Urteil des OLG Koblenz vom 07.05.2010
OLG Koblenz: besondere gefährlichkeit, bademeister, betreiber, ampel, schwimmbad, schmerzensgeld, unfall, hallenbad, kollision, quelle
OLG
Koblenz
07.05.2010
8 U 810/09
Aktenzeichen:
8 U 810/09
2 O 156/08 LG Bad Kreuznach
Oberlandesgericht
Koblenz
Beschluss
In dem Rechtsstreit
…
- Klägerin und Berufungsklägerin -
Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte
gegen
…
- Beklagte und Berufungsbeklagte -
Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte
wegen Schmerzensgeld
hat der 8. Zivilsenat des OberlandesgerichtsKoblenz durch den Vorsitzenden Richter am
OberlandesgerichtMille, den Richter am OberlandesgerichtMarx und den Richter am
OberlandesgerichtScherf am 14.04.2010 beschlossen:
1. Die Parteien werden darauf hingewiesen, dass beabsichtigt ist, die Berufung der Klägerin gegen
das am 29.05.2009 verkündete Urteil des Landgerichts Bad Kreuznach durch einstimmigen Beschluss
zurückzuweisen.
2. Die Klägerin erhält Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 03.05.2010.
Gründe:
Die Voraussetzungen des § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO sind nach Auffassung des Senats gegeben. Die
Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Ebenso wenig erfordern die Fortbildung des Rechts
oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts.
Die Berufung hat keine Aussicht auf Erfolg. Das Landgericht hat zu Recht einen Anspruch der Klägerin
aus vertraglicher und deliktischer Haftung abgelehnt. Mit zutreffender Begründung hat das Landgericht
dargelegt, dass die Beklagte im Zusammenhang mit dem Unfall der Klägerin vom 10.03.2007 weder eine
Vertragsverletzung begangen noch gegen die ihr als Betreiberin einer Wasserrutsche in einem Ferienpark
obliegenden, einen deliktischen Schadensersatzanspruch auslösenden Verkehrssicherungspflichten
verstoßen hat.
Der Betreiber einer Wasserrutsche ist ohne Zweifel verpflichtet, die Benutzer vor Gefahren zu schützen,
denen diese bei der Nutzung der Einrichtung ausgesetzt sein können. Diese Verpflichtung beinhaltet,
dass der Betreiber insoweit notwendige und zumutbare Vorkehrungen zu treffen hat, um eine Schädigung
der Gäste möglichst zu vermeiden. Dabei sollen die Gäste vor vermeidbaren Gefahren bewahrt bleiben,
die über das übliche Risiko der Anlagennutzung und den zu erwartenden Gebrauch hinausgehen, also
von den Besuchern selbst nicht vorhersehbar und ohne weiteres erkennbar sind (vgl. BGH NJW 2004,
1450).
Allerdings kann und muss nicht jeder abstrakten Gefahr durch vorbeugende Maßnahmen begegnet
werden, da eine Verkehrssicherheit, die jeden Gefährdungsfall ausschließt, nicht erreichbar ist. Vielmehr
bedarf es nur solcher Sicherungsmaßnahmen, die ein verständiger und umsichtiger Mensch für
ausreichend halten darf, um andere Personen vor Schäden zu bewahren, und die ihm nach den
Umständen zumutbar sind (vgl. BGH VersR 2000, 984; OLG Stuttgart, NJW-RR 2003, 1531). Bei der
Beurteilung, ob die Verkehrssicherungspflicht erfüllt ist, verbietet sich eine generalisierte
Betrachtungsweise, vielmehr ist zu prüfen, welche Anforderungen nach den Umständen des Einzelfalls
von dem Betreiber verlangt werden können (vgl. OLG Jena, Beschluss vom 15.05.2009, Az: 4 U 827/08 -
zitiert nach juris; OLG Celle, NJW 2006, 3284).
