Urteil des OLG Köln vom 26.06.1996

OLG Köln (mit an sicherheit grenzender wahrscheinlichkeit, gutachten, rechtliches gehör, testament, zweifel, freiwillige gerichtsbarkeit, schriftstück, beschwerde, handschriftliches testament, antrag)

Oberlandesgericht Köln, 2 WX 19/96
Datum:
26.06.1996
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
2. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
2 WX 19/96
Normen:
FGG §§ 12, 15; ZPO § 412 ABS. 1; STPO § 244 ABS. 4 SATZ 2;
Leitsätze:
FGG §§ 12, 15; ZPO § 412 Abs. 1; StPO § 244 Abs. 4 Satz 2 Ob im
Anschluß an ein im Erbscheinsverfahren zur Echtheit der auf einem
Testament befindlichen Unterschrift vom Gericht eingeholtes
Sachverständigengutachten weitere Gutachten einzuholen sind, hat das
Gericht der freiwilligen Gerichtsbarkeit nach pflichtgemäßem Ermessen
zu entscheiden. Es ist nicht ermessensfehlerhaft, wenn das Gericht, das
sich aufgrund des bereits erstatteten Gutachtens eine positive
Überzeugung gebildet hat, einen Antrag des Beteiligten auf
Aktenversendung zum Zwecke der Einholung eines privaten
Gegengutachtens ablehnt und in der Sache entscheidet.
G r ü n d e
1
I.
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Die Beteiligten streiten darüber, wer von ihnen Erbe nach dem eingangs bezeichneten
Erblasser geworden ist.
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Die Beteiligte zu 2) beruft sich als Schwester des Erblassers auf ein gesetzliches
Erbrecht, die Beteiligte zu 1) leitet ein Erbrecht aus einem handschriftlichen Testament
des Erblassers vom 3.11.1992 ab.
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Der Erblasser hat mehrere letztwillige Verfügungen getroffen, und zwar - einen
Erbvertrag vom 7.2.1991 mit seiner am 21.8.1991 vorverstorbenen Ehefrau mit
gegenseitiger Erbeinsetzung und - widerruflicher - Berufung der Eheleute H. und He.
Sch., - einen Erbvertrag vom 12.6.1992 mit der Zeugin G. L. und zu ihren Gunsten und -
ein handschriftliches Testament vom 3.11.1992, das die Beteiligte zu 1) als Erbin
ausweist und nach welchem die Beteiligte zu 2) und die Zeugin G. L. je 120.000,00 DM
als Vermächtnis erhalten sollen.
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Mit notariellem Vertrag vom 12.11.1992 vor dem Notar Dr. S. haben der Erblasser und
die Zeugin G. L. den Erbvertrag vom 12.6.1992 aufgehoben. In dem Aufhebungsvertrag
heißt es, der Erblasser widerrufe die in dem vorgenannten Erbvertrag einseitig
getroffenen Vermächtnisse, ebenso sämtliche Verfügungen von Todes wegen, die er
etwa bisher gemeinsam oder einzeln errichtet habe, insbesondere die Verfügungen des
Erbvertrages vom 7. Februar 1991.
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Der Erblasser hat ferner ein in seinen Einzelheiten unbekannt gebliebenes Testament
vom 7.4.1993 zugunsten einer Frau H. Schl. errichtet und es durch ein handschriftlich
verfaßtes und unterschriebenes Schriftstück vom 14.4.1993 für ungültig erklärt.
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Unter Berufung auf ihre Erbeinsetzung in dem Testament vom 3.11.1992 hat die
Beteiligte zu 1) am 13.7.1993 einen Erbscheinsantrag gestellt und geltend gemacht, der
den Widerruf aller letztwilligen Verfügungen enthaltende Aufhebungsvertrag erfasse das
Testament vom 3.11.1992 nicht. Dazu hat die Beteiligte zu 1) im einzelnen vorgetragen.
Vorsorglich hat sie den Widerruf des genannten Testaments wegen Irrtums des
Erblassers angefochten. Die Beteiligte zu 2) ist den Ausführungen der Beteiligten zu 1)
entgegengetreten und hat dazu ihrerseits im einzelnen vorgetragen.
