Urteil des OLG Köln vom 03.11.1981

OLG Köln: leistungsfähigkeit, nettoeinkommen, billigkeit, armut, gerichtsgebühr, belastung, beschränkung, einkommensgrenze, ruf, datum

Oberlandesgericht Köln, 25 WF 166/81
Datum:
03.11.1981
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
25. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
25 WF 166/81
Vorinstanz:
Amtsgericht Leverkusen, 31 F 255/81
Tenor:
Auf die am 9.0ktober 1981 bei Gericht eingegangene Beschwerde der
Antragstellerin wird der Beschluß des Amtsgerichts - Familiengerichtes -
Leverkusen vom 28.September 1981 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Entscheidung über das
Prozeßkostenhilfegesuch der Antragstellerin an das Amtsgericht -
Familiengericht - Leverkusen zurückverwiesen.
G r ü n d e :
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I.
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Die Parteien sind Eheleute. Die Antragstellerin hat beantragt, ihre Ehe zu scheiden.
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Gleichzeitig hat sie beantragt,
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ihr zur Durchführung des Ehescheidungsverfahrens und der einstweiligen Anordnungen
unter Beiordnung ihrer Prozeßbevollmächtigten Prozeßkostenhilfe zu gewähren. Hierzu
hat sie vorgetragen, der Antragsgegner beziehe ein Arbeitseinkommen in Höhe von
etwa 2.000 ,--DM netto monatlich, sie selbst habe lediglich eine
Erwerbsunfähigkeitsrente von 480,60 DM monatlich.
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Mit Beschluß vom 28.September 1981 hat das Amtsgericht - Familiengericht -
Leverkusen den Prozeßkostenhilfeantrag der Antragstellerin zurückgewiesen. Zur
Begründung hat es ausgeführt, die Antragstellerin habe gegen den Antragsgegner einen
Anspruch auf Zahlung eines Prozeßkostenvorschusses, den sie zunächst geltend
machen müsse, bevor sie öffentliche Mittel in Anspruch nehmen könne.
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Gegen diesen Beschluß hat die Antragstellerin Beschwerde eingelegt.
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II.
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Die Beschwerde ist gemäß § 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO statthaft und auch sonst zulässig.
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Das Rechtsmittel führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur
Zurückverweisung der Sache an das Amtsgericht - Familiengericht - Leverkusen zur
erneuten Entscheidung über das Prozeßkostenhilfegesuch der Antragstellerin.
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Eine Partei, deren beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung
hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint, erhält auf Antrag
Prozeßkostenhilfe, wenn sie nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen
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die Kosten der Prozeßführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, §
114 Satz 1 ZPO.
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Daß die Antragstellerin mit ihrem eigenen Einkommen nicht in der Lage ist, die
Prozeßkosten aufzubringen, bedarf keiner näheren Darlegung.
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Der Auffassung, die Antragstellerin müsse sich zunächst darauf verweisen lassen, daß
ihr gegen den Antragsgegner ein Anspruch auf. Zahlung eines
Prozeßkostenvorschusses zustehe, vermag der Senat nicht zu folgen.
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Bei der Prüfung, ob diese Voraussetzung für die Bewilligung der Prozeßkostenhilfe
erfüllt ist, muß auch ein etwa bestehender Anspruch Ruf Zahlung eines
Prozeßkostenvorschusses, vgl. § 1360 a Abs. 4 BGB, berücksichtigt werden. Daß ein
derartiger
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Prozeßkostcnvorschuß zu den Einkünften gehört, welche die antragstellende Partei zur
Deckung der Prozeßkosten einzusetzen hat, und daß Prozeßkostenhilfe nur dann
bewilligt werden kann, wenn die antragsteIlende Partei die Kosten ihrer
Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung trotz des Prozeßkostenvorschusses nicht,
nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, bedarf keiner längeren Darlegung.
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(vgl. z.B.
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Insoweit ist der Ausgangspunkt des Amtsgerichts – Familiengerichtes - Leverkusen
nicht zu beanstanden. Bei der weiteren Begründung des angefochtenen Beschlusses
hat es jedoch unbeachtet gelassen, daß das Nettoeinkommen des Antragsgegners
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nach den Angaben der Antragstellerin in ihrer Erklärung über die persönlichen und
wirtschaftlichen Verhältnisse etwa 2.000,--DM im Monatsdurchschnitt nicht übersteigt.
Das bedeutet, daß dem Antragsgegner selbst, soweit es auf seine persönlichen und
wirtschaftlichen Verhältnisse ankommt, auf Antrag Prozeßkostenhilfe zu gewähren
wäre, und zwar verbunden mit der Verpflichtung, bestimmte Raten zu zahlen, wie sie
sich aus § 115 Abs. 1 Satz 1 ZPO in Verbindung mit der Tabelle in Anlage 1 zu § 114
ZPO ergeben.