Entsprechend den seitens der Beklagten vorgelegten und von der Klägerseite selbst zur Argumentation
verwendeten Bildern weist die Rutsche von ihrer Konstruktion her keine besondere Gefährlichkeit aus.
Insbesondere ist sie nahezu vollumfänglich einsehbar, so dass zum Einstieg bereite Personen ohne
Probleme beurteilen können, wie weit die zuvor eingestiegene Person bereits gerutscht ist und in welcher
Geschwindigkeit sie dies getan hat.
Die Beklagte ist auch nach der Überzeugung des Senats durch die Aufstellung von Hinweisschildern
sowohl am Aufgang zur Rutsche als auch an ihrem unmittelbaren Einstieg ihrer Verkehrssicherungspflicht
in ausreichendem Maße nachgekommen. Die Schilder enthalten sowohl ausformulierte Warnhinweise als
auch Piktogramme, auf denen die Warnhinweise nochmals bildlich dargestellt werden. Darauf wird
gerade auf die hier wesentlichen Problempunkte eindeutig hingewiesen. Die erlaubten Rutschpositionen
werden dargestellt und es wird dazu aufgefordert, nach Beendigung des Rutschvorgangs den
Eintauchbereich direkt zu verlassen. Darüber hinaus wird das Schwimmbad insgesamt von einem
dauernd anwesenden Bademeister überwacht.
Der Unfall geschah deshalb, weil die klaren und unmissverständlichen Regeln von dem Unfallverursacher
nicht eingehalten wurden. Zutreffend hat das Landgericht dargelegt, dass sich durch ein klares
Fehlverhalten eines Dritten unter bewusster Missachtung der Vorgaben der Beklagten ein Risiko
verwirklicht hat, für welches die Beklagte nicht verantwortlich gemacht werden kann (vgl. auch OLG Celle,
a.a.O.).
Der Senat kann auch entsprechend den Ausführungen des Landgerichts nicht die klägerische Forderung
bestätigen, die Beklagte hätte den Rutscheneingang intensiver überwachen müssen (Ampel, eigener
Bademeister nur für die Rutsche, Videokamera). Eine ständige und lückenlose Aufsicht an einem solchen
Rutscheneingang ist der Beklagten nicht zumutbar und übersteigt damit die Grenzen der
Verkehrssicherungspflicht. Die Einrichtung einer Ampelanlage kommt auch nach Auffassung des Senats
nur dann in Betracht, wenn wegen der besonderen Gefährlichkeit oder Uneinsehbarkeit die Abstände
zwischen den Rutschenden schärfer kontrolliert werden müssen. Dies war hier aber nicht zu fordern.
Denn die Rutsche war nahezu voll einsehbar und nicht von besonderer Gefährlichkeit.
Die von Klägerseite zitierte Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 03.02.2004 (NJW 2004, 1449)
kann eine andere Bewertung nicht rechtfertigen, sie stützt vielmehr die hier dargelegte Argumentation.
Denn gerade die Rutschanleitung und die Verhaltensaufforderungen werden in der (eine Klage gegen die
ein Hallenbad betreibende Beklagte abweisenden) Entscheidung als maßgebliche Verhaltensweisen zur
Erfüllung der Verkehrssicherungspflicht beschrieben. Die dort weiter vorgesehene Ampel mit
Lichtschranken war aufgrund der Besonderheit angebracht, dass der Streckenverlauf nicht einsehbar war,
wovon im hier vorliegenden Fall gerade nicht auszugehen ist. Der Senat sieht unter Berücksichtigung aller
Umstände der Falles daher keine Erfordernis für weitere Sicherungs- und Überwachungsmaßnahmen
seitens der Beklagten.
