Urteil des OLG Köln vom 19.06.2001

OLG Köln: geschäftsführung ohne auftrag, zustand, reparatur, eigenes verschulden, elektrische anlage, sammlung, haftungsbeschränkung, belastung, bremse, kollision

Datum:
Gericht:
Spruchkörper:
Entscheidungsart:
Tenor:
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Aktenzeichen:
Oberlandesgericht Köln, 3 U 187/00 BSch
19.06.2001
Oberlandesgericht Köln
3. Zivilsenat
Urteil
3 U 187/00 BSch
Auf die Berufung des Beklagten wird das am 4. September 2000
verkündete Urteil des Schifffahrtsgerichts Duisburg-Ruhrort teilweise
abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Unter Abweisung der weitergehenden Klage wird der Beklagte verurteilt,
an die Klägerin 322.972,87 DM nebst 4 % Zinsen aus 342.756,13 DM
vom 16.09.1998 bis zum 12.10.1999 und aus 322.972,87 DM seit dem
13.10.1999 zu zahlen.
Im übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreits tragen die Klä-gerin 6 % und der
Beklagte 94 %. Die durch die Nebenintervention verursachten Kosten
werden der Klägerin zu 6 % und der Streithelferin des Beklagten zu 94 %
auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung
durch Sicherheitsleistung in Höhe von 380.000,00 DM abwenden, wenn
nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe
leistet. Der Klägerin wird gestattet, die Sicherheit auch durch Bürgschaft
einer deutschen Großbank, Genossenschaftsbank oder öffentlichen
Sparkasse zu erbringen.
T a t b e s t a n d :
Die Klägerin ist Verkehrssicherungspflichtige für den Rhein als Schifffahrtsstraße.
Der Beklagte war im Sommer 1998 Eigner des MS "U. " und führte sein Schiff am
30.06.1998 auf einer Reise von Sehnde nach Schweinfurt, als er in Höhe von
Rheinkilometer 736,5 mit dem zu Tal fahrenden MS "A. " kollidierte. Infolge dieser Kollision
sank das MS "U. " außerhalb des Fahrwassers vor einer dortigen Kribbe.
Das Wasser- und Schifffahrtsamt (WSA) Köln sicherte das gesunkene Schiff durch
Auslegen eines Wahrschaufloßes und forderte den Beklagten mit Schreiben vom
03.07.1998 auf, bis zum 06.07.1998 verbindlich zu erklären, dass er die Bergung seines
Schiffes unverzüglich durchführen lasse. Weiter heißt es in diesem Schreiben, dass das
WSA nach fruchtlosem Fristablauf die Bergung im Wege der zivilrechtlichen
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Geschäftsführung ohne Auftrag veranlassen werde und die Kosten der Bergung zu Lasten
des Beklagten gingen. Da der Beklagte bis zum 07.07.1998 die gewünschte Erklärung
nicht abgegeben hatte, teilte ihm das WSA Köln mit Schreiben vom 07.07.1998 mit, dass
die Bergung nunmehr im Wege der Geschäftsführung ohne Auftrag durchgeführt werde,
und verfuhr sodann entsprechend. Im weiteren verkaufte der Beklagte, der das Eigentum an
MS "U. " nicht aufgegeben hatte, das Wrack für 20.000,00 DM. Dieser Betrag und die
Fracht in Höhe von 4.067,23 DM kamen zwischen den Schiffsgläubigern zur Verteilung.
Am 13.10.1999 bekam die Klägerin davon 19.783,26 DM.
Mit ihrer Klage nimmt die Klägerin den Beklagten auf Erstattung ihrer für die Bergung des
MS "U. " aufgewandten Eigen- und Fremdkosten in Anspruch.
