Urteil des OLG Koblenz vom 16.06.2010

OLG Koblenz: öffentliches interesse, geschäftsführung ohne auftrag, mühle, verkehr, passivlegitimation, verwaltung, unterhaltung, zustand, entschädigung, entwidmung

OLG
Koblenz
16.06.2010
1 U 645/09
1. Zu den Voraussetzungen des öffentlich-rechtlichen Aufwendungsersatzanspruchs eines Privaten gegen einen Träger
öffentlicher Verwaltung (hier: Kosten für die Beshotterung einer Straße, um die Erreichbarkeit eines Gewerbebetriebs mit
PKW wieder zu ermöglichen).
2. Die öffentlich-rechtliche Körperschaft hat gegenüber einem privaten Anspruchsteller grundsätzlich auf ihre fehlende
Passivlegitimation hinzuweisen; nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung in der letzten Tatsacheninstanz kann
sie eine dementsprechende Rüge regelmäßig nicht mehr mit Erfolg erheben.
Die Entscheidung ist rechtskräftig.
Geschäftsnummer:
1 U 645/09
1 O 141/08 LG Koblenz
Verkündet
am 16.06.2010
M. Schäfer, Justizbeschäftigte
als Urkundsbeamtin der
Geschäftsstelle
In dem Rechtsstreit
- Klägerin und Berufungsklägerin -
Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte …
gegen
- Beklagte und Berufungsbeklagte -
Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte …
hat der 1. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Koblenz durch den Richter am Oberlandesgericht Dennhardt, den Richter
am Landgericht Junker und die Richterin am Oberlandesgericht Dr. Cloeren
auf die mündliche Verhandlung vom 24.03.2010
für
R e c h t
Auf die Berufung der Klägerin wird das am 30. April 2009 verkündete Urteil der 1. Zivilkammer des Landgerichts Koblenz
abgeändert und die Beklagte verurteilt, an die Klägerin einen Betrag in Höhe von 4.989,98 € nebst Zinsen hieraus in
Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 28. Februar 2008 zu zahlen.
Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
G r ü n d e :
I.
Die Klägerin begehrt Ersatz ihrer Aufwendungen für das Aufbringen einer Schotterschicht auf einen im Eigentum der
beklagten Ortsgemeinde stehenden Weg.
Auf dem Grundstück der ...[A]mühle betreibt die Klägerin ein Unternehmen der Herstellung und des Vertriebs von
Kräutern und Gewürzen. Die Zufahrt zu ihrem Betrieb erfolgt über den vorgenannten Weg der Beklagten, der vormals ihr
Gemeindegebiet mit der Nachbargemeinde ...[X] verband sowie als Zuwegung zu einigen Mühlenbetrieben diente. Die
Mühlenbetriebe sind seit fast 100 Jahren eingestellt; seitdem werden die Mühlen auch zu Wohnzwecken genutzt.
Im September 2006 ließ die Beklagte Baumfällarbeiten entlang des Weges ausführen. Für den Abtransport der Bäume
wurde der Weg genutzt, der hierdurch beschädigt wurde. Die Beklagte veranlasste daher, den Schlamm abzutragen und
den Weg zu planieren.
Die Klägerin, die diese Maßnahmen für unzureichend hielt, um ihr Betriebsgrundstück mit PKW erreichen zu können, ließ
den Weg sodann mit Schotter befestigen.
Die Beklagte hat die Erstattung der hierfür angefallenen Kosten abgelehnt, da der Weg für einen Waldweg in
ausreichendem Zustand gewesen sei.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen.
Von der weiteren Darstellung des Tatbestandes wird abgesehen, weil ein Rechtsmittel gegen das Urteil unzweifelhaft
nicht zulässig ist (§§ 540 Abs. 2, 313 a Abs. 1 S. 1 ZPO).
II.
Die zulässige Berufung der Klägerin hat Erfolg.
Der Klägerin steht ein Anspruch auf Aufwendungsersatz aus auftragsloser öffentlich-rechtlicher Geschäftsführung für die
Beklagte in entsprechender Anwendung der Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches über eine Geschäftsführung
ohne Auftrag zu (§§ 683 S. 2, 679, 670 BGB).
