Urteil des OLG Koblenz vom 22.03.2010

OLG Koblenz: schutz des arbeitnehmers, erfüllung, versorgung, gegenleistung, arbeitsunfähigkeit, arbeitslohn, zusage, staatsvertrag, meinung, arbeitskraft

OLG
Koblenz
22.03.2010
12 U 106/09
Die Entscheidung ist rechtskräftig.
Aktenzeichen:
12 U 106/09
5 O 8/08 LG Mainz
Verkündet am 22.03.2010
Matysik, Amtsinspektor
als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle
Oberlandesgericht
Koblenz
IM NAMEN DES VOLKES
Teil- Grund und Teil- Endurteil
In Sachen
- Kläger und Berufungskläger -
Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte …
gegen
1. …
- Beklagte und Berufungsbeklagte -
2. …
- Beklagte und Berufungsbeklagte -
Prozessbevollmächtigte zu 1. und 2.: Rechtsanwälte …
hat der 12. Zivilsenat des OberlandesgerichtsKoblenz durch den Vorsitzenden Richter am
OberlandesgerichtWünsch, die Richterin am OberlandesgerichtKagerbauer und die Richterin am
OberlandesgerichtFrey auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 01.03.2010 für Recht erkannt:
I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil der 5. Zivilkammer des Landgerichts Mainz vom
22. Dezember 2008 aufgehoben.
1. Der Klageantrag zu 1 wird dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt.
2. Es wird festgestellt, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, der Klägerin sämtliche
weiteren an die Klägerin abgetretenen, bereits entstandenen oder noch entstehenden Schäden des
Mitarbeiters …[A] aus dem Unfallereignis vom 19.2.2004 zu ersetzen.
II. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
Am 19.02.2004 wurde der Mitarbeiter des Klägers ...[A] durch einen von der Beklagten zu 1. verschuldeten
Verkehrsunfall schwer verletzt. Vom Unfalltage an bis zum 18.08.2005 war er voll arbeitsunfähig. Seit dem
19.08.2005 ist er mit 25 Stunden wöchentlich bei dem Kläger teilzeitbeschäftigt. Mit Bescheid vom
26.03.2007 wurde dem Geschädigten teilweise Erwerbsminde-rungsrente aus der betrieblichen
Altersversorgung des Klägers gewährt. In § 2 des zwischen dem Geschädigten und dem Kläger
geschlossenen Arbeitsvertrages wurde der geltende Tarifvertrag zum Bestandteil der arbeitsvertraglichen
Rechtsbeziehungen gemacht. Nach § 3 des Tarifvertrages Versorgung-… werden u. a. Altersrenten,
Berufs-, Erwerbsunfähigkeits- und Erwerbsminderungsrenten gewährt, worauf ein Rechtsanspruch
besteht.
Zur Erfüllung seines tarifvertraglichen Versorgungsversprechens bildet der Kläger Rückstellungen nach
versicherungsmathematischen Grundsätzen. Die auf den Zeitraum der vollen bzw. teilweisen
Arbeitsunfähigkeit des Geschädigten entfallenden Pensionsrückstellungen hat der Kläger bis zum Jahre
2006 einschließlich auf insgesamt 67.850,35 EUR berechnet. Diesen Betrag verlangt er mit der
vorliegenden Klage im Klageantrag zu 1. ersetzt. Der Geschädigte ist aber auch nach dem 1.07.2007
unfallbedingt nur teilzeitbeschäftigt, weshalb der Kläger einen Feststellungsanspruch hinsichtlich der
weiteren Rückstellung geltend macht.
Der Geschädigte ...[A] hat dem Kläger im Hinblick auf dessen Versorgungsleistungen seine gegen die
Beklagten bestehenden Schadensersatzansprüche abgetreten.
Die Beklagten bestreiten die geltend gemachten Ansprüche nach Grund und Höhe.
Wegen der wörtlichen Fassung der erstinstanzlichen Anträge wird auf Bl. 78, 122 und 129 GA Bezug
genommen.
