Urteil des OLG Koblenz vom 02.11.2006

OLG Koblenz: unterhalt, erwerbstätigkeit, psychotherapeutische behandlung, migräne, scheidung, befristung, kirchensteuer, gestaltung, lebensstandard, rechtskraft

Familienrecht
OLG
Koblenz
02.11.2006
7 UF 774/05
Ist der Unterhaltsberechtigte krankheitsbedingt nur zu einer teilschichtigen Tätigkeit in der Lage, ist er durch den
Krankenunterhalt so zu stellen, als wenn er ein Einkommen aus einer ihm möglichen vollen Erwerbstätigkeit
erzielen würde. Eine darüber hinausgehende Differenz zum Einkommen des Unterhaltspflichtigen ist im Wege
der Aufstockungsunterhalts auszugleichen.
Der Aufstockungsunterhalt kann auch nach 25-jähriger Ehe zeitlich begrenzt werden, wenn die
Einkommensdivergenz der Ehegatten nicht auf ehebedingten Nachteilen beruht und es dem
Unterhaltsberechtigten - uach unter Berücksichtigung seines Alters - zumutbar ist, sich dauerhaft auf einen
niedrigeren Lebensstandard einzurichten, der lediglich seinen eigenen beruflichen Möglichkeiten entspricht (im
Anschluss an BGH, NJW 2006, 2401 = FamRZ 2006, 1006); das gilt auch dann, wenn der Unterhaltsberechtigte
in der Ehe einen Großteil der Hausarbeit sowie der Erziehungs- und Betreuungsaufgaben gegenüber zwei
gemeinsamen Kindern wahrgenommen hat (hier Befristung auf fünf Jahre nach einer Trennungszeit von
ebenfalls fünf Jahren, innerhalb derer bereits Unterhalt gezahlt wurde).
Der gemäß § 5 a II der Beihilfeverordnung RLP zu zahlende monatliche Beitrag von 13,00 € ist
einkommensmindernd zu berücksichtigen. Gleiches gilt hinsichtlich der gemäß § 12 c dieser Verordnung vom
Beihilfeberechtigten zu tragenden Kostendämpfungspauschale (wie OLG Koblenz - 13. Zivilsenat -, NJW-RR
2004, 1012).
Geschäftsnummer: Verkündet
7 UF 774/05 am 02. November 2006
3 F 291/03
AG Montabaur
Baulig, Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
Oberlandesgericht Koblenz
Im Namen des Volkes
Urteil
in der Familiensache
G… W…,
Antragsteller, Berufungskläger und Berufungsbeklagter,
- Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte
g e g e n
H… W…,
Antragsgegnerin, Berufungsbeklagte und Berufungsklägerin,
- Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte
w e g e n nachehelichen Unterhalts (Scheidungsfolgesache).
Der 7. Zivilsenat -4. Senat für Familiensachen- des Oberlandesgerichts Koblenz hat durchden Richter am
Oberlandesgericht Eck sowie die Richterinnen am Oberlandesgericht Darscheid und Dühr-Ohlmann
auf die mündliche Verhandlung vom 05. Oktober 2006
für R e c h t erkannt:
Auf die Berufung des Antragstellers wird das Urteil des Amtsgerichts ‑ Familiengericht ‑ Montabaur vom 28.
Oktober 2005 unter Ziff. 3 – den nachehelichen Unterhalt betreffend ‑ teilweise abgeändert und wie folgt neu
gefasst:
Der Antragsteller wird verurteilt, an die Antragsgegnerin ab dem 07.02.2006, monatlich im Voraus bis zum
03. eines jeden Monats, nachehelichen Unterhalt wie folgt zu zahlen:
Krankenunterhalt in Höhe von 404,00 € und
bis zum 31.12.2010 Aufstockungsunterhalt in Höhe von 197,00 €.
Der weitergehende Antrag wird zurückgewiesen.
Die weitergehende Berufung des Antragstellers und die Berufung der Antragsgegnerin werden
zurückgewiesen.
Hinsichtlich der Kosten des Rechtsstreits erster Instanz bleibt es bei der Entscheidung des
Familiengerichts.
Auch die Kosten des Berufungsverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
I.
