Urteil des OLG Koblenz vom 27.01.2003

OLG Koblenz: beweisverfahren, kostenvoranschlag, wertminderung, zustand, halle, sachverständigenkosten, prozess, beweissicherung, reparaturkosten, begriff

Kostenrecht
OLG
Koblenz
27.01.2003
14 W 15/03
Die Gerichts- und Sachverständigenkosten des selbständigen Beweisverfahrens sind generell als
gerichtliche Kosten des Hauptsacheprozesses zu behandeln.
G r ü n d e:
I.
Beweisverfahren eingeleitet mit dem Ziel, den Zustand einer Halle sowie die Kosten für deren
Renovierung und die Instandsetzung von Glasflächen sachverständig festzustellen. Der Gegenstandswert
für diesen Antrag ist festgesetzt auf 61.096,41 DM (Beschluss vom 05.03.2001 in 1 OH 42/00 LG Mainz).
Das im Verfahren eingeholte Gutachten verhält sich – mangels Sachkunde des Sachverständigen im
Übrigen – nur über die Renovierungskosten, die mit 36.406,51 DM beziffert wurden.
Die Klägerin ist im Beweisverfahren mit Kosten in Höhe von 2.210,80 DM für das Gutachten und 387,50
DM für das Gericht belastet worden.
Im Verfahren hier hat die Klägerin 60.000,-- DM gegen den Beklagten eingeklagt und dazu vorgetragen,
im Hinblick auf die Mängel der Halle – Glasschaden laut Kostenvoranschlag 24.689,90 DM und
Renovierungskosten nach Gutachten im Beweisverfahren 36.406,51 – habe sie sich im Zuge der
Rückgabe des Grundstückes mit der Eigentümerin auf eine Minderung von 60.000,-- DM verständigt, die
ihr der Beklagte zu ersetzen habe. Der Beklagte hat sich gegen die Klage verteidigt.
Die Parteien haben sodann im Termin vom 11.10.2001 einen Vergleich geschlossen, mit dem sich der
Beklagte zur Zahlung von 30.000,-- DM verpflichtet hat. Die Kosten des Rechtsstreits haben sie
gegeneinander aufgehoben.
Den Antrag der Klägerin vom 03.09.2002, die Kosten für Gericht und Gutachten im Beweisverfahren zu
½
gegen den Beklagten festzusetzen, hat die Rechtspflegerin mit dem angefochtenen Beschluss vom
14.11.2002 abgelehnt mit der Begründung, es fehle an einer Identität der Streitgegen- stände von
Beweisverfahren und Hauptverfahren.
II.
Erfolg.
Nach der Legaldefinition des § 92 Abs. 1, Satz 2 ZPO fallen bei Kostenaufhebung die Gerichtskosten jeder
Partei zur Hälfte zur Last. Nur wegen gerichtlicher – nicht außergerichtlicher - Kosten kommt daher eine
Erstattung in Betracht. Das bedeutet, dass dem Antrag der Klägerin entsprochen werden muss,
wenn und
soweit
II.1
damals herrschenden Auffassung entschieden, dass die Sachverständigen- und Gerichtskosten
„Prozessvorbereitungskosten“ seien, mithin außergerichtliche Kosten des Hauptsacheprozesses (JurBüro
1980, 553 und DAR 1987, 379). Er hat diese Auffassung teilweise, jedenfalls für den Fall einer
vereinbarten Kostenaufhebung im Hauptverfahren aufgegeben und für diese spezielle Fallgestaltung eine
Kostenerstattung zugelassen (JurBüro 1990, 59 sowie Senat vom 13.07.1993 in 14 W 451/93).
