Urteil des OLG Koblenz vom 30.03.2006

OLG Koblenz: zustandekommen des vertrages, letter of intent, firma, aufsichtsrat, verjährungsfrist, korrespondenz, absichtserklärung, quelle, vertrauensschaden, meinungsaustausch

Gesellschaftsrecht
Zivilrecht
OLG
Koblenz
30.03.2006
6 U 1474/05
Ein die Hemmung des Laufs der Verjährung auslösendes Verhandeln des Schuldners im Sinne des § 203 BGB setzt
voraus, dass der Gläubiger ihm gegenüber den Anspruch geltend gemacht hat.
Hat der Schuldner geltend gemachte Ansprüche des Gläubigers unmissverständlich zurückgewiesen und kommt es in
der Folgezeit zu einem Schriftwechsel der Parteien, so hängt es von den Umständen des Einzelfalls ab, ob sich der
Schuldner damit aus Sicht des Gläubigers dennoch auf Verhandlungen eingelassen oder ob er lediglich seine den
Anspruch unverändert ablehnende Haltung weiter begründet und verteidigt hat.
Geschäftsnummer:
6 U 1474/05
4 HK.O 184/04 LG Koblenz
Verkündet
am 30. März 2006
Wetzlar, Justizsekretärin
als Urkundsbeamtin der
Geschäftsstelle
In dem Rechtsstreit
W….. & D…….. AG,
Klägerin und Berufungsklägerin,
- Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte
g e g e n
1. Dr. P… J…,
Beklagter und Berufungsbeklagter,
- Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte
2. D….. B….,
Beklagter und Berufungsbeklagter,
- Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte
A.. E….. S.A.,
Nebenintervenientin,
- Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte
Der 6. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Koblenz
hat durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Sartor, den Richter am
Oberlandesgericht Ritter und den Richter am Landgericht Volckmann
auf die mündliche Verhandlung vom 16. Februar 2006
für R e c h t erkannt:
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der 4. Kammer für Handelssachen des Landgerichts
Koblenz vom 13. September 2005 wird zurückgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten der Berufung einschließlich der Kosten der Nebenintervention zu
tragen.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin kann die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des aufgrund des Urteils
vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe
von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.
IV. Die Revision wird zugelassen.
G r ü n d e :
I.
Der Beklagte zu 1) war von April 1998 bis Februar 2002 Vorstandsvorsitzender, der Beklagte zu 2) von April 1998 bis
Februar 2003 Vorstandsmitglied der Klägerin, einem Hersteller von Briefumschlagmaschinen. Die Klägerin beschloss
einen neuen 4-Farben-Druckstock für solche Maschinen zu entwickeln. Dies sollte durch die Firma W……… & H……. (im
Folgenden: W & H) geschehen. Am 28. Oktober 1999 unterzeichneten die Beklagten zu diesem Zweck einen als
„Rahmenvereinbarung“ betitelten Vertrag, der in § 5 unter Ziffer 2. folgendes beinhaltet:
„W + D garantiert nach Fertigstellung des Prototypen eine Abnahme von mindestens 100 Stück der Vertragsprodukte,
bezogen auf einen Zeitraum von 3 Jahren ab Lieferbereitschaft der ersten Serienmaschine (nach dem Terminplan
gemäß Anlage 2 im Oktober 2000). Bei Nichteinhaltung der garantierten Abnahmemenge ist eine Entschädigung von DM
50.000 für jedes nicht abgenommene Vertragsprodukt an W & H zu zahlen (…)“.
Diese Rahmenvereinbarung war der Klägerin bereits am 21. September 1999 von W & H per Fax übermittelt worden.
Wenige Tage später, noch im September 1999, unterzeichneten die Beklagten dieses Faxschreiben und sandten es an
W & H zurück. W & H begann anschließend mit den Arbeiten am Projekt.
Von der Maschine konnten nur 14 Stück verkauft werden. Im Hinblick darauf verlangte W & H von der Klägerin die
Zahlung einer Vertragsstrafe, die nach Verhandlungen letztlich auf 1,7 Millionen € festgelegt wurde.
Die Klägerin hat mit ihrer am 19. Oktober 2004 eingegangenen und am 27. Oktober 2004 zugestellten Klage von den
Beklagten Ersatz dieser Zahlung mit der Begründung verlangt, der Abschluss des Vertrages sei pflichtwidrig gewesen.