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Das Amtsgericht hat nach Beweiserhebung zur Datierung und Vorgeschichte des
Aufhebungsvertrages sowie zu angeblichen späteren Äußerungen des Erblassers, die
Beteiligte zu 1) zu seiner Erbin einzusetzen, den Erbscheinsantrag der Beteiligten zu 1)
durch Beschluß vom 14.3.1994 zurückgewiesen.
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Mit der dagegen erhobenen Beschwerde hat die Beteiligte zu 1) insbesondere die
Beweiswürdigung des Amtsgerichts gerügt. Für ihre weiterhin vorgetragene
Behauptung, nach dem Willen des Erblassers habe das Testament vom 3.11.1992 für
die Erbfolge maßgeblich sein sollen, hat die Beteiligte zu 1) im
Erstbeschwerdeverfahren ein auf den 18.4.1993 datiertes Schriftstück vorgelegt, das
folgenden Text enthält:
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,Hiermit erkläre ich das Testament vom 3.XI.92 zugunsten von R. St. für gültig. Dr. H. L."
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Die Beteiligte zu 1) hat behauptet, sie habe dieses Schriftstück rein zufällig am
30.4.1994 hinter der Nachtspeicherheizung im Eßzimmer des Erblassers gefunden.
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Die Beteiligte zu 2) hat die Echtheit des Schriftstücks bestritten.
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Das Landgericht hat ein Gutachten und - nach Angriffen der Beteiligten zu 1) - ein
Ergänzungsgutachten des Schriftsachverständigen Dr. M. R. eingeholt. Auf die
Gutachten vom 20.06.1995 und vom 08.12.1995 (B1.172-212, 268310 d.A.) wird Bezug
genommen. Nach beiden Gutachten ist das von der Beteiligten zu 1) angeblich
aufgefundene Schriftstück mit Datum vom 18.4.1993 mit an Sicherheit grenzender
Wahrscheinlichkeit gefälscht.
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Die Beteiligte zu 1) hat beantragt, die Akte mit dem Originalschriftstück dem von ihr
beauftragten Sachverständigen Dr. C. in M. zugänglich zu machen. Daraufhin hat der
Vorsitzende der entscheidenden Zivilkammer mit Verfügung vom 8.1.1996 dem
Rechtsanwalt der Beteiligten zu 1) folgendes mitgeteilt:
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,... hat die Kammer das Anliegen Ihrer Frau Mandantin beraten, das Sie der Kammer mit
Schriftsätzen vom 20.11.1995 und 2.01.1996 vermittelt haben. Angesichts der
eindeutigen Gutachten des allseits anerkannten Schriftsachverständigen Dr. R. sieht die
Kammer keine Veranlassung, die Akten oder Aktenteile einen von Ihrer Frau Mandantin
beauftragten Sachverständigen zugänglich zu machen. Es gibt ersichtlich keine Gründe,
die diesen Sachverständigen daran hindern könnten, an Hand der Ihnen zugeleiteten
Gutachten des Sachverständigen Dr. R. konkrete Zweifel zu äußern und solche Zweifel
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durch Ihre Vermittlung der Kammer vorzutragen. Solche konkreten Zweifel haben Sie
bisher nicht geäußert. Es steht Ihnen und Ihrer Frau Mandantin natürlich frei, die Akten
in Gegenwart eines von ihr beauftragten Sachverständigen auf der Geschäftsstelle der
11. Zivilkammer einzusehen. Ich bitte um Verständnis dafür, daß die Kammer Ihre
abschließende Äußerung nunmehr bis 15.2.1996 erwartet."
In der Folge hat die Beteiligte zu 1) ihren Antrag, die Akten zum Zwecke der
Einsichtnahme durch den von ihr beauftragten Privatgutachter an das Landgericht M. zu
senden, wiederholt. Dem Antrag war ein Schreiben des Gutachters vom 7.2.1996
beigelegt, in dem unter anderem ausgeführt ist, eine sorgfältige Untersuchung des
Originalmaterials sei unverzichtbar, um schlüssig zwischen den hier in Betracht
kommenden alternativen Hypothesen über die Entstehung der Urkunde differenzieren
zu können; bei einer von ihm vorgenommenen Vorprüfung der beiden Gutachten des
Sachverständigen R. seien zunächst weder äußere Mängel noch innere Widersprüche
festzustellen gewesen.
