Urteil des OLG Köln vom 02.03.2007

OLG Köln: vermietung, tarif, schutzwürdiges interesse, nebenkosten, vergütung, abrechnung, aufwand, reparatur, abholung, zustellung

Oberlandesgericht Köln, 19 U 181/06
Datum:
02.03.2007
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
19. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
19 U 181/06
Vorinstanz:
Landgericht Köln, 8 O 480/05
Tenor:
Die Berufung der Klägerin wird zurückgewiesen.
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 26.9.2006 verkündete Urteil
der 8. Zivilkammer des Landgerichts Köln (8 O 480/05) unter
Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels teilweise abgeändert
und wie folgt neu gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 3.193,69 € nebst Zinsen in
Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 303,22 € seit
dem 9.1.2005, aus 787,37 € seit dem 15.5.2005, aus 61,78 € seit dem
28.5.2005, aus 425,02 € seit dem 7.7.2005, aus 716,42 € seit dem
8.8.2005, aus 296,26 € seit dem 18.8.2005, aus 205,55 € seit dem
18.8.2005 und aus 398,07 € seit dem 2.12.2005 zu zahlen.
Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits erster und zweiter Instanz werden der
Klägerin zu 40 % und der Beklagten zu 60 % auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe:
1
I.
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Die Parteien streiten um die Höhe der erstattungsfähigen Mietwagenkosten.
3
Die Klägerin betreibt ein Autovermietungsunternehmen und verfügt über eine Erlaubnis
nach dem Rechtsberatungsgesetz zur Einziehung von Forderungen auf Ersatz von
Mietwagenkosten. Sie bietet Unfallersatzfahrzeuge und sonstige Mietwagen zu einem
einheitlichen Tarif an und macht aus abgetretenem Recht von zehn Kunden Ansprüche
auf Ersatz der Kosten von Mietwagen geltend, die sie nach Verkehrsunfällen für die
Dauer der Reparatur beziehungsweise der Ersatzbeschaffung zur Verfügung gestellt
hat. Die Beklagte ist die Kfz-Haftpflichtversicherung von Unfallgegnern der Mieter der
Klägerin. Die vollständige Haftung der Beklagten für die Unfallfolgen ist dem Grunde
nach unstreitig. Wegen der Einzelheiten der Mietvorgänge, der dafür in Rechnung
gestellten Kosten sowie der von der Beklagten geleisteten Zahlungen wird auf Bl. 3 ff.
GA sowie Bl. 3-50 d.AH verwiesen.
4
Die Klägerin hat in erster Instanz unter Berücksichtigung vorprozessual geleisteter
Zahlungen der Beklagten restliche Mietwagenkosten aus zehn Vorgängen in Höhe von
insgesamt 5.476,60 € geltend gemacht. Sie hat behauptet, dass die von ihr in Rechnung
gestellten Mietwagenkosten in voller Höhe erforderlich gewesen seien. Zur
Angemessenheit höherer Kosten gegenüber dem Normaltarif nach dem Schwacke-
Automietpreisspiegel hat die Klägerin auf ihre Kalkulation der Betriebs- und
Risikokosten (Bl. 72 ff. d.AH) verwiesen.
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Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und die Auffassung vertreten, dass über die
vorprozessual geleisteten Zahlungen hinaus kein von ihr zu ersetzender Schaden
entstanden sei. Hierzu hat die Beklagte behauptet, dass die von der Klägerin in
Rechnung gestellten Kosten überhöht und auch deshalb nicht erstattungsfähig seien,
weil die Klägerin nicht auf günstigere Mietwagenangebote hingewiesen habe.
6
Das Landgericht hat durch Urteil vom 26.9.2006 der Klage in Höhe von 3.617,00 €
stattgegeben. Dabei hat es die Auffassung vertreten, dass die Mietwagenkosten in Höhe
des gewichteten Normaltarifs der gemieteten Fahrzeugklasse und des PLZ-Gebiets des
Geschädigten nach dem Schwacke-Automietpreisspiegel erstattungsfähig seien.
