Urteil des OLG Köln vom 16.02.2001

OLG Köln: negative feststellungsklage, werbung, verkehr, verbraucher, markt, ware, widerklage, abmahnung, abgabe, anbieter

Oberlandesgericht Köln, 6 U 181/00
Datum:
16.02.2001
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
6. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
6 U 181/00
Vorinstanz:
Landgericht Köln, 33 O 222/00
Tenor:
1.) Die Berufung der Klägerin gegen das am 29.8.2000 verkündete Urteil
der 33.Zivilkammer des Landgerichts Köln - 33 O 222/00 - wird
zurückgewiesen. 2.) Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die
Klägerin zu tragen. 3.) Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin
kann jedoch die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder
Hinterlegung in Höhe von 12.500 DM abwenden, wenn nicht die
Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet. Der
Klägerin wird auf ihren Antrag nachgelassen, die Sicherheit auch durch
Stellung einer selbstschuldnerischen Bürgschaft einer deutschen
Großbank oder öffentlich-rechtlichen Sparkasse zu erbringen. 4.) Die
Beschwer der Klägerin wird auf 100.315,65 DM festgesetzt.
T a t b e s t a n d
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Die Klägerin gehört zu einer Kette von Kaufhäusern, die unter der (Kurz-) Bezeichnung
"M. Markt" u.a. TV-, Hifi- und Elektrogeräte vertreiben. Gemeinsam mit einem zweiten in
K. ansässigen M. Markt schaltete sie in der Ausgabe des K.S. vom 20.3.2000 eine
Werbebeilage, deren Vorderseite den Gegenstand des vorliegenden Verfahrens bildet.
Dort wird unter der Überschrift: "Der größte Saftladen. Strom und sparen: mit M. Markt
und a." ein tragba. Fernsehgerät der Marke G. zum Preis von 1 DM beworben. Weiter
heißt es in der Werbung: "Wir machen ihnen ein saftiges Angebot. Saft von A. Laufzeit
24 Monate Grundgebühr: 9,90 DM/Monat Verbrauchsgebühr: 0,27 DM/KWh a.". Am
rechten Rand der Werbung findet sich folgender senkrecht gedruckter (Sternchen-
)Hinweis: "Preis gilt nur in Verbindung mit dem Abschluss eines P.& M.-Stromvertrages
mit einer Mindestlaufzeit von 24 Monaten.". Wegen der weiteren Einzelheiten und der
Aufmachung der Werbung wird auf das als Bl.24 bei den Akten befindliche farbige
Originalexemplar sowie deren Einblendung in schwarz/ weiß Kopie in den
nachfolgenden Klageantrag verwiesen.
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Die Beklagte, deren satzungsgemäße Aufgabe die Bekämpfung unlauteren
Wettbewerbs ist, mahnte mit dem aus der Anlage JS 1 (= Bl.5) ersichtlichen Schreiben
vom 23.3.2000 die Klägerin ab und rügte einen Verstoß gegen die ZugabeVO und § 1
UWG unter dem Gesichtspunkt des übertriebenen Anlockens. Nach Ablauf der zur
Abgabe einer Unterlassungserklärung gesetzten Frist beantragte sie unter dem
12.4.2000 in dem Parallelverfahren 33 O 271/00 LG Köln = 6 U 180/00 den Erlass einer
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einstweiligen Verfügung.
Die Klägerin hat die Abmahnung zum Anlass genommen, im vorliegenden Verfahren
eine negative Feststellungsklage zu erheben. Zu deren Begründung hat sie ausgeführt,
mit Blick auf die Abmahnung bestehe das erforderliche Feststellungsinteresse und
angesichts von Entscheidungen des BGH zur Bewerbung und Abgabe von
Mobiltelefonen verursache das Vorgehen der Beklagten eine gewisse Verwunderung. In
einer weiteren Parallelsache 33 O 223/00 LG Köln = 6 U 182/00 OLG Köln hat der
erwähnte zweite M. Markt in K., der auch von der Klägerin abgemahnt worden war,
ebenfalls negative Feststellungsklage erhoben.