Die Parteien haben am 29.12.1978 geheiratet und sind seit 07.02.2006 rechtskräftig geschieden. Die
Antragsgegnerin, die während der Ehe aus familiären Gründen insgesamt knapp 12 Jahre beurlaubt war, ist
halbtags als Rechtspflegerin tätig (Besoldungsgruppe A10), der Antragsteller vollschichtig als Oberstaatsanwalt
(Besoldungsgruppe R 2). Aus der Ehe sind zwei inzwischen volljährige Söhne hervorgegangen, die beide
studieren. Die Antragsgegnerin bezieht das Kindergeld. Vor dem Senat haben die Parteien vereinbart, dass der
Antragsteller je 500 € und die Antragsgegnerin je 216 € (einschließlich des Kindergeldes) an beide Söhne als
Unterhalt zahlen.
Die Parteien streiten hauptsächlich darüber, ob die Antragsgegnerin, der das Amt für soziale Angelegenheiten
wegen einer Migräneerkrankung einen Grad der Behinderung von 50 bescheinigt hat (Bl. 258 GA), in der Lage
ist, eine vollschichtige Tätigkeit auszuüben. Das Familiengericht hat den Antragsteller in dem nur insoweit
angefochtenen Scheidungsverbundurteil vom 28.10.2006 zur Zahlung nachehelichen Unterhalts von monatlich
655,85 € verurteilt, wobei es auf der Grundlage eines hierzu eingeholten Sachverständigengutachtens davon
ausgeht, dass von der Antragsgegnerin krankheitsbedingt eine weitergehende Tätigkeit nicht verlangt werden
kann.
Gegen diesen Ausspruch haben
beide Parteien Berufung
Der
Antragsteller
dass die Antragsgegnerin simuliere. Sie habe einen Anspruch auf eine Vollzeitstelle, an deren Ausübung sie
nicht krankheitsbedingt gehindert sei. Zumindest müsse sie versuchen, ihre Tätigkeit aufzustocken und ggf. ein
förmliches Dienstunfähigkeitsverfahren einleiten. Da die Antragsgegnerin trotz der behaupteten Beschwerden
keine Behandlungsmöglichkeiten wahrnehme, habe sie einen eventuellen Anspruch verwirkt: Hilfsweise sei
dieser auf allenfalls ein Jahr zu befristen. Hinsichtlich seines Einkommens sei zu berücksichtigen, dass er
arbeitstäglich eine Entfernung von 33 km zwischen Wohnort und Dienststelle zurücklege und die
Antragsgegnerin sich in der Vergangenheit immer wieder geweigert habe, an der Durchführung des begrenzten
Realsplittings mitzuwirken. Er leide an einer Nierenerkrankung und arbeite deshalb überobligatorisch.
Der
Antragsteller beantragt
das Urteil des Amtsgerichts – Familiengericht – Montabaur zu Ziff. 3 dergestalt abzuändern, dass der Antrag auf
Zahlung nachehelichen Unterhalts zurückgewiesen wird, hilfsweise, den Unterhalt zeitlich zu begrenzen und
die Berufung der Antragsgegnerin zurückzuweisen.
Die
Antragsgegnerin beantragt
die Berufung des Antragstellers zurückzuweisen und
das Urteil des Amtsgerichts – Familiengericht – Montabaur zu Ziff. 3 dergestalt abzuändern, dass der
Antragsteller verurteilt wird, an sie für die Zeit ab Rechtskraft der Scheidung monatlich im Voraus bis zum 03.
eines jeden Monats Unterhalt in Höhe von 978,00 € zu zahlen.
Die
Antragsgegnerin
ein fiktives Ruhegehalt nach Durchführung eines Dienstunfähigkeitsverfahrens niedriger sei als ihr derzeit
bezogenes Gehalt. Der Antragsteller sei gehalten, sein Einkommen durch Beantragung eines
Familienzuschlages sowie Inanspruchnahme eines Steuerfreibetrages hinsichtlich des begrenzten
Realsplittings und der Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstelle zu erhöhen.
Wegen des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, die
Erklärungen der Parteien anlässlich der mündlichen Verhandlung und die tatsächlichen Feststellungen im
angefochtenen Urteil Bezug genommen.