Bei richtiger Absatzprognose wäre der Vertrag mit W & H so nicht geschlossen worden, denn die vereinbarte
Mindestabnahme von 100 Stück in 3 Jahren sei völlig überzogen gewesen. Die erforderliche Zustimmung des
Aufsichtsrats sei nicht eingeholt worden. Die Forderung sei nicht verjährt, der Vertrag sei wirksam erst am 28. Oktober
1999 geschlossen worden. Die Unterzeichnung der Faxversion im September 1999 habe lediglich dazu gedient, W & H
gegen einen eventuellen Vertragsschaden abzusichern, den die Vertragsparteien für dieses Stadium auf 200.000 DM
pauschaliert hätten. Darüber hinaus sei der Lauf der Verjährungsfrist gehemmt gewesen, da die Klägerin vom 13. März
2003 bis 12. Dezember 2003 mit dem Beklagten zu 1), vom 28. November 2003 bis 15. August 2004 mit dem Beklagten
zu 2) und von Juni 2003 bis 13. Oktober 2004 mit der Nebenintervenientin über die Eintrittspflicht der Beklagten für den
Schaden verhandelt habe.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagten als Gesamtschuldner zur Zahlung von 1,7 Millionen € zu verurteilen zuzüglich Verzugszinsen von 5
Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. November 2004
für 600.000 € ab 14. April 2004
für 600.000 € ab 1. Januar 2005
für 500.000 € ab 1. Januar 2006.
Die Beklagten haben beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Nebenintervenientin hat sich diesem Abweisungsantrag angeschlossen.
Die Beklagten haben vorgetragen, eine Pflichtverletzung habe nicht vorgelegen, der Aufsichtsrat sei unterrichtet
gewesen. Sie haben die Einrede der Verjährung erhoben.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, dass eine Schadensersatzforderung der
Klägerin verjährt und der Lauf der Verjährungsfrist auch nicht durch Verhandlungen der Parteien über den Anspruch
gehemmt worden sei.
Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Vortrages und der Erwägungen des Landgerichts wird gemäß §
540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO auf das angefochtene Urteil Bezug genommen.
Mit der Berufung wendet sich die Klägerin gegen die vom Landgericht angenommene Verjährung. Sie wiederholt und
vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen und beantragt,
das angefochtene Urteil abzuändern und nach dem erstinstanzlichen Schlussantrag zu erkennen.
Die Beklagten beantragen,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Streithelferin schließt sich diesem Antrag an.
Die Beklagten verteidigen das erstinstanzliche Urteil unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen
Vorbringens.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vortrags der Parteien wird ergänzend auf den Inhalt ihrer Schriftsätze nebst
Anlagen verwiesen.
II.
Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg.
Zu Recht hat das Landgericht durchsetzbare Schadensersatzansprüche der Klägerin gegen die Beklagten nach § 93
Abs. 2 AktG verneint, weil bereits vor Klageeinreichung Verjährung eingetreten war.
1.
Nach § 93 Abs. 6 AktG beträgt die Verjährungsfrist fünf Jahre ab Entstehung des Anspruchs, d.h. ab dem Eintritt des
Schadens dem Grunde nach. Der Schaden braucht in dieser Phase noch nicht bezifferbar zu sein; es genügt, dass der
geltend gemachte Anspruch im Wege der Feststellungsklage geltend gemacht werden könnte (BGHZ 100, 228 (231 f.);
GmbHR 2005, 544; Hopt in : Großkommentar zum Aktiengesetz, 4. Aufl., § 93 Rdnr. 433). Das war hier der Zeitpunkt als
feststand, dass die in § 5 Ziffer 2 des Vertrages zwischen der Klägerin und der Firma W & H vereinbarte Garantiemenge
von 100 Stück nicht zu erreichen war. Nach dem eigenen Vortrag der Klägerin war dies bereits bei Vertragsschluss der
Fall. Denn sie wirft den Beklagten vor, dass eine derartige Abnahmeverpflichtung für 100 Druckstöcke in drei Jahren bei
sorgfältiger Marktanalyse und Erstellung von Absatzprognosen unter Berücksichtigung der als erforderlich geschätzten
Preise nicht hätte übernommen werden dürfen. Bei Abschluss des Vertrages stand damit nach dem Klägervortrag, den
sich die Beklagten für die Frage der Verjährung hilfsweise zu eigen gemacht haben, bereits fest, dass die
Mindestabnahmemenge von 100 Druckstöcken in drei Jahren nicht erreicht werden würde. Damit griff zugleich die
Vertragsstrafenregelung in § 5 Ziffer 2 Satz 2, wonach bei Nichteinhaltung der garantierten Abnahmemenge für jeden
nicht abgenommenen Druckstock eine Entschädigung von 50.000 DM an W & H zu zahlen war.
