Urteil des OLG Koblenz vom 28.07.2010

OLG Koblenz: vernehmung von zeugen, privatrechtliche haftung, waldbewirtschaftung, forstwirtschaft, wind, anhörung, subunternehmer, amtspflicht, wahrscheinlichkeit, aufwand

OLG
Koblenz
28.07.2010
1 U 46/09
1. Zum Drittschutz der Amtspflichten des zuständigen Beamten des staatlichen Forstamts im Rahmen der Mitwirkung bei
der Durchforstung eines Privatwaldes (hier: massive Öffnung eines Waldbestandes durch Einsatz eines Harvesters und
hierdurch bewirkte erhöhte Windwurfgefahr für den Waldbestand - auch - auf der Nachbarparzelle).
2. Das Verweisungsprivileg der öffentlichen Hand (§ 839 Abs. 1 Satz 2 BGB) greift nicht ein, wenn das private
Einschlagunternehmen die Vorgaben des zuständigen Forstaufsichtsbeamten im Rahmen des ihm bewusst
überlassenen Handlungsspielraums unverändert umsetzt.
Die Entscheidung ist rechtskräftig.
Aktenzeichen:
1 U 46/09
11 O 191/08 - LG Trier
Verkündet
am 28. Juli 2010
M. Schäfer, Justizbeschäftigte
als Urkundsbeamtin der
Geschäftsstelle
In dem Rechtsstreit
- Klägerin und Berufungsklägerin -
Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte …
g e g en
- Beklagter und Berufungsbeklagter -
Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte …
w e g e n Schadensersatzes und Feststellung (Amtshaftung)
Der 1. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Koblenz hat durch den Richter am Oberlandesgericht Dennhardt, die Richterin
am Oberlandesgericht Dr. Cloeren und den Richter am Oberlandesgericht Schneider
auf die mündliche Verhandlung vom 7. Juli 2010
für R e c h t erkannt:
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Einzelrichters der 11. Zivilkammer des Landgerichts Trier vom 9.
Dezember 2008 abgeändert.
Das beklagte Land wird verurteilt, an die Klägerin 3.292,83 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem
Basiszinssatz seit dem 23. Februar 2008 zu zahlen.
Es wird festgestellt, dass das beklagte Land verpflichtet ist, der Klägerin sämtlichen Schaden, der zukünftig wegen der im
Juni/Juli 2005 durchgeführten Hiebsmaßnahme an der Waldparzelle in der Gemarkung ...[X] Flur 52 Nr. 28 entsteht, zu
ersetzen.
Die Kosten des Rechtsstreits im ersten und zweiten Rechtszug trägt das beklagte Land.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e:
I.
Die Klägerin, Eigentümerin einer Waldparzelle in der Gemarkung ...[X], begehrt vom beklagten Land Schadensersatz und
Feststellung der weitergehenden Ersatzpflicht wegen einer im Sommer 2005 auf der Nachbarparzelle durchgeführten
Waldbewirtschaftung (Hiebs- und Durchforstungsmaßnahme).
Es wird auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO),
die wie folgt ergänzt und berichtigt werden:
Auf der Nachbarparzelle Flur 52 Nr. 27 (Flurkarte Seite 4 des Privatgutachtens ...[A] Januar 2008 [Anlage zur
Klageschrift]; Lageplan Seite 1a des Privatgutachtens ...[A] Dezember 2007 [Anlage zum Schriftsatz der Klägerin vom 6.
Oktober 2009; Bl. 226 ff. GA]; Lichtbilder Bl. 169 GA + Anhang zum Privatgutachten ...[A] Dezember 2007) erfolgten im
Juni/Juli 2005 Durchforstungsarbeiten. Die damalige Eigentümerin, Frau ...[B], hatte sich bereits im Frühjahr 2004 an den
zuständigen Forstoberinspektor ...[C], damals dem staatlichen Forstamt ...[Y] (Revier ...[Z]) als staatlicher Beamter u.a. zur
Privatwaldbetreuung zugeordnet, mit der Bitte um Betreuung ihres Waldbestandes sowie um Durchführung der
Durchforstungsmaßnahme gewandt. Forstoberinspektor ...[C] nahm nachfolgend die Kennzeichnung der
„auszuhauenden Bäume“ sowie der Rückegassen [unbefestigter Weg vom Verlade- zum Hiebsort] auf der Parzelle Nr. 27
vor; er hatte auf Wunsch der Eigentümerin auch Angebote geprüft und näheren Kontakt zu Anbietern aufgenommen. Mit
der Durchforstungsmaßnahme wurde die Fa. ...[D] GbR in ...[W] beauftragt, die ihrerseits einen Subunternehmer, den
Forstwirt ...[E] in ...[V], beauftragte; die Durchführung erfolgte im Juni/Juli 2005 unter Einsatz eines Harvesters (Vollernter).