Hierbei sei der Tagessatz zugrunde zu legen, weil bei der Vermietung von
Unfallersatzfahrzeugen die voraussichtliche Mietdauer nicht absehbar sei. Auf den
Normaltarif sei kein Aufschlag zu machen, da ein pauschaler Aufschlag nicht in Betracht
komme und keine Anhaltspunkte für einen konkreten Aufschlag wegen besonderer
Risiken bei der Unfallersatzfahrzeugvermietung im Hinblick auf den von der Klägerin
angebotenen einheitlichen Tarif ersichtlich seien.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Sachvortrags der Parteien und
der tatsächlichen Feststellungen des Landgerichts wird gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO
auf die Ausführungen in dem angefochtenen Urteil (Bl. 130 ff. GA) Bezug genommen.
8
Gegen diese Entscheidung des Landgerichts richten sich die Berufungen beider
Parteien, mit denen sie ihre erstinstanzlichen Anträge teilweise weiter verfolgen und ihr
erstinstanzliches Vorbringen wiederholen, vertiefen und ergänzen.
9
Die Klägerin ist der Auffassung, dass auf den gewichteten Normaltarif nach dem
Schwacke-Automietpreisspiegel ein pauschaler Aufschlag in Höhe von 30 % wegen der
besonderen Kosten und Risiken bei der Vermietung von Unfallersatzfahrzeugen zu
machen sei. Hierzu behauptet die Klägerin, dass in ihrer Kalkulation der
Mietwagenpreise unfallbedingte Zusatzleistungen und Risiken enthalten seien. Ferner
meint die Klägerin, dass das Landgericht zu Unrecht neben dem Normaltarif laut
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Schwacke-Automietpreisspiegel zu erstattende Nebenkosten nicht berücksichtigt habe.
Hierzu verweist die Klägerin auf die von ihr gefertigte Aufstellung (Bl. 177 GA).
Die Klägerin beantragt,
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das erstinstanzliche Urteil abzuändern und die Beklagte zur Zahlung
weiterer 1.650,00 € nebst 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus
272,00 € seit dem 11.10.2003, aus 208,00 € seit dem 9.8.2004, aus 111,80
€ seit dem 9.1.2005, aus 49,00 € seit dem 15.5.2005, aus 71,40 € seit dem
28.5.2005, aus 377,00 € seit dem 7.7.2005, aus 274,80 € seit dem 8.8.2005,
aus 111,80 € seit dem 18.8.2005, aus 133,20 € seit dem 18.8.2005 und aus
41,00 € seit dem 2.12.2005 zu verurteilen.
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Die Beklagte beantragt,
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die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.
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Die Beklagte ist der Auffassung, dass eine Abrechnung der Mietwagenkosten nicht auf
der Basis der Tagespauschalen, sondern durch Kombination von Wochen-, Dreitages-
und Tagespauschalen des Normaltarifs nach dem Schwacke-Automietpreisspiegel
vorzunehmen sei. Auch bei der Anmietung von Unfallersatzfahrzeugen stehe die
Mietdauer im voraus zumindest ungefähr fest, da die Reparaturwerkstatt die
voraussichtliche Instandsetzungsdauer einschätzen könne. Zudem werde bei
Zugrundelegung des Tagestarifs bei längerer Mietdauer dem Umstand nicht hinreichend
Rechnung getragen, dass bestimmte Kosten auch bei nachträglicher Verlängerung des
Mietverhältnisses nur einmal anfallen. Nach der Berechnung der Beklagten, wegen
deren Einzelheiten auf Bl. 188 ff. GA verwiesen wird, stehe der Klägerin kein Anspruch
über die bereits vorprozessual geleisteten Zahlungen hinaus zu.
15
Mit ihrer Berufung beantragt die Beklagte,
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das angefochtene Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen.
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Die Klägerin beantragt,
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die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes im Berufungsverfahren
wird auf den vorgetragenen Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze
nebst Anlagen Bezug genommen.
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II.