Der Senat hat
Beweis
neurologisch-psychiatrischen Sachverständigengutachtens. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird
auf das Gutachten des Sachverständigen Dr. med. F. B... vom 28.06.2006 (Bl. 199 ff GA) nebst Ergänzung vom
06.09.2006 (Bl. 246 ff GA) verwiesen. Hinsichtlich der vom Antragsteller gegenüber diesem Gutachten
erhobenen Einwendungen wird auf die Ausführungen in den Schriftsätzen vom 01.08.2006, 31.08.2006,
18.09.2006, 28.09.2006 und 13.10.2006 (Bl. 224 ff GA, Bl. 233 ff GA, Bl. 264 ff GA, Bl. 267 ff GA und Bl. 285 ff
GA) Bezug genommen.
II.
Beide Berufungen sind in förmlicher Hinsicht nicht zu beanstanden. In der Sache ist der Berufung des
Antragstellers ein Teilerfolg beschieden, während die Berufung der Antragsgegnerin sich als unbegründet
erweist. Die Antragsgegnerin hat gegen den Antragsteller einen Anspruch auf Zahlung nachehelichen
Unterhalts ab Rechtskraft der Scheidung (07.02.2006, § 629a Abs. 3 ZPO) in Höhe von zunächst 601 €
monatlich (404 € Krankenunterhalt und 197 € Aufstockungsunterhalt), der sich auf der Grundlage der derzeit
überschaubaren Verhältnisse ab Januar 2011 auf 404,00 € monatlich (nur noch Krankenunterhalt) ermäßigt (§§
1572, 1573 Abs. 2 und 5 BGB).
1.
Von der Antragsgegnerin kann wegen
Krankheit
hinausgehende Erwerbstätigkeit nicht erwartet werden (§ 1572 BGB). Das folgt zur Überzeugung des Senates
aus dem Gutachten des Sachverständigen Dr. B... (Bl. 199 ff und 246 ff GA) in Verbindung mit dem in erster
Instanz eingeholten Gutachten des Sachverständigen Dr. G... (Bl. 99 ff UE). Hiernach leidet die Antragsgegnerin
- an Migräne, meistens mit Aura, teilweise auch in Form der so genannten Migräne accompagnée, d.h.
Migräne mit neurologischen Ausfällen wie Sprachstörungen, Halbseitenlähmungen oder Gesichtsfeldausfällen,
sowie
- an einer neurasthenischen Störung mit Konzentrationsstörung, Ermüdbarkeit, Erschöpfbarkeit,
nachlassender Vitalität und geringem Elan, die einerseits durch die Migräneanfälle verstärkt wird, andererseits
aber auch erschwerend auf die Migräneerkrankung einwirkt.
Während die Migräne nach Beurteilung beider Sachverständiger die Dienstfähigkeit nicht qualitativ einschränkt,
kommen beide Sachverständige ebenfalls übereinstimmend zu dem Ergebnis, dass eine Erhöhung des
derzeitigen Stundendeputats eine wesentliche Verschlechterung des komplexen Krankheitsbildes der
neurasthenischen Störung nach sich ziehen würde bis hin zur völligen Dienstunfähigkeit, weshalb sie aus
ärztlicher Sicht eine Ausdehnung des Arbeitspensums für nicht verantwortbar halten.
Die hiergegen gerichteten Einwendungen des Antragstellers führen nicht zu einer anderen Beurteilung und
veranlassen den Senat auch nicht zur Einholung des beantragten weiteren Sachverständigengutachtens. Die
Diagnose der beiden Sachverständigen wird gestützt durch die ärztlichen Bescheinigungen des Dr. Br... vom
12.02.2005 (Bl. 120 UE: “psychovegetativer Erschöpfungszustand“) und insbesondere der Migräneklinik vom
17.08.2001 (Bl. 123 UE: „ psychosomatischer Symptomenkomplex“ und „ ausgeprägter schwerer
psychovegetativer Erschöpfungszustand“).
