Urteil des OLG Koblenz vom 26.06.2008

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Immobilienkaufrecht
OLG
Koblenz
26.06.2008
10 U 1327/07
Kein Widerruf des Kaufvertrags wegen fehlender Belehrung bei Abschluss des Darlehensgeschäfts, wenn der
Kaufvertrag bereits vor diesem verbindlich abgeschlossen war und ein verbundenes Geschäft nicht anzunehmen ist.
Geschäftsnummer:
10 U 1327/07
6 O 57/06 LG Mainz
in dem Rechtsstreit
Kläger und Berufungskläger,
- Prozessbevollmächtigter:Rechtsanwalt
g e g e n
Beklagte und Berufungsbeklagte,
- Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte -
Der 10. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Koblenz hat durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Weiss, die
Richterin am Oberlandesgericht Schwager-Wenz und die Richterin am Oberlandesgericht Zeitler-Hetger
am 26. Juni 2008
b e s c h l o s s e n :
Die Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger zu tragen.
G r ü n d e :
Der Kläger erwarb zusammen mit seiner Ehefrau mit notariellem Vertrag vom 10. März 1995 eine Eigentumswohnung in
W… zum Kaufpreis von 255.950 DM. Zur Finanzierung nahmen der Kläger und seine Ehefrau bei der Rechtsvorgängerin
der Beklagten am 13. März 1995 zwei Darlehen über insgesamt 256.000 DM auf. Als Sicherheit wurde eine Grundschuld
über denselben Betrag bestellt, in der eine Unterwerfung unter die sofortige Zwangsvollstreckung sowohl bezüglich des
Grundstücks als auch in das gesamte sonstige Vermögen des Klägers und seiner Ehefrau enthalten ist. Nachdem die
Darlehensraten nicht mehr bezahlt wurden, wurde das Zwangsversteigerungsverfahren eingeleitet, die
Eigentumswohnung letztlich jedoch im freihändigen Verkauf für 155.000 DM veräußert. Die Restforderung aus den
Darlehensverträgen belief sich zum 22. März 2005 auf 121.180,51 €.
Der Kläger, der von seiner Ehefrau zur Geltendmachung der streitgegenständlichen Ansprüche ermächtigt wurde, hat im
vorliegenden Rechtsstreit begehrt, die Zwangsvollstreckung aus der Grundschuldbestellungsurkunde für unzulässig zu
erklären, und daneben die Feststellung, dass der Beklagten aus den Darlehensverträgen keine Ansprüche zustehen. Der
Kläger hat geltend gemacht, der den Wohnungskauf vermittelnde Immobilienmakler habe auch die Abwicklung der
Finanzierung übernommen. Es liege sowohl ein verbundenes Geschäft zwischen dem Darlehensvertrag und dem
Grundstückserwerb vor als auch ein – wirksam widerrufenes – Haustürgeschäft. Jedenfalls habe die Beklagte bzw. deren
Rechtsvorgängerin Aufklärungs- und Fürsorgepflichten ihm und seiner Ehefrau gegenüber verletzt.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, da zu Schadensersatz verpflichtende Handlungen der Rechtsvorgängerin
der Beklagten nicht ersichtlich seien, unabhängig vom Vorliegen eines Haustürgeschäfts jedenfalls kein verbundenes
Geschäft zwischen dem Darlehensvertrag und dem Grundstückserwerb gegeben sei, da es sich um Realkredite
gehandelt habe, und eine eventuell unterlassene Widerrufsbelehrung für die Darlehensverträge nicht kausal für einen
Schaden in Form des Abschlusses des Wohnungskaufvertrages gewesen sein könne.
Mit seiner form- und fristgerecht eingelegten und begründeten Berufung wendet sich der Kläger unter Wiederholung und
Vertiefung seines erstinstanzlichen Sachvortrags gegen das landgerichtliche Urteil. Die Parteien haben sodann am
19. Juni 2008 einen Vergleich gemäß § 278 Abs. 6 Satz 2 ZPO hinsichtlich der Hauptsache geschlossen und dabei die
Kostenentscheidung gemäß § 91 a ZPO dem Gericht übertragen.
Da mit dieser Klausel in dem Vergleich die Parteien zugleich den Rechtsstreit übereinstimmend in der Hauptsache für
erledigt erklärt haben, ist gemäß § 91 a ZPO nur noch über die Kosten des gesamten Rechtsstreits unter
Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen zu entscheiden. Danach sind
vorliegend dem Kläger die gesamten Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen, da er gemäß § 97 ZPO die Kosten des
Berufungsverfahrens und gemäß § 91 ZPO die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens zu tragen gehabt hätte.