Mit Gebührenbescheid an Frau ...[B] vom 27. Oktober 2005 (Bl. 93 GA) rechnete das beklagte Land – Forstamt ...[Y] –
seine „öffentlich-rechtlichen Dienstleistungen“, u.a. für das „Auszeichnen der Waldbestände“ und die „Übernahme des
Holzverkaufs einschl. Abfassen des Kaufvertrages“, ab.
Im Zusammenhang mit der Durchforstungsmaßnahme auf der Nachbarparzelle Nr. 27 wurden auf der Waldparzelle der
Klägerin Nr. 28 unrechtmäßig acht Fichten gefällt. Die Fa. ...[D] und die Klägerin verständigten sich insofern auf eine
Abgeltungszahlung in Höhe von 200,00 € („Gutschrift“ vom 30. Juni 2005 [S. 21 des Privatgutachtens ...[A] Januar 2008];
Schreiben der Fa. ...[D] vom 24. November 2008 [Bl. 94 GA]).
In der Folgezeit kam es stetig fortschreitend zu Windwurfschäden auf der Parzelle Nr. 27; diese musste im Jahr 2007
letztlich vollständig gerodet werden (Lichtbilder Bl. 169 GA sowie Seiten 16 ff. des Privatgutachtens ...[A] Januar 2008).
Der Privatgutachter ...[A] in ...[U] erstattete nachfolgend im Auftrag der Klägerin respektive der Frau ...[B] ein „Forstliches
Gutachten über die Durchführung einer Hiebsmaßnahme zum Zwecke der Überprüfung einer Einhaltung & Anwendung
von Grundsätzen ordnungsgemäßer Forstwirtschaft“ (aus Dezember 2007; Anlage zu Bl. 226 ff. GA) sowie eine weiteres
„Forstliches Gutachten über Randschäden zum Zwecke der Bezifferung von Schadensersatzansprüchen“ (aus Januar
2008; Anlage zur Klageschrift). Vor dem Landgericht Trier ist das Parallelverfahren ...[B] vs. Land … – 11 O 166/08 –
anhängig (Protokollabschrift der Beweisaufnahme vom 21. April 2009; Bl. 274 ff. GA).
Das Landgericht hat nach Beweisaufnahme (Protokoll vom 18. November 2008; Bl. 61 ff. GA) mit Urteil vom 9. Dezember
2008 (Bl. 98 ff. GA) die Klage abgewiesen; hiergegen richtet sich die Berufung der Klägerin.
Die Klägerin rügt, dass das Landgericht die mit der Klage geltend gemachten Schadensersatzansprüche wegen der
behaupteten Amtspflichtverletzung des Zeugen ...[C] und den zugrunde liegenden Sachvortrag verkannt und sich einzig
mit dem (unmittelbar) bei der Rodungsmaßnahme in 2005 eingetretenen – infolge der Gutschrift der Fa. ...[D] indessen
bereits erledigten – Schaden befasst habe (unrechtmäßiges Fällen von acht Fichten auf der Parzelle Nr. 28). Jenseits
dessen seien Gegen-stand des Klagebegehrens aber seit jeher die (bereits eingetretenen und zukünftigen)
„Randschäden“ sowie die Kosten der entsprechenden Privatbegutachtung gewesen, deren Ursache in der von
Forstoberinspektor ...[C] entgegen den Grundsätzen der ordnungsgemäßen Forstwirtschaft angeordneten Rodungs- und
Durchforstungsmaßnahmen auf der (Nachbar-)Parzelle Nr. 27 zu finden sei. Durch die vorliegend in Rede stehenden –
allein streitgegenständlichen – amtspflichtwidrig verfügten Hiebsmaßnahmen auf der „zu intensiv ausgedünnten“
Waldparzelle Nr. 27 sei nämlich der Bestand der Klägerparzelle Nr. 28 geöffnet („angeschnitten“) und dem direkten
Einfluss von Sonne und Wind ausgesetzt worden; mangels fürderhin möglicher Traufausbildung müsse daher seither mit
erheblichen Negativeinflüssen auf den Bestandsrand (insb. Verschlechterung der Bodenkonsistenz; Herabsetzung der