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Die Beklagte hat die negative Feststellungsklage mit Blick auf jenes zweite Verfahren
für rechtsmissbräuchlich gehalten und im übrigen die nachfolgend darzustellende
Widerklage erhoben, mit der sie ihr Begehren aus der Abmahnung weiter verfolgt. Vor
diesem Hintergrund haben die Parteien die negative Feststellungsklage
übereinstimmend für erledigt erklärt und wechselseitig Kostenanträge gestellt.
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Zur Begründung der Widerklage, mit der sie auch den Ersatz von Abmahnkosten
verlangt, hat die Beklagte ausgeführt, die Werbung verstoße gegen § 1 Abs.1
ZugabeVO, weil der Verkehr den Stromlieferungsvertrag als Hauptgeschäft verstehe
und der Betrag von 1 DM ein Scheinentgelt darstelle. Überdies liege auch ein
übertriebenes Anlocken im Sinne des § 1 UWG vor, weil der Verkehr überhaupt nur
durch den plakativ herausgestellten Preis von 1 DM für das Fernsehgerät veranlasst
werde, sich mit dem Angebot näher zu befassen, und dann ohne weitere Prüfung von
Angeboten der Mitbewerber den Vertrag schließen werde. Zudem liege ein Verstoß
gegen § 3 UWG vor, weil der Verkehr der Anzeige entnehmen werde, er erhalte ohne
weitere Verpflichtungen ein Fernsehgerät für 1 DM.
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Die Beklagte hat b e a n t r a g t,
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die Klägerin zu verurteilen,
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1. es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung
festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zur Höhe von 500.000 DM, ersatzweise
Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zur Dauer von 6 Monaten zu unterlassen,
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in der an den Endverbraucher gerichteten Werbung wie nachstehend wiedergegeben
ein Fernsehgerät unter Preisangabe anzukündigen und/oder wie angekündigt zu
gewähren:
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KANZLEI:
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BITTE ABLICHTUNG VON BLATT 24 FERTIGEN, ALS SEITE 5 BEZEICHNEN UND
IN DEN AUSFERTIGUNGEN ANSTELLE DIESER SEITE HIER EINFÜGEN.
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ACHTUNG ES HANDELT SICH UM EINE WERBUNG IM DIN A-3 FORMAT
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BITTE KOPIEREN UND HEFTEN WIE BL.27,28 (oder übersichtlicher).
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ES WIRD IM ÜBRIGEN EINE ABLICHTUNG AUCH IN DER PARALLELSACHE 6 U
182/00 BENÖTIGT
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1. an sie 315,65 DM nebst 4 % Zinsen seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
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Die Klägerin hat b e a n t r a g t,
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die Klage abzuweisen.
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Nach Auffassung der Klägerin liegt ein Wettbewerbsverstoß nicht vor. Ein übertriebenes
Anlocken scheide aus, weil es sich um ein gekoppeltes Angebot von zueinander
gehörenden Waren und Dienstleistungen handele und die Anlockwirkung, die von
einem besonders günstigen Angebot selbst ausgehe, nicht wettbewerbswidrig sein
könne. Der Verkehr erkenne nämlich, dass das Fernsehgerät einen nicht unerheblichen
Wert habe und deswegen durch die Leistungen im Rahmen des
Stromlieferungsvertrages finanziert werden müsse. Damit handele es sich um die
Werbung mit der Attraktivität der eigenen Leistung. Ebenso liege eine Zugabe nicht vor,
weil das Fernsehgerät sich als Teil eines Gesamtangebotes darstelle. Schließlich
scheide eine Irreführung aus, weil schon nicht anzunehmen sei, dass maßgebliche
Teile des Verkehrs annehmen könnten, ein Fernsehgerät für nur 1 DM zu erhalten.
Zudem sei der Sternchenhinweis hinreichend ausgestaltet.