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Von den zulässigen Berufungen beider Parteien hat in der Sache nur das Rechtsmittel
der Beklagten in Höhe von 423,31 € Erfolg. Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen
Anspruch auf Zahlung von 3.193,69 € aus §§ 7, 17 StVG i.V.m. § 3 PflVersG sowie
§§ 249 ff. BGB i.V.m. §§ 535 Abs. 2, 398 BGB. Die Klägerin hat einen Anspruch auf
Erstattung von Mietwagenkosten auf der Grundlage von Wochen-, Dreitages- und
Tagespauschalen des gewichteten Normaltarifs der gemieteten Fahrzeugklasse und
des PLZ-Gebiets des Geschädigten nach dem Schwacke-Automietpreisspiegel
zuzüglich eines pauschalen Aufschlags in Höhe von 20 % sowie Nebenkosten.
22
Die Klägerin kann aus abgetretenem Recht der Unfallgegner von
Versicherungsnehmern der Beklagten gemäß § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB den
"erforderlichen Herstellungsaufwand" ersetzt verlangen. Hierzu gehören dem Grunde
nach auch die Kosten für die Anmietung eines Ersatzfahrzeugs für die Dauer der
Reparatur des Unfallfahrzeugs beziehungsweise der Ersatzbeschaffung.
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Nach den der aktuellen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zugrundeliegenden
Erkenntnissen sind die Kosten eines sog. Unfallersatztarifs in der Regel höher als der
erforderliche Herstellungsaufwand (vgl. grundlegend BGH, Urteil vom 12.10.2004 – VI
ZR 151/03, in: NJW 2005, 51, 53). Insoweit besteht Einigkeit in Rechtsprechung und
Literatur, dass es sich bei dem vom Landgericht unter Anrechnung vorprozessual
erfolgter Zahlungen zugesprochenen Normaltarif, also einem Tarif für Selbstzahler, der
unter marktwirtschaftlichen Gesichtspunkten gebildet wird (vgl. BGH, Urteil vom
15.2.2005 - VI ZR 74/04, in: NJW 2005, 1041, 1042; Greiner zfs 2006, 124, 128), um den
Mindestbetrag der zu ersetzenden Mietwagenkosten handelt. Zur Ermittlung dieser
Kosten stellt der sog. gewichtete Normaltarif nach dem Schwacke-Automietpreisspiegel
für das jeweilige Postleitzahlengebiet des Geschädigten einen geeigneten
Anknüpfungspunkt dar (vgl. BGH Urteil vom 4.7.2006 - VI ZR 237/05, in: NJW 2006,
2693 ff.). Die von der Klägerin in Rechnung gestellten Mietwagenkosten müssen sich
ebenfalls an diesen Maßstäben messen lassen, auch wenn sie einen einheitlichen Tarif
für Unfallersatzfahrzeuge und normale Vermietung anbietet (vgl. BGH, a.a.O., Urteil vom
9.5.2006 - VI ZR 117/05, in: VersR 2006, 986).
24
Unter Berücksichtigung des Berufungsvorbringens der Parteien sind die
erstattungsfähigen Mietwagenkosten in den zehn Vermietungsfällen wie folgt zu
ermitteln:
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1. Bei der Abrechnung der Mietwagenkosten sind die sich bei mehrtätiger
Vermietung ergebenden Reduzierungen nach dem Schwacke-
Automietpreisspiegel nach Wochen-, Dreitages- und Tagespauschalen zu
berücksichtigen anstelle der von der Klägerin und vom Landgericht
vorgenommenen Multiplikation des Tagessatzes mit der Anzahl der Miettage.
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Ausweislich der Mietvertragsunterlagen wurde in Fall 1 (X.) und Fall 6 (Y.) ein
festes Mietende vereinbart, so dass von vornherein nichts gegen eine Anwendung
des günstigeren Mehrtagessatzes spricht.
27
Aber auch soweit in den Mietvertragsunterlagen betreffend Fall 2 (T.), Fall 3 (H.),
Fall 4 (V.), Fall 5 (U.), Fall 7 (C.), Fall 8 (I.), Fall 9 (J.) und Fall 10 (S.) als
vereinbartes Mietende jeweils "Reparaturende bzw. Ersatznachweis" angegeben
wurde, ist eine Abrechnung der Mietwagenkosten auf Tagessatzbasis nicht
gerechtfertigt.