Nach der übereinstimmenden Rechtsprechung sowohl des Bundesgerichtshofs (BGH NJW 1978, 1258; WM 1998, 401)
als auch des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG NJW 1989, 922) kann ein Anspruch auf Aufwendungsersatz
entsprechend § 683 BGB auch gegen einen Träger öffentlicher Verwaltung gegeben sein, wenn ein Privater eine
Maßnahme trifft, die zu den Aufgaben dieser Verwaltung gehört. Handelt er dabei nicht nach dem wirklichen oder
mutmaßlichen Willen der Behörde, so findet § 679 BGB entsprechende Anwendung. Das öffentliche Interesse muss aber
gerade darin bestehen, dass die Aufgabe von einem privaten Geschäftsführer in der gegebenen Situation erfüllt wird.
Dieses Interesse ist unter Würdigung aller Umstände des Einzelfalls zu ermitteln.
1. Die Beschotterung des hier streitgegenständlichen Weges war eine Geschäftsbesorgung für die Beklagte.
a) Es handelte sich um eine Maßnahme der Unterhaltung und der Verkehrssicherung des zur ...[A]mühle führenden
Weges im Sinne des § 11 Abs. 1 Satz 1 und 2 des rheinland-pfälzischen Landesstraßengesetzes – LStrG –, die nach §
48 Abs. 2 LStrG als hoheitliche Maßnahme zu qualifizieren ist. Der zur und an der ...[A]mühle vorbeiführende Weg ist
kein Wald- bzw. Wirtschaftsweg der Beklagten, sondern eine öffentliche Straße (§ 1 Abs. 2 LStrG).
Der Weg zur ...[A]mühle ist eine vorhandene Straße nach § 54 S. 1 LStrG, die gemäß § 54 S. 3 LStrG als
Gemeindestraße zu qualifizieren ist.
Bereits vor Inkrafttreten des Landesstraßengesetzes (15. Februar 1963) wies der heutige Weg die Eigenschaft einer
öffentlichen Straße auf. Dieser Nachweis wird auch für vorhandene Straßen nach § 54 S. 1 LStrG durch einen förmlichen
Widmungakt, wie er nunmehr in § 36 LStrG normiert ist, erbracht, der sich bei älteren Wegen und Straßen oftmals jedoch
nicht mehr auffinden lässt. In solchen Fällen kann aufgrund von Indizien auf eine in früherer Zeit erfolgte Widmung
geschlossen werden (OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 27. März 1997, 1 A 10663/96.OVG).
Für eine in früherer Zeit erfolgte Zurverfügungstellung eines Weges zum öffentlichen Verkehr spricht regelmäßig seine
ungestörte Benutzung durch jedermann in Verbindung mit der Notwendigkeit des Weges für den allgemeinen Verkehr
(vgl. OVG Rheinland-Pfalz, a.a.O.). Dies ist insbesondere anzunehmen, wenn die Funktion des Weges darin bestand,
die Verbindung zum überörtlichen Straßennetz oder zur benachbarten Gemeinde herzustellen oder wenn der Weg zu
wichtigen Versorgungs-einrichtungen führte, die für die Allgemeinheit erreichbar sein mussten.
Diese Voraussetzungen lagen hier vor:
Ausweislich der tatbestandlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil (Bl. 193 GA, S. 2 UA) verband der Weg
ursprünglich das Gemeindegebiet der Beklagten und das Gebiet der Nachbargemeinde ...[X]. Er bildete weiter die Zufahrt
zu Mühlengrundstücken wie der ...[B]mühle oder der ...[A]mühle. Der Weg stellte damit in früherer Zeit für den
allgemeinen Verkehr eine wichtige Verkehrsverbindung dar. Es ist deshalb der Schluss zu ziehen, dass die Straße in der
Vergangenheit auch entsprechend gewidmet worden war.
Eine Entwidmung/Einziehung als öffentliche Straße erfolgte bislang nicht.
Ebenso wie bei alten Wegen aus einer Reihe von Indizien auf eine einmal erfolgte Widmung geschlossen werden kann,
besteht auch die Möglichkeit, aufgrund der Gesamtumstände die spätere Entwidmung eines ehemals öffentlichen Weges
festzustellen (OVG Rheinland-Pfalz, AS 15, 232).