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Unter solchen Umständen aber ist für einen Anspruch der Antragstellerin gegen den
Antragsgegner auf Zahlung eines Prozeßkostenvorschusses kein Raum und kann die
Antragstellerin dementsprechend nicht darauf verwiesen werden, daß die
Geltendmachung eines solchen Anspruches vorrangig sei. Die Inanspruchnahme des
Antragsgegners wegen eines Prozeßkostenvorschusses entspräche hier weder der
gesetzlichen Wertung seiner finanziellen Leistungsfähigkeit noch der Billigkeit.
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Einer Partei , deren Nettoeinkommen im Monatsdurchschnitt eine bestimmte Grenze
nicht überschreitet, steht, hinreichende Erfolgsaussicht ihrer Rechtsverfolgung oder-
verteidigung und keine Mutwilligkeit unterstellt, grundsätzlich Prozeßkostenhilfe zu.
Welche Einkommensgrenze dabei maßgebend ist, ergibt sich im einzelnen aus der
Tabelle in der Anlage 1 zu § 114 ZPO. Sie zeigt, daß eine rechtssuchende Partei - bei
sehr niedrigem Einkommen - völlig von den Kosten der Prozeßführung befreit wird, oder
- bei höherem Einkommen - die Möglichkeit erhält, diese Kosten in Raten aufzubringen.
Die Regelung läßt den ihr zugrunde legenden gesetzgeberischen Willen unschwer
erkennen. Einem Rechtssuchenden mit begrenztem Einkommen wird es nicht
zugemutet, die Kosten der Rechtsverfolgung oder - verteidigung uneingeschränkt auf
sich zu nehmen, sondern nur in dem sich aus der erwähnten Tabelle ergebenden
Rahmen. Darüberhinaus ~er soll der Rechtssuchende mit Prozeßkosten nicht belastet
werden. Mit dieser gesetzlichen Wertung der finanziellen Leistungsfähigkeit einer Partei
wäre die Inanspruchnahme des Antragsgegners auf Zahlung eines
Prozeßkostenvorschusses an die Antragstellerin nicht zu vereinbaren. Sie würde
nämlich dazu führen, daß der Antragsgegner über das eben beschriebene Maß hinaus
Prozeßkosten aufzubringen hätte.
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Es läßt sich nicht einwenden, das Recht der Prozeßkostenhilfe berücksichtige bei jeder
Partei nur die ihr selbst durch Gerichts-und Anwaltsgebühren entstehenden Kosten der
Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung, andere Belastungen seien hier ohne
Bedeutung. Entscheidender Gesichtspunkt muß es vielmehr sein, daß der
Rechtssuchende, dessen Einkommen eine bestimmte Grenze nicht überschreitet, nach
dem unzweifelhaften Willen des Gesetzes bei einer gerichtlichen Auseinandersetzung
nur einen Teil seines Einkommens für die Rechtsverfolgung oder Verteidigung soll
einsetzen müssen, bei sehr niedrigem Einkommen auch gar keine eigenen Mittel. Dabei
kann es keinen Unterschied machen, ob es sich um die eigenen Kosten der
Prozeßführung oder um diejenigen der Gegenseite handelt~ maßgebend ist, daß es um
die Kosten einer konkreten gerichtlichen Auseinandersetzung geht. Es mag sich sogar
die Argumentation vertreten lassen, daß derjenige, der nach dem Willen des Gesetzes
für seine eigenen Prozeßkosten nur einen Teil seines Einkommens aufzubringen
brauche, erst recht nicht verpflichtet sein könne, diesen Rahmen zu
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Gunsten der Prozeßkosten der Gegenseite zu überschreiten.
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Der Antragsgegner kann auch nicht für verpflichtet gehalten werden, an die
Antragstellerin einen Prozeßkostenvorschuß zwar nicht in einer Summe, wohl aber in
Raten zu zahlen, etwa bemessen nach seinem Nettoeinkommen im Monatsdurchschnitt,
vermindert um die Raten, die er selbst nach Bewilligung der Prozeßkostenhilfe zu
zahlen hätte. Zum einen nämlich würde auch diese Lösung im Ergebnis dazu führen,
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daß der Antragsgegner über das soeben beschriebene Maß hinaus mit Prozeßkosten
belastet würde, nur eben nicht mit einen in einer Summe zu zahlenden Betrag, sondern
mit entsprechenden Raten. Der Antragsgegner würde mit ein und dem selben
Einkommen gleichsam zweimal nach Maßgabe der Tabelle in der Anlage 1 zu § 114
ZPO zur Zahlung herangezogen. Zum anderen wäre ein Prozeßkostenvorschuß in
Raten auch für die Antragstellerin nicht annehmbar. Denn sie ist, wenn ihr keine
Prozeßkostenhilfe gewährt wird, sowohl dem Gericht als insbesondere auch ihrem
Prozeßbevollmächtigten gegenüber ohne Beschränkung auf irgendwelche Raten
zahlungspflichtig hierbei ist von Bedeutung, daß bei Beginn des Verfahrens
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grundsätzlich eine Gerichtsgebühr vorausgezahlt werden soll, § 65 Abs. 1 Satz 1 GKG,
und daß vor allem dem Prozeßbevollmächtigten der Antragstellerin gegen seine
Mandantin ein Anspruch auf einen angemessenen Vorschuß zusteht, § 17 BRAGO.
