Urteil des OLG Koblenz vom 23.03.2006

OLG Koblenz: ohne aussicht auf erfolg, internationale zuständigkeit, allgemeine geschäftsbedingungen, reisekosten, ferienwohnung, mitgliedstaat, vermietung, portugal, gerichtsstandsvereinbarung

OLG
Koblenz
23.03.2006
10 U 1550/05
Internationale Zuständigkeit bei Mietverträgen über Ferienwohnungen für Ansprüche wegen entgangener Urlaubsfreude
und nutzlos aufgewendete Reisekosten.
- anschließend Berufungsrücknahme -
Geschäftsnummer:
10 U 1550/05
80 C 54/05 AG Mainz
in dem Rechtsstreit
Beklagter und Berufungskläger,
-Prozessbevollmächtigte:
g e g e n
Kläger und Berufungsbeklagter,
-Prozessbevollmächtigte:
Der 10. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Koblenz hat durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Weiss, die
Richterin am Oberlandesgericht Zeitler-Hetger und die Richterin am Landgericht Dr. Beckmann
am 23. März 2006
e i n s t i m m i g beschlossen:
Der Senat erwägt, die Berufung gemäß § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO zurückzuweisen.
Die Gründe werden nachfolgend dargestellt. Dem Beklagten wird eine Frist zur Stellungnahme gesetzt bis zum 28. April
2006.
Die Voraussetzungen nach § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO sind nach Auffassung des Senats gegeben. Die Rechtssache hat
keine grundsätzliche Bedeutung. Auch erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen
Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht.
Die Berufung hat auch keine Aussicht auf Erfolg.
Das amtsgerichtliche Urteil entspricht der Rechtslage.
Zu Recht hat das Amtsgericht Mainz seine Zuständigkeit im vorliegenden Rechtsstreit gemäß Art. 16 Abs. 1, 2. HS
EuGVVO bejaht und die in den Allgemeinen Geschäftbedingungen des Beklagten enthaltene
Gerichtsstandsvereinbarung gemäß Art. 17 i.V.m. Art. 15 Abs. 1 lit. c EuGVVO für unwirksam gehalten:
Die Vorschriften der EuGVVO sind, wie das Amtsgericht mit zutreffender Begründung ausführt, im vorliegenden Fall
anwendbar (Art. 68 EuGVVO), da der Anwendungsbereich der Verordnung für Deutschland und Portugal nicht gemäß
Art. 299 EGV ausgeschlossen wurde.
Eine ausschließliche und damit vorrangige Zuständigkeit nach Art. 22 Ziff. 1 Satz 1 EuGVVO ist vorliegend nicht gegeben:
Zwar hat der zwischen den Parteien geschlossene Vertrag die vorübergehende entgeltliche Überlassung einer
Ferienwohnung zum alleinigen Vertragsgegenstand (wobei allerdings die engen Voraussetzungen des Art. 22 Ziff. 1 Satz
2 EuGVVO schon dem Wortlaut nach nicht vorliegen), jedoch zieht dies nicht reflexartig eine Bejahung des Tatbestandes
des Art. 22 Ziff. 1 Satz 1 EuGVVO nach sich:
Mit der herrschenden Rechtsprechung ist hier bereits bei der tatbestandlichen Zuordnung zu den einschlägigen
Zuständigkeitsvorschriften eine rein formale Betrachtungsweise abzulehnen und vielmehr nach dem materiellen Gehalt
des Klageanspruchs zu fragen:
Die ausschließliche Zuständigkeit der Belegenheit der Sache gilt dann, wenn der Rechtsstreit sich auf unmittelbar im
Mietvertrag begründete Verpflichtungen, wie das Bestehen des Vertrages, dessen Auslegung, die Dauer, die
Einräumung des Besitzes etc. bezieht (Thomas/Putzo-Hüßtege, ZPO, 27. Aufl., Art. 22 EuGVVO, Rz. 6). Von der
Zuständigkeit nicht erfasst werden dagegen Ansprüche, die sich nur mittelbar auf die Nutzung der Mietsache beziehen,
wie entgangene Urlaubsfreude und nutzlos aufgewendete Reisekosten (EuGH NJW 1985,905).
Dies trägt der auch vom Senat vertretenen Wertung Rechnung, dass bei Verträgen, die – wie vorliegend - ihrem
Charakter nach der gewerblichen Vermittlung bzw. dem gewerblichen Angebot von Reiseleistungen zuzurechnen sind,
die Bedürfnisse des Verbraucherschutzes im Vordergrund stehen und bei einer hieran orientierten materiellen
Auslegung schon tatbestandlich kein Fall des Art. 22 Abs. 1 EuGVVO vorliegt. Hierbei spielt es keine Rolle, ob die
Vermietung der Ferienwohnung oder des Ferienhauses die alleinige Reiseleistung eines insgesamt gewerblich
auftretenden Reiseveranstalters bzw. -vermittlers darstellt oder den Teil einer Gesamtleistung (BGH NJW 1992,3158).
