Urteil des OLG Köln vom 20.11.2007

OLG Köln: zusage, anhörung, gespräch, entlassung, gesellschaft, zustandekommen, vertrauensschutz, staat, inhaftierung, einweisung

Oberlandesgericht Köln, 2 Ws 609/07
Datum:
20.11.2007
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
2. Strafsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
2 Ws 609/07
Leitsätze:
Die Zusage einer Zwei-Drittel-Aussetzung nach § 57 Abs. 1 StGB im
Rahmen einer Urteilsabsprache vermag nur eingeschränkten
Vertrauensschutz zu entfalten. Dieser ist vorneherein dadurch begrenzt,
dass die Strafvollstreckungskammer - die am Zustandekommen der
Verständigung nicht beteiligt ist - eine eigenverantwortliche , an den
gesetzlichen Voraussetzungen de s§ 57 StGB orientierte Entscheidung
zu treffen hat. Das Erfordernis einer günstigen Prognose kann durch
eien Verständigung nicht beseitigt werden.
Tenor:
Die sofortige Beschwerde wird verworfen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Verurteilte.
G r ü n d e
1
I.
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Der Beschwerdeführer verbüßt gegenwärtig eine Gesamtfreiheitsstrafe von 6 ½ Jahren,
die das Landgericht Aachen gegen ihn mit Urteil vom 25.04.2006 wegen Geldwäsche in
3 Fällen verhängt hat. Die Taten betreffen Teile des aus dem Entführungsfall "S" im
Jahre 1996 erpreßten Lösegeldes. Nach den Urteilsfeststellungen hat der
Beschwerdeführer im Jahre 2000 in gewerbs- und bandenmäßiger Begehungsweise
einen aus der Beute stammenden Betrag von insgesamt 6 Millionen Schweizer Franken
gewaschen.
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Dem Urteil, auf das wegen der Einzelheiten zum Tathergang – auch der Vortat –
verwiesen wird, liegt eine Verständigung zugrunde, in deren Rahmen dem
Beschwerdeführer – je nach dem Umfang eines Geständnisses – eine
Gesamtfreiheitsstrafe von nicht mehr als 7 bzw. 6 ½ Jahren zugesagt wurde. Seitens der
Staatsanwaltschaft wurde folgendes erklärt :
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"Im Falle einer der Verständigung entsprechenden Verurteilung wird die
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Staatsanwaltschaft einer bedingten Entlassung zum 2/3-Zeitpunkt nach
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beanstandungsfreiem Vollzugsverhalten des Angeklagten nicht entgegentreten."
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Inhalt und Tragweite dieser Erklärung wird von den Beteiligten unterschiedlich
verstanden.
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2/3 der Strafe waren am 26.03.2007 verbüßt, das Strafende ist auf den 26.05.2009
notiert.
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Die Strafvollstreckungskammer hat es nach Einholung einer Stellungnahme des Leiters
der Justizvollzugsanstalt T und Anhörung des Verurteilten durch den angefochtenen
Beschluss, auf den wegen aller weiterer Einzelheiten ergänzend Bezug genommen
wird, abgelehnt, die Reststrafe zur Bewährung auszusetzen.
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II.
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Der Verurteilte hat dagegen fristgerecht das zulässige Rechtsmittel der sofortigen
Beschwerde eingelegt, die jedoch keinen Erfolg hat. Der Senat tritt der angefochtenen
Entscheidung bei. Das Beschwerdevorbringen rechtfertigt keine andere Beurteilung.
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Der Verurteilte stützt sein Rechtsmittel maßgeblich auf die Verständigung, in deren
Rahmen ihm die Staatsanwaltschaft wirksam ihr Einverständnis mit einer
Reststrafenaussetzung zugesagt habe, und deren Voraussetzungen erfüllt seien.
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Die Strafvollstreckungskammer hat sich jedoch an die Urteilsabsprache zurecht nicht
gebunden gesehen.
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Wie der Senat bereits entschieden hat (Beschluss vom 15.02.2005 – 2 Ws 47/05-) ,
kann eine Verständigung zwar einen gewissen Vertrauensschutz begründen, der aber
von vorneherein dadurch begrenzt ist, dass die Strafvollstreckungskammer - die am
Zustandekommen der Verständigung nicht beteiligt ist – eine eigenverantwortliche, an
den gesetzlichen Voraussetzungen des § 57 StGB orientierte Entscheidung zu treffen
hat.