Sie hat vorgetragen, der Beklagte hafte für die Kostenerstattung unbeschränkt, weil er zum
einen die Havarie zu vertreten habe, zum anderen die Haftungsbeschränkung nach dem
Binnenschifffahrtsgesetz nicht den Aufwendungsersatz nach den Vorschriften der GoA
betreffe. Die getroffenen Maßnahmen seien erforderlich, die verursachten Kosten
angemessen gewesen. Die geltend gemachten Regiekosten seien aus § 18 Abs. 3 der
Kostenerstattungsvorschrift des Bundes (KEV) berechtigt.
Die Klägerin hat beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, an sie 345.104,87 DM nebst Zinsen in Höhe von 4
% seit dem 13.10.1999 sowie weitere Zinsen in Höhe von 4 % auf den Betrag von
364.888,13 DM für den Zeitraum vom 16.09.1998 bis zum 12.10.1999 zu zahlen.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen und der Klägerin auch die Kosten des
Verklarungsverfahrens 5 II 3/98 Schifffahrtsgericht Duisburg-Ruhrort aufzuerlegen.
Die Streithelferin des Beklagten hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte hat vorgetragen, seine Haftung sei nach dem Binnenschifffahrtsgesetz
beschränkt auf den Wert von Schiff und Fracht, so dass die Klägerin mehr als die
erhaltenen 19.783,26 DM nicht verlangen könne. Der Unfall sei für ihn ein unabwendbares
Ereignis gewesen. Er sei zurückzuführen auf einen von ihm nicht zu vertretenden Ausfall
der Ruderanlage an MS "U. ". Vorsorglich hat der Beklagte die Höhe der geltend
gemachten Ersatzpositionen bestritten.
Durch Urteil vom 04.09.2000 - 5 C 37/99 BSch - (Bl. 103 ff. d. A.), auf das vollinhaltlich
Bezug genommen wird, hat das Schifffahrtsgericht der Klage stattgegeben. Zur
Begründung hat es ausgeführt, die Klägerin habe gegen den Beklagten aus
Geschäftsführung ohne Auftrag gemäß § 683 BGB einen Kostenerstattungsanspruch in
Höhe von noch offenen 345.104,87 DM. Der Beklagte sei verpflichtet gewesen, als
Verursacher das aus dem Wrack von MS "U. " bestehende Hindernis im Rhein zu
beseitigen. Die Klägerin habe als Verkehrssicherungspflichtige diese Maßnahme
berechtigterweise selbst durchgeführt und insoweit nicht nur eine eigene, sondern auch
eine Pflicht des Beklagten wahrgenommen und dabei im wirklichen oder jedenfalls
mutmaßlichen Willen des Beklagten gehandelt. Gleiches gelte für die unmittelbar nach der
Kollision erfolgten Sicherungsmaßnahmen.
Die Haftungsbeschränkung des § 4 Binnenschifffahrtsgesetz a. F. sei auf den Anspruch
aus Geschäftsführung ohne Auftrag nicht anwendbar. § 4 Binnenschifffahrtsgesetz n. F.
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kommen nicht zur Anwendung, weil diese Vorschrift erst nach dem 25.08.1998 entstandene
Sachverhalte erfasse.
Der Aufwendungsersatzanspruch der Klägerin umfasse die an die Firma Barthel gezahlten
Bergungskosten in Höhe von 321.320,00 DM. Ferner könne die Klägerin Erstattung ihrer
Gemeinkosten in Höhe von 32.132,00 DM verlangen. Schließlich habe die Klägerin
Anspruch auf Erstattung der Kosten für das Wahrschaufloß zur Sicherung des Wracks in
Höhe von 11.436,13 DM. Abzüglich der bereits gezahlten 19.783,26 DM verblieben somit
noch 345.104,87 DM.
Gegen dieses ihm am 12.09.2000 zugestellte Urteil hat der Beklagte am 09.10.2000
Berufung eingelegt und diese nach entsprechender Fristverlängerung am 11.12.2000
begründet.
