Urteil des OLG Koblenz vom 15.11.2007

OLG Koblenz: rechtliche qualifikation, unerlaubte handlung, rechtskraft, sozialversicherung, feststellungsklage, säumnis, zahlungsfähigkeit, firma, fälligkeit, rechtsgrundlage

Insolvenzrecht
Vollstreckungsrecht
OLG
Koblenz
15.11.2007
6 U 537/07
1. Widerspricht der Schuldner der rechtlichen Einordnung einer als "Forderung aus vorsätzlich begangener unerlaubter
Handlung" zur Insolvenztabelle angemeldeten, bereits durch ein Versäumnisurteil rechtskräftig titulierten Forderung, so
kann der Gläubiger Klage auf Feststellung des Forderungsgrundes erheben.
2. Ein rechtskräftiges Versäumnisurteil bindet das Gericht des Feststellungsprozesses hinsichtlich des
Forderungsgrundes auch dann nicht, wenn die dem Zahlungstitel zugrunde liegende Klage auf eine
Anspruchsgrundlage Bezug genommen hat, die eine vorsätzlich begangene unerlaubte Handlung voraussetzt, und eine
andere Anspruchsgrundlage nicht in Betracht kommt.
Geschäftsnummer:
6 U 537/07
4 O 322/05
LG Mainz
Verkündet
am 15. November 2007
Wetzlar, Justizsekretärin
als Urkundsbeamtin der
Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
M… W…,
Beklagter und Berufungskläger,
- Prozessbevollmächtigter : Rechtsanwalt
g e g e n
A…
Klägerin und Berufungsbeklagte,
- Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte
Der 6. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Koblenz hat durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Sartor, den
Richter am Oberlandesgericht Ritter und die
Richterin am Oberlandesgericht Dr. Metzger
auf die mündliche Verhandlung vom 25.10.2007
für R e c h t erkannt:
1. Auf die Berufung des Beklagten wird das am 12.03.2007 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 4. Zivilkammer
des Landgerichts Mainz abgeändert und die Klage abgewiesen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder
Hinterlegung in Höhe von 120 % des
aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung in Höhe von 120
% des jeweils zu
vollstreckenden Betrages Sicherheit leistet.
4. Die Revision wird zugelassen.
5. Der Gegenstandswert für das Berufungsverfahren wird auf 16.308,54 €
festgesetzt.
G r ü n d e :
I.
Der Beklagte wendet sich gegen die Feststellung des angefochtenen Urteils, dass eine bereits anderweitig titulierte
Forderung der Klägerin gegen ihn auf einer vorsätzlich begangenen, unerlaubten Handlung beruht.
Der Beklagte war in der Zeit von 15.11.1996 bis 15.03.1997 alleinvertretungsberechtigter Geschäftsführer der Firma H...
H… GmbH (im folgenden: H... GmbH). Für die dort beschäftigten Arbeitnehmer wurden im vorbezeichneten Zeitraum
keine Arbeitnehmerbeiträge zur Sozialversicherung an die Klägerin abgeführt. Am 24.03.1997 stellte der Beklagte für die
H... GmbH Insolvenzantrag.
Am 13.08.2001 erhob die Klägerin gegen den Beklagten beim Landgericht Gera Klage auf Zahlung der
Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung für die H... GmbH in den Monaten Oktober 1996 bis Februar 1997, wobei die
Klägerin ihre Klage auf die Bestimmungen der §§ 823 Abs. 2 BGB, 266a StGB stützte. Das Landgericht Gera verurteilte
den Beklagten mit Versäumnisurteil vom 22.05.2002 (3 O 1869/01 LG Gera), das er rechtskräftig werden ließ,
antragsgemäß, an die Klägerin 16.308,54 € zu zahlen.
Am 05.08.2004 eröffnete das Amtsgericht Worms das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Beklagten. Im Rahmen
dieses Insolvenzverfahrens hat die Klägerin die titulierte Forderung in Höhe von 16.308,54 € angemeldet. Der Beklagte
hat nur gegen die Qualifizierung der Forderung als aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung
Widerspruch erhoben. Diese rechtliche Qualifizierung begehrt die Klägerin im vorliegenden Rechtsstreit.