Die von der Klägerin weiterhin zitierte, ebenfalls klageabweisende Entscheidung des OLG Stuttgart vom
24.09.2003 (NJW-RR 2003, 1531) führt ebenfalls nicht zu einer abweichenden Bewertung, da dort in
gleicher Weise wie hier schriftliche Verhaltensaufforderungen vorlagen und ein Bademeister für das
gesamte Schwimmbad vorhanden war. Auch der dortige Senat hielt diese beiden Maßnahmen für
ausreichend, um die Verkehrssicherungspflicht des Betreibers als erfüllt anzusehen.
Da unstreitig auch ansonsten sowohl Konstruktion als auch statischer Aufbau der Rutsche den
technischen Vorgaben entsprechen, kann der Beklagten auch insoweit keine Verletzung einer
Verkehrssicherungspflicht vorgeworfen werden.
Mit zutreffender Begründung hat das Landgericht auch eine Haftung der Beklagten wegen fehlender
Feststellung der Personalien des Schädigers abgelehnt. Aus der Verletzung einer
Verkehrssicherungspflicht kann diese Forderung nicht begründet werden. Eine generelle Pflicht des
Schwimmbadbetreibers, zur Durchsetzung privatrechtlicher Forderungen Dritte namentlich ausfindig zu
machen, ist nicht erkennbar. Zu Recht hat das Landgericht daher von der Durchführung einer
Beweisaufnahme zu diesem Punkt abgesehen.
Das Gericht weist zudem - unabhängig von der bereits nach obiger Begründung fehlenden
Erfolgsaussicht der Berufung - auf folgenden weiteren Gesichtspunkt hin:
Wenn von Klägerseite in der Berufungsbegründungsschrift vom 16.07.2009 (Bl. 121 d.A.) beschrieben
wird, dass "eine Mutter, die mit ihrem Kleinkind aufrecht sitzend, wesentlich langsamer rutscht als eine
erwachsene Person, die alleine und mit dem Kopf voran durch die Wasserrutsche saust", so folgt daraus,
dass auch die Klägerin sich auf der Wasserrutsche falsch verhalten hat. Denn ein aufrechtes Rutschen ist
gerade nicht erlaubt, da es zu einem erheblich verlangsamtem Rutschvorgang führt, der wiederum auch
bei Einhaltung eines Sicherheitsabstandes zu einer Kollision führen kann. Zudem ist ein Rutschen mit
einem Kind unter 6 Jahren aus den gleichen Gründen dort grundsätzlich verboten.
Hiernach erscheint die Berufung nach der zurzeit gegebenen Sach- und Rechtslage aussichtslos.
Hiernach erscheint die Berufung nach der zurzeit gegebenen Sach- und Rechtslage aussichtslos.
Die Klägerseite mag prüfen, ob der vorliegende Rechtsstreit (Berufung) nicht kostengünstiger beendet
werden sollte (Berufungsrücknahme).
Mille
Marx
Scherf
Vorsitzender Richter
am Oberlandesgericht
Richter
am Oberlandesgericht
Richter
am Oberlandesgericht
B e s c h l u s s
In dem Rechtsstreit
pp.
wegen Schmerzensgeld
hat der 8. Zivilsenat des OberlandesgerichtsKoblenz durch den Vorsitzenden Richter am
OberlandesgerichtMille, die Richterin am OberlandesgerichtBecht und den Richter am
OberlandesgerichtScherf am 07.05.2010 beschlossen:
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Bad Kreuznach vom
29.05.2009 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
Der Wert des Streitgegenstandes für das Berufungsverfahren wird auf
6.000,-- € festgesetzt.
Gründe:
Die Berufung ist aus den Gründen nach § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO zurückzuweisen. An den im Hinweis
gemäß § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO vom 14.04.2010 angeführten Erwägungen wird festgehalten. Die hierzu
abgegebene Stellungnahme gibt zu einer abweichenden Beurteilung keine Veranlassung.
Mille
Becht
Scherf
Vorsitzender Richter
am Oberlandesgericht
Richterin
am Oberlandesgericht
Richter
am Oberlandesgericht