Er meint, er hafte für Ansprüche aus Geschäftsführung ohne Auftrag nur beschränkt mit
seinem Schiffsvermögen, weil ihn an dem Ausfall der Ruderanlage und der hierdurch
hervorgerufenen Kollision von MS "U. " mit MS "A. " und dem nachfolgenden Sinken seines
Schiffes kein Verschulden treffe. In der höchstrichterlichen Rechtssprechung sei anerkannt,
dass die Haftungsbeschränkung des § 4 Binnenschifffahrtsgesetz a. F. auf Ansprüche aus
Geschäftsführung ohne Auftrag Anwendung finde, wenn den Schiffseigner und die
Besatzung kein Verschulden treffe. Dies sei keineswegs unbillig, zumal die Klägerin auch
die Wahl gehabt habe, nach dem Untergang des MS "U. " öffentlich rechtlich aufgrund des
Bundeswasserstraßengesetzes und des Verwaltungsvollstreckungsgesetzes vorzugehen.
Die Ruderanlage seines Schiffes habe stets ordnungsgemäß und zuverlässig funktioniert.
Ausfälle habe es bis auf den hier in Rede stehenden Fall, der für ihn Veranlassung
gewesen sei, die Streithelferin als Fachfirma mit der Reparatur zu beauftragen, und
denjenigen, der wenige Stunden später zu dem Ruderausfall vor der Begegnung mit MS
"A. " geführt habe, nicht gegeben. Nach der Reparatur durch den Fachmonteur M. der
Streithelferin habe sich die Ruderanlage in ordnungsgemäßem Zustand befunden, was der
Monteur ihm ausdrücklich bestätigt habe. Die von dem Sachverständigen Dr. E.
festgestellten Mängel der elektrischen Ruderanlage seien vorher nicht vorhanden
gewesen. Sie seien durch spätere Einwirkungen entstanden; insbesondere seien die von
dem Sachverständigen beschriebenen Korrosionserscheinungen durch das längere Liegen
im Wasser und die aggressive Wirkung der im Rheinwasser aufgelösten
Düngemittelladung entstanden.
Mit nicht nachgelassenem Schriftsatz vom 14.05.2001 behauptet der Beklagte, der
Fachmonteur M. der Streithelferin habe einen von ihm im November 1996 erworbenen
fabrikneuen Schütz eingebaut, der bei der anschließenden Überprüfung einwandfrei
funktioniert habe. Da es sich diesbezüglich um die Auswechselung eines Verschleißteiles
gehandelt habe, das die Funktion der Ruderanlage und der Notruderanlage nicht berühre,
habe es einer erneuten Abnahme durch die Schiffsuntersuchungskommission nicht bedurft.
Die zum Zwecke der Reparatur abgenommenen drei Keilriemen hätten nur nach
Umschaltung auf die Notruderanlage wieder aufgezogen werden können, woraus sich
ergebe, dass das Umschalten auf die Notruderanlage nach Beendigung der
Reparaturarbeiten noch einwandfrei funktioniert habe.
Im übrigen bestreitet der Beklagte die Höhe der Aufwendungen der Klägerin.
Der Beklagte beantragt,
unter Aufhebung des angefochtenen Urteils gemäß den erstinstanzlich gestellten
Anträgen die Klage abzuweisen.
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Die Streithelferin schließt sich dem Antrag des Beklagten an.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen und
ihr zu gestatten, eine Sicherheit auch durch Bürgschaft einer deutschen
Großbank, Genossenschaftsbank oder öffentlichen Sparkasse zu erbringen.
