Urteil des OLG Köln vom 25.08.2008

OLG Köln: wichtiger grund, prostitution, wohnung, eigentümer, mieter, ermessen, beweiswürdigung, beschwerdekammer, stadt, alkohol

Oberlandesgericht Köln, 16 Wx 117/08
Datum:
25.08.2008
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
16. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
16 Wx 117/08
Tenor:
Die sofortige weitere Beschwerde der Antragssteller gegen den
Beschluss der 29. Zivilkammer des Landgerichts Köln vom 13.05.2008 -
29 T 219/07 - wird zurückgewiesen.
Die Gerichtskosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens tragen die
Antragsteller.
Eine Erstattung außergerichtlicher Kosten erfolgt nicht.
Der Geschäftswert beträgt für die Rechtsbeschwerde 7.829,04 €.
G r ü n d e
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I
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Die Antragsgegnerin ist Eigentümerin zweier Wohnungen der genannten
Wohnungseigentümergemeinschaft. Die Antragsteller nehmen die Antragsgegnerin in
Anspruch, weil diese ihre zwei Wohnungen an Damen vermietet hat, die dort der
Prostitution nachgehen. Die Mieterinnen als Callgirls verabreden sich telefonisch mit
den Freiern. Die Antragsteller verlangen, dass die Antragsgegnerin diese
Wohnungsnutzung unterlässt; ferner beantragen sie Erstattung angefallener
Detekteikosten. Die Gemeinschaftsordnung dieser Wohnanlage sieht u.a. vor, dass die
Ausübung eines Gewerbes oder Berufes in einer Wohnung der Zustimmung des
Verwalters bedarf, die dieser nur aus wichtigem Grund, insbesondere bei einer
unzumutbaren Beeinträchtigung, verweigern darf. Beide Vorinstanzen haben – unter
verschiedenen Gesichtspunkten – die Anträge abgelehnt. In dem Verfahren der weiteren
Beschwerde verfolgen die Antragsteller ihr ursprüngliches Begehren weiter.
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II.
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Die in formeller Hinsicht unbedenkliche sofortige weitere Beschwerde ist nicht
begründet.
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Die Entscheidung des Landgerichts ist aus Rechtsgründen, die allein Gegenstand des
Rechtsbeschwerdeverfahrens sein können (§ 27 FGG i. V. m. 546 ZPO), im Ergebnis
nicht zu beanstanden. Aufgrund des festgestellten Sachverhalts haben Amts- und
Landgericht zu Recht den Unterlassungs- wie den Zahlungsanspruch verneint.
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Im Regelfall wird für eine Anlage, in der sich Wohnungseigentumseinheiten befinden,
ganz überwiegend angenommen, dass die bloße Tatsache der Prostitutionsausübung
für die benachbarten Wohnungseigentümer einen nicht mehr hinnehmbaren Nachteil
darstellt, weil dieser Umstand den Wert der Wohnung und damit die Preisbildung
negativ beeinflusse (OLG Hamburg, ZMR 2005, 644; OLG Frankfurt, NZM 2004, 950).
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Vorliegend handelt es sich indes um eine Wohnanlage, die nicht den Ansprüchen
typischer Mehrfamilienwohnanlagen entspricht, vielmehr verschiedene Besonderheiten
hinsichtlich ihrer Nutzung und Lage aufweist Dies hat zur Folge, dass die Ausübung der
Prostitution an sich noch keine unzumutbare Beeinträchtigung der übrigen
Wohnungseigentümer darstellt. Hierzu hat das Amtsgericht zutreffend auf verschiedene,
von ihm fehlerfrei festgestellte Besonderheiten verwiesen. So besteht die Anlage aus 70
Einzimmerwohnungen, die überwiegend etwa 23- 24 qm groß sind. Familien mit
Kindern wohnen dort nicht. Mindestens fünf Wohnungen werden von einer karitativen
Einrichtung genutzt, um dort im Wechsel Obdachlose zur Wiedereingliederung für einige
Monate unterzubringen. Dass darunter auch Personen sind, die Alkohol- oder
Drogenprobleme haben, wird auch von der Antragstellerseite nicht in Abrede gestellt.