pflanzlichen Produktionskraft; starke Verunkrautung; Absinken des Bestockungsgrades; Zuwachsverluste) und
nachfolgend sodann mit Einbußen bei der Holzproduktion auf der Klägerparzelle gerechnet werden. Ausweislich des
Privatgutachtens ...[A] aus Januar 2008 habe im Zeitpunkt Oktober 2007 bereits ein (erster) Randschaden in Höhe von
820,06 € beziffert werden können; für die Zukunft stünden weitere entsprechende Schäden mit hoher Wahrscheinlichkeit
zu erwarten.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Landgerichts Trier vom 9. Dezember 2008 aufzuheben und
1. das beklagte Land zu verurteilen, an die Klägerin 3.292,83 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem
Basiszinssatz seit dem 23. Februar 2008 zu zahlen;
2. festzustellen, dass das beklagte Land verpflichtet ist, der Klägerin sämtlichen Schaden, der zukünftig wegen der im
Juni/Juli 2005 durchgeführten Hiebsmaßnahme an der Waldparzelle in der Gemarkung ...[X] Flur 52 Nr. 28 entsteht, zu
ersetzen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Das beklagte Land hält dem von der Klägerin verfolgten Schadensersatzbegehren das Verweisungsprivileg der
öffentlichen Hand aus § 839 Abs. 1 Satz 2 BGB entgegen, da insofern nämlich eine (selbständige; privatrechtliche)
Haftung der Fa. ...[D] – auch – für alle Folgeschäden aus der womöglich auf das Grundstück der Klägerin übergreifenden
Rodungsmaßnahme bestehe. Unbeschadet dessen könne aber ohnehin im Rahmen des vorliegenden
Streitgegenstandes schon keine – umso weniger drittschützende – Amtspflichtverletzung durch Forstoberinspektor ...[C]
festgestellt werden; es liege im Ausgangspunkt im Zusammenhang mit dessen Anordnungen auf der Parzelle Nr. 27
schon kein – umso weniger schadensursächlicher – Verstoß gegen die Grundsätze einer ordnungsgemäßen
Forstwirtschaft vor. Die von der Klägerin weiterverfolgten Randschäden beträfen das „allgemeine Risiko“ jedes Wald-
besitzers; die Eigentümerin der Nachbarparzelle hätte nämlich jederzeit von der Klägerin ungehindert ihre Parzelle
„kahlschlagen können und dürfen“.
Der Senat hat Beweis erhoben aufgrund der Beweisbeschlüsse vom 17. Juni 2009 (Bl. 207/208 GA) und vom 4. Januar
2010 (Bl. 262/263 GA) durch Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens sowie durch ergänzende
Anhörung des Sachverständigen und durch Vernehmung von Zeugen. Hinsichtlich des Ergebnisses der
Beweisaufnahme wird auf das Sachverständigengutachten vom 19. Oktober 2009 (Bl. 230 f. GA) sowie die
Sitzungsniederschriften vom 24. März 2010 (Bl. 305 ff. GA) und vom 7. Juli 2010 (Bl. 353 ff. GA) Bezug genommen.
II.
Die Berufung ist zulässig und auch begründet.
Die Klägerin kann von dem beklagten Land wegen der übermäßigen Durchforstung der Nachbarparzelle (Gemarkung
...[X] Flur 52 Nr. 27) im Juni/Juli 2005 und der hierdurch bewirkten nachteiligen forstwirtschaftlichen Folgen für die
Waldparzelle der Klägerin (Gemarkung ...[X] Flur 52 Nr. 28) Schadensersatz und weitergehende Feststellung der
Schadensersatzpflicht in dem aus dem Tenor des Senatsurteils ersichtlichen Umfang verlangen (§ 839 BGB i.V.m. Art. 34
GG; § 34 Abs. 1 des Landeswaldgesetzes – LWaldG — vom 30. November 2000 [GVBl. S. 504; BS 790-1]).