Sie hat in erster Instanz vorgetragen, an der erstrebten Feststellung, der das rechtskräftige Versäumnisurteil nicht
entgegenstehe, habe sie ein rechtliches Interesse aufgrund der Bestimmung des § 302 Nr. 1 InsO zur
Restschuldbefreiung sowie wegen des Vollstreckungsprivileges aus § 850f Abs. 2 ZPO. Die Rechtskraft des
Versäumnisurteils erfasse auch die Qualifizierung der Forderung. Jedenfalls habe der Beklagte den Tatbestand des §
266a StGB verwirklicht, indem er trotz Zahlungsfähigkeit der H... GmbH die fälligen Arbeitnehmerbeiträge zur
Sozialversicherung nicht an sie – die Klägerin – abgeführt habe. Die Zahlungsfähigkeit der H... GmbH im strafrechtlichen
Sinne ergebe sich daraus, dass in den in Rede stehenden Monaten noch Löhne und Gehälter an die Mitarbeiter
ausgezahlt worden seien.
Die Klägerin hat beantragt,
festzustellen, dass ihre Forderung gegen den Beklagten in Höhe von 16.308,54 € wegen nicht abgeführter
Arbeitnehmeranteile zu den Sozialversicherungsbeiträgen für die Mitarbeiter der Firma H... H… GmbH für den Zeitraum
von Oktober 1996 bis Februar 1997 auf einer vorsätzlich begangenen, unerlaubten Handlung beruht.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hat insbesondere geltend gemacht, die Rechtskraft des Versäumnisurteils erstrecke sich nicht auf den Rechtsgrund
der zugesprochenen Forderung. Da die H... GmbH von Oktober 1996 bis März 1997 zahlungsunfähig gewesen sei – sie
habe auch keine Löhne und Gehälter gezahlt -, sei es ihm unmöglich gewesen, die Arbeitnehmeranteile zur
Sozialversicherung abzuführen.
Das Landgericht hat Beweis erhoben über die Zahlung von Löhnen durch die H... GmbH. Mit am 12.03.2007 verkündeten
Urteil hat das Landgericht antragsgemäß festgestellt, dass die Forderung der Klägerin gegen den Beklagten in Höhe von
16.308,54 € wegen nicht abgeführter Arbeitnehmeranteile zu den Sozialversicherungsbeiträgen für die Mitarbeiter der
Firma H... H… GmbH für den Zeitraum von Oktober 1996 bis Februar 1997 auf einer vorsätzlich begangenen,
unerlaubten Handlung beruht. Die Rechtskraft des Versäumnisurteils des Landgerichts Gera erfasse, so das Landgericht,
auch die rechtliche Einordnung der Forderung; an einer abweichenden Qualifizierung sei das Gericht deshalb gehindert.
Hiergegen wendet sich der Beklagte mit seiner Berufung. Er wiederholt und vertieft sein erstinstanzliches Vorbringen,
sieht insbesondere die rechtliche Einordnung der Forderung nicht von der Rechtskraft des Versäumnisurteils erfasst.
Der Beklagte beantragt,
das am 12.03.2007 verkündete Urteil des Landgerichts Mainz aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das erstinstanzliche Urteil unter Erweiterung und Vertiefung ihrer erstinstanzlichen Darlegungen.
Insbesondere hält es für lebensfremd und unzumutbar, von einem Gläubiger, dessen Forderung bereits rechtskräftig
festgestellt sei, deren nochmaligen Nachweis zu verlangen, zumal die heutige Bestimmung des § 302 Nr. 1 InsO erst
durch Gesetz vom 26.10.2001 eingeführt worden sei.
II.