Dass die Erkenntnisse der Gutachter – wie auch der behandelnden Ärzte ‑ im Wesentlichen auf Erklärungen der
Antragsgegnerin beruhen, berührt deren Beweiswert nicht. Wie der Sachverständige Dr. B... in seiner
ergänzenden Stellungnahme vom 06.09.2006 ausführt, gehört zu einem nervenärztlichen, insbesondere
psychiatrisch-psychotherapeutischen Gutachten, dass die Lebensgeschichte beleuchtet wird und Rückschlüsse
aus der Jugend auf Psychopathalogika, die jetzt im fortgeschritteneren Alter bestehen, gezogen werden. Ein
nervenärztliches Gutachten stützt sich im Wesentlichen auf die Anamnese und die daraus gewonnenen
Erkenntnisse, die entsprechend psychopathologisch gedeutet und ausgewertet werden.
Weder der Sachverständige Dr. G..., noch der Sachverständige Dr. B... haben Hinweise für eine Manipulation
bei der Antragsgegnerin erkennen können. Die insoweit von dem Sachverständigen Dr. B... verwendeten, auf S.
10 ff seines Gutachtens im Einzelnen dargestellten Testverfahren sind alt eingeführt und allgemein zugänglich.
Der Senat hat keinen Zweifel, dass die insoweit erhobenen Befunde von dem in nahezu 30 Berufsjahren
erfahrenen und als zuverlässig bekannten Sachverständigen zutreffend ausgewertet wurden. Einen Anspruch
auf Einsichtnahme in die ausgefüllten Testbögen hat der Antragsteller nicht, weil dem die im Wege einer
Güterabwägung vorrangigen Rechte der Antragsgegnerin aus Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 GG (informationelles
Selbstbestimmungsrecht) entgegenstehen. Ärztliche Untersuchungen greifen in den Intimbereich des
Untersuchten ein und haben deshalb grundsätzlich in Abwesenheit dritter Personen stattzufinden; deshalb hat
auch eine Partei entgegen § 357 ZPO nicht das Recht, an einer Untersuchung des Prozessgegners durch einen
medizinischen Sachverständigen teilzunehmen (allgemeine Meinung; vgl. OLG München, NJW-RR 1991, 896;
OLG Köln, NJW 1992, 1568; Zöller/Greger, ZPO, 25. Aufl., § 402, Rdn. 5a; Musielak/Stadler, ZPO, 4. Aufl., § 357,
Rdn. 4). Nichts anderes kann für die Aufzeichnung der Untersuchungsbefunde gelten, die Erkenntnisse aus dem
Intimbereich des Untersuchten dokumentieren und dem Sachverständigen nur als Grundlage für die von ihm
geforderte Beurteilung dienen.
Dass die Antragsgegnerin hoch intelligent ist, bewahrt sie ‑ wie der Sachverständige in der ergänzenden
Stellungnahme zutreffend ausführt ‑ nicht davor, psychosomatisch zu erkranken. Ebenso wenig wird das
Beweisergebnis beeinträchtigt durch die Tatsache, dass die Antragsgegnerin sich in der Lage zeigt, ihre
vermeintlichen oder tatsächlich bestehenden ‑ Rechte gegenüber dem Antragsteller konsequent zu verfolgen.
Die unterschiedlichen Angaben der Antragsgegnerin über die Anzahl der Migräneattacken gegenüber den
beiden Gutachtern und bei unterschiedlichen Arztbesuchen haben ihre Ursache, wie die Antragsgegnerin dem
Senat geschildert hat, in der unterschiedlichen Einordnung ihrer Kopfschmerzen durch die verschiedenen Ärzte
(Spannungskopfschmerz, Medikamentenkopfschmerz oder Migräne). Auswirkungen auf die Beurteilung der
Gutachter ergeben sich hieraus nicht, weil die Migräne von beiden Sachverständigen für die Beweisfrage nicht
als erheblich angesehen wird.
Dass der Sachverständige Dr. G... das neurasthenische Syndrom als Resultat einer lange bestehenden
familiären Belastungsstörung (in der Beziehung zum Antragsteller) interpretiert, während der Sachverständige
Dr. B... die Ursachen mehr in der Primärfamilie sieht, in der die Antragsgegnerin sich wenig entfalten konnte und
sehr streng erzogen wurde, ist ohne Auswirkung auf das Beweisergebnis.
Dass die Antragsgegnerin bis zur Trennung der Parteien im Frühjahr 2001 beschwerdefrei gewesen sein soll, ist
ausweislich der den Sachverständigen vorgelegten Listen der seit dem Jahr 1978 behandelnden Ärzte (Bl. 127
ff UE und Anlage zum Gutachten des Dr. B...), deren Richtigkeit der Antragsteller nicht in Abrede gestellt hat,
unzutreffend.
