Urteil des OLG Koblenz vom 04.11.2010

OLG Koblenz: grundrecht, drucksache, einkünfte, quelle, einsichtnahme, einzelrichter, verfügung, auskunftserteilung, zuleitung, datum

OLG
Koblenz
04.11.2010
7 WF 872/10
Geschäftsnummer:
7 WF 872/10
12 F 131/10
AG Diez
in der Familiensache
- Antragstellerin und Beschwerdeführerin -
Verfahrensbevollmächtigte: Rechtsanwälte …
gegen
- Antragsgegner -
Verfahrensbevollmächtigte: Rechtsanwälte …
wegen vorläufiger Nutzungsregelung der Ehewohnung
hier: Verfahrenskostenhilfe.
Der 7. Zivilsenat – 4. Senat für Familiensachen – des Oberlandesgerichts Koblenz hat durch die Vorsitzende Richterin
am Oberlandesgericht Wolff, den Richter am Oberlandesgericht Busekow und die Richterin am Oberlandesgericht Schilz-
Christoffel
Christoffel
am 4. November 2010
beschlossen:
Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Amtsgerichts – Familiengericht – Diez vom 30.
September 2010 wird zurückgewiesen.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe:
Die Beteiligten sind getrennt lebende Eheleute. Die Antragstellerin hat mit dem am 12. August 2010 bei dem Amtsgericht
eingegangen Antrag beantragt, ihr die näher beschriebene Ehewohnung vorläufig zur alleinigen Nutzung zuzuweisen
und dem Antragsgegner zu verbieten, die Ehewohnung zu betreten. Gleichzeitig hat sie um die Bewilligung von
Verfahrenskostenhilfe nachgesucht. Dem Antrag war die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen
Verhältnisse nebst den entsprechenden Belegen beigefügt. Durch Verfügung vom 13.8.2010 hat das Amtsgericht der
Antragstellerin mitgeteilt, dass es beabsichtige, nach § 117 Abs. 2 Satz 2 ZPO zu verfahren und die Erklärung nebst
Belegen der Gegenseite zugänglich zu machen.
Die Antragstellerin hat daraufhin der angekündigten Vorlage der Verfahrenskostenhilfeunterlagen an den Antragsgegner
ausdrücklich widersprochen mit der Begründung, eine abstrakte Verpflichtung zur Auskunftserteilung reiche nicht aus,
sondern der Auskunftsanspruch müsse Gegenstand des Verfahrens sein. Finde die Zuleitung gleichwohl statt, liege ein
Grundrechtsverstoß vor.
Durch den angefochtenen Beschluss hat das Amtsgericht beschlossen, die Erklärung und die Belege zum eingereichten
Verfahrenskostenhilfegesuch an die Gegenseite zu übermitteln. Es bedürfe keines konkreten Verfahrens, vielmehr sei es
ausreichend, dass zwischen den Beteiligten ein materiell-rechtlicher Auskunftsanspruch bestehe. Dies sei bei den
getrennt lebenden Beteiligten der Fall.
Hiergegen richtet sich die bei Gericht eingegangene Beschwerde der Antragstellerin, mit der sie die Aufhebung des
angefochtenen Beschlusses erstrebt. Zur Begründung beruft sie sich im Wesentlichen darauf, die Übersendung der
Verfahrenskostenhilfeunterlagen an den Antragsgegner sei insbesondere deshalb unzulässig, da für den
Auskunftsanspruch das Bestehen eines Unterhaltsrechtsverhältnisses nicht genüge, sondern dieses Gegenstand des
Verfahrens sein müsse. Da zwischen den Beteiligten weder Trennungs- noch Kindesunterhaltsansprüche anhängig
gemacht worden seien, bestehe kein Recht zur Übersendung der Unterlagen. Eine andere Auslegung der Vorschrift
würde dazu führen, dass in allen familienrechtlichen Verfahren zukünftig alle Unterlagen zur Bewilligung von
Verfahrenskostenhilfe der Gegenseite zugänglich gemacht werden könnten. Dies verstoße gegen das Grundrecht auf
informationelle Selbstbestimmung.
Das Amtsgericht hat der Beschwerde der Antragstellerin nicht abgeholfen und diese dem Senat zur Entscheidung
vorgelegt.
Durch Beschluss vom gleichen Tage hat der zuständige Einzelrichter die Sache wegen grundsätzlicher Bedeutung auf
den Senat zur Entscheidung übertragen.
Die Beschwerde ist als sofortige Beschwerde nach §§ 76 Abs. 2 FamFG, 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO zulässig. Sie richtet sich
gegen eine die Antragstellerin belastende Maßnahme innerhalb des Verfahrens über die Bewilligung von
Verfahrenskostenhilfe (Musielak/Fischer, Kommentar zur ZPO, 7. Aufl., § 117 Rn. 17).
Die sofortige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg. Das Amtsgericht hat zu Recht und mit zutreffender Begründung
in dem angefochtenen Beschluss die Übersendung der Erklärung und der Belege zum eingereichten
Verfahrenskostenhilfegesuch an die Gegenseite beschlossen. Der in der Beschwerde vertretenen Rechtsauffassung
vermag der Senat nicht zu folgen.
Nach der Ergänzung des § 117 Abs. 2 ZPO durch Einfügung des Satzes 2 durch das FGG-RG ist dem Gericht im
Interesse der Richtigkeitsgewähr hinsichtlich der Feststellung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des den
Antrag stellenden Beteiligten grundsätzlich die Befugnis eingeräumt worden, die Erklärung dem Gegner zur
Einsichtnahme und Stellungnahme zuzuleiten. Die Regelung soll dazu dienen, eine größere Gewähr für die Richtigkeit
der Angaben zu erreichen, weil der andere Beteiligte falsche oder fehlende Angaben aufdecken wird (BT-Drucksache
16/6308, S. 325; Viefhues in Münchener Kommentar zum FamFG, § 77, Rn. 5). Voraussetzung hierfür ist, dass zwischen
den Beteiligten nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts ein materiell-rechtlicher Anspruch auf Auskunft über die
Einkünfte und das Vermögen besteht. Ein solcher Anspruch ist etwa nach §§ 1361 Abs. 4 Satz 4, 1580 oder 1605 Abs. 1
Satz 1 BGB gegeben. Vorliegend besteht ein solcher Anspruch nach § 1361 Abs. 4 Satz 4 BGB. Denn bei Bestehen
eines Auskunftsanspruchs können die Beteiligten grundsätzlich jederzeit gegenzeitig Auskunft verlangen. Ein Verstoß
gegen das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung, wie von der Antragstellerin befürchtet, ist daher ebenso
wenig ersichtlich wie ein Verstoß gegen datenschutzrechtliche Bestimmungen.
Mithin reicht die bloße Existenz eines Auskunftsanspruchs nach den Vorschriften des BGB aus. Der Anspruch muss somit
entgegen der von der Beschwerde vertretenen Auffassung weder konkret fällig noch Gegenstand des zugrunde
liegenden Verfahrens sein (statt aller Viefhues in Münchener Kommentar, a.a.O. m.w.N., auch zur Gegenansicht).
Der Beschluss des Amtsgerichts ist daher rechtlich nicht zu beanstanden.
Aufgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache hat der Senat die Rechtsbeschwerde zum Bundesgerichtshof
zugelassen.
Wolff Busekow Schilz-Christoffel