Dies gilt unabhängig davon, ob dem Aufsichtsrat als zur Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen zuständigem
Organ die anspruchsbegründenden Tatsachen bekannt waren oder auch nur hätten bekannt sein müssen (BGH, NJW
1987, 1887 (1888), GmbHR 2005, 544 (545); Hopt, aaO, Rdnr. 435). § 93 Abs. 6 AktG verlangt nicht das Vorliegen
subjektiver Elemente (Hüffer, AktG, 5. Aufl., § 93 Rdnr. 37).
Abzustellen ist demnach auf den Zeitpunkt, in dem die nachteilige vertragliche Vereinbarung zwischen der Klägerin und
W & H rechtlich bindend wurde. Das war hier wenige Tage nach dem 21. September 1999, auf jeden Fall vor dem 1.
Oktober 1999.
Wie zwischen den Parteien unstreitig ist, wurde am 21. September 1999 die Rahmenvereinbarung von W & H an die
Klägerin gefaxt und von den Beklagten zu 1) und 2) unterschrieben per Fax jedenfalls noch im Laufe des September am
W & H zurückgesandt.
Keinesfalls handelte es sich bei der Rahmenvereinbarung lediglich um eine Absichtserklärung, einen bloßen „Letter of
intent“. Unstreitig änderte sich der Vertragstext vom 21. September 1999 bis zur Unterzeichnung des Vertrages am 28.
Oktober 1999 im Original nicht. Nach dem eindeutigen Wortlaut des Vertragstextes bestand aber bereits eine
verbindliche Regelung über die Menge der abzunehmenden Druckstöcke, den zeitlichen Rahmen und die
Entschädigungsleistung bei Verfehlung des Vertragsziels.
Den Beweis für einen von diesem eindeutigen Wortlaut des Vertrages abweichenden übereinstimmenden Willen der
Vertragsparteien hat die für die dem zu Grunde liegenden auslegungsrelevanten Umstände darlegungs- und
beweispflichtige Klägerin (vgl. BGH NJW 2001, 144 (145)) nicht geführt.
Nur von einer Absichtserklärung war allenfalls auszugehen, als am 10. August 1999 von der Firma W & H ein mit der
Überschrift „Absichtserklärung“ versehener Entwurf über die vertraglichen Eckpunkte an die Klägerin übermittelt worden
war. Spätestens nach Übernahme dieser Absichtserklärung und nachdem diese Erklärung auf Grundlage der geführten
Verhandlungen im Einverständnis mit der Firma W & H von der Klägerin durch das Wort „Rahmenvereinbarung“ ersetzt
worden war, lag eine verbindliche Vereinbarung zwischen der Klägerin und der Firma W & H vor.
Selbst wenn die Parteien am 21. September 1999 noch keine endgültige Einigung über alle regelungsbedürftigen
Punkte erzielt haben sollten, steht dies dem Zustandekommen des Vertrages noch im September 1999 nicht entgegen.
Die Auslegungsregel des § 154 Abs. 1 BGB, auf die sich die Klägerin stützt, ist hier nicht anzuwenden. Denn diese
Bestimmung findet keine Anwendung, wenn sich die Parteien trotz offener Punkte erkennbar vertraglich binden wollten.
Das wird vor allen Dingen in den Fällen angenommen, in denen die Parteien im beiderseitigen Einverständnis mit der
tatsächlichen Durchführung des unvollständigen Vertrages begonnen haben (BGH NJW 1983, 1727 (1728); Palandt-
Heinrichs, BGB, 65. Aufl., § 154 Rdnr. 2). Die begonnene oder erfolgte Durchführung des unvollständigen Vertrages wird
im Vertragsrecht im Allgemeinen als Anzeichen dafür gewertet, dass die Parteien sich trotz lückenhafter Vereinbarungen
sofort binden wollen (BGH a. a. O., m. w. N.).
So war es auch hier. Unmittelbar nach Erhalt des von den Beklagten unterschriebenen Faxexemplars der
Rahmenvereinbarung vom 21. September 1999 begann die Firma W & H mit der Entwicklungsarbeit für die Druckstöcke.