Die zulässige Berufung des Beklagten hat auch in der Sache Erfolg. Der Feststellungsantrag ist zulässig (nachfolgend
1.), aber unbegründet, weil weder aufgrund des Versäumnisurteils des Landgerichts Gera vom 22.05.2002 rechtskräftig
feststeht noch aus anderen Gründen festzustellen ist, dass die Forderung der Klägerin auf vorsätzlich unerlaubter
Handlung beruht (nachfolgend 2.).
1.
Der Feststellungsantrag der Klägerin ist zulässig, insbesondere steht der Klägerin ein rechtlich anerkennenswertes
Interesse im Sinne des § 256 Abs. 1 ZPO an der begehrten Feststellung zu. Die Qualifikation der streitigen Forderung der
Klägerin als einer Forderung aus vorsätzlich unerlaubter Handlung ist für deren Rechtsstellung in zweierlei Hinsicht
vorteilhaft: Zum einen werden Forderungen aus vorsätzlich unerlaubter Handlung von der Bewilligung einer etwaigen
Restschuldbefreiung nicht erfasst (§ 302 Nr. 1 InsO). Zum anderen unterliegt die - mithin ungeachtet einer etwaigen
Restschuldbefreiung eröffnete - Einzelzwangsvollstreckung nach Abschluss des Insolvenzverfahrens dem
Vollstreckungsprivileg des § 850f Abs. 2 ZPO.
Beide Gesichtspunkte begründen bereits zum jetzigen Zeitpunkt ein Feststellungsinteresse der Klägerin, wenngleich
dem Beklagten eine Restschuldbefreiung bislang nicht erteilt worden ist und selbst im Falle einer Restschuldfreiung noch
im Rahmen einer Vollstreckungsgegenklage (§ 767 ZPO) geklärt werden könnte, ob die titulierte Forderung durch die
Restschuldbefreiung entfallen ist.
Das OLG Hamm hat die Auffassung vertreten, das bloße Interesse (dort: des Schuldners), frühzeitig Klarheit darüber zu
gewinnen, ob die streitige Forderung von der Restschuldbefreiung erfasst werde oder nicht, werde durch die insoweit
eindeutige Bestimmung des § 184 InsO während des Insolvenzverfahrens gesetzlich nicht anerkannt. Widerspreche der
Schuldner nur der rechtlichen Qualifikation der Forderung als einer solchen aus vorsätzlicher unerlaubter Handlung, sei
die Forderung selbst nicht streitig, eine Feststellungsklage mithin unzulässig. Der Schuldner könne sich im Falle einer
Vollstreckung mit der Klage aus § 767 ZPO wehren und einwenden, die Forderung sei durch die ihm erteilte
Restschuldbefreiung erloschen (OLG Hamm, Beschl. v. 15.10.2003 – 13 W 42/03 -, ZIP 2003, 2311).
Ob dem für den Fall einer negativen Feststellungsklage des Schuldners zu folgen wäre, bedarf vorliegend keiner
Entscheidung. Jedenfalls einer positiven Feststellungsklage des Gläubigers kann das Rechtsschutzbedürfnis nicht unter
Hinweis auf die Möglichkeit einer späteren Klärung des Rechtsgrundes im Rahmen einer Vollstreckungsgegenklage
abgesprochen werden. Dies wäre dem Gläubiger – der auch im Rahmen der Vollstreckungsgegenklage die Beweislast
dafür trägt, dass der Forderung eine unerlaubte Handlung zugrunde liegt - schon aufgrund der Gefahr zwischenzeitlichen
Beweismittelverlustes nicht zuzumuten. Der Widerspruch des Beklagten gegen die Einordnung der Forderung als einer
solchen aus vorsätzlich begangener unerlaubter Handlung macht bereits jetzt deutlich, dass dieser eine künftige
Zwangsvollstreckung wegen der Forderung nicht hinzunehmen bereit ist. Sein Verhalten lässt eine
Vollstreckungsgegenklage erwarten, wenn die Klägerin nach Erteilung einer Restschuldbefreiung aus ihrem Titel
vorgeht. Wenn aufgrund konkreter Anhaltspunkte damit zu rechnen ist, dass gegen einen vollstreckbaren Titel
Vollstreckungsgegenklage erhoben werden wird, ist eine ergänzende Feststellungsklage zulässig. Es besteht kein
sachlicher Grund dafür, den Streit über die Rechtsnatur der angemeldeten und trotz des Widerspruches des Schuldners
zur Tabelle festgestellten Forderung auf die Zeit nach Erteilung der Restschuldbefreiung zu verschieben (BGH, Urt. v.