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Das L a n d g e r i c h t hat der Widerklage stattgegeben und auch die Kosten der
erledigten Feststellungsklage der Klägerin auferlegt. Die Werbung stelle - so hat die
Kammer im Wege des Verweises auf ihr Urteil in dem erwähnten Verfügungsverfahren
33 O 271/00 ausgeführt - ein übertriebenes Anlocken dar, weil es sich nicht um die
Bewerbung zusammengehöriger Leistungen handele. Zwar benötige das Fernsehgerät
zum Betrieb Strom, das reiche aber für den erforderlichen Zusammenhang nicht aus,
weil Strom auch für den übrigen Haushalt benötigt werde und zudem in aller Regel die
Verbraucher Stromlieferungsverträge bereits mit anderen Unternehmen abgeschlossen
hätten.
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Ihre B e r u f u n g gegen dieses Urteil begründet die Klägerin wie folgt:
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Die Werbung stelle entgegen der Auffassung des Landgerichts ein übertriebenes
Anlocken nicht dar. Dieses setze voraus, dass ein Gewerbetreibender durch ein
Übermaß von meist geldwerten Vorteilen in der Weise auf die Entschließungsfreiheit
des Kunden einwirke, dass dieser seine Entscheidung nicht mehr nach Güte und
Preiswürdigkeit, sondern nur noch danach treffe, wie er in den Genuss des Werbemittels
gelange. Dabei müsse es sich um einen außerhalb des eigentlichen Angebotes
liegenden Vorteil handeln. Vor diesem Hintergrund komme bei Koppelungsangeboten
ein übertriebenes Anlocken durch die besondere Attraktivität des einen Teils der
angebotenen Waren oder Dienstleistungen nur dann in Betracht, wenn es sich nicht um
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ein einheitliches Angebot handele. Liege nämlich ein solches einheitliches Angebot vor,
so könne der besonders günstige Preis für einen Teil des Angebotes keine unsachliche
Kundenbeeinflussung darstellen. Vielmehr handele es sich dann um einen legitimen
Hinweis auf die Preisgünstigkeit der eigenen Ware. Bei derartigen
Koppelungsangeboten von zusammengehörenden Waren oder Dienstleistungen
komme eine Unlauterkeit nur unter dem Aspekt der Verschleierung der Einzelpreise, die
deren Vergleichbarkeit mit anderen Produkten verhindere, in Betracht. Das scheide im
vorliegenden Fall indessen aus, weil für beide Elemente die Preise genannt seien.
Durch die Anzeige werde auch ein einheitliches Angebot beworben. Der Verkehr, auf
dessen Anschauung es maßgeblich ankomme, sei inzwischen von der Handy-Werbung
derartige kombinierte Werbungen gewöhnt. Es spreche auch nichts dagegen, die Art
und Weise der Handy-Werbung auf andere Bereiche zu übertragen, zumal der Verkehr
der Werbung ohne weiteres entnehme, dass das Fernsehgerät durch die Leistungen für
den Strom finanziert werde. Entgegen der Auffassung des Landgerichts bestehe auch
kein maßgeblicher Unterschied zu der beschriebenen Handy-Werbung. Angesichts der
jüngst eröffneten Möglichkeit, den Stromanbieter frei zu wählen, liege es nahe, dass sich
auch auf diesem Marktsektor gekoppelte Angebote bildeten.
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Mit Blick auf die beschriebene Koppelung zu einem Gesamtangebot liege auch keine
Zugabe vor. Schließlich bestehe auch die Gefahr der Irreführung nicht. Angesichts des
niedrigen Preises werde der Verbraucher die Anzeige darauf durchsehen, zu welchen
näheren Bedingungen das Angebot erfolge, und den seitlichen Hinweis entdecken,
zumal dieser mit Sternchenverweis gekennzeichnet sei.
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Die Klägerin b e a n t r a g t,
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unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Widerklage abzuweisen.
