Urteil des OLG Köln vom 07.04.1997

OLG Köln (kläger, waffe, treu und glauben, grobe fahrlässigkeit, nachbesserung, 1995, gebrauchstauglichkeit, stillschweigend, mangel, frist)

Oberlandesgericht Köln, 16 U 34/96
Datum:
07.04.1997
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
16. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
16 U 34/96
Vorinstanz:
Landgericht Köln, 3 O 478/95
Schlagworte:
Wiederaufleben des Wandlungsrechts nach erfolgloser Nachbesserung
trotz vorherigen Verzichts auf die Wandlung.
Normen:
BGB §§ 459 ff
Leitsätze:
1) Ein im Lauf von Rost befallenes Jagdgewehr ist auch dann
mangelhaft, wenn die Schußpräzision zum Zeitpunkt des Kaufs durch
den Rost nicht beeinträchtigt wird. 2) Hat der Käufer im Vertrauen auf
eine ihm angebotene Reparatur der mangelhaften Kaufsache
vorbehaltlos auf sein Wandlungsrecht verzichtet, so kann sich der
Verkäufer auf diesen Verzicht nicht mehr berufen, wenn sich eine
Nachbesserung nachträglich als endgültig gescheitert erweist.
Rechtskraft:
rechtskräftig
Tenor:
Die Berufung der Beklagten und Widerklägerin gegen das Urteil der 3.
Zivilkammer des Landgerichts Köln vom 06.02.1996 - 3 O 478/95 - wird
zurückgewiesen. Die Kosten der Berufung werden ihr auferlegt. Das
Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
1
Die zulässige Berufung der Beklagten und Widerklägerin hat in der Sache keinen
Erfolg. Das Landgericht hat im Ergebnis zutreffend die Wandlung des Kaufvertrages
durch den Kläger als berechtigt erachtet, was dazu führt, daß dieser seine Anzahlung
zurückfordern kann, während die auf Zahlung des weiteren vollen Kaufpreises
gerichtete Widerklage der Beklagten unbegründet ist.
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Zwar ist der Kaufvertrag der Parteien nicht bereits durch die vom Kläger erstmals mit
Schriftsatz seiner Prozeßbevollmächtigten vom 04.10.1996 erklärte Anfechtung wegen
arglistiger Täuschung entfallen. Selbst wenn die Voraussetzungen für eine solche
Anfechtung vorlagen, war diese nach Ablauf der Jahresfrist des § 124 BGB jedenfalls
verspätet und damit unwirksam. Der Kläger kannte die Rostnarben im Lauf der
erworbenen Waffe seit dem 22.02.1995, als er die erste Reklamation erhob. Seine
Mutmaßung, die Beklagte müsse hiervon nach Untersuchung der Waffe Kenntnis
gehabt haben, sie habe ihm die Rostnarben aber verschwiegen, was die Beklagte nicht
als unrichtig bestritten hat, mußte sich dem Kläger damals wie heute aufdrängen, so daß
wegen dieser Kenntnis des Klägers die Anfechtungsfrist zu laufen begann, die er
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ungenutzt verstreichen ließ.
Das Wandlungsbegehren des Klägers ist aber nach §§ 462, 459 BGB gerechtfertigt. Die
Waffe wies im Zeitpunkt ihrer Übergabe an den Kläger einen von der Beklagten zu
vertretenden Mangel auf, der sowohl ihren Wert als auch ihre Gebrauchstauglichkeit
nicht nur unerheblich minderte. Die unstreitig von Anfang an vorhandenen Rostnarben
im Lauf der Waffe stellen Fehler dar, nämlich ungünstige Abweichungen von der
Beschaffenheit, die die Parteien bei Vertragsschluß stillschweigend vorausgesetzt
haben, und diese wirkten sich einmal wertmindernd aus, setzten auf längere Sicht aber
auch die Gebrauchstauglichkeit der Waffe herab. Im vorliegenden Fall läßt sich nicht
feststellen, daß die Parteien bei Vertragsschluß übereinstimmend davon ausgegangen
sind, daß der Erhaltungszustand der gebrauchten Waffe besonderen Anforderungen
genügte. Ausdrückliche Absprachen sind insoweit nicht getroffen worden. Es läßt sich
aber allgemein sagen, daß die Parteien stillschweigend einen solchen
Erhaltungszustand zugrunde legten, wie er angesichts eines Preises von ca. 2/3 des
Neupreises der normalen Beschaffenheit einer derartigen gebrauchten Waffe entsprach.
Aus dem Gutachten des Sachverständigen Dipl.-Ing. K. geht zur Überzeugung des
Senats hervor, daß der Rostschaden in dem von dem Sachverständigen festgestellten
Umfang derart gravierend war, daß er auch bei einer gebrauchten Waffe als negative
Abweichung von dem stillschweigend vorausgesetzten Normalzustand zu bewerten ist.