Die von der Klägerin in Anlage K 13 und K 14 zum Schriftsatz vom 13. Juli 2005 (Bl. 222-228 d. A.) vorgelegten
Telefaxnachrichten zwischen ihr und der Firma W & H und Mitteilungen über Besuche bei W & H (Anlagen zum
Klägerschriftsatz vom 29. August 2005, Bl. 329-331 d. A.) betreffen den Zeitraum vom 22. September 1999 bis 26.
Oktober 1999 im unmittelbaren Anschluss an die Rahmenvereinbarung. Hierin werden bereits konkrete technische
Details der eigentlichen Auftragsdurchführung erörtert.
Der im September 1999 geschlossene Rahmenvertrag beschränkte sich auch nicht darauf, W & H gegen einen in diesem
Stadium auf 200.000 DM pauschalierten eventuellen Vertrauensschaden abzusichern. Aus dem Text der
Rahmenvereinbarung ergibt sich hierzu nicht das Geringste. Auch in den von den Parteien als Anlagen zu ihren
Schriftsätzen vorgelegten Schreiben und Aktennotizen, die die Rahmenvereinbarung vorbereitend begleitet haben oder
ihr nachfolgten, findet eine derartige Regelung keine Erwähnung.
Aus der von der Klägerin vorgelegten Aktennotiz des Zeugen B…… vom 15. Oktober 2004 (Bl. 211/ 212 d. A.) ergibt sich
zu Gunsten der Klägerin hierzu ebenfalls nichts. Es ist nicht ersichtlich, wann das dort auf Seite zwei wiedergegebene
Gespräch stattgefunden haben soll. Sollte es noch vor dem 21. September 1999 stattgefunden haben, ergäbe sich
daraus nur, dass der Zeuge vor Vertragsschluss vor der Vertragsstrafenregelung gewarnt hat.
Dem erstmals von der Klägerin in der Berufungsbegründung vom 10. Oktober 2005 in diesem Zusammenhang
angebotenen Zeugenbeweis war nicht nachzugehen. Das Vorbringen der Klägerin hierzu bleibt ohne Substanz. Es wird
nicht vorgetragen, zwischen welchen Gesprächspartnern zu welchem Zeitpunkt darüber gesprochen worden sein soll,
dass der Rahmenvertrag entgegen seinem eindeutigen Wortlaut nur einen eventuellen Vertrauensschaden bis zu
200.000 DM abdecken solle und welchen Hintergrund es gehabt haben soll, dass man von einer Fixierung der auf
Vertrauensschaden beschränkten Vereinbarung Abstand nahm und es stattdessen bei dem weiter reichenden
Vertragstext beließ.
Somit begann die Verjährungsfrist für den Schadensersatzanspruch noch im September 1999 zu laufen.
Bei Einreichung der Klage am 19. Oktober 2004 war die fünfjährige Verjährungsfrist nach § 93 Abs. 6 AktG bereits
abgelaufen.
Der Lauf der Verjährungsfrist wurde auch nicht nach § 203 BGB gehemmt. Nach dieser Vorschrift ist die Verjährung
gehemmt, wenn zwischen dem Schuldner und dem Gläubiger Verhandlungen über den Anspruch oder die den Anspruch
begründenden Umstände schweben.
Der Begriff der „Verhandlungen“ ist nach allgemeiner Ansicht allerdings weit zu fassen. Es reicht jeder
Meinungsaustausch über den Schadensfall aus, sofern nicht sofort und eindeutig der geltend gemachte Anspruch
zurückgewiesen wird. Es genügt, wenn der in Anspruch Genommene Erklärungen abgibt, die dem Geschädigten die
Annahme gestatten, der Verpflichtete lasse sich auf die Erörterung über die Berechtigung von
Schadensersatzansprüchen ein (z.B. BGH NJW 2004, 239 (240); 1654; NJW-RR 2001, 1168 (1169);NJW-RR1988, 730;
Mankowski/Höpker, MDR 2004, 721 (722 f., m. w. N.)). Der Gesetzgeber hat den Begriff des Anspruchs weit im Sinne
eines aus einem Sachverhalt hergeleiteten Begehrens auf Befriedigung eines Interesses verstanden (Begr. RegE BT-
Drucks. 14/6040, S. 112).
Selbst an diesen niedrigen Anforderungen gemessen, haben zwischen den Parteien Verhandlungen, die geeignet
wären, zu einer Hemmung der Verjährung zu führen, nicht stattgefunden.