Sie macht geltend, die Haftungsbegrenzung des § 4 Binnenschifffahrtsgesetz a. F. sei auf
den Anspruch aus Geschäftsführung ohne Auftrag nicht anwendbar. Die Privilegierung des
Schiffers durch die frühere Rechtsprechung sei aus heutiger Sicht nicht mehr vertretbar. Die
Bergungskosten seien heutzutage auch ohne weiteres versicherbar. Angesichts dessen,
dass sie als Eigentümerin der Bundeswasserstraßen zum vollen Schadenersatz im Falle
einer Havarie verpflichtet sei, wenn sie ein Schiffswrack nicht ausreichend kennzeichne
oder beseitige, wäre es völlig unbillig, wenn sie nicht zumindest einen vollständigen
Ausgleich für die ihr entstandenen Kosten erhalte. Jedenfalls entfalle die
Haftungsbegrenzung, weil dem Beklagten als Schiffseigner ein Verschuldensvorwurf zu
machen sei. Durch die Reparatur seitens der Streithelferin sei die Ruderanlage nicht in
einen betriebssicheren Zustand versetzt worden. Nach dem Gutachten des
Sachverständigen Dr. E. stehe fest, dass die Ruderanlage zum Zeitpunkt des Untergangs
eine Vielzahl von Mängeln aufgewiesen habe, die durch die provisorische Reparatur der
Streithelferin nicht dauerhaft beseitigt worden seien.
Die Klägerin wiederspricht der Verwertung des Vorbringens des Beklagten in dem nicht
nachgelassenen Schriftsatz vom 14.05.2001.
Im übrigen ergänzt sie ihre Angaben zur Höhe ihrer Aufwendungen.
Die Gemeinkosten stellen die Parteien und die Streithelferin übereinstimmend mit
10.000,00 DM unstreitig.
Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien und der Streithelferin wird auf die in beiden
Instanzen gewechselten Schriftsätze nebst den überreichten Urkunden Bezug genommen.
Die Akten des Verklarungsverfahrens 5 II 3/98 Schifffahrtsgericht Duisburg-Ruhrort sind
Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
Die in formeller Hinsicht nicht zu beanstandende Berufung des Beklagten hat nur in
erkanntem Umfang Erfolg.
Das Schifffahrtsgericht hat im Ergebnis zu Recht einen Kostenerstattungsanspruch der
Klägerin gegen den Beklagten aus dem Gesichtspunkt der Geschäftsführung ohne Auftrag
bejaht.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und des Senats kann die
Klägerin als auftragslose Geschäftsführerin gemäß §§ 677, 683, 670 BGB Ersatz von
Bergungskosten beanspruchen. Mit der Sicherung und Hebung des Wracks hat die
Klägerin ein dem Beklagten gemäß § 1004 BGB obliegendes Geschäft für diesen besorgt,
selbst wenn sie hierzu auch ihrerseits im Rahmen ihrer privat- und öffentlich-rechtlichen
Verkehrssicherungspflicht verpflichtet war. Für die Fremdgeschäftsführung reicht es aus,
dass der Handelnde auch im Interesse eines anderen tätig wird. Ein etwa
entgegenstehender Wille des Beklagten wäre gemäß § 679 BGB unbeachtlich (vgl. OLG
Köln MDR 55, 485; OLGZ 68, 24 und ZfB 72, Sammlung Seite 481; BGH NJW 69, 1205 f.
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und BGHZ 65, 384 ff.; s. a. BGH NJW 64, 1365 (Anspruch aus § 812 BGB bejaht);
Vortisch/Bemm, Binnenschifffahrtsrecht, 4. Auflage, § 93 Rdn. 25; Bartlsperger ZfB 75,
Sammlung Seite 673; Laubinger ZfB 82, Sammlung Seite 893 ff. (901)).
Soweit in der Literatur die Auffassung vertreten worden ist, der Wasserstraßeneigentümer
müsse öffentlich-rechtlich gegen den Störer vorgehen (so Bartlsperger und Laubinger
jeweils a. a. O.), hat der BGH in seiner Entscheidung BGHZ 65, 384 ff. (388) ausdrücklich
daran festgehalten, dass die Klägerin nicht auf polizeiliches Vorgehen beschränkt ist,
sondern privat-rechtlich im Wege der Geschäftsführung ohne Auftrag Ersatz ihrer
Aufwendungen für Schiffs- und Ankerbergungen verlangen kann, da die strompolizeilichen
Vorschriften keinen Ausschließlichkeitscharakter besitzen.