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Das Landgericht hat dem Antrag nicht stattgegeben. Es hat vielmehr die Beschwerde
der Beteiligten zu 1) durch die angefochtene Entscheidung zurückgewiesen.
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Dagegen richtet sich die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 1). Sie rügt, die
Beweiserhebung durch das Landgericht sei fehlerhaft erfolgt, weil ihren oben
dargestellten Verfahrensanträgen nicht stattgegeben worden sei. Die Beteiligte zu 2) tritt
der weiteren Beschwerde entgegen.
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II.
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Die in förmlicher Hinsicht (§§ 27, 29 FGG) nicht zu beanstandende weitere Beschwerde
hat in der Sache keinen Erfolg. Denn die angefochtene Entscheidung beruht nicht auf
einer Verletzung des Gesetzes (§§ 27 FGG, 550 ZPO).
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1) Ohne Rechtsfehler hat das Landgericht auf der Grundlage der bisher durchgeführten
Beweiserhebungen angenommen, daß das Testament vom 3.11.1992, aus dem die
Beteiligte zu 1) ihr Erbrecht herleitet, unwirksam sei, weil es durch den
Aufhebungsvertrag vom 12.11.1992 im Sinne von § 2254 BGB widerrufen worden sei.
Die Annahme des Landgerichts, der Aufhebungsvertrag habe auch das genannte
Testament erfaßt, beruht auf einer möglichen und auch naheliegenden Würdigung der
erhobenen Beweise. Insoweit erhebt die Beteiligte zu 1) in der Begründung der weiteren
Beschwerde auch keine Beanstandungen.
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2) Rechtlich nicht zu beanstanden sind auch die Ausführungen, mit denen das
Landgericht darlegt, daß von einer wirksamen Anfechtung des Widerrufs des Erblassers
durch die Beteiligte zu 1) nicht ausgegangen werden könne. Das Landgericht hat sich
nicht davon überzeugen können, daß sich der Erblasser bei seinem Widerruf darüber im
Irrtum befand, daß dadurch auch das Testament vom 3.11.1992 erfaßt wurde. Auch dies
beruht auf einer möglichen Würdigung der ermittelten Tatsachen. Auch insoweit erhebt
die Beteiligte zu 1) keine Beanstandungen.
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3) Ohne Rechtsfehler hat das Landgericht schließlich angenommen, das auf den
18.4.1993 datierte Schriftstück sei für die festgestellte Rechtslage ohne Bedeutung, weil
es sich um eine Fälschung handele.
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a) Das Landgericht hat dazu ausgeführt:
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Schließlich lasse sich der Erbscheinsantrag mit Erfolg auch nicht auf das Schriftstück
mit Datum vom 18.4.1993 stützen. Denn das sei zur Überzeugung der Kammer
gefälscht. Erweckten schon die Umstände seines angeblichen Auffindens am 30.4.1994
hinter einem Nachtspeicherofen tiefes Mißtrauen, so folge die Fälschung selbst
zweifelsfrei aus den überzeugenden Ausführungen des allgemein anerkannten
Schriftsachverständigen Dr. M. R.. Diese Ausführungen könne die Kammer zunächst
schon deshalb gut nachvollziehen, weil ihren Richtern bei der Augenscheinseinnahme
und einem laienhaften Vergleich der Schrift mit Datum vom 18.4.1993 mit den
Vergleichsschriften ganz entscheidende Zweifel an der Urheberschaft der Erblassung
gekommen seien und sich der Kammer der Eindruck einer besonders plumpen
Fälschung aufgedrängt habe. Folgerichtig komme der Sachverständige denn auch zu
einer Fälschung mit dem höchsten Wahrscheinlichkeitsgrad, den die empirische
Wissenschaft der Schriftvergleichung kenne. Das Gutachten gehe von den zutreffenden,
vorgegebenen Tatsachen aus, sei übersichtlich gegliedert, führe von Abschnitt zu
Abschnitt tiefer in die Problematik ein und erfasse diese auch vollständig. Dabei sei
auch überzeugend der Hinweis des Gutachtens darauf, daß es angesichts der
zeitnahen Vergleichsschrift vom 14.4.1993 keiner weiteren ärztlichen Hinterfragungen
bedürfe. Das habe der Sachverständige nach Beanstandung durch die Beteiligte zu 1)
bestätigt, und zwar nach sorgfältiger Auseinandersetzung mit der gesundheitlichen
Verfassung des Erblassers und seiner emotionalen Entlastung am 16.4.1993 durch den
Auszug von Frau H. Schl.. In diesem Ergänzungsgutachten seien auch alle anderen
Zweifel der Beteiligten zu 1) mit wissenschaftlicher Gründlichkeit und Kompetenz
abgehandelt und widerlegt.