Ein solches Entwidmungsindiz liegt dann vor, wenn ein Weg, der nach früherem Recht öffentlich-rechtlichen Charakter
hatte, im Zeitpunkt des Inkrafttretens des Landesstraßengesetzes für Rheinland-Pfalz (15. Februar 1963) nur noch der
Bewirtschaftung landwirtschaftlicher und forstwirtschaftlicher Grundstücke diente (OVG Rheinland-Pfalz, a.a.O.). Davon
ist jedoch nicht auszugehen. Die Beklagte selbst hat vorgetragen und so ist es auch im unstreitigen Tatbestand des
angefochtenen Urteils festgehalten (Bl. 193 GA, S. 2 UA), der Mühlenbetrieb sei zwar vor 100 Jahren eingestellt worden,
jedoch seien die Mühlen seitdem bewohnt gewesen. Im Zeitpunkt des Inkrafttretens des Landesstraßengesetzes erfolgte
daher nicht nur eine Nutzung des Weges zur Bewirtschaftung der an ihn angrenzenden land- und forstwirtschaftlichen
Grundstücke.
Es ist daher nach wie vor von einer öffentlichen Straße auszugehen.
b) Die Klägerin hat die Geschäftsbesorgung (Schottern des Weges) auch für die Beklagte als Geschäftsherrin
durchgeführt.
Gemäß § 48 Abs. 1 LStrG obliegt die Durchführung der Unterhaltung einer öffentlichen Straße der Straßenbaubehörde.
Nach § 68 Abs. 2 Satz 1 der rheinland-pfälzischen Gemeindeordnung - GemO - hat die Verbandsgemeindeverwaltung
für Straßen bei denen die Ortsgemeinde Trägerin der Straßenbaulast ist – wie bei der vorliegenden Gemeindestraße, vgl.
§ 14 LStrG – die Aufgabe der Straßenbaubehörde zu erfüllen. Dabei wird die Verbandsgemeindeverwaltung im
Verhältnis zur Gemeinde in deren Auftrag tätig (§ 68 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 GemO); die Ortsgemeinde
wiederum trägt die Aufwendungen für den Bau und die Unterhaltung (§ 68 Abs. 2 Satz 2 GemO).
Indem die Klägerin hier eine Maßnahme der Straßenunterhaltung/Verkehrssicherungs-pflicht ergriffen hat, hat sie im
Ausgangspunkt eine Pflicht der Verbandsgemeindeverwaltung erfüllt, deren Trägerin die Verbandsgemeinde ist.
Die aus der Regelung in § 68 Abs. 2 GemO folgende Frage, wer im Verhältnis zum (auftraglosen) Geschäftsführer der
Geschäftsherr ist, die Verbandsgemeinde oder die Beklagte, weil die Verbandsgemeindeverwaltung im Innenverhältnis
zur Gemeinde (nur) in deren Auftrag tätig wird, kann offen bleiben.
Zwar ist anstelle der Beklagten die Verbandsgemeinde vorliegend passivlegitimiert, wenn sie im Verhältnis zur Klägerin
Geschäftsherrin wäre, gleichwohl könnte dies keine Berücksichtigung mehr finden, da die Beklagte sich in der letzten
mündlichen Verhandlung vor dem Senat nicht auf eine (mögliche) fehlende Passivlegitimation berufen hat und ihr dies –
selbst bei Eröffnung des Revisionsrechtszugs – nunmehr verwehrt ist.
Die Beklagte hat dieses Recht gemäß § 242 BGB verwirkt, nachdem sie sich, ohne auf ihre fehlende Passivlegitimation
hinzuweisen, auf die Klage bis zur letzten möglichen Verhandlung vor dem Senat eingelassen hat. Es obliegt
grundsätzlich der Beklagten als öffentlich-rechtlicher Körperschaft gegenüber einer (privaten) Partei auf eine fehlende
Passivlegitimation hinzuweisen. Versäumt sie dies, ist es ihr regelmäßig nach Schluss der mündlichen Verhandlung in
der letzten Tatsacheninstanz verwehrt, sich hierauf zu berufen; ebenso wenig hat das Gericht von Amts wegen eine
Prüfung durchzuführen (vgl. hierzu: Wurm in Staudingers Komm. zum BGB, Neubearb. 2007, § 839, Rdnr. 54; OLG
Koblenz, Urteil vom 07. November 2007 – 1 U 1453/01 – ; Cloeren/Itzel, Amts- und Staatshaftung – öffentlich-rechtliche
Problemfelder, LKRZ 2010, 47, 49f.).
Die Beklagte ist daher gegenüber der Klägerin als Geschäftsherrin anzusehen.