Ferner befindet sich in der Anlage eine Wohngemeinschaft mit jugendlichen
Drogensüchtigen. Die Wohnanlage liegt an einer Straße der Stadt Köln, in der auch
randständige Menschen Unterkunft finden. Bei einer Gesamtschau dieser Umstände
werden allein durch die Ausübung der Prostitution in zwei Wohnungen, wenn wie hier
die Verabredungen mit den Freiern telefonisch erfolgen -"Callgirls -, der Wohnwert und
der wirtschaftliche Wert der übrigen Wohnungen der Wohnanlage nicht erheblich
beeinträchtigt. Durch die geschilderte sonstige Nutzung und die Lage der Wohnanlage
entspricht diese nicht den Anforderungen an übliche Mehrfamilienwohnanlagen,
sondern ist –jedenfalls derzeit - auf andere Bedürfnisse zugeschnitten. Diese
Sachverhaltsfeststellung des Amtsgerichts ist verfahrensfehlerfrei zustande gekommen
und lässt keine Mängel in der Beweiswürdigung erkennen.
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Eine andere Beurteilung ergäbe sich, wenn durch die Prostitutionsausübung konkrete
Beeinträchtigungen der anderen Mieter/Eigentümer verbunden wären, mithin die
Ausübung der Prostitution in einer Weise nach außen hervortritt, dass hieran Anstoß
genommen werden könnte (vgl. LG Nürnberg-Fürth, NJW-RR 1990, 1355;
Staudinger/Kreuzer, BGB, 13. Aufl., § 13 WEG Rdnr. 57). Dies vermochten die
Antragsteller nicht schlüssig darzulegen. Auch nach einem gerichtlichen Hinweis durch
die Beschwerdekammer haben die Antragsteller keine konkreten Umstände
vorgebracht, die eine besondere Belästigung als Folge der Nutzung durch Callgirls
erkennen lassen. Der Hinweis auf die in dem Schreiben vom 19.07.2006 aufgezeigten
Vorfälle reicht nicht, da sich die dort aufgeführten Beanstandungen auf insgesamt fünf
Appartements beziehen und nicht erkennen lassen, ob und ggfs. welche Einzelfälle mit
den Wohnungen Nr. 20 und 35 in Zusammenhang stehen. Das weitere Vorbringen
aufgrund des Hinweises im Schriftsatz vom 15.02.2008 bleibt ungenau und damit
unbeachtlich. Selbst wenn – wie vorgetragen - Freier "immer wieder" suchend vor dem
Klingeltableau stehen sollten, bedeutet dies bei einem Appartementhaus mit 70
Wohnungen keine besondere Belästigung, abgesehen davon, dass diese vermeintlich
belästigenden Nachfragen nicht konkretisiert werden. Soweit eine Belästigung
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weiblicher Hausbewohner behauptet wird, lässt auch dieses Vorbringen jegliche
Angabe zu Häufigkeit und zeitlicher Einordnung vermissen; angeblich betroffene
Bewohnerinnen werden nicht benannt.
Da somit keine besonderen Belästigungen als Folge der Prostitutionsausübung
ersichtlich sind, liegt nach der Teilungserklärung kein wichtiger Grund für eine
Untersagung der Zustimmung zur gewerblichen Nutzung vor, so dass diese Nutzung
zulässig ist. Damit fehlt die Grundlage für einen Unterlassungsanspruch. Ob ein solcher
Anspruch darüber hinaus bereits verwirkt wäre, kann dahin stehen.
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Bereits aus den dargelegten Gründen, aber auch mit den Erwägungen der Vorinstanzen
ist der Zahlungsanspruch der Antragsteller ebenfalls zurückzuweisen.
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Es entspricht billigem Ermessen, dass die Antragsteller die Gerichtskosten des ohne
Erfolg eingelegten Rechtsmittels zu tragen haben, § 47 Satz 1 WEG a.F..
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Gründe, nach § 47 Satz 2 WEG a.F. eine Erstattung außergerichtlicher Kosten
anzuordnen, hat der Senat nicht gesehen.
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Die Festsetzung des Geschäftswerts beruht auf § 48 III WEG a. F..
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