18.05.2006 – IX ZR 187/04 -, NJW 2006, 2922).
Entsprechendes gilt – erst recht - für das von der Klägerin für eine spätere Vollstreckung ins Auge gefasste
Vollstreckungsprivileg des § 850f Abs. 2 ZPO. Eine Herabsetzung des pfändbaren Betrages durch das
Vollstreckungsgericht kommt nur in Betracht, wenn sich das Vorliegen einer vorsätzlich begangenen unerlaubten
Handlung bereits aus dem Titel selbst ergibt; eine eigene materiellrechtliche Prüfungskompetenz steht dem
Vollstreckungsgericht insoweit nach der Aufgabenverteilung zwischen Prozessgericht und Vollstreckungsgericht nicht zu
(BGH, Beschl. v. 26.09.2002 – IX ZB 180/02 -, BGHZ 152, 148; Beschl. v. 26.09.2002 - IX ZB 180/02 -, NJW 2003, 515).
Ergibt sich der Rechtsgrund der Forderung nicht bereits aus dem Titel, bedarf es seiner gesonderten Feststellung durch
das Prozessgericht (BGH, Beschl. v. 26.09.2002 – IX ZB 208/02 -, ZVI 2002, 422); dann besteht aber wiederum keine
Veranlassung, diese Feststellung im Fall eines zwischenzeitlich durchgeführten Insolvenzverfahrens auf die Zeit nach
dessen Abschluss zu verschieben.
2.
Der nach alledem zulässige Feststellungsantrag der Klägerin hat in der Sache keinen Erfolg. Weder aus Gründen der
Rechtskrafterstreckung noch materiell-rechtlich steht fest, dass es sich bei der im Versäumnisurteil des Landgerichts
Gera zugesprochenen Forderung um eine solche aus vorsätzlicher unerlaubter Handlung handelt.
a.
Der Senat hat die begehrte Feststellung nicht bereits deshalb auszusprechen, weil aufgrund der Rechtskraft des
Versäumnisurteils des Landgerichts Gera vom 22.05.2002 im Verhältnis der Parteien zueinander feststünde, dass die
seinerzeit zugesprochene Forderung aus vorsätzlicher unerlaubter Handlung herrührt.
Die Rechtskraft eines Urteils beschränkt sich auf die Rechtsfolge, die aufgrund eines bestimmten Sachverhaltes am
Schluss der mündlichen Verhandlung den Gegenstand der Entscheidung bildet (BGH, Urt. v. 12.01.1987 – II ZR 154/86 -,
WM 1987, 579; Urt. v. 25.02.1985 – VIII ZR 116/84 -, BGHZ 94, 29). Das gilt auch für ein den Rechtsstreit in der Sache
entscheidendes Versäumnisurteil. Es ist in gleicher Weise wie ein streitiges Urteil der Rechtskraft fähig. Zwar ist, um
seinen Rechtskraftgehalt zu erfassen, neben der Urteilsformel gegebenenfalls auch auf den Klageinhalt, also auf das
Vorbringen des Klägers abzustellen (BGH, Urt. v. 12.01.1987 – II ZR 154/86 -, WM 1987, 579; Urt. v. 07.03.1961 – III ZR
19/60 -, BGHZ 35, 338). Damit ist indes keine weiter gehende Rechtskrafterstreckung verbunden, vielmehr dient der
Rückgriff auf das Vorbringen des Klägers beim Versäumnisurteil lediglich der Bestimmung des Lebenssachverhaltes, auf
dem die tenorierte Rechtsfolge beruht, in gleicher Weise, wie dieser Lebenssachverhalt bei einem streitigen Urteil primär
durch den Urteilstatbestand bestimmt wird (Gottwald, in: Münchener Kommentar zur ZPO, 2. Aufl. 2000, § 322 Rn. 80 f.).