Schließlich ist aus der Schlussfolgerung des Sachverständigen Dr. B..., dass die Antragsgegnerin aus
sozialmedizinischer Sicht derzeit lediglich unter vollschichtig, d.h. drei bis sechs Stunden in ihrem Beruf als
Rechtspflegerin eingesetzt werden könne, eine über die derzeitige Dienstzeit von vier Stunden arbeitstäglich
hinausgehende Dienstfähigkeit nicht herzuleiten. Diese Abgrenzung beruht auf der gesetzlichen Definition in §
42 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 3 SGB VI, wonach Versicherte voll erwerbsgemindert sind, die wegen Krankheit oder
Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen
Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein, während nicht erwerbsgemindert ist, wer
unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich
erwerbstätig sein kann. Das derzeitige Stundendeputat der Antragsgegnerin liegt in der vom Sachverständigen
angesprochenen Bandbreite, zumal die Antragsgegnerin nach ihren Angaben den Anforderungen des ihr
auferlegten Pensums nur dadurch gerecht werden kann, dass sie ihre Tätigkeit über das der
Pensenberechnung zugrunde liegende Stundendeputat hinaus auf bis zu sechs Stunden erstreckt. Soweit der
Antragsteller darauf verweist, der Sachverständige gehe nicht auf die von der Antragsgegnerin konkret
ausgeübte Tätigkeit ein, trifft dies nicht zu. Die Aussage des Sachverständigen, dass die Antragsgegnerin
derzeit lediglich unter vollschichtig in ihrem Beruf eingesetzt werden könne, bezieht sich ausdrücklich auf die
Tätigkeit als Rechtspflegerin.
Entgegen der Ansicht des Antragstellers muss die Teildienstunfähigkeit nicht in einem förmlichen Verfahren
nach §§ 56 ff LBeamtG RLP festgestellt werden. Nach § 286 ZPO hat das Gericht in einem Zivilprozess wie dem
vorliegenden Unterhaltsverfahren „unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des
Ergebnisses einer etwaigen Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche
Behauptung für wahr oder für nicht wahr zu erachten sei“. Eine förmliche Feststellung der begrenzten
Dienstfähigkeit im Verwaltungswege wäre für diese Überzeugungsfindung nicht bindend, sondern allenfalls ein
Indiz (wie z.B. die Gewährung einer Erwerbsunfähigkeitsrente; vgl. BGH, FamRZ 2005, 1897 ff, 1898;
Prütting/Kleffmann, a.a.O., § 1572, Rdn. 12), weshalb die erforderliche Überzeugung auch durch die im
vorliegenden Verfahren eingeholten Gutachten gebildet werden kann.
Unterhaltsrechtlich wäre die Antragsgegnerin nur dann gehalten, ein förmliches Verfahren auf Feststellung
begrenzter Dienstfähigkeit einzuleiten, wenn ihr nach einer solchen Feststellung ein höheres Einkommen
zufließen würde. Das ist aber nicht der Fall. Gemäß §§ 56a LBeamtG RLP, 72a Abs. 1 S. 2 BBesG hat der
Beamte bei krankheitsbedingter Teildienstfähigkeit Anspruch auf Bezüge in Höhe des fiktiven Ruhegehalts bei
Versetzung in den Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit, wenn dieses höher ist, als das Gehalt für die aktive
Tätigkeit. Nach der Vergleichsberechnung der Oberfinanzdirektion Koblenz vom 14.02.2006 (Bl. 155 ff GA) hätte
die Antragsgegnerin jedoch in diesem Fall nur Anspruch auf Ruhegehalt in Höhe der Mindestversorgung, die
unter den derzeit gezahlten anteiligen Dienstbezügen liegt. Dass die Landesregierung nach der Entscheidung
des BVerwG vom 28.04.2005 (NVwZ-RR 2005, 833) gemäß Art. 3 Abs. 1 GG gehalten ist, begrenzt
dienstfähigen Beamten einen Zuschlag gemäß § 72a Abs. 2 BBesG zu gewähren, ändert hieran derzeit nichts.