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Zu den sachlichen Voraussetzungen einer Reststrafenaussetzung gehört in allen Fällen
eine günstige Legalprognose, die die Strafvollstreckungskammer mit Recht nicht
angenommen hat und die auch der Senat dem vielfach vorbestraften Beschwerdeführer,
der vor der jetzt verbüßten Strafe bereits 12 Jahre in Haft verbracht hat, nicht zu stellen
vermag. Das Erfordernis einer günstigen Prognose kann auch durch eine Verständigung
mit dem hier gegebenen Inhalt nicht beseitigt werden. Eine von den gesetzlichen
Voraussetzungen weitgehend losgelöste Reststrafenaussetzung kommt nicht in
Betracht.
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Eine positive Prognose kann dem Beschwerdeführer – auch – aufgrund seines
Vollzugsverhaltens, das bei der Prüfung eines Reststrafengesuches nach § 57 Abs. 1
S.2 StGB ein zu beachtendes Kriterium darstellt, nicht gestellt werden.
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Welchen Umständen insoweit Gewicht zukommt, bestimmt sich nach dem Einzelfall (vgl
Tröndle/Fischer, StGB, 54. Aufl., § 57 Randnr. 15). Dabei muß das Vollzugsverhalten
als positiver Prognosefaktor festgestellt werden können. Lediglich regelkonformes
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Verhalten genügt nicht.
Das Verhalten des Beschwerdeführers gibt Anlaß zur Beanstandung in dem Sinne,
dass er sich – bei äußerlicher Anpassung – jeder Mitarbeit am Erreichen des
Vollzugszieles (vgl § 2 StVollzG : "Im Vollzug der Freiheitsstrafe soll der Gefangene
fähig werden, künftig in sozialer Verantwortung ein Leben ohne Straftaten zu führen")
verweigert.
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Bereits in der Einweisungsverfügung vom 17.11.2006 wird dargelegt, dass sich der
Beschwerdeführer "perspektivisch in der Endphase seiner Inhaftierung und seines
Aufenthaltes in Deutschland wähne" und sich Fragen zu allen kritischen Themen
entziehe. Die Einweisung erfolgte – offensichtlich mit Blick auf diese
Verweigerungshaltung des Beschwerdeführers – "ohne weitere Empfehlungen".
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Zu ähnlicher Beurteilung gelangt der Leiter der Justizvollzugsanstalt T in seiner
Stellungnahme vom 06.02.2007, in der u.a. folgendes ausgeführt wird :
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"Ein Gespräch mit dem Gefangenen über die Ursachen seiner Straffälligkeit ließ
sich schlecht führen, da er die gesellschaftlichen Verhältnisse in Deutschland für
alles verantwortlich macht bzw. angab, mit der Gesellschaft nicht zurecht zu
kommen. Er wäre schon immer unangepasst gewesen und ließe sich von
niemandem etwas vorschreiben."
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Eine weitergehende Erörterung seiner Straffälligkeit würde angesichts dessen wie
Makulatur wirken und von ihm auch nicht gewünscht.
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Der Beschwerdeführer ist allein auf die ihm nach seiner Auffassung "zustehende" 2/3
Entlassung fixiert und zeigt sich von der Haft völlig unbeeindruckt, eine
Auseinandersetzung mit den Straftaten - zu denen er ausdrücklich steht - findet nicht
statt.
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Vor Erstellung des weiteren Berichtes des Leiters der Justizvollzugsanstalt T vom
21.05.2007 war der Beschwerdeführer zu gar keinem Gespräch mehr bereit.
Bezeichnend für die innere Einstellung des Beschwerdeführers sind außerdem noch
folgende Vorgänge : Als der Beschwerdeführer im September 2006 in der
Justizvollzugsanstalt durch Kriminalbeamte zeugenschaftlich vernommen werden sollte,
verließ er den Raum mit den Worten "Seid Ihr eigentlich bekloppt ?". Bei der
richterlichen Anhörung am 29.08.2007 bezeichnete er "das Vorbringen der
Staatsanwaltschaft (als) so unqualifiziert, dass ich dazu keine Stellungnahme mehr
abgebe".
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Der Beschwerdeführer trägt hiernach seine Ablehnung von Staat und Gesellschaft
weiterhin offen zur Schau, meint aber gleichzeitig zur Begründung seiner Beschwerde
anführen zu können :
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"Der Verurteilte muß sich auf eine Zusage der Justiz verlassen können. Sein
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Vertrauen genießt höchstrichterlichen Schutz."
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Nach Ansicht des Senates würde - umgekehrt - das Vertrauen in die Justiz erschüttert
und müsste es in der Öffentlichkeit auf Unverständnis stoßen, wenn ein Straftäter mit
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unverhohlen feindlicher Einstellung gegenüber der Rechtsordnung die Einhaltung der
Zusage einer Reststrafenaussetzung "einfordern" könnte, die im Ergebnis auf eine
konterkarierende Korrektur des Strafmaßes hinausliefe.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 StPO.
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