2. Die Geschäftsführung hat allerdings – insofern unstreitig – nicht dem wirklichen oder mutmaßlichen Willen der
Geschäftsherrin entsprochen (vgl. § 683 S. 1 BGB). Das schließt jedoch einen Aufwendungsersatzanspruch in den Fällen
nicht aus, in denen ohne die Geschäftsführung eine Pflicht des Geschäftsherren, deren Erfüllung im öffentlichen Interesse
liegt, nicht rechtzeitig erfüllt worden wäre (BGH, a.a.O.). Dies ist hier der Fall.
a) Die Abschotterung des Weges stellte – wie ausgeführt – eine Maßnahme der Straßenunterhaltung/Verkehrssicherung
im Sinne des § 11 Abs. 1 S. 1, S. 2 LStrG dar.
Allein die Zuordnung der durchgeführten Geschäftsbesorgung zur gesetzlich normierten Pflicht eines Trägers öffentlicher
Verwaltung genügt jedoch nicht, um die Voraussetzungen eines Aufwendungsersatzanspruches zu bejahen. Ein aus §§
683, 679, 670 BGB herzuleitender Anspruch auf Ersatz von Aufwendungen – hier für das Aufbringen von Schotter auf
eine öffentliche Straße – setzt weiter voraus, dass auch die Geschäftsführung selbst durch eine andere als die nach der
öffentlich-rechtlichen Regelung dazu bestimmte Person im öffentlichen Interesse liegt (BGH, a.a.O.); d.h. das öffentliche
Interesse muss darin bestehen, die Aufgabe in der gegebenen Situation durch einen Privaten wahrnehmen zu lassen
(BVerwG, a.a.O.).
b) Regelmäßig wird ein solches öffentliches Interesse zu verneinen sein, weil bei der Durchführung von
Straßenunterhaltungsmaßnahmen der zuständigen Behörde hinsichtlich des „Ob“ und des „Wie“ ein
Gestaltungsspielraum zuzugestehen ist, der u.a. aus § 11 Abs. 1 Satz 3 LStrG folgt. Danach hat der Träger der
Straßenbaulast seiner Unterhaltungslast nach Maßgabe seiner Leistungsfähigkeit nachzukommen.
Privaten Dritten ist es deshalb grundsätzlich nicht gestattet, Maßnahmen zur Unterhaltung einer öffentlichen Straße
gegenüber dem Straßenbaulastträger beziehungsweise der Straßenbaubehörde zu treffen.
c) Eine Geschäftsführung kann daher nur in Ausnahmefällen im öffentlichen Interesse liegen, welches unter Abwägung
aller widerstreitenden Belange festzustellen ist.
Als Ergebnis dieser Abwägung ist angesichts der Besonderheiten des vorliegenden Falles jedoch ein öffentliches
Interesse an der Beschotterung des Weges zur ...[A]mühle zu bejahen.
aa) Die bisherige Fahrbahn des Wegs zur ...[A]mühle war durch Baumfällarbeiten zerstört worden. Dies veranlasste die
Beklagte dazu, Schlamm abtragen und den Weg planieren zu lassen. Entgegen der Auffassung der Beklagten war mit
diesen Maßnahmen die Straße zur ...[A]mühle nicht wieder in einen Zustand zurückversetzt worden, der dem
Gewerbebetrieb der Klägerin einen ausreichenden Kontakt nach außen vermittelte.
Im unstreitigen Tatbestand des Urteils des Landgerichts (Bl. 194 GA. S 3 UA) hat das Landgericht festgestellt: „Bei dem in
diesem Rahmen erforderlichen Abtransport der gefällten Baumstämme wurde der bis dahin, wenn auch nicht betonierte,
so doch fest angelegte und ausgefahrene zur ...[A]mühle führende Waldweg derart aufgerissen, dass eine Zufahrt zu dem
Betriebsgrundstück der Klägerin aufgrund erheblicher Schlammbildung jedenfalls mit einachsig angetriebenen PKW und
Transportern nicht mehr möglich war. Wegen dieses Umstandes forderte die Klägerin die Beklagte auf, den Zustand des
betreffenden Weges wieder so zu verbessern, dass dieser wieder zumindest mit „normalen“ PKW genutzt werden könne.
