Urteil des OLG Koblenz vom 04.11.2010

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OLG
Koblenz
04.11.2010
5 U 883/10
Aktenzeichen:
5 U 883/10
2 O 335/09 LG Bad Kreuznach
Verkündet am 04.11.2010
Linster, Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
Oberlandesgericht
Koblenz
IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
In dem Rechtsstreit
- Kläger und Berufungskläger -
Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte …
gegen
- Beklagte und Berufungsbeklagte -
Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt …
hat der 5. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Koblenz durch den Vorsitzenden Richter am
OberlandesgerichtKaltenbach, den Richter am OberlandesgerichtGoebel und den Richter am
OberlandesgerichtDr. Menzel auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 04.11.2010 für Recht erkannt:
Auf die Berufung des Klägers wird die Beklagte unter Änderung des Urteils der 2. Zivilkammer des
Landgerichts Bad Kreuznach vom 25.06.2010 verurteilt, an den Kläger das Wohnmobil Ford Rimor mit
der Fahrzeugidentifizierungsnummer … herauszugeben.
Die Kosten des Rechtsstreits fallen der Beklagten zur Last.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Beklagten ist nachgelassen, die Zwangsvollstreckung des Klägers gegen Sicherheitsleistung in Höhe
von 37.000 € abzuwenden, wenn nicht der Kläger Sicherheit in entsprechender Höhe stellt.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Entscheidungsgründe
I.
Der Kläger vermietete im Rahmen seines Gewerbes am 24.03.2009 ein ihm gehörendes Wohnmobil an
eine Frau, die einen auf den Namen ...[A] lautenden Personalausweis vorlegte. Wenig später wurde das
Fahrzeug, das nach dem Vorbringen des Klägers mindestens 31.000 € wert war, im Internet unter Angabe
einer Handy-Nummer für 24.500 € zum Verkauf angeboten.
Die Beklagte nahm am 01.04.2009 mit dem Anbieter telefonischen Kontakt auf und besichtigte den
Wagen am folgenden Abend gemeinsam mit ihrem Ehemann auf einem Moselparkplatz, auf dem weitere
Wohnmobile standen. Bei einem zweiten Treffen, das am 03.04.2009 gegen 19.00 Uhr auf einem
anderen, nahe gelegenen Parkplatz stattfand, schloss die Beklagte einen schriftlichen Kaufvertrag mit
dem Anbieter. Dieser trat dabei, wie bereits zuvor unter dem Namen des Klägers auf. Er hatte mitgeteilt,
Polizeibeamter zu sein. Der Kaufpreis wurde mit 24.000 € vereinbart. Die Beklagte entrichtete ihn in bar.
Sie erhielt einen Satz von Schlüsseln, mit denen sich die Zündung betätigen sowie die Toilette und das
Fahrrad-Depot öffnen ließen. Der für den Safe bestimmte Schlüssel passte nicht. Außerdem händigte der
Verkäufer eine Zulassungsbescheinigung II (Kfz-Brief) aus, unter deren Vorlage die Beklagte das
Fahrzeug dann auf sich ummeldete. Später stellte sich heraus, dass diese Bescheinigung gefälscht war.
Der Kläger hat die Beklagte unter Hinweis auf seine Eigentümerstellung auf Herausgabe des Wohnmobils
in Anspruch genommen. Die Beklagte hat gutgläubigen Erwerb eingewandt. Diese Rechtsverteidigung
hat das Landgericht für stichhaltig erachtet und das Verlangen des Klägers abgewiesen. Aus seiner Sicht
schien der Verkäufer durch die Schlüssel und die Zulassungsbescheinigung II hinlänglich legitimiert.
Dagegen wendet sich der Kläger in Erneuerung seines Begehrens mit der Berufung. Er meint, dass die
Beklagte, getrieben von der Vorstellung, ein weit unter dem Marktwert angebotenes Fahrzeug erwerben
zu können, außerordentlich unkritisch gehandelt habe. Die ihr übergebenen Schlüssel seien ersichtlich
unvollständig gewesen und übliche Dokumente wie die Zulassungsbescheinigung I (Kfz-Schein), das
Bordhandbuch und das Wartungsheft hätten überhaupt gefehlt.
II.