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Die Beklagte b e a n t r a g t,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Sie teilt die Auffassung der Klägerin, wonach im vorliegenden Fall eines gekoppelten
Angebotes ein übertriebenes Anlocken nur dann gegeben ist, wenn es sich nicht um
einheitliches Angebot handelt. Ein solches einheitliches Angebot liege aber auch nicht
vor, weil Strom nicht nur für das Betreiben des Fernsehgerätes gebraucht werde. In
Abweichung zu den Fällen der Handy-Werbung, in denen der BGH maßgeblich auf die
inzwischen langjährige Übung abgestellt habe, bestehe eine derartige Übung im
Bereich der Werbung für ein Fernsehgerät nicht.
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Im übrigen stützt die Beklagte sich mit der erstinstanzlich gegebenen Begründung weiter
auf § 1 ZugabeVO und § 3 UWG.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes wird auf die gewechselten
Schriftsätze und die Akten des erwähnten, auf den Erlass einer einstweiligen Verfügung
gerichteten Verfahrens 33 O 271/00 LG Köln = 6 U 180/00 OLG Köln Bezug genommen,
die sämtlich Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
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Die Berufung ist zulässig, hat aber in der Sache keinen Erfolg, weil das Landgericht die
Klägerin zu Recht antragsgemäß verurteilt hat. Der mit der Widerklage geltendgemachte
Unterlassungsanspruch ergibt sich unter dem Gesichtspunkt des übertriebenen
Anlockens aus § 1 UWG. Vor diesem Hintergrund war die Abmahnung der Beklagten
berechtigt und steht ihr deswegen - was die Klägerin auch nicht in Zweifel zieht - aus §§
683, 670 BGB der Ersatz der durch die Abmahnung entstandenen Kosten zu. Ebenso
entspricht es danach billigem Ermessen im Sinne des § 91 a ZPO, dass das
Landgericht die Kosten der übereinstimmend für erledigt erklärten Klage der Klägerin
auferlegt hat.
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Unter dem Gesichtspunkt des übertriebenen Anlockens handelt sittenwidrig und damit
gem. § 1 UWG unlauter, wer im geschäftlichen Verkehr im Übermaß mit Vorteilen für
den Kunden wirbt und so bewirkt, dass dieser sich mit den Angeboten der Wettbewerber
nicht befasst, sondern seine Kaufentscheidung lediglich danach ausrichtet, in den
Besitz des gewährten Vorteils zu gelangen (vgl. Baumbach/Hefermehl,
Wettbewerbsrecht, 21.Aufl., § 1 UWG RZ 90 ff; Köhler/ Piper § 1 RZ 40; Kotthoff in HK-
WettbR § 1 Rz 187). Zu diesen Vorteilen können auch zusätzliche Waren gehören, die
dem Kunden besonders günstig oder sogar unentgeltlich angeboten werden. In der -
allerdings eine im übrigen andere Fallkonstellation betreffenden - Entscheidung
"Schmuck-Set" (WRP 98,727 ff) hat der BGH unter Hinweis auf seine ständige
Rechtsprechung hierzu ausdrücklich ausgeführt, dass eine geschenkweise überlassene
Vergünstigung als Wertreklame zwar nicht grundsätzlich unlauter sei, dass darin aber
eine das zulässige Maß übersteigende Werbung dann liegen könne, wenn von der
Vergünstigung eine derart starke Anziehungskraft ausgehe, dass der Kunde "gleichsam
magnetisch" angezogen und davon abgehalten werde, sich mit dem Angebot der
Mitbewerber zu befassen. Denn es sei mit den guten Sitten im Wettbewerb nicht zu
vereinbaren, dass der umworbene Verbraucher verleitet werde, seine Kaufentscheidung
statt nach Preiswürdigkeit und Qualität der angebotenen Ware danach zu treffen, ob ihm
beim Kauf besondere zusätzliche Vergünstigungen gewährt werden. In den
Entscheidungen "Handy-Endpreis" (BGH GRUR 99,261,263) und "Am Telefon nicht
süß sein?" (BGH WRP 99,517,518) hat der BGH dementsprechend ausdrücklich
aufgegriffen, dass die Koppelung eines Angebotes mit einer besonders günstigen Ware
unter dem Gesichtspunkt des übertriebenen Anlockens wettbewerbswidrig sein kann.
