Urteil des OLG Koblenz vom 15.10.2008

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OLG
Koblenz
15.10.2008
7 WF 803/08
Wird in einer Ehesache eine außerprozessual vorbereitete Vereinbarung über ein nicht anhängige
Folgesache protokolliert, ist dem im Wege der Prozesskostenhilfe dür die Ehesache beigeordneten
Rechtsanwalt nach § 48 Abs. 3 RVG neben der Einigungsgebühr gem. Nr. 1000 VV-RVG auch die
Verfahrensdifferenzgebühr gem. Nr. 3101 UnterNr. 3 VV-RVG aus der Staatskasse zu erstatten.
Geschäftsnummer:
7 WF 803/08
6 F 217/07.PKH II
AG Diez
OBERLANDESGERICHT
KOBLENZ
BESCHLUSS
in der Familiensache
P… H…,
Antragstellerin,
- Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte
g e g e n
C… K… H…,
Antragsgegner,
- Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwältinnen
Beschwerdegegnerinnen,
weiter am Verfahren beteiligt:
Bezirksrevisor bei dem Landgericht Koblenz,
zu Az. 560 E 156/08,
Beschwerdeführer,
w e g e n Ehescheidung
h i e r :Vergütung der im Wege der Prozesskostenhilfe beigeordneten Anwälte.
Der 7. Zivilsenat -4. Senat für Familiensachen- des Oberlandesgerichts Koblenz hat durch die Vorsitzende
Richterin am Oberlandesgericht Wolff, den Richter am Oberlandesgericht Eck und die Richterin am
Oberlandesgericht Dühr-Ohlmann
am 15.10.2008
b e s c h l o s s e n :
Die Beschwerde der Staatskasse gegen den Beschluss des Amtsgerichts – Familiengericht – Diez
vom 03.09.2008 wird zurückgewiesen.
Gründe
I.
Im Scheidungstermin haben die Parteien eine zuvor außergerichtlich vorbereitete
Scheidungsfolgenvereinbarung über Kindes- und Ehegattenunterhalt protokollieren lassen, ohne dass
diese Gegenstände als Folgesachen anhängig waren. Für diese Tätigkeit hat die im Wege der
Prozesskostenhilfe für das Scheidungsverfahren beigeordnete Prozessbevollmächtigte des
Antragsgegners eine 1,5 Einigungsgebühr gemäß Nr. 1000 VV-RVG und eine Verfahrensdifferenzgebühr
nach Nr. 3101 Unternr. 2 VV-RVG geltend gemacht. Nachdem der Rechtspfleger insoweit lediglich die
Einigungsgebühr festgesetzt hatte, hat auf die Erinnerung der Prozessbevollmächtigten des
Antragsgegners hin der Abteilungsrichter des Familiengerichts mit Beschluss vom 03.9.2008 auch die
Verfahrensdifferenzgebühr in Höhe von 188,50 € nebst Umsatzsteuer gegen die Staatskasse festgesetzt.
Dagegen richtet sich die Beschwerde der Staatskasse mit der Begründung, gemäß § 48 Abs. 3 RVG
erstrecke sich die Beiordnung nur auf den Abschluss eines Vergleichs.
II.
Die Beschwerde der Staatskasse ist gemäß §§ 56 Abs. 2, 33 Abs. 3 bis 8 RVG zulässig, insbesondere ist
unter Berücksichtigung der Umsatzsteuer der gemäß § 33 Abs. 3 S. 1 RVG erforderliche Beschwerdewert
überschritten und die Beschwerde innerhalb der Frist des § 33 Abs. 3 S. 3 RVG eingelegt. In der Sache
hat die Beschwerde jedoch keinen Erfolg. Die Prozessbevollmächtigte des Antragsgegners hat für die
Mitwirkung beim Abschluss der Scheidungsfolgenvereinbarung Anspruch auf Zahlung der
Verfahrensdifferenzgebühr gemäß Nr. 3101 Unternr. 2 VV-RVG in Höhe von 188,50 €.
Maßgebend für die aus der Landeskasse nach §§ 45 ff RVG zu zahlende Vergütung ist allein, in welchem
Umfang die Beiordnung erfolgt ist. Hier wurde die Prozessbevollmächtigte dem Antragsgegner für das
Scheidungsverfahren beigeordnet. Gemäß § 48 Abs. 3 RVG erstreckt sich diese Beiordnung kraft
Gesetzes auf den Abschluss eines Vertrags im Sinne der Nummer 1000 des Vergütungsverzeichnisses,
der u.a. den gegenseitigen Unterhalt der Ehegatten und den Unterhalt gegenüber den Kindern im
Verhältnis der Ehegatten zueinander betrifft, wie er hier protokolliert wurde. Diese Regelung soll einen
Anreiz für eine Scheidungsfolgenvereinbarung im Vorfeld eines gerichtlichen Verfahrens schaffen,
weshalb die entsprechende Folgesache auch nicht anhängig gemacht werden muss und es insoweit
keines Antrages auf Gewährung von Prozesskostenhilfe bedarf (Schneider/Schnapp, RVG, 3. Aufl., § 48,
Rdn. 43).