1. Der hoheitlich handelnde Forstoberinspektor ...[C] hat bei den zur Vorbereitung der (maschinellen)
Durchforstungsmaßnahme auf der Waldparzelle Nr. 27 getroffenen Anordnungen eine ihm gegenüber der Klägerin
obliegende Amtspflicht schuldhaft verletzt und hierdurch die Grundlage für zwischenzeitlich bereits eingetretene oder mit
Wahrscheinlichkeit zukünftig noch eintretende Vermögensschäden hinsichtlich des Bestandes des Privatwaldes der
Klägerin auf der Parzelle Nr. 28 gelegt.
a) Forstoberinspektor ...[C] ist bei den forstwirtschaftlichen Maßnahmen auf der Parzelle Nr. 27 in seiner Eigenschaft als
für die Betreuung des Privatwaldes berufener Beamter des zuständigen staatlichen Forstamtes tätig geworden. Er
handelte demzufolge, was das beklagte Land recht verstanden auch nicht in Abrede gestellt hat, in Ausübung eines ihm
anvertrauten öffentlichen Amtes.
Der Privatwald (i.S.d. § 2 Nr. 3 LWaldG) kann grundsätzlich durch die Waldbesitzenden (i.S.d. § 3 Abs. 5 LWaldG) selbst
bewirtschaft werden, wenn sie selbst über ausreichende Kenntnisse für die ordnungsgemäße Bewirtschaftung verfügen
oder sich Dritter mit entsprechenden Kenntnissen bedienen (§ 9 Abs. 7 LWaldG). Das zuständige Forstamt kann aber auf
Wunsch der Waldbesitzenden diese bei den Betriebsarbeiten anleiten und unterstützen (§ 31 Abs. 1 LWaldG) sowie –
insofern gebührenpflichtig – fallweise oder ständig bei der Waldbewirtschaftung mitwirken (§ 31 Abs. 2 LWaldG). Bei
dieser Tätigkeit handelt es sich um eine hoheitliche Tätigkeit der Forstbehörden (arg. e § 34 Abs. 1 LWaldG), was das
beklagte Land durch den auf der Grundlage des Besonderen Gebührenverzeichnis der Landesforstverwaltung (LVO vom
11. Dezember 2001 [GVBl. 2002 S. 49; BS 2013-1-28]) erlassenen gegenständlichen Gebührenbescheid vom 27.
Oktober 2005 (Bl. 93 GA) auch eindeutig dokumentiert hat.
b) Die hier in Rede stehende (forstaufsichtliche) Tätigkeit im Rahmen der Mitwirkung bei der Bewirtschaftung des
Privatwaldes der ehemaligen Eigentümerin ...[B] stellt sich auch als Amtspflichtverletzung dar. Die von Forstoberinspektor
...[C] eigenverantwortlich übernommene Auszeichnung des zu fällenden Baumbestandes wie der zum Einsatz eines
Harvesters notwendigen Rückegassen auf der Parzelle Nr. 27 entsprach unter den gegebenen örtlichen Verhältnissen
nicht den Grundsätzen ordnungsgemäßer und nachhaltiger Forstwirtschaft i.S.d. §§ 5, 6 LWaldG. Zu dieser Feststellung
gelangt der Senat auf der Grundlage der im zweiten Rechtszug durchgeführten Beweisaufnahme.
aa) Gegenstand des Klagebegehrens waren von Beginn an gerade die nachteiligen Folgen der „intensiven“
Durchforstung der Waldparzelle Nr. 27 für den Bestand des benachbarten Privatwaldes der Klägerin und dessen künftige
forstwirtschaftliche Nutzung („Öffnung des Bestandes im Grenzbereich“; Klageschrift Seite 4 ff. – Bl. 4 ff. GA). Die – als
solche unstreitige – unrechtmäßige Inanspruchnahme des Grenzbereichs der Parzelle Nr. 28 im Zuge der
Durchforstungsmaßnahme im Sommer 2005 – Fällen von acht Fichten – mag sich als Ausschnitt aus dem weit
verstandenen Lebenssachverhalt darstellen; der entsprechende Vermögensschaden der Klägerin war indessen –
unstreitig – bereits abgegolten. Das landgerichtliche Erkenntnis, das sich gleichwohl allein mit dem Vorwurf der
Anordnung von Rodungsmaßnahmen auf der Klägerparzelle („eigenmächtige Kennzeichnung von 8 Bäumen, die gefällt
worden sind“) auseinandersetzt, hat damit – was die Berufung mit Recht beanstandet hat – das Parteivorbringen, auch
nicht auf die (eindeutige) Klarstellung im nicht nachgelassenen Schriftsatz der Klägerin vom 27. November 2008 (Bl. 78
ff. GA), nicht ansatzweise ausgeschöpft und die insofern gebotenen tatsächlichen und rechtlichen Feststellungen
verfahrensfehlerhaft unterlassen. Dies war im zweiten Rechtszug nachzuholen.