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Kann es danach auch ein übertriebenes Anlocken darstellen, wenn dem Kunden über
das eigentliche Angebot hinaus zusätzlich und besonders günstig eine weitere Ware
angeboten wird, so scheidet der Unlauterkeitsvorwurf andererseits dann aus, wenn es
sich bei der angebotenen Ware, der die besondere Anlockwirkung zukommt, um einen
Teil eines einheitlichen Angebotes handelt. Denn dann geht die hohe Attraktivität
gerade von dem Angebot selbst, bzw. einem Teil des Angebotes aus und die
Anlockwirkung, die von einem attraktiven Angebot ausgeht, ist nicht wettbewerbswidrig,
sondern gewollte Folge des Leistungswettbewerbs. Mit dieser Begründung ist in den
Entscheidungen "Handy-Endpreis" (BGH a.a.O.) und "Handy für 0,00 DM" (BGH GRUR
99,264,266) und "Am Telefon nicht süß sein?" (BGH a.a. O.), denen gekoppelte
Angebote von Handys mit Netzkartenverträgen zugrunde lagen, ein unlauteres
Anlocken verneint worden.
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Ausgehend von diesen Grundsätzen ist die Widerklage begründet. Es besteht auch kein
Anlass, im vorliegenden Verfahren von diesen zum Schutz des Leistungswettbewerbs
gebotenen Grundsätzen abzuweichen. Insbesondere stellt weder die von der Klägerin in
Anspruch genommene Neuheit der Werbeform, noch der Umstand, dass die
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Verbraucher in Deutschland bis vor kurzem durch Monopolanbieter mit Strom versorgt
worden sind, einen Grund dar, das in dem Angebot liegende übermäßige Anlocken von
Kunden als wettbewerbskonform anzusehen.
Das streitgegenständliche Angebot stellt ein übertriebenes Anlocken dar. Die Beklagte
bewirbt einen Stromlieferungsvertrag des Stromvertreibers A. und koppelt dieses
Angebot mit dem Angebot eines Fernsehgerätes der Marke G. für nur 1 DM. Der Kunde
kann danach das Gerät dann für 1 DM erwerben, wenn er den angebotenen
Stromlieferungsvertrag abschließt. Von diesem Angebot geht eine hohe Anlockwirkung
aus, die jenseits der Grenze des wettbewerbsrechtlich Zulässigen liegt. Das ergibt sich
aus dem niedrigen Preis für das Fernsehgerät, der nicht einmal ein Prozent seines
Handelswertes ausmacht. Der Verbraucher weiß, dass Fernsehgeräte im Handel zu
Preisen in einer Größenordnung von mehreren Einhundert DM abgegeben werden. Es
besteht danach die Gefahr, dass der Kunde in dem alleinigen Bestreben, das
angebotene Fernsehgerät praktisch unentgeltlich zu erhalten, und von diesem Angebot
magisch angezogen den Stromlieferungsvertrag abschließt, ohne dessen Konditionen
(näher) zu prüfen und sich mit den Tarifen von Wettbewerbern wie insbesondere seinem
bisherigen Stromlieferanten zu befassen. Das gilt umso eher, als ihm dessen Tarife
regelmäßig nicht präsent sein und nicht wenige Kunden sich mit Blick auf den fast
verschenkten Markenfernseher sagen werden, es spiele keine besondere Rolle, von
welchem Lieferanten sie ihren Strom beziehen.