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Vor diesem Hintergrund habe die Kammer weder Grund noch Anlaß, der Beteiligten zu
1) Gelegenheit zu geben, mit Hilfe eines Privatgutachters Zweifel formulieren oder ein
sogenanntes Gegengutachten erstatten zu lassen. Selbstverständlich sei es einem
kompetenten Schriftsachverständigen auch ohne Einsicht in die Originalunterlagen
möglich, zumindest erste, konkrete Beanstandungen zu erheben und Schwachpunkte
eines Schriftsachverständigengutachtens herauszustellen, wenn es sie denn gebe.
Dazu habe die Kenntnis der Gutachten und die Vorlage von Kopien genügt. Daß auch
anhand von Kopien zumindest eine erste, orientierende Äußerung möglich sei, beweise
die Äußerung eines weiteren Schriftsachverständigen. Selbst der von der Beteiligten zu
1) genannte Sachverständige Dr. C. habe erklärt, äußere Mängel und innere
Widersprüche der Gutachten von Dr. M. R. seien nicht festzustellen. Seine weiteren
Ausführungen vom 7.2.1996 zeigten, daß er eine erneute Begutachtung nur dann für
erforderlich halte, wenn die Beteiligte zu 1) die Wahrheit sage. Damit mache er zur
Voraussetzung des Gutachtens, was die Beteiligte zu 1) sich als dessen Folge
wünsche. Damit fehle es an jeglichen konkreten Hinweisen, die Anlaß geben könnten,
die Gutachten des Sachverständigen Dr. M. R. ganz oder teilweise in Zweifel zu ziehen.
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b) Diese Ausführungen sind aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Ein Verstoß des
Landgerichts gegen die Verpflichtung zur Amtsermittlung liegt nicht vor.
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Nach § 12 FGG hat das Gericht von Amts wegen die zur Feststellung der Tatsachen
erforderlichen Ermittlungen anzustellen und die geeignet erscheinenden Beweise
aufzunehmen. Über Art und Umfang der Ermittlungen entscheidet der Tatrichter ohne
Bindung an etwaige Beweisanträge der Beteiligten nach pflichtgemäßem Ermessen;
das Rechtsbeschwerdegericht kann nur überprüfen, ob das Ermessen rechtsfehlerfrei
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ausgeübt worden ist (vgl. etwa Senat, FamRZ 1994, 1135, 1136; BayObLG NJW-RR
1990, 1419, 1420; Amelung in: Keidel / Kuntze / Winkler, Freiwillige Gerichtsbarkeit, Teil
A: FGG, 13. Aufl., § 12 Rn. 85, 86 und § 27 Rn. 27 f).
Das Landgericht hat, obwohl es bereits aufgrund der vorgetragenen Umstände des
angeblichen Auffindens und aufgrund des äußeren Erscheinungsbildes des
Schriftstücks mit Datum vom 18.4.1993 erhebliche Zweifel an dessen Echtheit hatte,
sachverständigen Rat gesucht und die vorliegenden Gutachten des Sachverständigen
Dr. Rieß eingeholt. Der Sachverständige ist zu dem aus seiner Sicht eindeutigen
Ergebnis gelangt, das untersuchte Schriftstück sei mit an Sicherheit grenzender
Wahrscheinlichkeit gefälscht. Das Landgericht hat aufgrund der Ausführungen des
Sachverständigen seine bereits vorhandenen Zweifel bestätigt gesehen und sich
schließlich aufgrund der Gutachten von der Unechtheit des Schriftstücks überzeugt.