Der Kläger vertritt die Auffassung, dass die von ihm aufgrund der arbeitsvertraglichen Verpflichtung
geleisteten Versorgungsaufwendungen im Rahmen einer sogenannten direkten Versorgungszusage für
den Geschädigten Entgeltcharakter haben, so dass die seiner vollen oder teilweisen Arbeitsunfähigkeit
zuzuordnenden Versorgungsleistungen einen ersatzpflichtigen
Erwerbsschaden des Geschädigten darstellten. Hierzu gehörten nicht nur tatsächlich gezahlte Renten,
sondern auch bereits die zu ihrer Absicherung erbrachten Rückstellungen. Diese seien rechtlich genauso
zu behandeln wie vom Arbeitgeber an ein zwischengeschaltetes, selbständiges
Versorgungsunternehmen gezahlte Prämien, die bei einer mittelbaren Versorgungszusage aufzubringen
seien oder Beiträge zur Sozialversicherung
Die Beklagte macht demgegenüber geltend:
Die der Klage zugrunde liegende Abtretungserklärung des Geschädigten sei zu unbestimmt. Sie lasse
nicht erkennen, welcher Teil der Ansprüche des Geschädigten auf Ersatz seines
Verdienstausfallschadens Gegenstand der Abtretung sein solle. Im Übrigen bestehe ein tarifvertragliches
Abtretungsverbot.
In der Sache stütze sich der Kläger auf einen überdehnten Schadensbegriff. Die tarifvertraglich
zugesagten Versorgungsleistungen des Klägers seien nicht kongruent mit den Entgeltansprüchen des
Geschädigten ...[A]. Die Lehre vom normativen Schaden bedeute, dass eine Verschlechterung der
Vermögensposition des Geschädigten nur unterbleibe, weil die Leistung eines Dritten diese
Verschlechterung ausgleiche. Eine solche unfallbedingte Drittleistung sei hier aber nicht festzustellen.
Die Rückstellung beruhe auf einer originären gesetzlichen Verpflichtung, welche keine Verbindung dazu
habe, ob eine Arbeitsleistung tatsächlich erbracht werde oder nicht. Die Erfüllung der bilanzrechtlichen
Verpflichtung zur Bildung von Rückstellungen bedeute auch keinen Zufluss von Arbeitslohn. Hier werde
durch reine Passivierung lediglich eine Bilanzposition geschaffen, aber keine tatsächliche Aufwendung
getätigt. Deshalb sei auch die Gleichstellung mit vom Arbeitgeber gezahlten Prämien im Rahmen einer
mittelbaren Versorgungszusage nicht gerechtfertigt. Die Bildung von Rückstellungen erfolge außerdem im
eigenen Interesse des Klägers, denn diese dienten der Steuerersparnis und der Finanzierung künftiger
Verpflichtungen. Es könne nicht die Pflicht des Schädigers sein, diese Vorteile zu finanzieren. Die
Bezugnahme des Klägers auf eine Gesamtversorgung im Sinne der Berücksichtigung anderer
Rentenleistungen nach Ziff. 12 des Tarifvertrages Versorgung bedeute, dass die Rentenansprüche des
Geschädigten noch nicht feststünden und nicht verbrauchte Rückstellungen demnach später aufgelöst
werden könnten. Ihnen komme daher in der gegenwärtigen Phase nur fiktiver Charakter zu, so dass die
Rückstellungen sich einem bestimmten Zeitraum jetzt noch nicht zurechen ließen.
Im Übrigen bestreiten die Beklagten die zutreffende Anwendung der versicherungsmathematischen
Grundsätze sowie die Heranziehung der richtigen Berechungsparameter. Sie verweisen auf die
erheblichen betragsmäßigen Unterschiede im jährlichen Rückstellungsvolumen, was im deutlichen
Widerspruch dazu stehe, dass auf Seiten des Arbeitnehmers nur eine im Wesentlichen gleichbleibende
Arbeitsleistung erbracht werde. Führten bestimmte Faktoren dazu, dass in einzelnen Jahren das
Rückstellungsvolumen in außerordentlichem Maße wachse, könne das nur zur Folge haben, dass diese
Auswirkungen auf den Gesamtzeitraum der anrechnungsfähigen Arbeitsleistung zu verteilen sei, wenn es
darum gehe, den Schadensersatzbetrag zu bemessen, für den der Schädiger einzustehen habe. Dieser
könne beispielsweise nicht voll dafür haften, dass im Rahmen der zur Rückstellungsbildung geltenden
Richtlinien erst nach dem schädigenden Ereignis beschlossen werde, auf eine überwiegend vor diesem
stattgehabte, langjährige Entwicklung zu reagieren, wie es z. B. hinsichtlich des demografischen Faktors
der Fall sei.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Es hat im Wesentlichen Folgendes ausgeführt:
Die Klage stütze sich auf den abgetretenen Anspruch des Geschädigten ...[A] auf Ersatz seines
Erwerbsschadens. Die von dem Kläger vorgenommenen Pensionsrückstellungen könnten diesem
Erwerbsschaden aber nicht zugerechnet werden. Diese Zurechnung sei auch nicht auf der Grundlage des
Arbeitsvertrages möglich, denn die Rückstellungen seien rechtlich nicht als individueller Arbeitslohn der
Mitarbeiter des Klägers zu werten.