Das Rechtsmittel führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zum Zuspruch der Klage. Entgegen
der Auffassung des Landgericht hat der Kläger das Eigentum an dem streitigen Fahrzeug nicht an die
Beklagte verloren, so dass ihm ein in § 985 BGB begründeter Herausgabeanspruch zusteht.
1. Die erstinstanzliche Entscheidung begegnet bereits in ihrem rechtlichen Ansatz, einen
Eigentumserwerb der Beklagten aus § 932 BGB herzuleiten, gewichtigen Zweifeln. Die Vorschrift des §
932 BGB regelt die Veräußerung durch einen Nichtberechtigten. Sie hat die Situation im Auge, in der ein
Nichtberechtigter vortäuscht, Eigentümer einer Sache zu sein, und aus dieser Stellung heraus verfügt.
Davon weicht der vorliegende Fall ab. Allerdings war der Verkäufer des Wohnmobils nicht zur
Eigentumsübertragung befugt, so dass er als Nichtberechtigter handelte. Aber er tat das unter dem Namen
des Klägers, indem er vorgab, ...[B] zu heißen und damit diejenige Person zu sein, auf die die
Zulassungsbescheinigung II ausgestellt war. Das gibt dem Fall ein besonderes Gepräge:
Freilich ist die Benutzung eines fremden Namens belanglos, wenn dem Geschäftsgegner der Name
gleichgültig ist und es ihm grundsätzlich nur darauf ankommt, mit der Person zu kontrahieren, der sich
gegenübersieht. Anders liegen die Dinge jedoch dort, wo er daran interessiert ist, das Rechtsgeschäft mit
dem Namensträger abzuschließen. In diesem Fall gelangen vertretungsrechtliche Regeln zur
Anwendung, so dass der Handelnde nicht, wie es § 932 BGB voraussetzt, ein Eigengeschäft vornimmt,
sondern als bloßer Vertreter auftritt, obwohl ihm der Vertretungswille fehlt (BGHZ 45, 193, 195; BGH WM
1990, 1450, 1451; Palm in Erman, BGB, 12. Aufl., § 164 Rn. 8).
Eben das war die Situation, in der sich die Beklagte befand. Für sie war wesentlich, mit demjenigen einen
Übereignungsvertrag zu schließen, auf den die Zulassungsbescheinigung II lautete, weil allein er
hinreichend als Eigentümer legitimiert war und der Erwerb von einer anderen Person in seiner
Rechtsgültigkeit fragwürdig sein musste (BGH NJW 2006, 3488, 3489). Deshalb gab der Verkäufer seine
Willenserklärung im Namen des Klägers ab (OLG Düsseldorf NJW 1985, 2484; Ellenberger in Palandt,
BGB, 69. Aufl., § 164 Rn. 11; a. A. OLG Düsseldorf NJW 1989, 906 f.; Oechsler in Münchener Kommentar,
BGB, 5. Aufl., § 932 Rn. 63), so dass ein Eigentumsübergang dessen Vollmacht voraussetzte (§ 164 Abs.
1 BGB). Eine Vollmacht ist jedoch nie erteilt worden, und sie lässt sich auch nicht nach Duldungs- oder
Anscheinsregeln herstellen. Insofern scheidet ein Rechtsübergang auf die Beklagte von vornherein aus.
2. Wählt man einen anderen Blickwinkel und geht - indem man der Beklagten konzediert, dass sie
nicht in erster Linie von der in der Zulassungsbescheinigung II eingetragenen Person, sondern von
demjenigen erwerben wollte, der ihr als Verkäufer gegenüber trat - von der grundsätzlichen
Anwendbarkeit des § 932 BGB aus, ist ein Eigentumsübergang indessen ebenfalls zu verneinen. Die
Beklagte war nämlich nicht gutgläubig, weil ihre Auffassung, der Verkäufer sei Eigentümer des
Wohnmobils, auf grober Fahrlässigkeit beruhte. Es gab handfeste Indizien, die gegen die Meinung der
Beklagten sprachen.