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Die Beteiligte zu 1) sieht den Rechtsfehler des Landgerichts darin, daß es ihrem Antrag
auf Überlassung der Gerichtsakte nicht stattgegeben hat. Sie ist der Ansicht, das
Landgericht habe es ihr dadurch verwehrt, Bedenken gegen die Ausführungen des
gerichtlich bestellten Sachverständigen durch einen eigenen Sachverständigen
formulieren zu lassen. Dem folgt der Senat nicht.
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Die Beteiligte zu 1) beanstandet letztlich, daß das Landgericht auf ihre Behauptung hin,
die eingeholten Gutachten müßten im Hinblick auf den von ihr vorgetragenen
Sachverhalt falsch sein, keine Überprüfung der vorliegenden Gutachten durch einen
weiteren Gutachter angeordnet oder gestattet hat. Dazu war das Landgericht indes nicht
verpflichtet.
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Ob im Anschluß an eine bereits veranlaßte Begutachtung weitere Gutachten
(Obergutachten, Gegengutachten) eingeholt werden, hat das Gericht nach
pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden (§§ 15 FGG, 412 Abs. 1 ZPO; vgl. Bassenge
/ Herbst, FGG / RPflG, 7. Aufl., § 15 FGG Rn. 30; Bumiller / Winkler, FGG, 6. Aufl., § 15
Anm. 2 e; Amelung in: Keidel / Kuntze / Winkler a.a.O. § 15 Rn. 39). Die Einholung
weiterer Gutachten kann bei besonders schwierigen Fragen oder groben Mängeln eines
vorliegenden Gutachtens geboten sein, insbesondere wenn Zweifel an der Sachkunde
des bisherigen Gutachters bestehen, wenn das Gutachten von unzutreffenden
tatsächlichen Voraussetzungen ausgeht, Widersprüche enthält oder wenn ein neuer
Sachverständiger über Forschungsmittel verfügt, die denen des früheren Gutachters
überlegen sind (vgl. BayObLGZ 1982, 309, 315; BayObLG FamRZ 1990, 801, 802 f.;
NJW-RR 1991, 1098, 1101; Bassenge / Herbst a.a.O.; Bumiller / Winkler a.a.O.;
Amelung in: Keidel / Kuntze / Winkler a.a.O.; vgl. die entsprechende Regelung in § 244
Abs. 4 Satz 2 StPO).
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Diese Voraussetzungen für die Einholung eines weiteren Gutachtens liegen im Streitfall
nicht vor. Das Landgericht hat sich von der Richtigkeit der vorliegenden Gutachten
überzeugt und die Gründe dafür in dem angefochtenen Beschluß dargestellt. Weder den
Ausführungen der Beteiligten zu 1) noch den Akten ist zu entnehmen, daß dem
Landgericht insoweit ein Rechtsfehler unterlaufen sein könne. Insbesondere ist der
vorliegenden vorläufigen Stellungnahme des von der Beteiligten zu 1) beauftragten
Privatsachverständigen nicht zu entnehmen, daß diesem bei der vorläufigen
Überprüfung der vorliegenden Gutachten Fehler des Sachverständigen Dr. R.
aufgefallen wären. Der Privatgutachter hat lediglich ausgeführt, daß eine von ihm
vorzunehmende Begutachtung die Vorlage der Originalurkunde erfordere. Dabei geht
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der Privatgutachter offensichtlich davon aus, daß seine Begutachtung sowohl zur
Bestätigung als auch zur Widerlegung der vom Sachverständigen Dr. R. gefundenen
Ergebnisse führen kann. Dies ergibt sich zweifellos aus den in der Begründung der
weiteren Beschwerde wörtlich zitierten Passagen des Schreibens vom 7.2.1996. Soweit
die Beteiligte zu 1) geltend machen will, das Landgericht könne den Privatgutachter
insoweit mißverstanden haben, wäre dies nicht richtig. Daß der Privatgutachter über
Erkenntnismöglichkeiten verfügt, die denen des gerichtlich bestellten Gutachters
überlegen sind, macht die Beteiligte zu 1) nicht geltend; dies ist auch der Stellungnahme
des Privatgutachters nicht zu entnehmen.