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Zum einen ist mangels gegenteiliger Anhaltspunkte nach der Lebenserfahrung
davon auszugehen, dass sich Unfallgeschädigte bei der Abgabe des Fahrzeugs
zur Reparatur in einer Fachwerkstatt – auch im eigenen Interesse - nach der
voraussichtlichen Reparaturdauer erkundigen und diese auch einigermaßen
zuverlässig erfahren. Aus dem Vorbringen der Klägerin ergibt sich nicht, dass und
gegebenenfalls weshalb dies bei den in Rede stehenden Vermietungsfällen nicht
der Fall gewesen sein sollte. Insofern mussten die Geschädigten, die ein Fahrzeug
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für mehr als zwei Tage bei der Klägerin anmieteten, von vornherein mit einem
längerfristigen Fahrzeugausfall rechnen und hätten daher aufgrund ihrer
Schadensminderungspflicht nicht nur tageweise anmieten dürfen, so dass eine
Berechnung der erstattungsfähigen Mietwagenkosten durch Kombination der
verschiedenen Tarife zu erfolgen hat (vgl. LG Halle, Urteil vom 13.5.2005 –
1 S 224/03, im Ergebnis bestätigt durch BGH, Urteil vom 9.5.2006 – VI ZR 117/05,
in: VersR 2006, 986 ff.; ebenso LG Bonn, Urteil vom 5.9.2006 – 8 S 1/06). Zum
anderen sind selbst dann, wenn sich die ursprünglich ins Auge gefasste Mietzeit –
zum Beispiel wegen unvorhergesehen längerer Reparatur- oder
Wiederbeschaffungsdauer - als zu kurz herausgestellt haben sollte, keine
schutzwürdigen Interessen der Klägerin ersichtlich, die dagegen sprechen würden,
im Nachhinein auf der Basis günstigerer Mehrtagessätze abzurechnen. Insoweit
weist die Beklagte zu Recht darauf hin, dass der Aufwand bei mehrtägiger
Vermietung an denselben Kunden selbstverständlich geringer ist als bei
mehrmaliger eintägiger Vermietung an verschiedene Kunden, da einmalige Kosten
(zum Beispiel für die Vertragsausfertigung, Übergabe, Rücknahme und Reinigung
des Fahrzeugs usw.) auch dann nicht wiederholt anfallen. Der mit der – in der
Regel telefonisch möglichen – Vereinbarung einer Verlängerung der ursprünglich
vorgesehenen Mietdauer verbundene Aufwand der Klägerin dürfte nicht
nennenswert ins Gewicht fallen, jedenfalls aber wird dieser Aufwand durch den aus
den nachfolgenden Gründen zu gewährenden pauschalen Aufschlag auf den
Normaltarif hinreichend berücksichtigt. Dies gilt auch für etwaige besondere
Schwierigkeiten beim Disponieren mit Unfallersatzfahrzeugen wegen der
Kurzfristigkeit der Anmeldung von entsprechenden Nutzungswünschen, die im
übrigen weitgehend zum unternehmerischen Risiko der Klägerin gehört.
Entsprechendes gilt in den umgekehrten Fällen, in denen sich der ursprünglich
vorgesehene Mietzeitraum verkürzt, zum Beispiel wegen schnellerer
Wiederbeschaffung eines Ersatzfahrzeugs. Auch insoweit sind – insbesondere im
Hinblick auf den zu gewährenden pauschalen Aufschlag - schutzwürdige
Interessen der Klägerin, die dagegen sprechen würden, nachträglich auf der Basis
der tatsächlich in Anspruch genommenen Mietdauer abzurechnen, weder
vorgetragen worden noch sonst ersichtlich.
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2. Auf diese durch eine Kombination von Wochen-, Dreitages- und Tagestarifen
ermittelten Mietwagenkosten nach dem gewichteten Normaltarif des Schwacke-
Automietpreisspiegels ist ein pauschaler Aufschlag in Höhe von 20 %
vorzunehmen. Dieser Aufschlag ist zur Bemessung des durchschnittlichen Werts
der Mehrleistungen bei der Vermietung von Unfallersatzfahrzeugen im Vergleich
zur "normalen" Autovermietung angemessen und ausreichend (§ 287 ZPO).