Für die Beklagten zu 1) und 2) ist hierbei zu differenzieren:
a) Beklagter zu 1)
Erstmals mit Schreiben vom 13. März 2003 (Anlage BK 1, Bl. 412 d. A.) wandte sich die Klägerin an den Beklagten zu 1).
Hierin wird auf eine von der Klägerin befürchtete Entschädigungsforderung der Firma W & H im Zusammenhang mit dem
streitgegenständlichen Vertrag Bezug genommen. Weiter heißt es:
„für diesen auf W + D zukommenden Anspruch und Schaden war der Vertragsschluss durch Sie ursächlich. Der
Aufsichtsrat der Gesellschaft ist daher gehalten zu prüfen, ob Sie für den Schaden haften. Selbstverständlich wird meine
Mandantin versuchen, die Ansprüche von W & H soweit wie möglich abzuwehren. Soweit es aus ihrer Sicht Gründe gibt,
die gegen einen Anspruch von W & H sprechen, bitten wir um entsprechende Mitteilung (…)“.
Mit Schreiben seiner Prozessbevollmächtigten vom 17. März 2003 (Bl. 414 d. A.) wies der Beklagte zu 1) postwendend
jegliche Schadensersatzforderung zurück und forderte die Klägerin auf, bis zum 31. März 2003 schriftlich zu erklären,
dass die behaupteten Schadensersatzansprüche nicht aufrechterhalten werden und kündigte für den Fall des fruchtlosen
Fristablaufs die Möglichkeit der Erhebung einer negativen Feststellungsklage an.
Mit Schreiben vom 24. März 2003 (Bl. 416 d. A.) teilte die Klägerin darauf mit, dass der Aufsichtsrat bislang keine
Schadensersatzansprüche gegen den Beklagten zu 1) geltend mache, der Aufsichtsrat solche Ansprüche nach § 92 Abs.
2 AktG derzeit prüfe und deshalb dem Beklagten zu 1) mit Schreiben vom 13. März 2003 Gelegenheit zur Stellungnahme
gegeben worden sei. Abschließend wird dem Beklagten zu 1) nochmals anheim gestellt, zur Frage der Einhaltung der
Sorgfaltspflichten Stellung zu nehmen oder dazu, ob es Gesichtspunkte gebe, die einen Anspruch von W & H entfallen
lassen.
Daraufhin teilte der Beklagte zu 1) am 2. April 2003 (Bl. 418 d. A.) seine grundsätzliche Bereitschaft mit, der Klägerin bei
der Abwehr von Ansprüchen der Firma W & H behilflich zu sein, machte dies jedoch von der Einsichtnahme in von der
Klägerin mit Schreiben vom 24. März 2003 erwähnte Unterlagen von August bis Oktober 1999 abhängig.
Die Klägerin übersandte daraufhin mit Schreiben vom 2. Mai 2003 (Bl. 420 d. A.) die entsprechenden Unterlagen und
schloss das Schreiben mit:
„wir möchten betonen, dass primäres Ziel meiner Mandantin die Abwehr eventueller Ansprüche von W & H ist und jeder
Beitrag von Herrn Dr. J… dazu willkommen ist“.
Mit Schreiben vom 16. Mai 2003 (Bl. 421-424 d. A.) nahm der Beklagte zu 1) sodann Stellung zum Hintergrund der
Vertragsentwicklung im Jahre 1999 aus seiner Sicht und führte aus, dass in seinem Verhalten kein Verstoß gegen die
ihm als Geschäftsleiter obliegende Sorgfaltspflichten zu erkennen sei.
Erst mit Schreiben vom 10. September 2003 (Bl. 425/426 d. A.) meldete sich die Klägerin wieder beim Beklagten zu 1)
und widersprach der Darstellung des Beklagten zu 1) im vorangegangenen Schreiben vom 16. Mai 2003. Auf Seite zwei
heißt es:
„ Bezeichnenderweise gesteht Dr. J… (…) zu, dass ein Fehler gemacht wurde. Wenn dann sehenden Auges der Vertrag
unterschrieben wurde, drängt sich auch dem unbefangenen Leser der Eindruck besonderer Leichtfertigkeit auf, solange
nicht dargetan wird, welche zwingenden Gründe die Vertragsunterzeichnung ohne Änderung der fraglichen Passage
erforderten…“
Die Klägerin setzte dem Beklagten zu 1) Frist zur Stellungnahme bis 30. September 2003 und kündigte an, dass der
Aufsichtsrat der Klägerin danach über das weitere Vorgehen entscheiden werde.