Für das 1991 neu gestaltete „Selbständige Beweisverfahren“, das viel stärker in den nachfolgenden
oder sogar parallel verlaufenden Hauptsacheprozess eingebunden ist, schließt sich der Senat nun
ausdrücklich der überwiegenden Auffassung an, wonach die Gerichts- und Sachverständigenkosten
des Beweisverfahrens generell als gerichtliche Kosten des Hauptsacheprozesses zu behandeln sind. Die
enge Verknüpfung der Beweiserhebung mit der Hauptsache - vgl. §§ 485 Abs. 1, 486 Abs.1, 493 Abs. 1
ZPO; § 37 Nr. 3 BRAGO - rechtfertigt eine unterschiedliche Behandlung nicht mehr (OLG Karlsruhe,
Rpfleger 1996, 375; Zöller-Herget ZPO, 23. Aufl. § 91 Rn 13, „Selbständiges Beweisverfahren“). Da diese
Auffassung noch immer umstritten ist, und die Festsetzung hiervon abhängt, lässt der Senat die
Rechtsbeschwerde zu (§ 574 Abs. 2, Nr. 2. ZPO).
II.2
erwachsenen Kosten auch solche des Hauptverfahrens. Nicht nur die Parteien, sondern auch die
Streitgegenstände der beiden Verfahren sind identisch.
Der Begriff des Streitgegenstandes ist nicht im technisch prozessualen Sinne zu verstehen. So ist es z.B.
unerheblich, wenn der Antragsteller die behaupteten Mängel, die er im Wege der Beweissicherung klären
lässt, nicht zum Gegenstand einer Klage macht, sondern gegen den vom Antragsgegner erhobenen
Anspruch einwendet (Zöller- Herget a.a.O.; Senat in 14 W 660/01 vom 18.10.2001 und ständig, OLG
Hamm MDR 2000, 790). Maßgeblich erscheint dem Senat, mit welcher
Zielrichtung
betrieben wurde, ob diese eindeutigen Bezug zu dem zu erwartenden Prozess aufweist, zu dem es dann
gekommen ist (Senat in 14 W 54/94 vom 10.02.1994). Ein solcher Prozessbezug ist anzunehmen, wenn
das Hauptsacheverfahren eine konsequente Fortführung des Beweisverfahrens darstellt. Auch dies ist im
Einzelnen umstritten (Nachweise bei Zöller-Herget a.a.O.), gebietet die Zulassung der
Rechtsbeschwerde(§ 574 Abs. 2, Nr. 2. ZPO).
Ein solcher Prozessbezug ist hier insgesamt gegeben. Die Klägerin hat mit dem Beweisverfahren den
Zustand des Mietobjektes im Hinblick auf Glasschäden, die vom Beklagten unterlassenen Reparaturen
und den Beseitigungsaufwand feststellen lassen (Verfahrenswert 61.096,41 DM). Zu einer
Beweiserhebung ist es dann zwar nur zu den Reparaturkosten gekommen, die mit 36.406,51 DM beziffert
wurden, das ist aber nicht entscheidend.
Denn zur Begründung des mit dem Hauptverfahren verfolgten Schadensersatzanspruchs hat sich die
Klägerin – wie im Beweisverfahren - auf das Sachverständigengutachten und auf den zum Glasschaden
vorgelegten Kostenvoranschlag berufen. Dies stellt sich als konsequente Fortführung des schon mit dieser
Zielrichtung eingeleiteten Beweisverfahrens dar, obgleich dazwischen geschaltet die Einigung mit der
Grundstückseigentümerin über die Höhe der Wertminderung durch die Mängel liegt. Denn diese Einigung
war offensichtlich an der Antragstellung und Begründung des Beweisverfahrens orientiert, indem man die
Wertminderung dem Beseitigungsaufwand (Gutachten und Voranschlag) gleichgesetzt hat. Deshalb ist
die Identität der Streitgegenstände gegeben, und der Beschwerde hinsichtlich der Festsetzung von ½ der
Sachverständigen- und Gerichts- kosten stattzugeben. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1
ZPO.
Kaltenbach Dr. Menzel Weller