Diesen Zahlungsverpflichtungen könnte die Antragstellerin mit Hilfe eines in
monatlichen Raten zu zahlenden Prozeßkostenvorschusses nicht genügen.
Der Senat verkennt nicht, daß der Antragsgegner bisher die Bewilligung von
Prozeßkostenhilfe noch nicht beantragt hat und daß auch nicht feststeht, ob er einen
solchen Antragstellen wird. Möglicherweise wird er von sich aus auf die Bewilligung von
Prozeßkostenhilfe verzichten, möglicherweise wird das Amtsgericht - Familiengericht –
Leverkusen der Antragstellerin letztendlich auch die Prozeßkostenhilfe mangels
hinreichender Erfolgsaussicht der Rechtsverfolgung verweigern - hierüber wird noch zu
entscheiden sein – und wird die Antragstellerin dann davon absehen, ihren vorliegende.
Scheidungsantrag weiter zu verfolgen, so daß für den filltragsgegner die Notwendigkeit
einer Rechtsverteidigung gar nicht eintritt. Alles das ist aber für die jetzt zu treffende
Entscheidung ohne Belang. Auch unter diesen Gesichtspunkten ist eine andere
Beurteilung des Prozeßkostenhilfebegehrens der Antragstellerin, was ihre
"Prozeßarmut" angeht, nicht gerechtfertigt. Den Antragsgegner die Zahlung eines
Prozeßkostenvorschusses an die Antragstellerin in einer Summe aufzugeben,
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wäre mit der gesetzlichen Bewertung seiner finanziellen Leistungsfähigkeit nicht zu
vereinbaren; dies ist bereits dargelegt worden, ob ihm selbst Prozeßkostenhilfe bewilligt
wird oder nicht, bleibt hierfür bedeutungslos. Ihm die Zahlung eines
Prozeßkostenvorschusses in Raten aufzugeben, kommt ebensowenig in Betracht, und
zwar ebenfalls ohne Rücksicht darauf, ob ihm Prozeßkostenhilfe bewilligt worden ist
oder nicht, nämlich wegen der Unzulänglichkeit eines derartigen Vorschusses für die
Antragstellerin. Auch dies ist bereits dargelegt worden.
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Aus demselben Grunde wäre es auch keine Lösung, dem Antragsgegner etwa die
Zahlung eines Prozeßkostenvorschusses in Raten aufzugeben und ihm dann
gegebenenfalls Prozeßkostenhilfe zu gewähren, ohne ihn zur Zahlung der Raten zu
verpflichten, die an sich seinem Einkommen entsprächen. Auf diese Weise würde zwar
eine zusätzliche Belastung des Antragsgegners über das gesetzlich vorgesehene Maß
hinaus vermieden, der Antragstellerin aber wäre mit einem solchen "Ratenvorschuß",
wie schon dargelegt nicht geholfen.
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Wäre die Inanspruchnahme des Antragsgegners nach alledem mit der gesetzlichen
Bewertung seiner finanziellen Leistungsfähigkeit nicht zu vereinbaren, so entspräche
diese Inanspruchnahme auch nicht der Billigkeit. Nach § 1360 a Abs. 4 Satz 1 BGB
kann die Antragstellerin also auch unter diesen Gesichtspunkten nicht auf die
Geltendmachung eines entsprechenden Anspruches verwiesen werden. Denn es kann
nicht der Billigkeit entsprechen, einer Partei eine höhere Kostenlast aufzuerlegen, als
sie nach dem erkennbaren Willen des Gesetzes selbst tragen soll. Das bedeutet im
Ergebnis, daß das Maß, bis zu welchem der Antragsgegner im Rahmen der
Prozeßkostenhilfe mit Kosten belastet werden darf, zu gleich auch das Maß seiner
Inanspruchnahme zur Zahlung eines Prozeßkostenvorschusses für die Antragstellerin
darstellt.
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Nach alle dem ist der angefochtene Beschluß aufzuheben und die Sache zur erneuten
Entscheidung über das Prozeßkostenhilfegesuch der Antragstellerin an das Amtsgericht
– Familiengericht - Leverkusen zurückzuverweisen, welches nunmehr
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von der "Prozeßarmut" der Antragstellerin auszugehen, aber noch zu prüfen haben wird,
ob die beabsichtigte Rechtsverfolgung der Antragstellerin hinreichende Aussicht auf
Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.
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