Der Beklagte zu 1) nahm mit Schreiben vom 2. Oktober 2003 zum Schreiben der Klägerin vom 10. September 2003
Stellung (Bl. 427/428 d. A.) und verteidigte seine Stellungnahme vom 16. Mai 2003.
Mit Schreiben vom 28. November 2003 (Bl. 429/430 d. A.) machte die Klägerin dann gegen den Beklagten
Schadensersatzforderungen geltend, wobei sie unter Bezugnahme auf die vorangegangene Korrespondenz der
Parteien die Auffassung vertritt, sie gehe „nach wie vor von einer Pflichtverletzung des Beklagten zu 1) aus“. Zugleich
erfolgte die Aufforderung an den Beklagten zu 1), bis 10. Dezember 2003 zu erklären, ob eine Schadensersatzpflicht
dem Grunde nach anerkannt werde, andernfalls die Einleitung gerichtlicher Schritte angekündigt werde, sobald sie den
Schaden beziffern könne.
Daraufhin erklärte der Beklagte zu 1) mit Schreiben vom 12. Dezember 2003 (Bl. 431 d. A.), dass eine
Schadensersatzpflicht für ihn nicht bestehe und daher auch nicht anerkannt werde.
Bei diesem Verlauf vermag der Senat die Voraussetzungen für die Annahme von Verhandlungen nicht festzustellen.
Zum einen fehlt es an Verhandlungen deshalb, weil die Klägerin den Beklagten zu 1) vor dem Schreiben vom 28.
November 2003 gar nicht auf Schadensersatz in Anspruch genommen hat. Die Geltendmachung von Ansprüchen durch
den Gläubiger ist aber nach der Auffassung des Senats Voraussetzung für Verhandlungen im Sinne des
§ 203 BGB.
Auch wenn wegen des rechtspolitisch wünschenswerten Ziels, Rechtsstreitigkeiten zu vermeiden, der eingangs
dargelegte weite Verhandlungsbegriff gilt, so kann doch nach dem Verständnis des Senats nur derjenige Schuldner sich
auf Verhandlungen eingelassen haben, gegenüber dem der Gläubiger einen Anspruch behauptet hat. Der Senat sieht
sich insoweit in Übereinstimmung mit der Literatur, wonach Verhandlungen einen Meinungsaustausch voraussetzen, auf
Grund dessen der Gläubiger davon ausgehen darf, dass sein Begehren von der Gegenseite noch nicht endgültig
abgelehnt wird (Peters in: Staudinger, BGB Stand Oktober 2003, § 203, Rdnr. 7, m. w. N.) und wonach Gegenstand der
Verhandlungen das Gläubigerinteresse ist, über dessen Befriedigung durch den Schuldner verhandelt wird (Mansel/
Budzikiewicz in: Anwaltskommentar zum BGB, § 203 Rdnr. 13). Auf dieser Linie liegt es auch, dass nach in der Literatur
vertretener Ansicht (Staudinger, a. a. O., Rdnr. 15), welcher der Senat folgt, der Gesetzeswortlaut (…“über den Anspruch
oder die den Anspruch begründenden Umstände…“) missverständlich und aus logischen Gründen dahin auszulegen ist,
dass Verhandlungen über den Anspruch und die den Anspruch begründenden Umstände geführt worden sein müssen.
Denn ein Gedankenaustausch über den betreffenden Lebenssachverhalt als rein historisches Ereignis genügt nicht,
sondern er muss gemeinsam als Quelle möglicher Ansprüche gesehen werden, ebenso wie umgekehrt der Anspruch
des Gläubigers nicht sinnvoll zu erfassen ist ohne seine Quelle (Staudinger, a. a. O., Rdnr. 15). Letztlich steht dieses
Verständnis damit in Einklang, dass es nach der Intention des Gesetzgebers der Billigkeit entspricht, dass der Schuldner,
der sich auf Verhandlungen mit dem Gläubiger einlässt und diesen damit zunächst von der Klageerhebung abhält, nicht
später die Erfüllung des Anspruchs unter Hinweis auf die während der Verhandlungen verstrichene Zeit soll ablehnen
dürfen (Begr. RegE BT-Drucks. 14/6040, S. 111). Denn einen Gläubiger, der ihm gegenüber einen Anspruch nicht
geltend gemacht hat, kann der Schuldner nicht von einer Klageerhebung abgehalten haben.