31
Nach der oben zitierten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist ein höherer
Betrag als der Normaltarif (sog. Unfallersatztarif) nur ersatzfähig, wenn dieser
erhöhte Tarif mit Rücksicht auf die Besonderheiten der Unfallsituation (zum
Beispiel Notwendigkeit der Vorfinanzierung, Ausfallrisiko der Forderung u.ä.)
gerechtfertigt ist (vgl. Schubert, in: Bamberger/Roth, Beck’scher Onlinekommentar
zum Bürgerlichen Gesetzbuch, Stand: 1.9.2006, § 249 BGB Rn 242 m.w.N.). Ob
und in welcher Höhe unfallbedingte Zusatzleistungen des Vermieters die
Erstattung höherer Mietwagenkosten als der nach dem Normaltarif rechtfertigen, ist
nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs gemäß § 287 ZPO vom
Tatrichter zu schätzen (vgl. Urteil vom 14.2.2006 – VI ZR 126/05, in: NJW 2006,
32
1506, 1507). Dabei muss die jeweilige Kalkulationsgrundlage des konkreten
Anbieters vom Geschädigten beziehungsweise vom Gericht nicht im einzelnen
betriebswirtschaftlich nachvollzogen werden; die Mehrleistungen und besonderen
Risiken müssen aber generell einen erhöhten Tarif – unter Umständen auch durch
einen pauschalen Aufschlag auf den "Normaltarif" – rechtfertigen (vgl. Rüßmann,
in: jurisPK-BGB, 3. Auflage 2006, § 249 BGB Rn 81 m.w.N.).
Aufgrund der Besonderheiten der Unfallsituation ist in der Regel ein höherer
Mietwagenpreis als der Normaltarif zur Schadensbeseitigung i.S.d. § 249 Abs. 2
Satz 1 BGB erforderlich. Zu den durch die Unfallsituation bedingten besonderen
Leistungen des Vermieters zählen solche, die bei der gebotenen
subjektbezogenen Schadensbetrachtung zu dem zur Beseitigung des Schadens
erforderlichen Aufwand des Geschädigten gehören und nicht nur dem
Geschädigten die eigene Mühewaltung oder die Durchsetzung der Ersatzforderung
abnehmen, aber in Rechnung stellen (vgl. Greiner zfs 2006, 124, 128 m.w.N.). Als
rechtfertigende Gründe sind etwa die Vorfinanzierung, das Risiko eines Ausfalls
mit der Ersatzforderung wegen falscher Bewertung der Anteile am
Unfallgeschehen durch den Kunden oder den Kfz-Vermieter u.Ä. zu nennen (vgl.
BGH, Urteil vom 12.10.2004 - VI ZR 151/03, in: NJW 2005, 51, 53; Urteil vom
25.10.2005 - VI ZR 9/05, in: NJW 2006, 360, 361; eingehend zu den einzelnen
Risiko- und Kostenfaktoren bei der Vermietung von Unfallersatzfahrzeugen LG
Bielefeld, Urteil vom 26.7.2006 – 21 S 290/04: Fahrzeugvorhaltung auch schlechter
ausgelasteter Fahrzeuge, Erfordernis der Einrichtung eines Notdienstes, erhöhte
Kosten für die Zustellung und Abholung der Fahrzeuge, an Vermittler zu zahlende
Provisionen, Beschädigungsrisiko bei Fahrzeugen ohne Kreditkartensicherheit,
erhöhtes Unterschlagungsrisiko, Forderungsvorfinanzierung, Risiko des
Forderungsausfalls nach geänderter Bewertung der Haftungsanteile des Kunden
am Unfallgeschehen, erhöhter Verwaltungsaufwand, Erfordernis der
Umsatzsteuervorfinanzierung). Dass ein pauschaler Aufschlag auf den Normaltarif
bei der Vermietung von Unfallersatzfahrzeugen wegen vermehrter Beratungs- und
Serviceleistungen, erhöhten Verwaltungsaufwands und Zinsverlusten aufgrund von
längeren Zahlungsfristen selbst aus Sicht der Versicherungswirtschaft
gerechtfertigt und geboten ist, ergibt sich aus der von der Klägerin vorgelegten
Zusammenfassung der Gespräche zwischen dem Bundesverband der
Autovermieter (BAV) und dem Gesamtverband der Deutschen
Versicherungswirtschaft (GDV) zum Thema Mietwagenkosten vom 29.9.2006 (Bl.