Es bestehe ein wesentlicher Unterschied zwischen den Rückstellungen, die der Kläger nach § 31 Abs. 4
des Staatsvertrages über den … (im Folgenden: …-Staatsvertrag) erbringe, und denen, die ein privater
Arbeitgeber in die Bilanz einstelle. Im letztgenannten Fall "verdiene" der Geschädigte als Arbeitnehmer
die in Form der Rückstellungen getätigten Aufwendungen, denn diese würden aus den von den
Mitarbeitern erwirtschafteten Erträgen gebildet. Aus der geleisteten Arbeit erwachse also wirtschaftlich die
Möglichkeit, Rückstellungen aufzubauen. Im Haushalt des Klägers sei dies aber nicht so, weil dieser sich
aus den öffentlich-rechtlichen Rundfunkgebühren finanziere, welche ihm unabhängig von der
Arbeitsleistung der Mitarbeiter zuflössen. Arbeitslöhne seien in diesem System lediglich Personalkosten,
nicht aber die Ertragsgrundlage des Unternehmens. § 31 Abs. 4 ...-Staatsvertrag habe keine
weitergehende Bedeutung, als dass er dem Kläger gestatte, das ansonsten geltende Jährlichkeitsprinzip
zu durchbrechen. Daran ändere auch § 32 Abs. 2 des ...-Staatsvertrages nichts, welcher die Erstellung der
Jahresabschlüsse nach den Vorschriften des Handelsgesetzbuches für große Kapitalgesellschaften
vorschreibe. Dabei handele es sich nur um eine Rechtsfolgenverweisung.
Gegen dieses Urteil richtet sich die zulässige Berufung des Klägers, mit der er sein ursprüngliches
Klagebegehren weiterverfolgt. Beide Parteien wiederholen und vertiefen in der Berufung ihr
erstinstanzliches Vorbringen. Der Kläger hält im Gegensatz zum Landgericht seine Organisationsform
nicht für entscheidend. Maßgebend sei allein das Auseinanderfallen zwischen Arbeitsleistung und
arbeitsvertraglich bindend zugesagter Gegenleistung, zu der u. a. die Rückstellungen zu Gunsten der
betrieblichen Altersvorsorge des Geschädigten gehörten. Der Kläger sei der Rückstellungspflicht in
gleicher Weise unterworfen wie ein privater Arbeitgeber. Wie er sich finanziere, sei unerheblich.
Wegen der wörtlichen Fassung der Berufungsanträge wird auf Bl. 151, 176 und 179 GA Bezug
genommen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die tatsächlichen Feststellungen
des angefochtenen Urteils sowie auf die von den Parteien zu den Akten gereichten Schriftsätze und
Unterlagen verwiesen.
Die Berufung des Klägers hat zum gegenwärtigen Zeitpunkt jedenfalls insoweit Erfolg, als der Senat den
nach Grund und Höhe streitigen Klageanspruch dem Grunde nach für gerechtfertigt hält. Da aber über die
Klage endgültig nur nach Einholung eines aufwändigen versicherungsmathematischen Gutachtens
entschieden werden kann, macht der Senat angesichts des schon zum Grund des Anspruchs
bestehenden Streits der Parteien von der auch im Berufungsverfahren bestehenden Möglichkeit
Gebrauch, ein Zwischenurteil über den Grund gemäß § 304 Abs. 1 ZPO zu erlassen.