bb) Der Sachverständige ...[F] (Gutachten vom 19. Oktober 2009; Anhörung vom 24. März 2010) hat sich ausdrücklich
den zeitnäheren Erkenntnissen des Privatgutachters ...[A] im Gutachten aus Dezember 2007 (s. dort insb. auch die
Überflug-Lichtbilder aus Juni/Juli 2005 [Anhang zum Privatgutachten ...[A] aus Dezember 2007]) angeschlossen. Er hat
im Besonderen die zugrunde gelegte Anknüpfungstatsache
— Entnahme einer Holzmasse von 263,46 Efm [Erntefestmeter] = 198,08 Efm/ha im Rahmen der (streitgegenständlichen)
Durchforstungsmaßnahme im Juni/Juli 2005 aus dem vorhandenen Baumbestand der Parzelle Nr. 27 (...[B])
(Verkaufsabrechnung vom 2. August 2005 [Anhang 3 zum Privatgutachten ...[A] aus Dezember 2007]) —
überprüft und bestätigt. Auf dieser tatsächlichen Grundlage ist er ebenfalls zu der – eigenverantwortlichen –
sachverständigen Feststellung gelangt, dass die Herausnahme einer solch großen Holzmenge in einem – wie hier –
„mittelalten (55-jährige Fichten der I. Ertragsklasse), weit überbestockten und labilen Baumbestand“ und die dadurch
bedingte Schwächung des Bestandsgefüges nicht mehr den Grundsätzen einer ordnungsgemäßen Forstwirtschaft
entsprochen hat. Beim vorgefundenen Bestand – so der Sachverständige – wären vielmehr besondere
Vorsichtsmaßnahmen angezeigt gewesen. Vorliegend wurde der ehedem vorhandene Bestockungsgrad von 1,38 (S. 7
des Privatgutachtens ...[A] aus Dezember 2007) durch einen einzigen Durchforstungseingriff um nahezu 40 v.H.
abgesenkt – dies wäre allenfalls bei einer Streckung der forstwirtschaftlichen Maßnahme über einen Zeitraum von rund 5
Jahren verantwortbar gewesen (jeweils 50 bis max. 60 Efm/ha pro Jahr).
Der Senat schließt sich den in sich schlüssigen, auf gefestigte Tatsachen gegründeten und überzeugenden
Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen vollinhaltlich an. Die Einwendungen des Beklagten gegen die
Begutachtung, im Besonderen die vom Sachverständigen zugrunde gelegten Anknüpfungstatsachen, dringen nicht
durch. Die Zeugen ...[D] (Mitinhaber des beauftragen Einschlagsunternehmens) und ...[E] (ausführender
Subunternehmer) haben, ohne dass Bedenken gegen ihre Glaubwürdigkeit vorgebracht oder auch nur ersichtlich
wurden, im Aussagekerngehalt übereinstimmend bekundet, dass im Zusammenhang mit der hier streitgegenständlichen
Durchforstung (allein) aus der Waldparzelle Nr. 27 der ehemaligen Eigentümerin ...[B] – unter Befolgung der
vorgefundenen Auszeichnungen und unter Einsatz eines Harvesters – eine Holzmenge von jedenfalls mehr als 260 Efm
herausgenommen wurde.
Es ist unstreitig und im Übrigen auch durch das Ergebnis der Beweisaufnahme vor dem Senat nochmals bestätigt
(Zeugen ...[D] und ...[E]), dass Forstoberinspektor ...[C] zur Vorbereitung des hier gegenständlichen
Durchforstungseingriffs die Auszeichnungen des Waldbestandes auf der Parzelle Nr. 27 sowie der hierzu notwendigen
(sechs bis sieben) Rückegassen vorgenommen hat (s. auch die erstinstanzliche Bekundung des Zeugen ...[C] [Protokoll
vom 18. November 2008, Seite 6 ff; Bl. 66 ff. GA] sowie seine Bekundung im Parallelverfahren [Abschrift Bl. 281 ff. GA]).