Allerdings konnte der Verkäufer die Zulassungsbescheinigung II vorlegen. Das stellte jedoch nur eine
Mindestvoraussetzung für einen gutgläubigen Erwerb dar, gewährleistete ihn aber keineswegs (BGH WM
1956, 158, 159; BGH NJW 2006, 3488, 3489; Wiegand in Staudinger, BGB, 2004, § 932 Rn. 140). Das gilt
umso mehr, als die Beklagte nichts unternahm, um sich über die Identität des Verkäufers und des
eingetragenen Halters des Wohnmobils zu vergewissern. Zu Lasten der Beklagten streiten zahlreiche
Umstände, die Argwohn begründen mussten und die die Sicht, der Verkäufer sei Eigentümer und handele
redlich, als im erheblichen Maße leichtfertig erscheinen lassen:
a) Über die Zulassungsbescheinigung II hinaus konnten keine Papiere zum Fahrzeug präsentiert
werden. Der Beklagten wurden weder die Zulassungsbescheinigung I noch das Bordbuch noch ein
Wartungsheft vorgelegt. Auch die Schlüssel waren unvollständig. Es gab grundsätzlich nur einen Satz,
und der Tresor war überhaupt nicht zu öffnen.
b) Der Verkäufer teilte mit, in ...[X] zu wohnen. Er führte das Wohnmobil aber nicht dort, sondern in
...[Y] vor. Das war weiter von ...[X] entfernt als der Wohnort der Beklagten. Dass das Fahrzeug auf einem
nahen Campinggelände gestanden hätte, ließ sich nicht ersehen. Wäre dies so gewesen, hätte es ohne
weiteres dort gezeigt werden können, statt es auf einem Parkplatz anzubieten. Die Wahl eines
wohnortfernen Treffpunkts war um so verwunderlicher, als der Verkäufer sagte, er sei Polizist und müsse
alsbald arbeiten.
c) Anlass zu Argwohn gab auch der augenscheinliche Bildungsstand des Verkäufers: Von einem
Polizisten wäre eigentlich zu erwarten gewesen, dass er die Grundregeln der Rechtsschreibung
beherrschte. Insofern musste erstaunen, dass die wenigen handschriftlichen Formulierungen, die der
Verkäufer in das Vertragsformular setzte, voller Fehler steckten. Dabei mag die Schreibweise
"FAhRADTREGER" (statt Fahrradträger) und "GESenDED" (statt gesendet) vielleicht noch hinnehmbar
gewesen zu sein. Völlig unverständlich war aber, die Zahl vierundzwanzig als "Fierundzwanzieg" zu
schreiben.
d) Trotz dieser Verdachtsmomente unternahm die Beklagte nichts, um die Angaben des Käufers in
irgendeiner Weise zu verifizieren. Sie überprüfte weder die Richtigkeit
der ihr mitgeteilten Adresse noch verlangte sie nach einer Festnetztelefonnummer, bei der sie zur
Kontrolle hätte anrufen können. Es gab auch keine Bankverbindung, die zur Kaufpreiszahlung zu
verwenden gewesen wäre und angezeigt hätte, dass das Geld tatsächlich an die Person gelangte, die im
Kaufvertrag genannt war und aus der Zulassungsbescheinigung II hervorging. Stattdessen ließ sich die
Beklagte auf einen Zahlungsmodus ein, bei dem sich der Empfänger nicht zu identifizieren brauchte. Das
war umso ungewöhnlicher, als es um einen sehr hohen Betrag ging.
3. Vor diesem Hintergrund kann kein guter Glaube attestiert werden. Zweifel, die sich jedem
vernünftigen Kaufinteressenten aufdrängen mussten, wurden zur Überzeugung des Senats in dem
Bestreben verdrängt, ein gutes Geschäft zu tätigen. Statt den - als günstig bewerteten - Kaufpreis zum
Anlass zu nehmen, die Redlichkeit des Verkäufers kritisch zu beurteilen, wurden objektiv vorhandene
Warnhinweise grob fahrlässig übergangen.
III.
Mithin hat die Berufung Erfolg, und die Beklagte hat gemäß § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO die Kosten des
Rechtsstreits zu tragen. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711
ZPO.
Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht vorhanden. Die - soweit zu ersehen, bisher nicht
höchstrichterlich beantwortete - Frage, ob die unberechtigte Veräußerung eines Kraftfahrzeugs unter dem
Namen des in der Zulassungsbescheinigung II angegebenen Halters nach Vertretungsregeln oder in
Anwendung von § 932 BGB beurteilt werden muss, ist nicht entscheidungserheblich.
Rechtsmittelstreitwert: 31.000 €
Kaltenbach
Goebel
Dr. Menzel
Vorsitzender Richter
am Oberlandesgericht
Richter
am Oberlandesgericht
Richter
am Oberlandesgericht
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