Der Kläger hat aus dem abgetretenen Recht seines durch den Unfall geschädigten Mitarbeiters ...[A]
gemäß §§ 7 Abs. 1, 11 StVG i. V. mit §§ 823, 842 BGB und § 3 PflVG einen Anspruch auf Ersatz des
Erwerbsschadens des Geschädigten, der diesem nach den Grundsätzen des normativen
Schadensbegriffs dadurch entstanden ist, dass der Kläger Rückstellungen aufgrund der arbeitsvertraglich
zugesagten Alters- bzw. Rentenversorgung auch in denjenigen Zeiträumen vorgenommen hat, in denen
diesen Aufwendungen des Klägers (ganz oder teilweise) keine Arbeitsleistung des Geschädigten
gegenüberstand. Dies gilt sowohl für den Klageantrag zu 1., mit dem der Kläger seine bis zum Jahre 2006
einschließlich vorgenommenen Aufwendungen beziffert hat, als auch für den Klageantrag zu 2., mit dem
er die zukünftigen Aufwendungen aus dem genannten Schadensgrund erfasst hat. Die volle Haftung der
Beklagten für alle unfallbedingt entstandenen Schäden ist unstreitig.
Die gegen die Wirksamkeit der Abtretungserklärung des Geschädigten ...[A] erhobenen Einwendungen
greifen nicht durch. In der Erklärung vom 6.05.2004 wird zutreffend von dem möglichen
schadensrechtlichen Zusammenhang ausgegangen, der zwischen dem gegen den Unfallverursacher
gerichteten Schadensersatzanspruch und den von dem Kläger zum Zwecke jeder Art von Versorgung
gemachten Aufwendungen besteht. Der Sache nach ist damit der Erwerbsschaden des Mitarbeiters ...[A]
gekennzeichnet. Die Höhe der insoweit (pflichtgemäß) bereits erbrachten oder zukünftig noch zu
erbringenden Leistungen begrenzt umfangsmäßig die vorgenommene Abtretung.
Das tarifvertragliche Abtretungsverbot gilt nur im Verhältnis des Versorgungsberechtigten zu Dritten und
kann jedenfalls nicht hindern, dass der Kläger in die Lage versetzt wird, den durch seine eigenen
Leistungen kompensierten Schaden im Wege des Schadensersatzanspruches aus abgetretenem Recht
gegenüber dem Schädiger geltend zu machen.
In der Sache geht der Kläger vom Grundsatz her mit Recht davon aus, dass alle zur Versorgung seiner
Mitarbeiter arbeitsvertraglich bindend zugesagten Leistungen Entgeltcharakter haben. Seit langem ist
anerkannt, dass ein unselbständiger Arbeitnehmer mit seiner Arbeitsleistung nicht nur sein laufendes
Gehalt "verdient", sondern alles, was ihm als Gegenleistung mit Lohncharakter für seine Arbeit aufgrund
des Arbeitsvertrages zusteht. Dazu gehört auch die im Rahmen einer betrieblichen Altersversorgung
gegebene Versorgungszusage gemäß § 1 BetrAVG (Palandt, BGB, 69 Aufl., § 842 Rn. 6; § 252 Rn. 7).
In diesem Zusammenhang kommt es entgegen der Auffassung des Landgerichts nicht darauf an, ob ein
Mitarbeiter durch seine Arbeitsleistung seinen Arbeitgeber in den Stand versetzt, die für die Aufbringung
der Versorgungsleistungen notwendigen Mittel zu "verdienen". Ausschlaggebend ist allein, welche
Leistungen des Arbeitgebers als Gegenleistung für die erbrachte Arbeit zu werten sind, was also der
Arbeitnehmer mit seiner Arbeit zum Zwecke seines Erwerbs "verdient". Anders ist es auch nicht zu
verstehen, wenn der Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung vom 7.07.1998 (VI ZR 241/97 = BGHZ
139, 167 = NJW 1998, 3276) ausführt, der Schaden des Unfallgeschädigten bestehe darin, dass er
während der Zeit der Arbeitsunfähigkeit nicht die Aufwendungen "verdienen" könne, die der Arbeitgeber
zur Erfüllung der arbeitsvertraglichen Versorgungszusage gemacht habe. Da der Geschädigte ...[A] mit
dem Kläger in einem ohne weiteres dem Zivilrecht zuzuordnenden Arbeitsverhältnis steht, kommt es für
die Frage, welche Leistungen des Klägers als Verdienst des Geschädigten anzusehen sind, nicht darauf
an, woher der Kläger seine Einkünfte bezieht.