Die Rechtsprechung hat aber stets auf die betreffenden Ansprüche aus Geschäftsführung
ohne Auftrag die Haftungsbeschränkung auf Schiff und Fracht gemäß § 4
Binnenschifffahrtsgesetz a. F. analog angewendet, wenn den Schiffseigner kein
Verschulden traf. Begründet wurde dies mit dem das ganze Schifffahrtsrecht
beherrschenden Grundsatz, dass der Eigentümer eines Schiffes wegen solcher Schäden,
die ohne sein Verschulden infolge der mit der Schifffahrt verbundenen Gefahren
entstanden sind, nur mit Schiff und Fracht hafte. Diesem Gedanken entspreche die
Regelung nach § 25 Strandungsordnung für die im Bereich der Seeschifffahrt gesunkenen
Schiffe. Auch § 4 Binnenschifffahrtsgesetz gehe davon aus, dass der Schiffseigner durch
Versäumnisse und Verschulden der Schiffsbesatzung, der er das Schiff anvertraute, zwar
verpflichtet wird, dass es ihm aber wegen des Fehlens ausreichender
Überwachungsmöglichkeiten und angesichts der aus einer Verpflichtung möglicherweise
entstehenden schwerwiegenden Schadensfolgen unzumutbar sei, mehr einzubüßen, als er
dem Verkehr in Gestalt von Schiff und Frachtforderungen anvertraut habe. Nach Anlass,
Ursache und Interessenlage müsse dies für die gegen den Schiffseigner geltend
gemachten Hebungskosten gelten, die ihren Anlass aus der nautischen Gefahr des
Schiffsverkehrs fänden (vgl. BGH NJW 55, 340, (342); OLG Köln MDR 55, 485 und OLGZ
68, 24 (26 f.); BGH NJW 69, 1205 f.). Hieran hält der Senat für den vorliegenden, noch nach
altem Recht zu beurteilenden Fall der Bergung eines Schiffswracks fest, zumal sich die
Schifffahrt mit Sicherheit auf die zuvor erläuterte jahrzehntelange Rechtsprechung
eingestellt und dementsprechend von einer speziellen Bergungskostenversicherung
abgesehen hatte.
Allerdings ist die analoge Anwendung von § 4 Binnenschifffahrtsgesetz a. F. nur
gerechtfertigt, wenn den Schiffseigner kein Verschulden trifft. Für eigenes Verschulden,
insbesondere bei Verletzung seiner Pflicht zur Erhaltung der Fahrtüchtigkeit des Schiffes,
haftet er ohne die Möglichkeit der Haftungsbeschränkung nach dem
Binnenschifffahrtsgesetz unbeschränkt persönlich (vgl. Vortisch/Bemm,
Binnenschifffahrtsgesetz § 4 Rdn. 3 f.; Bemm/von Waldstein,
Rheinschifffahrtspolizeiverordnung, 3. Auflage, § 1.08 Rdn. 9).
Bei einem Ruderversagen spricht der Beweis des ersten Anscheins für mangelnde
Wartung. Der Schiffseigner hat sich daher dahin zu entlasten, dass die elektrische
Ruderanlage nach Konstruktion und Einbau tauglich war und sie sich in der Zeit vor der
Havarie in einem Zustand befunden hat, der es erlaubte, sie in Betrieb zu nehmen (vgl.
Vortisch/Bemm, Binnenschifffahrtsgesetz, § 92 Rdn. 9; Bemm/von Waldstein,
Rheinschifffahrtspolizeiverordnung, § 1.08 Rdn. 12 f.; BGH Versicherungsrecht 69, 441;
Straßburg ZfB 78, 475 und 2001, Sammlung S. 1822; Senat ZfB 97, 1623).