Aus der Sicht des Landgerichts bestand kein Anlaß, eine weitere Begutachtung für
erforderlich zu halten, jedenfalls deshalb, weil es aufgrund der vorliegenden Gutachten
bereits davon überzeugt war, daß das auf den 18.4.1993 datierte Schriftstück gefälscht
ist. Im Strafprozeß - in dem wie im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit der
Amtsermittlungsgrundsatz gilt, vgl. § 155 Abs. 2 StPO - bestimmt § 244 Abs. 4 Satz 2
StPO, daß dann, wenn das Gericht das Gegenteil einer behaupteten Tatsache aufgrund
eingeholter Gutachten für bereits erwiesen erachtet, die Einholung eines weiteren
Gutachtens abgelehnt werden darf. Es bestehen keine Bedenken, diese Vorschrift hier
rechtsähnlich anzuwenden (so für den Zivilprozeß auch BGHZ 53, 245, 258 f). Daß
keiner der in der Vorschrift genannten Ausnahmefälle vorliegt, ist oben bereits
ausgeführt.
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War das Landgericht mithin aus Rechtsgründen nicht verpflichtet, eine weitere
Begutachtung zu veranlassen, so durfte es auch den Antrag der Beteiligten zu 1), die
gewünschte Einholung eines Privatgutachtens durch Aktenversendung zu fördern, ohne
Ermessensfehler ablehnen. Ist der Sachverhalt so vollständig aufgeklärt, daß von
weiteren Ermittlungen ein sachdienliches, die Entscheidung beeinflussendes Ergebnis
nicht mehr erwartet werden kann, so sind die Ermittlungen abzuschließen (vgl.
Amelung: in Amelung in: Keidel / Kuntze / Winkler a.a.O. § 12 Rn. 86 mit zahlreichen
Nachweisen). In diesem Fall ist das Gericht nicht verpflichtet, von einzelnen Beteiligten
in Aussicht genommene private Ermittlungen abzuwarten oder zu fördern.
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Schließlich hat das Landgericht durch die von der Beteiligten zu 1) beanstandete
Verfahrensweise nicht deren rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) verletzt. Das
Landgericht hat der Beteiligten zu 1) die eingeholten Gutachten zugänglich gemacht.
Seine Annahme, daß aufgrund der Gutachten - die in großem Umfang Fotografien des
untersuchten Schriftstücks und der Vergleichsobjekte enthalten - und der Kopien des
fraglichen Schriftstücks ernsthafte Einwendungen gegen die eingeholten Gutachten
durch einen Privatgutachter hätten formuliert werden können, wenn es sie denn gebe,
wird durch die Ausführungen in der Begründung der weiteren Beschwerde nicht
ernsthaft in Frage gestellt. Das Landgericht hat die Beteiligte zu 1) durch die oben
zitierte Verfügung vom 8.1.1996 auch über seine Absicht, dem Gutachter Dr. Rieß zu
folgen, und die Ablehnung des Antrags auf Aktenversendung in Kenntnis gesetzt und ihr
Gelegenheit gegeben, die Akte am Gerichtsort in Gegenwart eines Privatgutachters
einzusehen. Es hat auch das Schreiben des Privatgutachters vom 7.2.1996 bei seiner
Entscheidungsfindung berücksichtigt. Damit ist das Recht der Beteiligten zu 1) auf
rechtliches Gehör in ausreichendem Maße gewahrt. Eine Verpflichtung des Gerichts,
private Ermittlungen zur Widerlegung eines bereits als eindeutig erwiesen erachteten
und von dem Betroffenen nicht ernsthaft in Frage gestellten Sachverhalts zu fördern, läßt
sich aus dem Recht auf rechtliches Gehör nicht ableiten.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 13 a Abs. 1 Satz 2 FGG.
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Beschwerdewert: 400.000,00 DM
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40
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