Dieses Ansinnen der Klägerin wies die Beklagte jedoch zurück, sie beschränkte sich vielmehr darauf, den auf dem Weg
gebildeten Schlamm oberflächlich abzutragen und den Weg anschließend mit einer kleinen Raupe zu planieren.“
Nach diesen, von der Beklagten nicht angegriffenen Feststellungen, steht für den Senat fest, dass nachdem die Beklagte
den Schlamm oberflächlich hatte abtragen und den Weg anschließend mit einer kleinen Raupe planieren lassen, der
Weg gleichwohl nicht in der Lage war, Verkehr mit „normalen“ - d.h. nicht geländegängigen - PKW zur ...[A]mühle
aufzunehmen.
bb) Das Befahren des Weges bis zur ...[A]mühle mit einem PKW war jedoch für die Klägerin unentbehrlich, um den
Funktionszusammenhang ihres Betriebes aufrecht zu erhalten. Eine alternative Zufahrt gab es – wie das Landgericht
ebenfalls unbeanstandet tatbestandlich festgestellt hat (Bl. 198 GA, S. 7 UA) – nicht. Ohne den Weg mit einem PKW zu
nutzen, konnten die Mitarbeiter des Betriebes diesen nicht in zumutbarer Weise erreichen. Sie konnten angesichts der
Örtlichkeiten (Entfernung Ortlage der Beklagten bis zum Betrieb) und ohne sich (vor allem in den Wintermonaten bei
Dunkelheit) selbst zu gefährden, nicht darauf verwiesen werden, zu Fuß zu gehen. Ebenso wenig konnte von der
Klägerin aufgrund der damit einhergehenden personellen und finanziellen Belastung dauerhaft die Bereitstellung eines
speziellen Fahrzeugs zum Transport der Angestellten erwartet werden.
Aufgrund der fehlenden Erreichbarkeit des Betriebes für die Mitarbeiter war die Produktion jedoch erheblich gefährdet.
Darüber hinaus war der Betrieb der Klägerin abhängig von gewerblichen Zulieferern und Abholdiensten, bei denen die
Nutzung eines PKW ebenfalls nicht auszuschließen war.
Die Zerstörung der Zufahrt und ihre unzureichende Wiederherstellung, in deren Folge der Weg nicht mehr mit PKW
genutzt werden konnte, stellte mithin einen fühlbaren Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Betrieb dar, dessen
Funktionszusammenhang durch dieses tatsächliche Verhalten der Beklagten gestört worden war. Nach der
Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (s. bereits
BVerfGE 13, 225
, 229) und des Bundesgerichtshofs ist der
Gewerbebetrieb in seiner Substanz als Eigentum im Sinne des Art. 14 GG verfassungsrechtlich geschützt. Dieser Schutz
erstreckt sich auf die den Betrieb bildende Sach- und Rechtsgesamtheit, die gesamte Erscheinungsform und den
Tätigkeitskreis, die geschäftlichen Verbindungen und Beziehungen, kurz alles, was in seiner Gesamtheit den
wirtschaftlichen Wert des konkreten Gewerbebetriebes ausmacht (
BGHZ 23, 157
, 162; 45, 83, 87). Eine wirtschaftlich
wertende Betrachtung, wie sie gerade bei der Beurteilung von Eingriffen in vermögensrechtliche Werte geboten ist, muss
davon ausgehen, dass erst die jeweilige Situation, in der ein Gewerbe betrieben wird, den vermögensrechtlichen,
grundgesetzlich geschützten Umfang des Betriebes schafft. Deshalb rechnet die Rechtsprechung zum geschützten
Bestand des Betriebes auch den sogenannten "Kontakt nach außen", der dem Betrieb den Zugang zur Straße und die
Zugänglichkeit von der Straße her gewährt (vgl. dazu auch BGH DVBl. 1968, 212).
cc) Die Beklagte kann hiergegen nicht mit dem Einwand gehört werden, die Klägerin könne sich auf ihre Kontakte nach
außen deshalb nicht berufen, weil ihr der Gewerbebetrieb zu keinem Zeitpunkt genehmigt worden sei. Solange der
Gemeingebrauch an einer öffentlichen Straße besteht (und der Betrieb nicht förmlich untersagt worden ist), gehören zum
Recht am Betrieb auch die Möglichkeit des Zugangs und der Kommunikation mit dem sonstigen Verkehr (BGHZ 23, 157,
163).
dd) Die Beschotterung des Weges musste unverzüglich erfolgen. Der Klägerin war es aufgrund des erheblichen Eingriffs
in ihren Betrieb und der hierdurch zu besorgenden Existenzgefährdung nicht zumutbar, weiter abzuwarten, nachdem die
Beklagte ausdrücklich weitere Unterhaltungsmaßnahmen am Weg abgelehnt hatte.
ee) Der Klägerin war es auch nicht unter Heranziehung der in § 39 LStrG getroffenen (Entschädigungs-)Reglungen
verwehrt, unverzüglich zu handeln und statt dessen gegebenenfalls eine Entschädigung zu verlangen. Die dort
geregelten Sachverhalte sind nicht vergleichbar.