Dem Beklagten ist der ihm obliegende Entlastungsbeweis nicht gelungen. Nach dem
Gutachten des Sachverständigen Dr. E. steht fest, dass sich die elektrische Ruderanlage
schon vor der Überflutung infolge der Havarie in schlechtem Zustand befand. Die
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Bestandsaufnahme des Sachverständigen hat ergeben, dass der Zustand der Schütze BS
(Baujahr 83/4) und SB (Baujahr 79/2) aufgrund der nicht geschlossenen Staubkappen
schlecht war. Das Schütz BS war nicht mehr mechanisch funktionsfähig und im
Schaltzustand offen, das Schütz SB schaltete mechanisch verzögert. Je ein
Hauptanschluss der Schütze BS und SB war abgeschmolzen. Der Zusatzsicherungshalter
war nicht funktionsfähig und durch eine gesonderte Spannungsversorgung der Steuerung
ersetzt. Die Anschlussklemmleiste in der Steuerung war teilweise zerstört. Die Steuerdiode
2 war defekt. Eine Vorschaltsicherung für die Rudermaschine hatte zwar noch die
elektrische Funktion (Schmelzleiter zum Teil zerstört), der mechanische Zustand war aber
als nicht mehr funktionsfähig zu bezeichnen.
Bei der elektrischen Schaltung hätte die Nutzung des Zweite-Stufe-Kontaktes zur
Ansteuerung der ersten Stufe Backbord so nicht durchgeführt werden dürfen, sondern hätte
durch Kontakterneuerung für die erste Stufe erfolgen müssen. Die Ansteuerung in der
zweiten Stufe war nicht möglich. Die Verdrahtung des MS "U. " im Bereich der
Ruderanlage war nicht mit dem Schaltplan C. identisch. Die Stromzuführung der Steuerung
war getrennt zur Stromzuführung der Rudermaschine ausgeführt. Die vorgegebene
Polarität der Steuerspannung für die Bremse wurde nicht eingehalten: eine
Anschlussschraube am Schalter "Hauptmaschine, Lichtmaschine, Aggregat, Aus" war
locker. Eine Anschlussschraube der Bremsensteuerleitung war locker. Die Verdrahtung im
Bereich des Sicherungs- und Schalterkastens war in einem schlechten Zustand, der noch
durch die Havarie verstärkt wurde.
Entgegen dem Vorbringen des Beklagten und der Streithelferin sind die festgestellten
Mängel nicht sämtlich auf die Überflutung und die aggressive Wirkung der im Rheinwasser
gelösten Düngemittelladung zurückzuführen. Vielmehr steht nach den überzeugenden
Ausführungen des Sachverständigen Dr. E. fest, dass schon vor der Havarie eine Reihe
von Mängeln vorlagen, die dann auch für das Ruderversagen ursächlich geworden sind.
So waren die Schütze - nach der eigenen Darstellung des Beklagten Verschleißteile -
überwiegend bereits Jahrzehnte alt; bei einem Schütz fehlte die Staubkappe völlig, bei den
Schützen BS und SB waren diese nicht geschlossen. Ihr Zustand war entsprechend
schlecht. Eine Schwergängigkeit war offensichtlich schon vor der Überflutung vorhanden.
Auch bei dem Zusatzsicherungshalter hat nach den Feststellungen des Sachverständigen
schon vor der Überflutung eine deutliche Vorschädigung vorgelegen. Ferner ist der stark
korrodierte Zustand einer Vorschaltsicherung nach den Ausführungen des
Sachverständigen nicht mit der Havarie und der Überflutung zu erklären, sondern eher
durch langeinwirkende Feuchtigkeit. Dies erscheint aufgrund des aus dem Lichtbild Nr. 38
(Anlage zum Gutachten des Sachverständigen Dr. E. ) ersichtlichen Zustandes der
Sicherung plausibel. Zudem entsprach die Ruderanlagensteuerung nicht mehr dem
Schaltplan Creusen, wodurch nach den einleuchtenden Ausführungen des
Sachverständigen der Sicherheitsschutz herabgesetzt war. Insgesamt hat der
Sachverständige die einwandfreie Funktion der Stromversorgung der Steuerung aufgrund
der festgestellten Mängel und Fehler mit "zufällig" bezeichnet.