Ob darüber hinaus weitere Rückegassen (im Grenzbereich zu den Parzellen Nr. 26 und 28) angelegt wurden, ist für den
vorliegenden Streitgegenstand ohne Belang; daraus resultierende Holzentnahmen liegen weder den sachverständigen
noch den sich hierauf stützenden Feststellungen des Senats zugrunde. Es kann auch dahinstehen, ob bereits der
(maschinelle) Einsatz des Harvesters hier (amts-)pflichtwidrig war und ein anderes „Holzernteverfahren“, etwa der
Einsatz eines Pferdefuhrwerks, hätte vorgeschlagen müssen (s. dazu die Bekundung des Privatgutachters ...[A] im
Parallelverfahren [Protokollabschrift Bl. 277 ff. GA]). Jedenfalls hätten Ausmaß des Durchforstungseingriffs und
Arbeitsgeräte aufeinander abgestimmt werden müssen (zur Frage eines etwaigen „Beurteilungsspielraums“ s. sogleich
sub II.1.d.).
Es steht des Weiteren nach der Bekundung der Zeugen ...[D] und (insbesondere) ...[E] zur Überzeugung des Senats fest,
dass die eigenverantwortlich übernommene – wie dargelegt amtspflichtwidrige – (öffentlich-rechtliche) Dienstleistung
des staatlichen Forstamts im Zuge der Bewirtschaftung des Privatwaldes ...[B] (§§ 31 Abs. 2, 34 Abs. 1 LWaldG) die
letztlich entscheidende Grundlage für den – übermäßigen – Durchforstungseingriff und die dadurch bewirkte „massive
Öffnung“ mit der hieraus folgenden „besonders hohen Wind- und Sturmanfälligkeit“ des Waldbestandes auf der Parzelle
Nr. 27 war (zur Schadenskausalität s. sogleich sub II.1.e.). Nach der Bekundung des Zeugen ...[E] hat dieser, nach
(telefonischer) Rücksprache mit Forstoberinspektor ...[C] und dessen ausdrücklicher Freigabe, sogar ein noch stärkeres
Ausmaß der Durchforstung abgemildert. Hierin lag keinesfalls ein „Exzess“ des ausführenden Unternehmens respektive
der Eigentümerin ...[B] als verantwortlicher (privatrechtlicher) Auftraggeberin mit dementsprechender Entlastungswirkung
für den handelnden Amtsträger. Der Subunternehmer hat die exekutiven Vorgaben hier nämlich gleichsam als (jedenfalls
faktischer) „verlängerter Arm“ des zuständigen Forst(aufsichts-)amts im Rahmen des ihm von Forstoberinspektor ...[C]
bewusst überlassenen Handlungsspielraums unverändert umgesetzt. Bei dieser Sachlage findet sich zur Annahme einer
etwaigen (vertraglichen und/oder deliktischen) Schadensersatzverpflichtung der Einschlagunternehmen gegenüber der
Klägerin in Ansehung des hier streitgegenständlichen Vermögensschadens keine tatsächliche Grundlage. Das
Verweisungsprivileg des § 839 Abs. 1 Satz 2 BGB vermag daher nicht einzugreifen.
c) Die soeben herausgearbeiteten Amtspflichten des Forst(aufsichts-)beamten im Rahmen der Mitwirkung bei der (Privat-
)Waldbewirtschaftung bestehen nicht allein im Allgemeininteresse, sondern nach ihrem Schutzweck gerade auch im
Interesse der benachbarten Waldbesitzer an einer ordnungsgemäßen, nachhaltigen und umweltverträglichen sowie nicht
zuletzt auch die absoluten Rechtsgüter i.S.d. § 823 Abs. 1 BGB achtenden Waldbewirtschaftung (vgl. allgemein zur
Drittgerichtetheit der Amtspflicht Wurm in: Staudinger, BGB, Neubearbeitung 2007, § 839 Rn. 170 ff.). Der
Landesgesetzgeber hat in § 10 Abs. 1 Satz 1 LWaldG deutlich gemacht, dass bei der Waldbewirtschaftung stets auf eine
Vermeidung von Schäden an Nachbargrundstücken Bedacht zu nehmen ist; insofern findet auch das Eigentumsrecht
(Art. 14 GG/Art. 60 LV; § 903 BGB) seine Schranken. Zu Unrecht meint die Berufung daher, die Eigentümerin der
Nachbarparzelle habe jederzeit (sc. ohne Rücksicht auf die Grundstücksnachbarn) ihren Privatwald „kahlschlagen
können und dürfen“. Im Gegenteil hatte (zumal) der von Amts wegen zur Forstaufsicht (§ 34 LWaldG) berufene
Forstbeamte bei der Planung und Anleitung der Waldbewirtschaftung (Durchforstung) auch die gegenwärtigen und
künftigen Auswirkungen insbesondere auf die unmittelbar benachbarten Parzellen zu bedenken und in sachgerechter
Weise zu berücksichtigen (s. auch BGH NJW 1984, 2216).