Der Sachverständige hat ausdrücklich ausgeführt, daß der Rostschaden bei der
Preisgestaltung besonders berücksichtigt werden müsse, was nur darin verstanden
werden kann, daß er sich wertmindernd auswirkt. Ebenso beeinträchtigt der
Rostschaden die Gebrauchstauglichkeit der Waffe. Zwar trifft es zu, daß die
Doppelbüchse derzeit in vollem Umfang schußtauglich ist. Trotzdem ist auf längerer
Sicht die Gebrauchsfähigkeit beeinträchtigt, weil ein Fortschreiten der Korrosion zu
befürchten ist, das nur durch erhöhten Beobachtungs- , Reinigungs- und
Konservierungsaufwand vermieden werden kann. Dies stellt eine Einschränkung der
normalen Gebrauchstauglichkeit dar, die einen solchen besonderen Aufwand nicht
erfordert. Der Mangel der Waffe kann auch nicht wegen Geringfügigkeit unberücksichtigt
bleiben. Das Gutachten, dem der Senat folgt, besagt das Gegenteil. Der Senat hat keine
Veranlassung, die Richtigkeit des Sachverständigengutachtens anzuzweifeln. Beide
Parteien haben übereinstimmend die besondere fachliche Kompetenz der DEVA
hervorgehoben.
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Die Wandlung des Kaufvertrages durch den Kläger ist nicht nach § 466 BGB
ausgeschlossen. Wenn der Verkäufer sich auf die Mängelanzeige des Käufers hin zur
Wandlung erbietet und ihm zur Erklärung eine Frist setzt, kann hiernach nach
fruchtlosem Fristablauf Wandlung nicht mehr verlangt werden. Einer Fristsetzung bedarf
es nicht, wenn der Käufer die Wandlung sogleich ablehnt. Es ist schon zweifelhaft, ob
der Kläger die Wandlung endgültig oder nur vorläufig abgelehnt hat, nachdem die
Parteien sich unstreitig auf eine Nachbesserung der Waffe durch die Firma H. geeinigt
haben, deren Ergebnis der Kläger möglicherweise zunächst abwarten wollte. Selbst
wenn der Kläger im Vertrauen auf die Durchführung der Reparatur auf die Wandlung
vorbehaltlos verzichtet haben sollte, kann die Beklagte sich vorliegend nicht hierauf
berufen, weil die Nachbesserung dann offenbar daran scheiterte, daß die Kosten der
Beklagten unverhältnismäßig hoch erschienen. Jedenfalls hat die Beklagte die ihr vom
Kläger gesetzte Frist zur Nachbesserung ohne Angabe von Gründen fruchtlos
verstreichen lassen. Dies berechtigte den Kläger, von der Nachbesserungsvereinbarung
wegen Nichterfüllung der Beklagten nach erfolgloser Fristsetzung zurückzutreten, was
er mit Schreiben seines Bevollmächtigten vom 24.4.1995 stillschweigend tat, indem er
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für den Fall des Ablaufs der Nachbesserungsfrist auf die Wandlung des Kaufvertrages
zurückkam. Hierzu war der Kläger berechtigt, denn es ist ein Gebot von Treu und
Glauben, daß nach dem endgültigen Scheitern der vereinbarten Nachbesserung die
ursprünglichen gesetzlichen Gewährleistungsansprüche wieder aufleben.
Dem Wandlungsausspruch des Klägers steht § 460 BGB ebenfalls nicht entgegen. Es
sind keine Anhaltspunkte dafür vorhanden, daß der Kläger den Rostbefall der Waffe
schon bei Abschluß des Kaufes gekannt hat. Auch dem Senat ist der Mangel bei einer
Besichtigung mit dem bloßen Auge verborgen geblieben. Ebensowenig läßt sich eine
grobe Fahrlässigkeit auf Seiten des Klägers feststellen. Er brauchte mangels jeglichen
Hinweises der Beklagten keine gründliche Prüfung vorzunehmen, um den versteckten
Rost aufzuspüren.
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Die von der Beklagten erhobene Einrede der Verjährung ist unbegründet. Die
Verjährungsfrist für den Wandlungsanspruch des Klägers beträgt - abgesehen vom Fall
der Arglist, der nicht geprüft zu werden braucht - nach § 477 BGB sechs Monate und
begann mit der Ablieferung der gekauften Waffe am 15.11.1994. Nicht in die Frist
einzurechnen ist gemäß § 205 BGB der Zeitraum vom 22.2. bis 3.5.1995, in dem die
Verjährung entsprechend § 639 Abs. 2 BGB gehemmt war. Das ist der Zeitraum von der
Rücknahme der Waffe zwecks Nachbesserung bis zum Ablauf der vom Kläger
gesetzten Erfüllungsfrist. Durch die Klageeinreichung am 30.5.1995 ist die bis dahin
noch nicht verstrichene Sechsmonatsfrist bis heute nach §§ 209, 211 BGB
unterbrochen. Die Wirkung der Klageerhebung, die mit Zustellung der Klageschrift am
26.6.1995 erfolgte, ist gemäß § 270 ZPO auf den Zeitpunkt der Klageeinreichung
zurückzubeziehen, da die Zustellung "demnächst" erfolgt ist. Der Kläger hat den
Gerichtskostenvorschuß bereits am 2.6.1995 eingezahlt und damit die Verzögerung bei
der Zustellung nicht zu vertreten.
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Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97, 708 Nr. 10, 713 ZPO.
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Wert der Beschwer: 12.047,90 DM
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