Die Rechtskraftbindung des auf eine Leistungsklage ergangenen Urteiles bezieht sich nach der insoweit bewusst
restriktiven gesetzlichen Konzeption (Leipold, in: Stein-Jonas, ZPO, 21. Aufl. 1998, § 322 Rn. 77) nur auf die
Entscheidung des Gerichts über den prozessualen Anspruch. Nicht in Rechtskraft erwachsen nach Überzeugung des
Senates die einzelnen Elemente des Subsumtionsschlusses, insbesondere die Ausführungen zum juristischen Obersatz
des Subsumtionsschlusses: Grundsätzlich sind auch nach Rechtskraft eines Urteils weder die Beteiligten noch die
Gerichte an Erwägungen über die Geltung, Auslegung und konkrete Anwendbarkeit von Rechtsnormen, also die
rechtliche Einordnung des Prozessstoffes gebunden (Gottwald, in: Münchener Kommentar zum BGB, 2. Aufl. 2000, § 322
Rn. 86; Leipold, in: Stein-Jonas, ZPO, 21. Aufl. 1998, § 322 Rn. 81).
Eine Bindung an den rechtlichen Obersatz einer Entscheidung für Folgeverfahren wird insbesondere insoweit erwogen,
als von der Entscheidung über die Art des Anspruches bestimmte Folgen für seine Erfüllung oder Vollstreckung
abhängen, z. B. – wie vorliegend geltend gemacht - für ein Vollstreckungsprivileg wegen solcher Ansprüche nach § 850f
Abs. 2 BGB oder den Fortbestand der Forderung nach einer etwaigen Restschuldbefreiung (§ 302 Nr. 1 InsO), für das
Aufrechnungsverbot gegen Ansprüche aus vorsätzlich unerlaubter Handlung (§ 393 BGB), für die weiteren
vollstreckungsrechtlichen Besonderheiten aus §§ 850a, 850d ZPO oder für die Haftung im Innenverhältnis nach § 1441
Nr. 1 BGB.
Eine aus der Rechtskraft der Entscheidung erwachsende Bindung an die rechtliche Qualifikation der Forderung kommt
von vornherein nur in Betracht, soweit eine gerichtliche Schlüssigkeitsprüfung stattgefunden hat. Sie wird deshalb beim
Vollstreckungsbescheid überwiegend auch dann abgelehnt, wenn die Forderung im Mahnverfahren als eine solche aus
vorsätzlich begangener unerlaubter Handlung bezeichnet wurde (BGH, Urt. v. 18.05.2006 – IX ZR 187/04 -, NJW 2006,
2922; Münchener Kommentar zur ZPO, 3. Aufl. 2007, § 850f Rn. 16 f.; Brehm, in: Stein/Jonas, ZPO, 22. Aufl. 2004, § 850f
Rn. 13). Selbst bei Titeln, die auf ein Erkenntnisverfahren hin ergangen sind, kommt eine Rechtskrafterstreckung auf den
Rechtsgrund der Forderung nur im Rahmen des gerichtlichen Subsumtionsschlusses in Betracht. In einer Vielzahl von
Fällen scheidet deshalb die Rechtskrafterstreckung auf die rechtliche Qualität einer Forderung als einer solchen aus
vorsätzlich unerlaubter Handlung auch bei streitigen Urteilen von vornherein aus. Das ist insbesondere der Fall, wenn
das entscheidende Gericht offengelassen hat, welche von mehreren Anspruchsgrundlagen durchgreift, wenn das
entscheidende Gericht sich mit dem Vorliegen einer unerlaubten Handlung überhaupt nicht auseinandergesetzt hat, weil
es den Anspruch beispielsweise bereits auf vertraglicher oder bereicherungsrechtlicher Grundlage zugesprochen hat,
oder wenn die Schuldform offen geblieben ist, weil für den Klageerfolg die Feststellung mindestens fahrlässigen
Verhaltens genügte. In all diesen Fällen bedarf es, soweit weitergehende Rechtsfolgen gerade an die rechtliche
Qualifikation einer Forderung anknüpfen, folglich ohnehin deren gesonderter Feststellung (Gottwald, in: Münchener
Kommentar zum BGB, 2. Aufl. 2000, § 322 Rn. 87 ff).