Vorliegend stellte die Klägerin mit ihrem Schreiben vom 24. März 2003 auf die Zurückweisung jeglicher
Schadensersatzforderungen durch den Beklagten zu 1) in seinem Schreiben vom 17. März 2003 nochmals klar, dass
bislang keine Ansprüche gegen ihn geltend gemacht würden. Der Beklagte zu 1) konnte danach in der Folge davon
ausgehen, dass gegen ihn aktuell keine Schadensersatzforderungen verfolgt würden. Vor diesem Hintergrund erfolgte
sodann die weitere Korrespondenz der Parteien bis zum Schreiben der Klägerin vom 28. November 2003, in welchem
erstmals Schadensersatzforderungen gegen den Beklagten zu 1) erhoben wurden. In der dazwischen liegenden
Korrespondenz lag demnach kein Meinungsaustausch der Parteien über den Schadensersatzfall, der ein die Hemmung
des Laufs der Verjährung auslösendes Verhandeln darstellen könnte. Denn anders als in den Fällen, die den
Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in BGHZ 93, 64 (67); NJW-RR 1988, 730; 1991, 796; 2001, 1168; NJW 1997,
3447; 1998, 2819; 2004, 1454, zu Grunde lagen – hier war den Beteiligten klar, dass konkret Ansprüche gestellt wurden
– hatte vorliegend die Klägerin gleich zu Beginn der Korrespondenz verdeutlicht, dass sie sich keiner Ansprüche gegen
den Beklagten zu 1) berühme.
Von dem Grundsatz, dass ein Verhandeln eine Anspruchsstellung durch den Gläubiger voraussetzt, macht die
Rechtsprechung zwar dann eine Ausnahme, wenn der Schuldner von sich aus an den Gläubiger herantritt und nachfragt,
ob oder welche Ansprüche geltend gemacht werden, ohne zugleich eine Einstandspflicht von vornherein abzulehnen
(BGH NJW 2001, 1723; Anwaltskommentar a. a. O., Rdnr. 22). So war es hier aber gerade nicht. Der Beklagte zu 1) ist
nicht von sich aus an die Klägerin herangetreten, um nähere Informationen dazu zu erhalten, ob bzw. welche Ansprüche
gegen ihn geltend gemacht würden. Die Korrespondenz ist vielmehr durch das Schreiben der Klägerin vom 13. März
2003 eröffnet worden und die Anfrage des Beklagten zu 1) vom 2. April 2003 ist erst nach dem klarstellenden Schreiben
der Klägerin vom 24. März 2003 erfolgt, dass es um die Abwehr möglicher Ansprüche gegen W & H gehe.
Zum anderen geht der Senat auch deshalb nicht von Verhandlungen im Sinne von § 203 BGB aus, weil ein
Schadensersatzanspruch vom Beklagten zu 1) von Anfang an zurückgewiesen wurde. Dies tat er bereits mit seinem
Schreiben vom 17. März 2003, also zu einem Zeitpunkt, als noch gar keine Ansprüche gegen ihn von der Klägerin
geltend gemacht worden waren. Diese ablehnende Haltung hat der Beklagte zu 1) in dem nachfolgenden Schriftverkehr
zu keinem Zeitpunkt auch nur ansatzweise relativiert. Unabhängig von dem Umstand, dass ein Schadensersatzanspruch
von ihr nicht geltend gemacht war, durfte die Klägerin aus den Erklärungen des Beklagten zu 1) im Rahmen des
geführten Schriftverkehrs zu keinem Zeitpunkt schließen, dass er sich entgegen seiner ursprünglich ablehnenden
Haltung doch noch auf Verhandlungen über seine Schadensersatzverpflichtung einlasse. Bei den Erklärungen des
Beklagten zu 1) zum Geschehensablauf hat es sich erkennbar stets nur um Begründungen für seine unveränderte
kategorische Ablehnung von Ansprüchen gehandelt. Dass der eine oder andere Punkt eventuell auch anders gesehen
werden könne und er hierüber zu „verhandeln“ bereit sei, kann keinem seiner Schreiben entnommen werden, dies gilt
insbesondere auch für seine Schreiben vom 16. Mai 2003 und 2. Oktober 2003.