Die zulässige Berufung des Klägers wäre ohne das erledigende Ereignis in Form des abgeschlossenen Vergleichs ohne
Erfolg gewesen. Das Landgericht hat mit zutreffender Begründung, auf die zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug
genommen wird, die Klage abgewiesen. Auch der Berufungsvortrag rechtfertigt keine andere Bewertung der Sach- und
Rechtslage. Aus dem von dem Kläger zitierten Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 20. Oktober 2005 ergibt sich,
dass unter anderem Voraussetzung für eine Haftung der Beklagten wäre, dass der Kläger als Verbraucher bei
rechtzeitiger Belehrung über das ihm zustehende Widerrufsrecht hinsichtlich des Darlehensvertrages es hätte vermeiden
können, sich den mit der Kapitalanlage verbundenen Risiken auszusetzen. Das bedeutet aber, dass denknotwendig der
Kaufvertrag als das mit der Kapitalanlage verbundene Risiko erst nach dem Darlehensvertrag geschlossen wird, da nur
dann aufgrund der zeitlichen Abfolge überhaupt die unterlassene Widerrufsbelehrung des Darlehensvertrags irgendeine
Auswirkung auf den Abschluss des zeitlich nachfolgenden Grundstückskaufvertrages gehabt haben kann. Wurde
hingegen – wie vorliegend – der Immobilienkaufvertrag bereits vor dem Darlehensvertrag geschlossen, hätte auch eine
bei Abschluss des Darlehensvertrages erteilte Widerrufsbelehrung die bereits durch den Grundstückskaufvertrag
verwirklichte Kapitalanlage nicht mehr verhindern können. Zu Recht hat daher das Landgericht eine fehlende Kausalität
einer unterlassenen Widerrufsbelehrung der Rechtsvorgängerin der Beklagten verneint. Selbst wenn eine
Darlehenszusage der Rechtsvorgängerin der Beklagten bereits bei Abschluss des Kaufvertrages vorgelegen haben
sollte, hatte diese jedenfalls keine Bindungswirkung dahingehend, dass der Kläger und seine Ehefrau verpflichtet
gewesen wären, gerade dieses Darlehen in Anspruch zu nehmen. Weder aus dem notariellen Kaufvertrag noch sonst ist
eine Bindung der Wohnungskäufer an diese Darlehenszusage ersichtlich, so dass der Kläger und seine Ehefrau ohne
weiteres den Kaufpreis auch durch ein anderes Kreditinstitut hätten finanzieren können.
Unzutreffend ist die Auffassung des Klägers, die Widerrufsbelehrung müsse dem Verbraucher erteilt werden, bevor er
sich binde. So sieht zum Beispiel § 312 Abs. 1 BGB in Verbindung mit § 355 Abs. 1 BGB vor, dass der Verbraucher
zunächst eine auf den Abschluss des Vertrags gerichtete Willenserklärung abgibt, jedoch an diese nicht
mehr
ist, wenn er sie fristgerecht widerrufen hat. § 355 Abs. 2 Satz 2 BGB sieht ausdrücklich eine Belehrung erst nach
Vertragsschluss vor. Daraus ergibt sich, dass die Widerrufsbelehrung nicht zwingend vor dem Vertragsschluss erteilt
werden muss.
Der Kläger hat auch nicht ausreichend dargetan, dass die Voraussetzungen für die Annahme eines institutionellen
Zusammenwirkens zwischen der Rechtsvorgängerin der Beklagten und dem Immobilienmakler vorgelegen hätten.
Hierzu hätte es genauerer Darlegungen, wie sich die Zusammenarbeit gestaltet hat, bedurft. Allein die Tatsache, dass
sämtliche Kreditunterlagen dem Kläger und seiner Ehefrau jeweils von dem Immobilienmakler vorgelegt wurden,
rechtfertigt ebenso wenig die Annahme eines institutionellen Zusammenarbeitens des Maklers mit der
Rechtsvorgängerin der Beklagten wie der hierzu gehaltene erstinstanzliche Sachvortrag des Klägers. Unerheblich ist
auch, ob der Immobilienmakler unrichtige Angaben über die Rentabilität der erworbenen Eigentumswohnung gemacht
hat, da dies der Rechtsvorgängerin der Beklagten bzw. nunmehr der Beklagten nur dann zuzurechnen wäre, wenn die
Unrichtigkeit der Angaben und die Tatsache, dass dem Kläger und seiner Ehefrau gegenüber solche unrichtigen
Angaben überhaupt gemacht wurden, für die Rechtsvorgängerin der Beklagten
evident
allerdings nichts ersichtlich.
Da mithin der Kläger ohne den Abschluss des Vergleichs als dem erledigenden Ereignis mit seiner Berufung unterlegen
wäre, er daher gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten des erfolglosen Rechtsmittels und gemäß § 91 ZPO die Kosten des
erfolglosen Rechtsstreits erster Instanz zu tragen gehabt hätte, sind ihm nunmehr gemäß § 91 a ZPO die gesamten
Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren einschließlich des Vergleichs wird auf 130.890,72 € festgesetzt. Maßgeblich
bei der Vollstreckungsabwehrklage ist der Umfang der erstrebten Ausschließung der Zwangsvollstreckung unabhängig
davon, ob die titulierte Forderung in Wirklichkeit ganz oder teilweise getilgt ist, wenn – wie vorliegend –
uneingeschränkte Abwehrklage erhoben wird (vgl. Zöller-Herget, ZPO, 26. Aufl. § 3 Rdnr. 16
„Vollstreckungsabwehrklage“ mit Rechtsprechungsnachweisen).
Weiss Schwager-Wenz Zeitler-Hetger