Dass in diesem arbeitsvertraglichen Rahmen der Geschädigte hier tatsächlich gerade keinen Schaden
erleidet, seine Vermögenslage vielmehr mit und ohne Unfall unverändert bleibt, ist rechtlich ohne Belang,
wie ebenfalls seit langem in der Rechtsprechung anerkannt ist, denn es gelten die Grundsätze des
normativen Schadensbegriffs. Diese finden entgegen der Meinung der Beklagten in dem hier
vorliegenden Sachverhalt ohne Weiteres Anwendung. Sie gehen davon aus, dass bei natürlicher
Betrachtungsweise derjenige Geschädigte, der seinen Erwerb aufgrund unselbständiger Tätigkeit durch
Zurverfügungstellung seiner Arbeitskraft erzielt, unwiderruflich einen Schaden erleidet, wenn seine
Arbeitskraft ganz oder teilweise beeinträchtigt wird, da er in diesem Fall zwangsläufig die von ihm als
Gegenleistung für seinen Arbeitslohn versprochene Arbeitsleistung nicht mehr erbringen kann, auf seiner
Seite also eine Leistungsstörung vorliegt. Erhält er aufgrund der vom Arbeitgeber eingegangenen
arbeitsvertraglichen Zusage das Entgelt einschließlich zugesagter Vermögensleistungen dennoch
ungekürzt, so handelt es sich schadensersatzrechtlich um die aus sozialen Gesichtspunkten zum Schutz
des Arbeitnehmers erbrachte Leistung eines Dritten, welche nicht das Ziel hat, den Schädiger zu
entlasten. Aus diesem Grund verbleibt bei normativer Betrachtung der Schaden unausgeglichen in der
Person des Geschädigten und kann von diesem im Wege des Schadensersatzes geltend
gemacht werden. Der Schädiger kann keinen Vorteil daraus haben, dass ein Dritter, hier der Kläger, sich
von vornherein arbeitsvertraglich verpflichtet hat, einen an der Erwerbsfähigkeit ihres Arbeitnehmers
eingetretenen Schaden zu kompensieren (Palandt, a. a. O., vor § 249 Rn. 13; § 249 Rn. 66; § 252 Rn. 7; §
842 Rn. 6). Die Annahme der Beklagten, es gebe hier keinen Vermögenszufluss auf Seiten des
Geschädigten im Sinne einer solchen Drittleistung, ist nach allem in dieser Allgemeinheit unzutreffend.
Soweit der Geschädigte eine Versorgung in dem Umfang erhält, wie sie ihm als Entgelt für seine volle
Arbeitsleistung versprochen worden ist, bekommt er mehr als ihm "eigentlich" aufgrund seiner zeitweilig
gegebenen Arbeitsunfähigkeit zusteht. Darin besteht die unfallbedingte, schadensersatzrechtlich jedoch
außer Acht zu lassende Drittleistung, welche den Eintritt eines realen Schadens beim Geschädigten
verhindert. Dabei handelt es sich, anders als die Beklagten meinen, nicht um einen Drittschaden, der im
Rahmen der §§ 823 ff. BGB nicht ersatzfähig ist.