Welche Vergütung dem für den Abschluss eines solchen Vergleichs über einen nicht anhängigen
Verfahrensgegenstand beigeordneten Anwalt aus der Staatskasse zu gewähren ist, wird in
Rechtsprechung und Literatur unterschiedlich beantwortet. Während das vom Beschwerdeführer zitierte
OLG Bamberg (OLGR 2008, 662) nur die Einigungsgebühr als erstattungsfähig ansieht, gewähren das
OLG Köln (FamRZ 2008, 707), das OLG Saarbrücken (Beschluss vom 04.04.2008 ‑ 6 WF 19/08 ‑, zitiert
nach juris) und der 14. Zivilsenat ‑ Kostensenat ‑ des OLG Koblenz (FamRZ 2006, 1691) auch eine
Terminsgebühr, letzterer ausdrücklich neben der Verfahrensgebühr nach Nr. 3101 Unternr. 2 VV-RVG; in
der Literatur sprechen sich Zöller/Philippi (ZPO, 26. Aufl., § 118, Rdn. 25 b) und Gerold/Schmidt/Müller-
Rabe (RVG, 18. Aufl., § 48, Rdn. 115 iV.m. Rdn. 116) ebenfalls für die Gewährung der Verfahrensgebühr
aus. Der erkennende Senat schließt sich der letztgenannten Auffassung an.
Das OLG Bamberg (a.a.O.) stützt sich im Wesentlichen auf die Entscheidung des BGH vom 08.06.2004
(FamRZ 2004, 1708), wonach bei Bewilligung von Prozesskostenhilfe für den Abschluss eines Vergleichs
im Prozesskostenhilfeprüfungsverfahren weder eine Verfahrensgebühr, noch eine Erörterungsgebühr
(heute: Terminsgebühr) zu erstatten ist (so auch der erkennende Senat, FamRZ 2006, 1693). Diese
Entscheidung ist aber hier nicht einschlägig. Sie beruht auf der Besonderheit, dass die ZPO eine
Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Prozesskostenhilfeprüfungsverfahren nicht vorsieht. Hier geht
es indes darum, dass in einem rechtshängigen Ehescheidungsverfahren von diesem nicht umfasste
Gegenstände verglichen werden, für die gerade kein Prozesskostenhilfeprüfungsverfahren anhängig ist.
Mit der automatischen Erstreckung der Prozesskostenhilfe auf Vereinbarungen über Folgesachen in § 48
Abs. 3 RVG soll vermieden werden, dass diese, um dem Prozessbevollmächtigten auch insoweit einen
Vergütungsanspruch gegen die Staatskasse zu sichern, gesondert anhängig gemacht werden müssen,
was mit einer weiteren Arbeitsbelastung der Gerichte verbunden wäre. Dieses Ziel ist nur durch eine weite
Auslegung der Regelung zu erreichen. Durch den Abschluss der Scheidungsfolgenvereinbarung ist nicht
nur die Einigungsgebühr sondern auch die Verfahrensdifferenzgebühr angefallen, die den Kosten des
Vergleichs zuzurechnen ist (Schneider/Onderka, a.a.O., VV 3101, Rdn. 123 m.w.N.) und, wenn sie nicht
von der Staatskasse übernommen würde, von der kostenarmen Partei zu tragen wäre. Abgesehen davon,
dass dies mit Sinn und Zweck des Rechts der Prozesskostenhilfe nicht zu vereinbaren wäre, dürfte die
Gebühr auch in den meisten Fällen für den beigeordneten Anwalt nicht zu realisieren sein. Daher würde
dieser, wenn über § 48 Abs. 3 RVG nur die Einigungsgebühr aus der Staatskasse zu erstatten wäre, um
nicht unentgeltlich tätig sein zu müssen, bestrebt sein, Folgesachen anhängig zu machen und auch hierfür
Prozesskostenhilfe bewilligen zu lassen, bevor er bereit ist, eine Vereinbarung hierüber zu treffen – was
die Prozessbevollmächtigte des Antragsgegners folgerichtig für die Zukunft bereits angekündigt hat. Dies
wäre mit einer erheblichen Mehrarbeit der Gerichte verbunden, die zunächst die Erfolgsaussicht der
jeweiligen Folgesachen überprüfen müssten. Dadurch liefe die Regelung des § 48 Abs. 3 RVG in’s Leere.
Diese Entscheidung ergeht gerichtskostenfrei, außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet (§ 56 Abs. 2
S. 2 und 3 RVG)
Wolff Eck Dühr-Ohlmann