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Trotz dieser ins Auge springend hohen Anlockwirkung, die von dem Preis von nur 1 DM
für das Markenfernsehgerät ausgeht, läge - wie sich aus den obigen Ausführungen
ergibt - allerdings dann kein im wettbewerbsrechtlichen Sinne übertriebenes Anlocken
vor, wenn der Fernseher Bestandteil eines einheitlichen Angebotes wäre, weil die
Anlockwirkung dann von einem Teil des gekoppelten Angebotes selbst ausginge und
die - auch besondere - Preisattraktivität einer Ware selbst kein übertriebenes Anlocken
darstellt.
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Das beworbene Angebot von Fernsehgerät und Stromlieferung stellt indes kein
einheitliches Angebot dar.
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Zunächst kann der bloße Umstand, dass beide Waren Gegenstand eines gemeinsamen
Angebotes sind, dessen Einheitlichkeit nicht begründen. Denn die Koppelung zweier
Angebote könnte sonst von vornherein nie ein übertriebenes Anlocken darstellen.
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Maßgeblich für die Frage der Einheitlichkeit derartiger Angebote, die verschiedene
Waren zum Gegenstand haben, ist vielmehr die Anschauung des Verkehrs. Der BGH
hat in den drei angeführten, die Koppelung von Netzkartenverträgen mit dem Verkauf
bzw. der unentgeltlichen Abgabe eines Handy betreffenden Entscheidungen "Handy-
Endpreis", "Handy für 0,00 DM" und "Am Telefon nicht süß sein?" (jew. a.a.O.) auf
Grund allgemeiner Erfahrungssätze die Einheitlichkeit jener Angebote aus der Sicht des
Verkehrs mit der Begründung angenommen, es liege eine Funktionseinheit zwischen
den Netzkarten und den Handys vor und außerdem erkenne der Verkehr, dass die
Handys nicht (praktisch) verschenkt, sondern aus den im Rahmen des
Netzkartenvertrages zu erbringenden Zahlungen finanziert würden. Auch bei der
Beurteilung der in der streitgegenständlichen Werbung gekoppelt angebotenen Waren
ist auf diese beiden Gesichtspunkte abzustellen, weil Fernsehgeräte - wie Handys -
Geräte mit der Bestimmung sind, eine technische Funktion auszuüben.
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Eine Funktionseinheit zwischen einem Fernsehgerät und der Stromlieferung, die jener
zwischen Mobiltelfon und Netzkartenvertrag annähernd vergleichbar wäre, besteht nicht.
Die meisten Erwerber eines Mobiltelefons müssen, um das Telefon überhaupt
bestimmungsgemäß nutzen zu können, erst einen Netzkartenvertrag abschließen;
umgekehrt ist der Abschluss eines Netzkartenvertrages vollständig sinnlos für den, der
über kein Mobiltelfon verfügt (vgl. BGH a.a.O.). Demgegenüber handelt es sich im
Streitfall bei dem Hinweis, das beworbene Fernsehgerät könne ohne Strom nicht
bedient werden, zwar um eine tatsächlich zutreffende Banalität, bei wirtschaftlicher und
rechtlicher Betrachtungsweise aber um ein Argument, das fehlgeht. Strom gehört zur
selbstverständlichen Grundausstattung der Haushalte, über ihn verfügt der von der
Werbung angesprochene Inserent daher ausnahmslos bereits. Er hat infolgedessen
keinen Bedarf für das gekoppelte Angebot zum Abschluss eines
Stromlieferungsvertrages, das im Gegenteil für ihn mit der zusätzlichen Belästigung
verbunden ist, es nur nutzen zu können, wenn er das bestehende
Dauerschuldverhältnis mit seinem alten Stromlieferanten aufkündigt. Im wirtschaftlichen
und juristischen Endergebnis ist der mit dem Erwerb des Fernsehgerätes gekoppelte
Stromlieferungsvertrag daher - anders als im Verhältnis zwischen Mobiltelfon und
Netzkartenvertrag - keine unabdingbare oder auch nur sinnvolle Ergänzung zum
Gerätekauf, sondern eher ein Wermutstropfen, den der Erwerber des Gerätes zu
schlucken hat. Hier von einem einheitlichen Angebot im Sinne der angeführten
Rechtsprechung des BGH zu sprechen, liegt nach Auffassung des Senates entgegen
den von der Klägerin vorgelegten Entscheidungen des OLG Celle (13 U 235/00 =
Bl.149, 152 d.A.) und des LG Berlin (102 O 91/00 = Bl.139,145 d.A.) fern.