Fraglich kann deshalb bei der hier gegebenen Fallgestaltung nicht sein, ob die Klägerin überhaupt
unfallbedingt Leistungen mit Lohnersatzfunktion erbringt, die wertend als Erwerbsschaden des Beklagten
anzusehen sind, sondern allenfalls, ob den hierfür getätigten Rückstellungen, die den Gegenstand der
Klage bilden, bereits der Charakter von Versorgungsleistungen zuzuerkennen ist, oder ob es sich dabei
lediglich um Vorbereitungsmaßnahmen im Bereich der Innenfinanzierung handelt. Dass aber nicht erst
die Rentenzahlung selbst, sondern auch die hierfür getätigten Rückstellungen den Charakter eines einen
eingetretenen Schaden kompensierenden, den Schädiger aber wiederum nicht entlastenden Entgelts
haben, hat der Bundesgerichtshof in dem bereits genannten Urteil vom 7.07.1998 entschieden. Danach
hat eine dem Arbeitnehmer gegebene Versorgungszusage als solche bereits Entgeltcharakter. Für den
Fall, dass der Arbeitgeber, wie es ihm freisteht, diese Zusage aus eigenen Mitteln erfüllen will -
Direktzusage -, folgt daraus handelsrechtlich gemäß § 249 Abs. 1 HGB in der alten und der neuen
Fassung die Rückstellungspflicht, da es sich um ungewisse Verbindlichkeiten handelt. Damit nehmen alle
für die Erfüllung dieser Verbindlichkeit zu tätigenden Aufwendungen am Entgeltcharakter der
Versorgungszusage teil, also auch die notwendigen Rückstellungen, denn es handelt sich bei ihnen um
Leistungen, die notwendig sind, das gegebene Versprechen in der Zukunft zu erfüllen. Darin liegt auch
ein Vermögensabfluss, denn die Rückstellungen sind aus dem Betriebsvermögen ausgegliedert, bilden
als Fremdkapital ein Sondervermögen und unterliegen dem Auflösungsverbot. Sie sind deshalb ebenso
zu behandeln wie Prämien oder Beiträge im Rahmen der mittelbaren Versorgungszusage. Diese
Ausführungen sind überzeugend, ihnen schließt sich der Senat an. Im Ergebnis müssen deshalb vom
rechtlichen Ansatzpunkt hier auch Rückstellungen nach dem Handelsgesetzbuch als regressfähige
Aufwendungen bewertet werden.
Zu beachten ist jedoch, dass die Zuerkennung des regressfähigen Entgeltcharakters in dem vom
Bundesgerichtshof entschiedenen Fall wesentlich auch auf der aus der Versorgungszusage folgenden
gesetzlichen Verpflichtung zur Rückstellungsbildung beruht. Denn nur die Rückstellungspflicht bewirkt,
dass es zum einen dem Arbeitgeber nicht freisteht, solche Aufwendungen zu machen, und er zum
anderen nach der gesetzlichen Ausgestaltung der Rückstellungspflicht auch deren endgültige
Ausgliederung aus seinem Betriebsvermögen hinzunehmen hat, was die rechtliche Wertung dieser
Aufwendungen als Vermögensabfluss erst rechtfertigt.
Angesichts der Organisationsform des Klägers als Anstalt des öffentlichen Rechts könnte fraglich sein, ob
auch in seiner Person in gleicher Weise eine verbindliche Verpflichtung zur Rückstellungsbildung besteht
wie im Falle eines Wirtschaftsunternehmens, das der gesetzlichen Verpflichtung des § 249 HGB
unmittelbar unterliegt. Dies ist zu bejahen.
Wie auch der Bundesgerichtshof betont hat, dient die Rückstellungspflicht dazu, die Erfüllung der
künftigen Verbindlichkeit finanziell sicher zu stellen, und in diesem Rahmen auch zur Kapitalbildung. Sie
beruht auf dem handelsrechtlichen Vorsichtsprinzip, welches dem Sicherungsinteresse der künftigen
Gläubiger dient, wie auch der günstigen Finanzierung des später benötigten Kapitals durch Bindung der
erforderlichen Mittel im Unternehmen. Der Kläger ist jedoch im Hinblick auf die hinter der
Rückstellungspflicht stehenden Sicherungszwecke nicht ohne weiteres einem Wirtschaftsunternehmen
gleichzustellen, wie das Landgericht richtig ausgeführt hat, denn er ist kein in seiner wirtschaftlichen
Existenz vom Erfolg am Markt abhängiges Unternehmen, sondern finanziert sich durch ein mittels eines
Haushaltsplans verwaltetes, weitgehend gesichertes Gebührenaufkommen. Deshalb mag ein gleich zu
gewichtendes Gläubigerschutzinteresse nicht bestehen. Demgegenüber ist aber zu berücksichtigen, dass
der Kläger nach § 32 Abs. 2 des ...-Staatsvertrages verpflichtet ist, seine Jahresabschlüsse nach den
Vorschriften des Handelsgesetzbuches für große Kapitalgesellschaften zu erstellen. In § 31 Abs. 4 des ...-
Staatsvertrages wird ausdrücklich auf Rückstellungen Bezug genommen; diese "sollen" gebildet werden.