Ein entsprechend höherer Zahlungsanspruch entsteht erst dann, wenn diese Vorgabe umgesetzt wird (vgl.
BVerwG, a.a.O.), was bisher im Land Rheinland-Pfalz nicht geschehen ist.
Die Antragsgegnerin ist auch nicht gehalten, von ihrem Anspruch gem. § 80a LBeamtG RLP auf Aufstockung auf
eine volle Dienstzeit gegenüber ihrem Dienstherrn Gebrauch zu machen. Mag auch der Dienstherr
krankheitsbedingte Ausfälle der Antragsgegnerin zu tragen haben und sodann erforderliche dienstrechtliche
Schritte einleiten, wie der Antragsteller dies in seinem nicht vorbehaltenen Schriftsatz vom 13.10.2006 ausführt,
wäre ein solches Vorgehen der Antragsgegnerin jedoch nicht zumutbar. Sowohl nach Beurteilung des
Sachverständigen Dr. G..., wie auch nach derjenigen des Sachverständigen Dr. B... müsste die Antragsgegnerin
bei einer Erhöhung der dienstlichen Anforderungen mit einer Verschlechterung ihres derzeit kompensierten
Krankheitsbildes bis hin zur völligen Dienstunfähigkeit rechnen, was im Übrigen eine noch weiter gehende
Unterhaltslast des Antragstellers zur Folge hätte.
2.
Das
Einkommen der Antragsgegnerin
Summe der laufenden Bezüge 1.677,46 €
Summe der Abzüge (einschließlich Beihilfebeitrag) - 170,56 €
Urlaubsgeld (1/12 des Nettobetrages) + 4,66 €
1.511,56 €.
Hinzukommt die Einkommensteuererstattung, die ohne Geltendmachung des begrenzten Realsplittings an die
Antragsgegnerin geflossen wäre, weil der Antragsteller die durch die Steuerpflicht des gezahlten Unterhalts
verursachten höheren Steuern der Antragsgegnerin erstattet hat. Außerdem sind die wegen der Kosten des
Scheidungs- und Unterhaltsverfahrens geltend gemachten außergewöhnlichen Belastungen außer Ansatz zu
lassen, weil es unbillig wäre, den Antragsteller an der durch diese Kostenlast verursachten Steuerkürzung
teilhaben zu lassen. Diese fiktive Steuererstattung ist nach übereinstimmendem Vorbringen beider Parteien mit
300,00 € anzusetzen, das sind monatlich 25,00 €.
3.
Das
Einkommen des Antragstellers
2006 (Bl. 237 GA) setzt sich das aktuelle Gehalt des Antragstellers nur aus Grundgehalt und laufender
Sonderzahlung zusammen. Gemäß § 40 Abs. 1 Nr. 3 BBesG hat er jedoch auch nach Scheidung Anspruch auf
Familienzuschlag der Stufe 1, wenn er „aus der Ehe zum Unterhalt verpflichtet“ ist. Dieser Zuschlag wird, da die
Antragsgegnerin mit der Scheidung ihren Anspruch hierauf verloren hat ‑ anders als in der Ehe (§ 40 Abs. 4
BBesG) ‑ ungekürzt ausgezahlt. Hierdurch erhöht sich zugleich die laufende monatliche Sonderzahlung (§ 11
LBesG RLP). Im Rahmen der nachehelichen Solidarität ist der Antragsteller gehalten, diesen Zuschlag zu
beantragen, weil dies zu einer Erhöhung des der Antragsgegnerin zustehenden Unterhalts führt. Gleiches gilt an
sich auch für die dem Antragsteller zustehenden Freibeträge gemäß § 32 EStG (Kinderfreibetrag) und § 10 Abs.
1 Nr. 1 EStG (begrenztes Realsplitting), die der Antragsteller sich gemäß §§ 39, 39a EStG zur Minderung der
Steuerlast auf der Lohnsteuerkarte eintragen lassen kann, was er ausweislich der Bezügemitteilung bisher nicht
in Anspruch nimmt. Indes hatte der Antragsteller diese Freibeträge auch im Jahr 2005 nicht wahrgenommen
(vgl. Bezügemitteilung für Mai 2005, Bl. 215 UE), was zu einer entsprechend erhöhten Steuererstattung geführt
hat. Da dem Antragsteller diese Steuererstattung ebenfalls als Einkommen zugerechnet wird, wären die
Steuervorteile durch die fiktive Berücksichtigung entsprechender Freibeträge doppelt in Ansatz gebracht. Daher
orientiert der Senat die fiktive Einkommensberechnung an den tatsächlichen Steuermerkmalen.