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Auch die Vorstellung des Verkehrs über die Finanzierung des beworbenen
Fernsehgerätes rechtfertigt die Annahme nicht, es handele sich um ein einheitliches
Geschäft. Der BGH hat in den erwähnten Entscheidungen zum gekoppelten Angebot
von Mobiltelefonen und Netzkartenverträgen als weiteres Kriterium darauf abgestellt, der
Verkehr, der in der Branche seit Jahren derartige Angebote kenne, wisse, dass das
Mobiltelefon einen erheblichen Wert habe, und erkenne, dass es letztlich mit den
Einnahmen finanziert werde, die im Rahmen des Netzkartenvertrages erzielt würden.
Der Senat hat schon Zweifel, ob - was sich aus der Rechtsprechung des BGH auch
nicht etwa ergibt - allein deswegen, weil der Verbraucher annimmt, der besonders
günstig erscheinende Teil des Angebotes werde nicht praktisch verschenkt, sondern
stattdessen mit der für den anderen Vertragsbestandteil zu erbringenden Gegenleistung
finanziert, nach der maßgeblichen Anschauung des Verkehrs ein einheitliches Geschäft
vorliegt. Es würden dann nämlich gerade solche Angebote nicht als übertriebenes
Anlocken zu qualifizieren sein, bei denen die für einen geringen Preis zusätzlich
angebotene Ware von besonders hohem Wert und die Anlockwirkung deswegen
besonders groß ist. Denn je höher die Spanne zwischen dem zumindest in etwa
bekannten Wert der Ware und dem demgegenüber nur geforderten geringen Preis ist,
umso eher wird der Verkehr annehmen, dass das besonders günstig scheinende
Angebot durch die Aufwendungen für die andere Leistung mitbezahlt wird.
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Die Frage kann indes auf sich beruhen. Denn es kann entgegen der Auffassung, die das
OLG Celle in seiner bereits erwähnten Entscheidung geäußert hat, nicht unterstellt
werden, dass der Verkehr auch bezüglich der streitgegenständlichen Werbung von der
beschriebenen Finanzierung ausgeht. Der Verbraucher kennt zwar zumindest in etwa
den um ein Vielhundertfaches über 1 DM liegenden Handelswert des
Markenfernsehgerätes, er wird aber - im Unterschied zu den Netzkartenverträgen - nicht
ohne weiteres annehmen, dass die Klägerin bzw. der Stromlieferant das Gerät durch die
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- entsprechend höher kalkulierten - Tarife für den abzunehmenden Strom finanziert.
Denn der Verbraucher weiß, dass der Strommarkt erst vor kurzem liberalisiert worden
ist, und wird die Werbung insbesondere daher als den Versuch des Stromlieferanten
ansehen, auf dem Markt, bei dem die Marktanteile bereits - nämlich noch ganz
wesentlich zu Gunsten der bisherigen Monopollieferanten - verteilt sind, Fuß zu fassen.
Es liegt damit aus der Sicht des Verkehrs nahe, dass das Gerät nicht durch die
Einnahmen aus der Stromlieferung finanziert wird, sondern die für seine Abgabe zum
Preis von nur 1 DM entstehenden Kosten im Rahmen der Bemühungen Marktanteile zu
erschließen investiert werden. Das gilt umso mehr, als es sich anderenfalls bei dem in
der streitgegenständlichen Werbung angebotenen Stromtarif um einen Sondertarif
handeln müsste, der nur im Zusammenhang mit der Abgabe des Fernsehgerätes gilt. Es
liegt nämlich nach der Vorstellung des Verkehrs fern, dass ein neu auf den Markt
drängender Anbieter im Rahmen einer Werbemaßnahme Strompreise verlangen
könnte, die höher sind, als die üblicherweise von ihm verlangten Entgelte.