175/176 GA). Ein solcher Aufschlag unabhängig davon, in welchem Umfang im
konkreten Fall unfallbedingte Zusatzleistungen des Autovermieters in Anspruch
genommen wurden, erscheint auch allein praktikabel und notwendig, um die
Schadensabwicklung zu vereinheitlichen und zu erleichtern (vgl. Greger NZV
2006, 1, 5).
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Der Senat hält gemäß § 287 ZPO unter Berücksichtigung der bisherigen
Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und anderer Gerichte sowie der in diesen
Verfahren eingeholten Sachverständigengutachten einerseits und der von der
Klägerin mitgeteilten Kalkulationsgrundlagen andererseits einen pauschalen
Aufschlag auf den Normaltarif in Höhe von 20 % für gerechtfertigt, um die
Besonderheiten der Kosten und Risiken des Unfallersatzfahrzeuggeschäfts im
Vergleich zur "normalen" Autovermietung angemessen zu berücksichtigen. Dieser
Prozentsatz bewegt sich im Mittelfeld der von Rechtsprechung und Literatur bislang
befürworteten Aufschläge und im Rahmen der Beträge, die nach der
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Zusammenfassung der Gespräche zwischen BAV und GDV zum Thema
Mietwagenkosten vom 29.9.2006 diese Interessenverbände für gerechtfertigt
halten. Auch nach der Kalkulation der Klägerin, deren Richtigkeit die Beklagte
weder erst- noch zweitinstanzlich im einzelnen bestritten hat, ist ein pauschaler
Aufschlag in dieser Größenordnung gerechtfertigt. Von den in der Kalkulation des
einheitlichen Tarifs der Klägerin aufgeführten sog. Betriebsrisikokosten handelt es
sich bei den Positionen Bonität (3 %), Valuta (5 %), Forderungsausfall (9 %),
Rechtsberatung (5 %) und Bereitschaftsdienst (2 %) um besondere Risiko- und
Kostenfaktoren, die sich ausschließlich oder überwiegend bei der Vermietung von
Unfallersatzfahrzeugen auswirken und nach der Rechtsprechung des
Bundesgerichtshofs einen pauschalen Aufschlag auf den Normaltarif rechtfertigen.
Überzeugende Gründe, von dieser Rechtsprechung abzuweichen, sind weder
dargelegt worden noch sonst ersichtlich. Bei den anderen in der Kalkulation der
Klägerin aufgeführten Faktoren ist nicht erkennbar, dass diese Leistungen oder
Risiken betreffen, die nicht genauso bei der "normalen" Autovermietung auftreten
können und/oder bereits im Normaltarif einkalkuliert sind. Da sich das Angebot
nach dem einheitlichen Tarif der Klägerin vornehmlich an Mieter von
Unfallersatzfahrzeugen richtet, ist im Rahmen einer Schätzung gemäß § 287 ZPO
davon auszugehen, dass sich die oben genannten unfallbedingten Risikokosten,
die insgesamt 24 % des Einheitstarifs der Klägerin ausmachen, zu etwa 20 % bei
der Vermietung von Unfallersatzfahrzeugen auswirken.
3. Schließlich sind zugunsten der Klägerin sog. Nebenkosten zu berücksichtigen.
Diese Kosten sind nach der Nebenkostentabelle zum Schwacke-
Automietpreisspiegel (S. 342/343) neben dem Normaltarif grundsätzlich
erstattungsfähig. Die Klägerin kann eine gesonderte Vergütung jedoch nur insofern
verlangen, als ausweislich der Mietvertrags- und Rechnungsunterlagen
entsprechende Zusatzleistungen erbracht wurden und hierfür eine gesonderte
Vergütung verlangt wurde.