Zwar wird man nicht annehmen können, dass der Beklagte als Laie im Bereich der
Elektrotechnik die festgestellten Mängel im Einzelnen gekannt hat. Andererseits kann ihm
nicht verborgen geblieben sein, dass sich die Schütze altersbedingt und in Folge nicht
geschlossener Staubkappen in einem schlechten Zustand befanden. Dafür spricht schon,
dass er Ersatzschütze an Bord genommen hatte, mit einem Ausfall der alten Schütze
infolge Verschleißes also offensichtlich rechnete.
Dass der Beklagte wenige Stunden vor der Havarie durch die Streitverkündete
Reparaturarbeiten an der Ruderanlage hat durchführen lassen, entlastet ihn nicht. Soweit
er sich auf eine Entscheidung des Senats beruft, ein Schiffsführer brauche nicht klüger und
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kenntnisreicher zu sein als die fachkundigen Prüfer der SUK (ZfB 97, Sammlung Seite
1647), kann dieser Grundsatz nicht ohne weiteres auf einen Monteur übertragen werden.
Denn der Erklärung eines Monteurs nach Durchführung einer Reparatur, jetzt sei alles in
Ordnung, kann nicht im selben Maße vertraut werden wie einem Attest der Prüfer der SUK
nach erfolgter Sonderuntersuchung. Dies gilt schon deshalb, weil ein Monteur häufig nicht
dieselbe Sachkunde besitzt wie die besonders qualifizierten Prüfer der SUK, und zum
anderen, weil häufig nur ein eingeschränkter Reparaturauftrag erteilt wird und nach
Durchführung der Arbeiten keine umfassende Überprüfung der Ruderanlage in einer
Belastungssituation erfolgt.
Auch im vorliegenden Fall hat eine derartige Prüfung nicht stattgefunden. Es kann offen
bleiben, ob der Beklagte im Hinblick auf die Gefährlichkeit eines Ruderausfalls und die Art
der hier durchgeführten Reparatur verpflichtet gewesen wäre, eine Sonderuntersuchung
durch die SUK nach § 2.08 RhSchUO herbeizuführen, wonach eine Sonderuntersuchung
für den Fall einer wesentlichen Änderung oder Instandsetzung vorgeschrieben ist.
Immerhin war nicht lediglich ein Schütz ausgetauscht worden; der Zeuge M. hatte vielmehr
auch Arbeiten an der nicht funktionierenden Bremse ausgeführt, die bewirkt, dass das
Ruder in der gewählten Einstellung stehen bleibt. Jedenfalls muss sich der Beklagte
vorwerfen lassen, dass er nach Durchführung der Reparaturarbeiten die Ruderanlage nicht
durch eine Probefahrt unter Belastung hat überprüfen lassen. Unstreitig hatte der Beklagte
während der gesamten Arbeiten und Überprüfungen den Keilriemen abmontiert, der dazu
dient, das Ruderwerk hinten zu bewegen. Dies hatte - wie der Zeuge M. bestätigt hat - zur
Folge, dass die durch die Schütze fließenden Ströme nicht so stark waren, als wie wenn
das Ruder unter Belastung gestanden hätte. Es erscheint ohne weiteres denkbar, dass sich
bei einem Probelauf der Maschine unter Belastung der für das Ruderversagen ursächliche
Fehler der elektrischen Ruderanlage, der seitens der Streitverkündeten nicht dauerhaft
beseitigt worden war, gezeigt hätte. Insbesondere hätte auch überprüft werden müssen, ob
die Umschaltung auf das Notruder nach der Reparatur noch funktionierte. Nach alledem hat
der Beklagte den ihm obliegenden Entlastungsbeweis nicht geführt. Sein Vorbringen in
dem nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 14.05.2001 gibt dem Senat keinen Anlass zur
Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung. Auch wenn das von dem Zeugen M.