d) Der handelnde Forstbeamte hat die besagte Amtspflicht auch schuldhaft, nämlich zumindest fahrlässig, verletzt. Die
Sicherung einer ordnungsgemäßen, nachhaltigen, planmäßigen und sachkundigen Waldbewirtschaftung rechnet zu den
Grundanforderungen des von ihm zu versehenden Revier- und Betreuungsdienstes. Die Gefahrenlage für den
Baumbestand auf der Nachbarparzelle war bei entsprechender Sorgfalt erkennbar und vermeidbar (vgl. allg. zur
„forstwirtschaftlichen Erkenntnismöglichkeit“ Senatsurteil vom 14. Februar 2001 – 1 U 1161/99 - = BeckRS 2001,
30161849). Es erscheint eher fraglich, kann aber hier letztlich dahinstehen, ob im Zuge der Anordnung/Auszeichnung
von Durchforstungsmaßnahmen hinsichtlich der Bestimmung der Grundsätze der ordnungsgemäßen Forstwirtschaft –
wie die Berufung in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat vorgebracht hat – ein (insofern gerichtlich nicht oder
allenfalls eingeschränkt überprüfbarer) Beurteilungsspielraum zuzubilligen ist (vgl. allg. Stein/Itzel/Schwall,
Praxishandbuch des Amts- und Staatshaftungsrecht, 2005, Rn. 43 ff.). Der im Streitfall inkriminierte Pflichtverstoß (s.
soeben sub II.1.b.bb.) lag jedenfalls keinesfalls mehr im Rahmen eines wie auch immer noch als vertretbar
hinzunehmenden (umweltrechtlichen) Prognoserisikos. Nur folgerichtig hat sich Forstoberinspektor ...[C] nach seiner
eigenen Bekundung denn auch gegenüber Frau ...[B] für den Einsatz der Holzerntemaschinen und die destabilisierende
Wirkung der angelegten Rückegassen ausdrücklich entschuldigt (Protokoll vom 18. November 2008, Seite 8; Bl. 68 GA);
im Parallelverfahren hat er deutlich gemacht, dass er sich des Risikos der „Bearbeitung eines länger nicht durchforsteten
Bestandes mittels eines Harvesters und Rückgasse(n)“ vor der Auszeichnung vollauf bewusst war (Protokollabschrift Bl.
282 GA).
e) Aufgrund der sachverständigen Feststellung(en) kann schließlich auch der (haftungsausfüllende)
Ursachenzusammenhang mit dem hier von der Klägerin geltend gemachten Schaden bejaht werden. Danach hat die
streitgegenständliche Durchforstungsmaßnahme eine „erhöhte Windwurfgefahr“ gerade auch für die Nachbarparzelle Nr.
28 der Klägerin, namentlich deren Randbereich zur Parzelle Nr. 27 (...[B]), hervorgerufen. Der gerichtliche
Sachverständige ...[F] (Anhörung Bl. 306 f. GA) hat sich insofern ausdrücklich den Erkenntnissen und Schlussfolgerungen
des Privatgutachters ...[A] angeschlossen („Massive Öffnung des Bestandes […] in Teilen in Hauptwindrichtung führte zu
einer sehr starken [vermeidbaren] Schwächung des Bestandsgefüges und bedingt[e] in der Folge eine besonders hohe
Wind- und Sturmanfälligkeit“). Bei einer ordnungsgemäßen Durchforstungsmaßnahme auf der Nachbarparzelle – so
versteht der Senat (wie auch in der mündlichen Verhandlung offengelegt) die Gesamtheit der sachverständigen
Äußerungen – wäre es nicht zu dessen schlussendlich vollständiger Rodung und damit zur seither schutzlosen Öffnung
der Klägerparzelle gegenüber den Einwirkungen von Sonne und Wind gekommen; es wäre dann auch nicht das
„Absinken der Zuwachsleistung“ (Minderung der künftigen Holzproduktion) zu besorgen gewesen (§ 287 ZPO). Auf die
von der Berufung hier kurz thematisierte Frage nach der vormaligen Ausbildung eines sog. Innentraufs (Schriftsatz vom