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Die Kosten für eine Teil- bzw. Vollkaskoversicherung sind bei der Anmietung eines
Ersatzfahrzeugs grundsätzlich erstattungsfähig. Unabhängig davon, ob das bei
dem Verkehrsunfall beschädigte Fahrzeug ebenfalls voll- oder teilkaskoversichert
war, besteht jedenfalls grundsätzlich ein schutzwürdiges Interesse der Kunden der
Klägerin, für die Kosten einer eventuellen Beschädigung des Mietfahrzeugs nicht
selbst aufkommen zu müssen, zumal Mietwagen in der Regel neuer und damit
höherwertiger sind als die beschädigten Fahrzeuge (vgl. BGH, Urteil vom
15.2.2005 – VI ZR 74/04, in: NJW 2005, 1041, 1042/1043). Auch wenn die Klägerin
in den vorgelegten Rechnungen keine gesonderte Vergütung für die
Vollkaskoversicherung berechnet hat, sondern diese Leistung bereits in deren Tarif
enthalten ist, sind die Kosten der Vollkaskoversicherung, die nach der
Nebenkostentabelle zum Schwacke-Automietpreisspiegel zusätzlich zum
Normaltarif in Rechnung gestellt werden könnten, erstattungsfähig. Es wäre nicht
gerechtfertigt, die Klägerin einerseits auf eine Abrechnung zu dem – gegenüber
ihrem Einheitstarif geringeren - Normaltarif nach dem Schwacke-
Automietpreisspiegel zu verweisen, andererseits aber die bei einer solchen fiktiven
Abrechnung mögliche Berechnung von Kosten für ohne Wahlmöglichkeit des
Kunden und/oder zusätzliches Entgelt zur Verfügung gestellte Zusatzleistungen zu
verweigern.
36
Die Klägerin kann allerdings keine Vergütung für den zweiten Fahrer nach der
37
Nebenkostentabelle zum Schwacke-Automietpreisspiegel in Höhe von 10,00 € pro
Tag verlangen. Insoweit wurde keine nach dem Willen der Mietvertragsparteien zu
vergütende Zusatzleistung erbracht. Ausweislich der Mietvertragsunterlagen wurde
überhaupt nur im Fall 3 (H.) und Fall 4 (V.) ein zweiter Fahrer als "Mieter 2"
eingetragen. Im Fall 3 erfolgte dies offensichtlich im Hinblick darauf, dass die
Halterin des verunfallten Fahrzeugs als "Mieter 1" aufgeführt wurde, während das
Mietfahrzeug ebenso wie das Unfallfahrzeug allein von dem als "Mieter 2"
genannten Fahrer genutzt werden sollte, was sich insbesondere daraus ergibt,
dass lediglich dessen Führerscheindaten und Telefonnummer angegeben wurden.
Entsprechendes gilt im Fall 4, in dem die V. GmbH als "Mieter 1" bezeichnet und
als "Mieter 2" deren Mitarbeiter als tatsächlicher Fahrer mit Führerscheindaten und
telefonischer Erreichbarkeit vermerkt wurde. Eine tatsächliche Nutzung und/oder
Gestattung der Nutzung der Mietfahrzeuge durch einen zweiten Fahrer hat es
danach in keinem dieser Fälle gegeben, so dass es an der Vereinbarung einer
nach der Nebenkostentabelle zum Schwacke-Automietpreisspiegel
gegebenenfalls mit 10,00 € pro Tag (gewichtetes Mittel) gesondert zu vergütenden
Zusatzleistung fehlt. Damit steht in Einklang, dass die Klägerin in keiner der
vorgelegten Rechnungen für die Nutzung des Mietfahrzeugs durch einen zweiten
Fahrer eventuelle Zusatzkosten berechnet hat.