eingebaute Schütz fabrikneu war und nach der Montage funktionierte, ändert dies nichts
daran, dass sich die elektrische Anlage im übrigen infolge unzureichender Wartung in
einem mangelhaften Zustand befand, aufgrund dessen es zu dem Ruderversagen
gekommen ist. Insoweit hat der Sachverständige Dr. E. zwei Alternativen zum möglichen
Unfallverlauf dargestellt, wonach unter anderem der schlechte Zustand der beiden ältesten
Schütze BS und SB zu der Havarie geführt haben kann.
Der Beklagte kann sich auch nicht damit entlasten, dass die Notruderanlage beim
Wiederaufziehen des Keilriemens nach erfolgter Reparatur noch funktioniert habe. Nach
den Feststellungen des Sachverständigen Dr. E. zum möglichen Unfallverlauf hat der in der
Steuerelektronik aufgetretene Defekt dazu geführt, dass entweder die Rudermaschine oder
die Bremse die Umschaltung auf Handsteuerung blockiert hat. Insoweit ändert sich nichts
an der Beurteilung, dass der Beklagte gehalten war, die Mangelfreiheit des elektrischen
Systems nach erfolgter Reparatur unter Belastung testen zu lassen. Keinesfalls durfte er
darauf vertrauen, dass es ihm dann, wenn die Reparatur nicht zu einer dauerhaften
Beseitigung der Mängel geführt hatte und es infolgedessen zu einem erneuten
Ruderausfall kam, auf jeden Fall gelingen werde, rechtzeitig auf die Handsteuerung
umzuschalten.
Nach alledem hat der Beklagte die Havarie schuldhaft verursacht und ist daher verpflichtet,
der Klägerin die ihr durch die Sicherung und Bergung des Schiffswracks entstandenen
Kosten zu ersetzen.
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Die der Klägerin zu erstattenden Aufwendungen belaufen sich auf insgesamt 342.756,13
DM, von denen nach Zahlung des Betrages von 19.783,26 DM noch 322.972,87 DM offen
stehen. Die Klägerin kann zunächst Erstattung des an die Firma Barthel für die Bergung
des Schiffswracks gezahlten Betrages von 321.320,00 DM beanspruchen. Ferner kann sie
Ersatz der ihr in diesem Zusammenhang entstandenen Gemeinkosten verlangen, die die
Parteien und die Streitverkündete übereinstimmend mit 10.000,00 DM unstreitig gestellt
haben. Schließlich hat die Klägerin gegen den Beklagten Anspruch auf Erstattung ihrer
Kosten für das Auslegen und Einholen des Wahrschaufloßes zur Sicherung des Wracks in
Höhe von 11.436,13 DM. Nach näherer Erläuterung der diesbezüglichen Kosten und
Vorlage der entsprechenden Leistungsnachweise durch die Klägerin hat der Beklagte die
betreffenden Positionen nicht mehr substantiiert bestritten. Sie sind daher als zugestanden
anzusehen.
Der Zinsanspruch ist aus dem Gesichtspunkt des Verzuges gemäß §§ 284, 288 BGB a. F.
gerechtfertigt.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 92 Abs. 1, 101 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über
die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 S. 1, 108 Abs. 1 ZPO.
Streitwert für das Berufungsverfahren: 345.962,00 DM
Beschwer des Beklagten: 323.830,00 DM, Beschwer der Klägerin 22.132,00 DM