Hierin mag, wie das Landgericht ausgeführt hat, die Erlaubnis gesehen werden, vom Jährlichkeitsprinzip
abzuweichen. Unabhängig davon enthält § 32 Abs. 2 des ...-Staatsvertra-ges aber eindeutig die
Verpflichtung zur Anwendung der bilanzrechtlichen Vorschriften des Handelsgesetzbuches, mithin auch
der Rückstellungspflicht des §§ 249 Abs. 1 in der zum Unfallzeitpunkt geltenden Fassung. Damit unterliegt
der Kläger den allgemein gültigen Grundsätzen einer ordnungsgemäßen Wirtschaftsführung, innerhalb
derer unabhängig von seiner Finanzierungsform dem Gedanken des Gläubigerschutzes und der
rechtzeitigen Bildung des benötigten Kapitals ähnliches Gewicht beizumessen ist wie im Falle von
Wirtschaftsunternehmen. Deshalb besteht auch für den Kläger, so wie in der zitierten Entscheidung des
Bundesgerichtshofs vorausgesetzt, eine ihm verbindlich auferlegte Last zur Bildung von Rückstellungen
auf der Grundlage der arbeitsvertraglich gegebenen Versorgungszusage, was zur Bejahung des
Entgeltcharakters und der Regressfähigkeit der Rückstellungen auch im vorliegenden Fall führt.
Der Rechtsstreit ist allerdings hinsichtlich des bezifferten Klageantrags zu 1 noch nicht zur Entscheidung
reif. Da die Beklagten die richtige Anwendung der versicherungsmathematischen Regeln durch den
Kläger bestritten haben, ist durch Einholung eines versicherungsmathematischen
Sachverständigengutachtens zu prüfen, ob der Kläger seiner Klage zutreffend die Berechnung der …[B]
GmbH vom 5.08.2008 zugrunde gelegt hat. Auch haben die Beklagten die Frage aufgeworfen, ob es
richtig ist, die gerade in den Jahren 2005 und 2006 in außergewöhnlicher Höhe angefallenen
Rückstellungen in vollem Umfang dem Schädiger anzulasten. Wie den klagebegründenden Darlegungen
des Klägers zu entnehmen ist, können die Regeln der versicherungsmathematischen Rentenberechnung
sowie die hierbei zu berücksichtigenden Parameter im Verlauf einer Rentenanwartschaft erhebliche
Veränderungen erfahren. Da diese in der Regel nicht vorhersehbar sind, liegt es nahe, sie auch
schadensersatzrechtlich erst ab dem Geschäftsjahr als wirksam zu betrachten, in welchem sie erstmals im
Rahmen der Rückstellungsberechnung anzuwenden gewesen sind. Eine exakte Verteilung des
Gesamtaufwands über die anrechenbare Dienstzeit wäre überdies erst an deren Ende möglich. Denkbar
ist aber auch, dass die Grundsätze der ordnungsgemäßen Finanzierung unvorhergesehener
Aufwendungen anerkannte Verfahren beinhalten, einen solchen Aufwand auf einen längeren Zeitraum zu
verteilen. Daraus könnte sich schadensersatzrechtlich ein Ansatz dafür ergeben, die ab dem Jahre 2004
gebildeten Rückstellungen nicht nur den Geschäftsjahren zuzuordnen, in denen sie
versicherungsmathematisch zum ersten Mal angefallen sind. Auch dieser Frage ist mit Hilfe des
einzuholenden Sachverständigengutachtens nachzugehen, welches zweckmäßig aber erst in Auftrag
gegeben wird, wenn die Berechtigung des Klageanspruchs dem Grunde nach zwischen den Parteien
endgültig geklärt ist.
Dem lediglich einen Feststellungsanspruch bezüglich des Zeitraums nach dem 1. 1. 2007 enthaltenden
Klageantrag zu 2 ist nach dem Gesagten bereits jetzt endgültig stattzugeben.
Eine Kostenentscheidung sowie weitere Nebenentscheidungen sind nicht veranlasst.
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil nach Meinung des Senats die hinsichtlich des Anspruchsgrunds
maßgebliche Rechtsfrage durch den Bundesgerichtshof bereits höchstrichterlich geklärt ist.
Wünsch
Kagerbauer
Frey
Vorsitzender Richter
am Oberlandesgericht
Richterin
am Oberlandesgericht
Richterin
am Oberlandesgericht
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