Die Klägerin hat jedoch einen Anspruch auf Erstattung von Kosten für die
Zustellung und Abholung des Mietwagens sowie für eine Vermietung außerhalb
der Geschäftszeiten. Bei der Zustellung und Abholung des Mietfahrzeugs handelt
es sich um nach der Nebenkostentabelle zum Schwacke-Automietpreisspiegel
dem Grunde nach erstattungsfähige Zusatzleistungen, für die als gewichtetes Mittel
eine besondere Vergütung in Höhe von jeweils 16,00 € angegeben wird. Ein
Unfallbeteiligter darf grundsätzlich diesen besonderen Service in Anspruch
nehmen. Ausweislich der vorgelegten Rechnungen wurde diese Zusatzleistung in
neun Fällen (außer im Fall 2) erbracht und mit jeweils insgesamt 50,00 € in
Rechnung gestellt. Weshalb auch im Fall 2 trotz Nichterbringung der
Zusatzleistung eine Erstattungspflicht der Beklagten bestehen soll, ergibt sich aus
dem Vorbringen der Klägerin nicht. Der Betrag laut Schwacke-
Automietpreisspiegel bildet insoweit die Höchstgrenze der Erstattungsfähigkeit, so
dass in neun Fällen zusätzliche Kosten in Höhe von 32,00 € in Ansatz zu bringen
sind. Eine Anmietung außerhalb der Geschäftszeiten erfolgte ausweislich der
Vertragsunterlagen in Fall 6 (Y.) und Fall 10 (S.). Auch hierbei handelt es sich nach
der Nebenkostentabelle zum Schwacke-Mietpreisspiegel um im gewichteten Mittel
mit 62,00 € vergütungspflichtige Zusatzleistungen, die ein Unfallgeschädigter in
Anspruch nehmen darf. Die Klägerin hat hierfür jeweils 25,00 € berechnet. Dass
dieser Betrag nicht kostendeckend sei und/oder weshalb aus sonstigen Gründen
statt des in Rechnung gestellten Betrags das gewichtete Mittel laut Schwacke-
Automietpreisspiegel zu erstatten sein soll, ergibt sich aus dem Vorbringen der
Klägerin nicht, so dass in diesen beiden Fällen die in Rechnung gestellten Kosten
von 25,00 € zu berücksichtigen sind.
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Auf diese Nebenkosten ist entgegen der Berechnung der Klägerin kein
(pauschaler) Aufschlag zu machen, da Anhaltspunkte dafür, dass die besonderen
Risiken bei der Vermietung von Unfallersatzfahrzeugen sich auch hinsichtlich
dieser Nebenkosten auswirken, weder vorgetragen wurden noch sonst ersichtlich
sind.
39
Danach steht der Klägerin unter Anrechnung der vorprozessualen Zahlungen der
Beklagten – ohne Berücksichtigung von Überzahlungen in Fall 1 und Fall 2, hinsichtlich
derer die Beklagte keine Rückforderung geltend gemacht oder sich vorbehalten hat –
eine Restforderung in Höhe von insgesamt 3.193,69 € zu:
40
Tarifkombination
laut Schwacke
inkl. 20 %
Aufschlag
(netto)
Nebenkosten
(netto)
Summe
(brutto)
Zahlung Rest
Fall 1 567,00 €
680,40 €
202,00 €
1.023,58
1.050,00
(-26,42
€)
Fall 2 637,00 €
764,40 €
152,00 €
1.063,02
1.300,00
(-235,98
€)
Fall 3 277,00 €
332,40 €
151,00 €
560,74 € 257,52 €
303,22 €
Fall 4 714,00 €
856,80 €
253,00 €
1.287,37
500,00 €
787,37 €
Fall 5 152,00 €
182,40 €
66,00 €
288,14 € 226,36 €
61,78 €
Fall 6 1.077,00 €
1.292,40 €
418,00 €
1.984,06
1.559,04
425,02 €
Fall 7 688,00 €
825,60 €
236,00 €
1.231,46
515,04 €
716,42 €
Fall 8 277,00 €
332,40 €
151,00 €
560,74 € 264,48 €
296,26 €
Fall 9 286,00 €
343,20 €
100,00 €
514,11 € 308,56 €
205,55 €
Fall10 456,00 €
547,20 €
227,00 €
898,07 € 500,00 €
398,07 €
3.193,69
41
42
Die zugesprochenen Zinsen ergeben sich aus § 288 BGB.
43
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 92 Abs. 1, 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über
die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO i.V.m. § 26 Nr. 8
EGZPO.
44
Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO für
eine Zulassung nicht vorliegen. Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung
noch erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen
Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts. Gegenstand des
Rechtsstreits waren überwiegend Tatsachenfragen des konkreten Einzelfalls.
Rechtsfragen grundsätzlicher Natur haben sich nicht gestellt und waren nicht zu
entscheiden.
45
Berufungsstreitwert und Beschwer: Berufung der Klägerin 1.650,00 € Berufung der
46
Beklagten 3.617,00 € 5.267,00 €