Die Situation lag damit hier insbesondere auch anders als in dem vom BGH mit Urteil vom 13. Mai 1997 – VI ZR 181/96 -
entschiedenen Rechtsstreit (NJW 1997, 3447 f.). Dort war gegen die Beklagte bereits ein konkreter
Schadensersatzanspruch erhoben worden, dem zunächst mit der Einrede der Verjährung begegnet worden war. Diesem
als Abbruch der Verhandlungen gewerteten Verhalten folgte ein weiteres Schreiben, in welchem die Beklagte angeboten
hatte, ihren Standpunkt in einer Besprechung zu erläutern, was als Beginn neuer Verhandlungen angesehen wurde (vgl.
auch Soergel-Niedenführ, BGB, 13. Aufl., § 203 Rdnr. 4; Grothe in: Münchener Kommentar zum BGB, 4. Aufl., § 203,
Rdnr. 5). So war es hier – wie sich aus den vorstehenden Ausführungen ergibt – aber gerade nicht.
b) Beklagter zu 2)
Gegenüber dem Beklagten zu 2) erfolgte erstmals mit Schreiben der Klägerin vom 28. November 2003 (Bl. 432 d. A.)
unter Darlegung des haftungsbegründenden Sachverhalts die Aufforderung, Schadensersatzforderungen bis 10.
Dezember 2003 anzuerkennen.
Diese Forderung wies der Beklagte zu 2) mit Schreiben vom 8. Dezember 2003 (Bl. 434 d. A.) zurück. Ein Verhandeln
liegt darin nicht.
Erst am 30. Juli 2004 (Bl. 549 d. A.) wandte sich die Klägerin mit einem inhaltlich gleichen Schreiben, wie das an den
Beklagten zu 1) gerichtete, erneut an den Beklagten zu 2) und bezifferte ihre Schadensersatzforderung. Unter
Bezugnahme auf sein Schreiben vom 8. Dezember 2003 wies der Beklagte zu 2) mit Schreiben vom 15. August 2004 (Bl.
438 d. A.) erneut die Forderung der Klägerin zurück. Auch dieses Schreiben ist eindeutig, zumal der Beklagte zu 2) in
diesem Schreiben ergänzend darlegt, weshalb die Forderung der Klägerin aus seiner Sicht unbegründet ist. Eine
Erklärung, die auf ein „Verhandeln“ schließen lassen könnte, ist in einer derartigen Situation gerade nicht gegeben (vgl.
hierzu auch OLG Köln, NJW-RR 2000, 1441; Anwaltskommentar, a. a. O., § 203 Rdnr. 23; Mankowski/Höpker, a. a. O.,
723). Anders als in dem vom BGH (NJW 1997, 3447 f.) entschiedenen Rechtstreit hat der Beklagte zu 2) auch nicht durch
ein Angebot einer Besprechung zur Erläuterung seiner ablehnenden Haltung den Eindruck erweckt, gesprächsbereit zu
sein.
c) Eine Hemmungswirkung entfaltet schließlich auch nicht die zwischen der Klägerin und der Nebenintervenientin
geführte Korrespondenz in der Zeit vom 30. November 2003 bis 13. Oktober 2004.
Die Beklagten zu 1) und 2) sind Versicherte des zwischen der Klägerin und der Nebenintervenientin geschlossenen D +
O (Directors and Officers) Versicherungsvertrages. Aus diesem Umstand rechtfertigt sich nicht die Annahme, dass
eventuelle Verhandlungen zwischen der Klägerin und der Nebenintervenientin eine Hemmung von
Schadensersatzforderungen der Klägerin gegen die Beklagten nach § 203 BGB nach sich ziehen könnten. Zwar kann
auch die Überprüfung einer Forderung durch die Haftpflichtversicherung des angeblichen Schädigers zur Hemmung der
Verjährung eines Schadensersatzanspruchs führen, wenn dem Versicherer eine Regulierungsvollmacht des
Versicherungsnehmers nach § 5 Nr. 7 AHB erteilt worden ist (vgl. BGH NJW 2005, 1423 (1425)). Das ist auf den hier
vorliegenden Fall jedoch nicht übertragbar. Die Nebenintervenientin ist der Vermögenseigenschadenversicherer der
Klägerin und steht nur zu dieser in einem Vertragsverhältnis.
2. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 97 Abs. 1, 101 Abs. 1 ZPO, diejenige über die vorläufige Vollstreckbarkeit
auf den §§ 708 Nr. 10, 711 S. 2 ZPO.
3. Die Revision war nach § 543 Abs. 2 ZPO zuzulassen.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren beträgt: 1,7 Millionen €.
Sartor Ritter Volckmann