Der Veranstalter von Aufenthalten in Ferienunterkünften ist ebenso wie der Veranstalter von Pauschalreisen, der eine
Gesamtheit von Reiseleistungen erbringt, zwischen Kunden und Leistungsträger zwischengeschaltet. Für den Kunden
macht es keinen Unterschied, ob er bei einem Veranstalter lediglich eine Ferienunterkunft als einzelne Reiseleistung
oder eine Gesamtheit von Reiseleistungen bucht. Seine Vertrauenssituation und seine Haftungsinteressen sind
typischerweise nicht unterschiedlich.
Wenn daher, wie im vorliegenden Fall, Ansprüche auf entgangene Urlaubsfreude und nutzlos aufgewendete
Reisekosten den Gegenstand einer Klage gegen einen gewerblich auftretenden Reiseveranstalter (im obigen Sinne) mit
Sitz in einem anderen Mitgliedstaat bilden, so liegt bei der hier maßgeblichen materiellen Betrachtungsweise kein Fall
des Art. 22 EuGVVO vor.
Vielmehr ist ein Fall des Art. 15 Abs. 1, lit. c EuGVVO gegeben:
Nach dem Wortlaut der nunmehr geltenden Bestimmung des Art. 15 Abs. 1, lit. c EuGVVO, der den früheren Art. 13
EuGVÜ ablöst und mit diesem sowohl im Hinblick auf seinen Wortlaut, als auch im Hinblick auf seinen Regelungsgehalt
nicht völlig identisch ist, kann ein Verbraucher seinen in einem anderen Mitgliedsstaat wohnhaften Vertragspartner an
seinem eigenen (d.h. des Verbrauchers) Wohnort verklagen (Art. 16 EuGVVO), wenn der Vertragspartner eine berufliche
oder gewerbliche Tätigkeit „auf irgend einem Wege auf diesen (Anm.: des Verbrauchers) Mitgliedstaat…ausrichtet und
der Vertrag in den Bereich dieser Tätigkeit fällt“ (Art. 15 Abs. 1, lit. c EuGVVO). Von dieser verordnungsmäßigen
Zuständigkeitsregelung kann nur unter den engen Voraussetzungen des Art. 17 EuGVVO abgewichen werden.
Im vorliegenden Fall hat der Beklagte unstreitig über seine deutsche Homepage … im Internet die „Vermietung von
privaten Ferienhäusern und Ferienwohnungen“ in Portugal angeboten. Er wendet sich dabei in deutscher Sprache an
Kunden in Deutschland und betreibt die Vermittlung der Feriendomizile in einem Umfang, der als gewerbsmäßig
anzusehen ist. Er vermittelt auf eigene Rechnung und im eigenen Namen eine Vielzahl von Ferienunterkünften, bietet
darüber hinaus die Vermittlung weiterer Reiseleistungen an und verwendet dabei „Allgemeine Geschäftsbedingungen“
in denen zum Ausdruck kommt, dass er der Ansprechpartner für alle Fragen ist.
Der mit dem Kläger abgeschlossene Vertrag über die Anmietung [des Hauses] für die Zeit vom 24.7.-14.8.2004 fällt in
den Bereich dieser gewerblichen Tätigkeit.
Damit liegen die Voraussetzungen des Art. 15 Abs. 1, lit. c EuGVVO vor. Die in den AGB des Beklagten unter Ziff. 14.5.
enthaltene Gerichtsstandsvereinbarung ist nach Art. 17 EuGVVO unwirksam, so dass die Zuständigkeitsregel des Art. 16
Abs. 1 EuGVVO wie oben dargelegt greift.
Auf eine konkret typisierende Abgrenzung zwischen „Dienstleistung“ und „Mietverhältnis“ kommt es nicht mehr an.
Das Amtsgericht ist daher zu Recht von seiner Zuständigkeit ausgegangen, so dass die Berufung gegen das
Zwischenurteil vom 11. Oktober 2005 ohne Aussicht auf Erfolg ist.
Der Senat beabsichtigt den Streitwert für das Berufungsverfahren auf 1.400, 00 € (Zwischenfeststellung über die
Zuständigkeit, 20 % Abschlag auf die Klageforderung) festzusetzen.
Weiss Zeitler-Hetger Dr. Beckmann