Der Senat sieht keine Veranlassung, von den vorbezeichneten Fällen abweichend eine Rechtskrafterstreckung auf die
rechtliche Qualifikation einer Forderung dann anzunehmen, wenn diese im Urteil aufgrund der Bestimmung des § 313b
Abs. 1 S. 1 ZPO keinen Niederschlag gefunden hat, aber – wie vorliegend – der gerichtliche Subsumtionsschluss (bei
korrekter Rechtsanwendung) den argumentativen Weg über eine bestimmte Rechtsgrundlage gegangen sein muss, weil
eine andere Rechtsgrundlage nach Lage der Dinge nicht in Betracht kam. Zum einen gilt die rechtliche Qualifikation
einer Forderung durch den Kläger nicht aufgrund der Geständnisfiktion des § 331 Abs. 1 S. ZPO als zugestanden oder
gar mit der Rechtskraft des Versäumnisurteiles als rechtskräftig festgestellt; denn nach § 331 Abs. 1 S. 1 ZPO ist nur das
tatsächliche mündliche Vorbringen des Klägers – nicht etwa seine Rechtsausführungen – als zugestanden anzunehmen.
Zum anderen ist zwingender Bestandteil der Argumentationslinie einer gerichtlichen Entscheidung auch die Beurteilung
von rechtlichen Vorfragen und präjudiziellen Rechtsverhältnissen, aus denen der Richter den Schluss auf das Bestehen
oder Nichtbestehen der von der Klagepartei beanspruchten Rechtsfolge zieht und für die gleichwohl – zu Recht –
weitestgehend anerkannt ist, dass sie als bloße Urteilselemente nicht selbständig in Rechtskraft erwachsen, wenn nicht
über die Vorfrage auf Zwischenfeststellungsklage (§ 256 Abs. 2 ZPO) hin eine eigene Entscheidung ergangen ist (statt
aller: BGH, Urt. v. 14.07.1995 – V ZR 171/94 -, NJW 1995, 2993; Urt. v. 07.07.1993 – VIII ZR 103/92 -, BGHZ 123, 137,
140; vgl. im einzelnen Gottwald, in: Münchener Kommentar zur ZPO, 2. Aufl. 2000, § 322 Rn. 94 ff.).
Einer solchen, von der restriktiven Grundkonzeption des § 322 ZPO abweichenden Rechtskrafterstreckung auf
präjudizielle Rechtsfragen bedarf es insbesondere nicht zur Wahrung der schutzwürdigen Interessen des Gläubigers.
Ohne Erfolg macht die Klägerin geltend, es sei ihr unzumutbar, ihre bereits rechtskräftig zugesprochene Forderung nun
nochmals nachzuweisen, nachdem der Beklagte im Verfahren vor dem Landgereicht Gera die Feststellung, dass die
Forderung auf einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung beruhte, durch seine Säumnis vereitelt habe. Die
Rechtsauffassung des Senates komme, so meint die Klägerin, einer Einladung an den Schuldner gleich, sich erst in die
Säumnis und dann ins Verbraucherinsolvenzverfahren zu flüchten.