Die Beklagte hat den Weg nicht eingezogen, umgestuft oder verändert (§ 39 Abs. 1 LStrG). Sie hat nicht durch die
„Änderung“ einer Straße die Zufahrt zu einem Grundstück auf Dauer unterbrochen, wie es § 39 Abs. 2 LStrG vorsieht.
„Änderung“ einer Straße die Zufahrt zu einem Grundstück auf Dauer unterbrochen, wie es § 39 Abs. 2 LStrG vorsieht.
Ausweislich der in dieser Bestimmung getroffenen Gleichwertigkeit der „Änderung“ einer Straße mit einer „Einziehung“
als Voraussetzung einer (möglichen) Entschädigung, fällt unter eine „Änderung“ der Straße nicht jede Veränderung in
ihrem Ausbau-/Unterhaltungszustand, sondern die „Änderung“ setzt einen zielgerichteten und geplanten Umbau voraus,
der eine bisherige Zufahrt aufhebt oder erheblich erschwert. Dies beabsichtigte die Beklagte nicht. Ihr ging es nicht um
die Änderung einer Straße, sondern in Verkennung des Charakters des Weges als öffentliche Straße hielt sie den von ihr
hergestellten Zustand des Weges als ausreichend für eine Nutzung als Waldweg.
Ebenso wenig lag ein Fall des § 39 Abs. 3 LStrG (Entschädigung wegen Straßenbauarbeiten) vor. Die Beklagte führte
keine Straßenbauarbeiten durch, in deren Folge für längere Zeit die Zufahrt zum Betrieb der Klägerin unterbrochen
wurde.
ff) Die Klägerin war auch nicht darauf zu verweisen, Primärrechtsschutz in Anspruch zu nehmen, d. h. die Herstellung des
Weges mit Schotter einzuklagen und somit ein Leistungsurteil gegen die Beklagte zu erreichen.
Auf einen möglichen Primärrechtsschutz kommt es nicht entscheidend an, da ein öffentliches Interesse an einer
auftragslosen Geschäftsführung selbst dann bestehen kann, wenn dieser nicht unbedingt Leistungsansprüche
korrespondieren (BVerwG, a.a.O.); d.h. maßgeblich für einen Ersatzanspruch bleibt die Feststellung eines öffentlichen
Interesses, welches hier – s.o. – maßgeblich durch die Intensität der Beeinträchtigung des Kontaktes nach außen
mitbestimmt wird, der für einen eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb unverzichtbar ist und der ein geschütztes
Recht darstellt.
Aufgrund der besonderen Bedeutung des Kontaktes nach außen bestand hier ein öffentliches Interesse an der
Durchführung der Geschäftsführung. Die von der zerstörten Straße ausgehenden Nachteile musste die Klägerin nicht
hinnehmen, sondern sie durfte hier umgehend Abhilfe schaffen.
3. Der Klägerin steht der geltend Aufwendungsersatzanspruch auch in der eingeklagten Höhe zu. Die vorgelegten und
der Klägerin erteilten Rechnungen für die Beschotterung des Weges (Bl. 51ff. GA), hat die Beklagte nicht mit
substantiierten Einwendungen angegriffen.
Der Ausspruch über die Zinsen beruht auf den §§ 291, 288 Abs. 1 Satz 2 BGB.
Der Berufung der Klägerin war daher zu entsprechen und das erstinstanzliche Urteil abzuändern.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§
708 Nr. 10, 713 ZPO.
Die Revision zum Bundesgerichtshof ist nicht zuzulassen; die Voraussetzungen für eine Zulassung nach § 543 Abs. 2
ZPO liegen nicht vor. Die vorliegend zur Entscheidung anstehenden Rechtsfragen sind in der obergerichtlichen
Rechtsprechung geklärt; im Übrigen beruht die Entscheidung auf einer Würdigung im Einzelfall.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 4.990 € festgesetzt.
Dennhardt Junker Dr. Cloeren
RLG Junker ist nach
Beendigung seiner Abordnung
verhindert zu unterschreiben
Dennhardt