entsprochen werden
müssen. Das Landgericht habe daher fehlerhaft gehandelt, als es die daraufhin ohne
mündliche Verhandlung angeordnete Verfügung eigenmächtig auf die konkrete
Verletzungsform beschränkt und der Antragsgegnerin nur die Beschäftigung des
Versicherungsvertreters R. vor Ablauf des Konkurrenzverbotes untersagt habe. Unter
Berücksichtigung der notwendigen und sachgerechten Verallgemeinerung aus der
Verletzungshandlung R. sei auch die Notwendigkeit einer nochmaligen Abmahnung der
Antragsgegnerin vor Einleitung des Verfügungsverfahrens entfallen.
Dem kann nicht gefolgt werden. Die Frage, ob das Landgericht den gestellten Antrag zu
Recht auf die konkrete Verletzungsform beschränkt hat, ist für die hier zu treffende
Kostenentscheidung ohne Belang. Es ist dargelegt worden, daß eine Abmahnung vor
Einleitung des Verfügungsverfahrens für die Antragstellerin weder unzumutbar war noch
aus ihrer Sicht von vornherein erfolglos war. Für die Beurteilung dieser Frage ist die Art
der Sachbehandlung durch das Verfügungsgericht erkennbar ohne Bedeutung.
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Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens entspricht dem Wert der in der ersten Instanz
angefallenen gerichtlichen und außergerichtlichen Kosten.
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