Es steht dem Gläubiger indes nach § 256 Abs. 2 ZPO frei, bereits in dem Verfahren, in dem er seine Forderung erstmals
geltend macht, neben dem Leistungsantrag die Feststellung zu erwirken, dass die Forderung auf einer vorsätzlich
begangenen unerlaubten Handlung beruht (BGH, Beschl. v. 26.09.2002 – IX ZB 180/02 -, BGHZ 152, 148). Schon vor
Erhebung der Klage zum Landgericht Gera im August 2001 war höchstrichterlich anerkannt, dass die Feststellung, der
titulierte Anspruch sei aus dem Gesichtspunkt der vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung gerechtfertigt, ein
Rechtsverhältnis im Sinne des
§ 256 Abs. 1 ZPO
betrifft (BGH, Urt. v. 30.11.1989 – III ZR 215/88 -, BGHZ 109, 275, Rn. 7
bei juris). Auch das Rechtsschutzbedürfnis für eine solche Zwischenfeststellungsklage wäre zu dem hier maßgeblichen
Zeitpunkt bei Erlass des Versäumnisurteils am 22.05.2002 ohne weiteres angenommen worden, weil sich das
Rechtsschutzbedürfnis dafür schon damals aus dem in Betracht kommenden Vollstreckungsprivileg nach § 850f Abs. 2
ZPO ergab. Unerheblich ist deshalb der Einwand der Klägerin, sie habe sich auf die derzeit aktuelle Fassung der §§ 174,
175 InsO seinerzeit noch nicht einstellen können. Im Übrigen geht der Hinweis auf die Änderung der Insolvenzordnung
auch in zeitlicher Hinsicht fehl: Die Bestimmungen der §§ 174, 175 InsO in der heute gültigen Fassung wurden eingeführt
durch Gesetz vom 26.10.2001 (BGBl. I S. 2710) mit Wirkung vom 01.12.2001. Warum die Klägerin außerstande gewesen
sein soll, sich rechtzeitig vor Erlass des Versäumnisurteils am 22.05.2002 durch einen Feststellungsantrag nach § 256
Abs. 2 ZPO auf die neuen Bestimmungen einzustellen, ist nicht ersichtlich. Nicht wegen der Säumnis des Beklagten im
Vorverfahren, sondern weil seinerzeit ein Feststellungsantrag nicht gestellt worden war, bedarf es nun der erneuten
gerichtlichen Überprüfung der Anspruchsvoraussetzungen nach §§ 823 Abs. 2 BGB, 266a StGB.
b.
Schließlich ist auch nicht aus materiell-rechtlichen Gründen davon auszugehen, dass die Forderung eine solche aus
vorsätzlich begangener unerlaubter Handlung ist.
Die Klägerin stützt ihren Anspruch auf die – allein in Betracht kommenden - Vorschriften der §§ 823 Abs. 2 BGB, 266a
StGB. Dem Geschäftsführer einer GmbH, der pflichtwidrig Arbeitnehmerbeiträge zur Sozialversicherung nicht abführt, fällt
ein strafbares und damit haftungsrechtlich relevantes Unterlassen nach allgemeiner Auffassung nur zur Last, wenn ihm
die Abführung der Sozialversicherungsbeiträge im Zeitpunkt der Fälligkeit möglich gewesen wäre, weil die Gesellschaft
noch über liquide Mittel verfügte. War ihm die Abführung der Beiträge im Zeitpunkt der Fälligkeit hingegen wegen
Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft oder aus anderen Gründen tatsächlich unmöglich, so fehlt es an der für die
Annahme eines Unterlassungsdeliktes erforderlichen Möglichkeit normgemäßen Verhaltens (BGH, Urt. v. 16.10.1996 –
VI ZR 319/95 -, BGHZ 133, 370). Dabei ist für die Möglichkeit normgemäßen Verhaltens erforderlich, aber auch
ausreichend, dass der Arbeitgeber überhaupt noch über die zur Abführung der Beiträge erforderlichen Mittel verfügt; ob
er weitere gegen ihn gerichtete Forderungen erfüllen kann, ist hingegen unerheblich (BGH, Urt. v. 15.10.1006 – VI ZR
327/95 -, NJW 1997, 133). Für die Möglichkeit normgemäßen Verhaltens ist im Rahmen des § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. §
266a StGB der Anspruchsteller darlegungs- und beweispflichtig (BGH, Urt. v. 18.04.2005 – II ZR 61/03 -, NJW 2005,
2446; Urt. v. 16.10.1996 – VI ZR 319/95 -, BGHZ 133, 370). Diese Voraussetzungen hat die Klägerin nicht darzutun und
zu beweisen vermocht.