Stellt sich damit das Angebot der Klägerin, die an ihm als Lieferantin des
Fernsehgerätes beteiligt ist, aus den vorstehenden Gründen als übertriebenes Anlocken
dar, so wird das Ergebnis der Unlauterkeit der in der Werbung liegenden Wertreklame
auch durch folgende Kontrollüberlegung bestätigt: würde das - anders aufgemachte,
aber inhaltlich unveränderte - Angebot ausschließlich von dem Stromlieferanten
gemacht, der nicht nur den Strom, sondern auch das Fernsehgerät selbst liefern würde,
so läge ein gekoppeltes Vorspannangebot (vgl. dazu allgemein BGH GRUR 76,248,249
- "Vorspannangebot"; Baumbach/Hefermehl, a.a.O., Rz 132,138; Köhler/Piper, § 1, RZ
53; Plaß in HK-WettbR § 1 RZ 152 ff) vor, das angesichts der beschriebenen großen
Preisspanne und der aus ihr resultierenden Ablenkung des Verbrauchers von den
Vertragskonditionen als unlauter anzusehen wäre. Es kann indes in der Bewertung
keinen Unterschied machen, ob das Angebot durch einen Anbieter alleine in Form eines
gekoppelten Vorspannangebotes oder wie im vorliegenden Fall - inhaltlich
gleichlautend - durch zwei selbständige Anbieter gemacht wird.
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Entgegen der - insbesondere in der mündlichen Berufungsverhandlung vertretenen -
Ansicht der Klägerin vermag auch ihre Stellung als Neuling auf dem gerade erst
liberalisierten Strommarkt eine abweichende Beurteilung nicht zu rechtfertigen. Es mag
sein, dass trotz der Liberalisierung der tatsächliche Zugang zu dem Markt der
Belieferung von Privathaushalten mit Strom dadurch erschwert ist, dass alle
bestehenden Haushalte bereits mit elektrischer Energie versorgt, der Markt also
weitgehend aufgeteilt bzw. noch in der Hand der bisherigen Monopolunternehmen ist.
Diese Situation, in der - von dem Bezug von Neubauten bzw. der Gründung neuer
Haushalte abgesehen - der Anbieter nur zum Zuge kommen kann, wenn der
Verbraucher das Vertragsverhältnis zu seinem bisherigen Stromlieferanten kündigt,
vermag indes keine Werbemethoden zu rechtfertigen, durch die der Verbraucher in
übertriebener Weise angelockt und veranlasst wird, einen langfristigen
Belieferungsvertrag einzugehen, ohne dessen Konditionen einer ausreichenden
Prüfung zu unterziehen. Dies gilt insbesondere angesichts des Umstandes, dass für die
Energie durch eine besondere Preiswürdigkeit oder etwa verstärkte
Aufmerksamkeitswerbung und sonstige Mittel des Leistungswettbewerbs geworben
werden kann, wie dies nach Kenntnis des Senats aktuell auch geschieht.
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Der Senat teilt die Auffassung der Klägerin, wonach das Wettbewerbsrecht nicht die
Funktion hat, neue Werbeformen zu verhindern oder auch nur zu erschweren. Diese
haben sich aber - wie alle anderen Werbungen auch - im Rahmen der Grenzen zu
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bewegen, die Werbetreibenden zur Meidung unlauteren Wettbewerbs gesetzt sind.
Diese Grenzen sind durch die streitgegenständliche Werbung indes verlassen,
weswegen die Berufung gegen Verurteilung der Klägerin zurückzuweisen ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs.1 ZPO.
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Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr.10, 711 ZPO.
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Die gemäß § 546 Abs.2 ZPO festgesetzte Beschwer der Klägerin entspricht dem Wert
ihres Unterliegens im Rechtsstreit.
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Streitwert für das Berufungsverfahren: 100.315,65 DM.
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