16. Februar 2010; Bl. 269 ff. GA) kommt es nicht entscheidend an.
Die Klägerin hat den demzufolge bereits eingetretenen „Randschaden“ an ihrer Waldparzelle (Stand: Ende
2007) – auf der Grundlage der Feststellungen und Berechnungen im Privatgutachten ...[A] aus Januar 2008 –
nachvollziehbar in Höhe von 820,06 € beziffert (Reduktionsfaktor 0,71; 55-jährige Fichten der Ertragsklasse I; Basis 1,0
lfm Südrand). Die von der Fa. ...[D] der Klägerin erteilte Gutschrift in Höhe von 200,00 € steht nicht im Zusammenhang mit
dem streitgegenständlichen Vermögensschaden (s. sub II.1.b.aa.) und ist daher nicht anzurechnen; die bei der
Berechnung angesetzte Umtriebszeit von 100 Jahren (Seite 11 des Privatgutachtens ...[A] aus Januar 2008) ist plausibel
(„mittelalte Fichten“), im Übrigen aber auch nicht durch konkreten Sachvortrag der Beklagten zu Besonderheiten des
Baumbestandes auf der Klägerparzelle erschüttert (§ 287 ZPO).
Baumbestandes auf der Klägerparzelle erschüttert (§ 287 ZPO).
Die Kosten der Privatbegutachtung ...[A] in Höhe von insgesamt 2.472,77 € sind insgesamt als Aufwand für
eine zweckentsprechende Rechtsverfolgung erstattungsfähig. Die betreffenden Gutachten waren – wie das Verfahren vor
dem Senat gezeigt hat – zur Schadens- und Ursachermittlung geeignet und brauchbar; der von der Klägerin mitgeteilte
Aufwand erscheint dem Senat auch nicht unangemessen hoch (§ 287 ZPO). Eine Ersatzpflicht besteht – entgegen der
Auffassung der Beklagten – ohnehin auch für den Fall, dass die Abrechnung des Privatgutachters übersetzt sein sollte.
Es kann dem Geschädigten nämlich regelmäßig nicht angesonnen werden, Kostenansätze des Gutachters vorab am
Markt zu vergleichen (vgl. OLG Naumburg NJW-RR 2006, 1029 f.; Palandt/Grüneberg, BGB, 69. Auflage 2010, § 249 Rn.
58).
Der Zinsausspruch rechtfertigt sich aus §§ 286 Abs. 1 Satz 1, 288 Abs. 1 BGB (Zahlungsaufforderung Bl. 11 ff. GA).
2. Der Erörterung weiterer – von der Klägerin ausdrücklich auch nicht geltend gemachter – Anspruchsgrundlagen
(enteignungsgleicher Eingriff; § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB in analoger Anwendung) bedarf es nach alledem nicht mehr.
3. Der Feststellungsantrag ist gemäß § 256 Abs. 1 ZPO zulässig und auch begründet. Nach dem Ergebnis der
Beweisaufnahme bejaht der Senat – auch – die Wahrscheinlichkeit (weiterer) zukünftiger Vermögensschäden am
Baumbestand der Waldparzelle Nr. 28 der Klägerin als Folge der – wie vorliegend festgestellt – im Sommer des Jahrs
2005 amtspflichtwidrig angeordneten Durchforstung der Nachbarparzelle Nr. 27 („Hiebsmaßnahme“). Deren Eintritt und
Haftungszusammenhang bedarf dann jeweils, gegebenenfalls im nachfolgenden Leistungsprozess, des konkreten
Nachweises.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht
auf §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.
IV.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor. Die Rechtssache betrifft die Entscheidung in einem
Einzelfall und hat weder grundsätzliche Bedeutung (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO) noch ist der Streitfall zur Fortbildung
des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs zu
eröffnen (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ZPO).
V.
Der Streitwert für den Berufungsrechtszug wird gemäß §§ 47 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1, 48 Abs. 1 Satz 1 GKG i.V.m. § 3
ZPO festgesetzt auf
6.000 Euro.
Dennhardt Dr. Cloeren Schneider
ROLG Schneider ist urlaubsbedingt verhindert zu unterschreiben
Dennhardt