Die Klägerin trägt vor, die H... GmbH sei von Oktober 1996 bis Februar 1997 noch zahlungsfähig gewesen, was sich
bereits daraus ergebe, dass Löhne und Gehälter noch ausgeglichen worden seien. Den ihr obliegenden Beweis der
letztgenannten Behauptung hat sie indes nicht erbracht. Der hierzu klägerseits allein benannte Zeuge O... hat vielmehr
bei seiner Aussage vor dem erstinstanzlichen Gericht die Darstellung des Beklagten bestätigt, er – der Zeuge O... - habe
lediglich Gehaltsabrechnungen erhalten, entsprechende Zahlungen habe es indes nicht gegeben, weshalb er auch das
Schreiben vom 11.03.1997 an die H... GmbH (Bl. 97 GA) unterzeichnet habe. Bei dieser Darstellung ist der Zeuge auch
unter Vorhalt eines an ihn gerichteten Schreibens der Klägerin vom 20.01.2006 (Anlage K7, Bl. 50 GA) geblieben; der
darauf bei der Frage nach Lohnzahlungen handschriftlich angebrachte Vermerk „ja“ stamme nicht von ihm. – Auf eine
gewisse Unsicherheit des Zeugen, bis zu welchem Zeitpunkt ihm letztlich Lohn gezahlt wurde, kommt es nicht an.
Ergiebig im Sinne des von der Klägerin zu erbringenden Beweises erfolgter Zahlungen war seine Aussage jedenfalls
nicht.
Auch andere Zahlungen der H... GmbH in der Zeit von Oktober 1996 bis Februar 1997 hat die Klägerin nicht dargetan.
Abgesehen von der Frage der Gehaltszahlungen beschränkt sich der Sachvortrag der Klägerin darauf, die
Zahlungsfähigkeit der H... GmbH pauschal zu behaupten. Mit einem bloßen, „ins Blaue“ gehaltenen Vortrag genügt die
Klägerin ihrer Darlegungs- und Beweislast für die Voraussetzungen eines Anspruches aus §§ 823 Abs. 2 BGB, 266a
StGB indes nicht. Vielmehr hätte sie aufgrund des zulässigerweise zunächst gleichfalls pauschalen Bestreitens des
Beklagten, den lediglich eine sekundäre Darlegungslast traf, ihrerseits konkret darlegen müssen, an welche(n) andere(n)
Gläubiger in der in Rede stehenden Zeit noch Gelder geflossen sein sollen oder welche finanziellen Mittel noch
vorhanden gewesen sein sollen, aus denen Zahlungen an die Klägerin möglich gewesen wären (BGH, Urt. v. 18.04.2005
– II ZR 61/03 -, NJW 2005, 2546). Weder das eine noch das andere ist näher ausgeführt. Einen entsprechenden Hinweis
hat der Senat in der mündlichen Verhandlung vom 25.10.2007 erteilt (Protokoll, S. 2, Bl. 203 GA), ohne dass die Klägerin
von der Möglichkeit weiteren Vortrages Gebrauch gemacht hätte.
3.
Nach alledem war auf die Berufung des Beklagten das angefochtene Urteil abzuändern und die Klage mit der
Kostenfolge aus § 91 Abs. 1 ZPO abzuweisen.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Die Revision war zuzulassen, weil die Sache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO).
Den Gegenstandswert des Berufungsverfahrens veranschlagt der Senat auf 16.308,54 €, weil angesichts der sich
abzeichnenden Geltendmachung einer etwaigen Restschuldbefreiung durch den Beklagten die Möglichkeit einer
weiteren Vollstreckung aus dem Versäumnisurteil des Landgerichts Gera vom 22.05.2002 mit der angegriffenen
Feststellung „steht und fällt“.
Sartor Ritter Dr. Metzger