Entgegen der in der mündlichen Verhandlung geäußerten Ansicht des Antragstellers wird er durch den Ansatz
des vollen Familienzuschlags nicht benachteiligt. Wäre ihm dieser auch bereits im Jahr 2005 in vollem Umfang
(anstatt nur zur Hälfte) zugeflossen, wäre wegen des dann höheren monatlichen Steuerabzugs die ebenfalls zur
Unterhaltsberechnung herangezogene Steuererstattung, wie der Senat überschlägig ermittelt hat, nicht
niedriger sondern höher ausgefallen, zumal der Antragsteller dann auch höheren Trennungsunterhalt hätte
zahlen müssen.
Hiernach stellt sich das dem Antragsteller zustehende Einkommen fiktiv wie folgt dar (wobei der
Arbeitgeberbeitrag zu den vermögenswirksamen Leistungen gemäß Ziff. 10.6 KoL außer Ansatz bleibt):
Arbeitgeberbeitrag zu den vermögenswirksamen Leistungen gemäß Ziff. 10.6 KoL außer Ansatz bleibt):
Grundgehalt 5.503,83 €
Familienzuschlag 105,28 €
laufende Sonderzuwendung 233,90 €
5.843,01 €
abzüglich Beihilfebeitrag 13,00 €
5.830,01 €
Lohnsteuer (Lohnsteuerklasse I/1.0) 1.703,08 €
Solidaritätszuschlag 93,66 €
Kirchensteuer 153,27 €
3.880,00 €.
Hinzu kommt die für das Jahr 2005 angefallene Einkommensteuererstattung, die sich nach dem Bescheid vom
03.05.2006 (Bl. 238 GA) auf 6.025,52 €
beläuft. Abzüglich des an die Antragsgegnerin gezahlten Ausgleichs 1.560,72 €
und der verrechneten Zinsabschlagsteuer 122,00 €,
die der Antragsgegnerin nicht zu Gute kommt, weil beiderseitige
Vermögenserträge vereinbarungsgemäß nicht zu berücksichtigen
sind, verbleiben 4.342,80 €.
Das sind monatlich rund 362,00 €.
Dieses Einkommen ist nicht teilweise als überobligatorisch außer Ansatz zu lassen. Das Vorbringen des
Antragstellers zu krankheitsbedingten Einschränkungen seiner Dienstfähigkeit ist nicht hinreichend
aussagekräftig. Dass er wegen seiner Nierenerkrankung bereits wiederholt stationär behandelt werden musste
und zeitweise seinen Dienst nicht voll ausüben konnte, besagt nicht, dass seine vollschichtige Erwerbstätigkeit
generell unzumutbar ist.
4.
Vom beiderseitigen Einkommen abzusetzen
private Kranken- und Pflegeversicherung; diese belaufen sich auf Seiten der Antragsgegnerin seit Februar 2006
auf 172,24 € (Bl. 188 der Akten 7 UF 775/05) und seitens des Antragstellers auf 306,49 € (Bl. 121 GA).
Berufsbedingte Aufwendungen sind bei der Antragstellerin in Höhe der üblichen Pauschale von 5% des nach
Vorwegabzug des Kranken- und Pflegeversicherungsbeitrags verbleibenden Einkommens zu berücksichtigen
und beim Antragsteller in Höhe der für die Fahrten zwischen seinem Wohnort und der Dienststelle anfallenden
Kosten, die sich nach Ziff. 10.2.2 KoL auf 330,00 € belaufen. Der Antragsteller ist insoweit nicht fiktiv an der
– kürzeren – Fahrtstrecke entsprechend den ehelichen Lebensverhältnissen festzuhalten. Ihm ist
– insbesondere auch unter Berücksichtigung der Einkommensverhältnisse ‑ unterhaltsrechtlich nicht
vorzuwerfen, dass er nach dem Auszug aus dem inzwischen von der Antragsgegnerin allein übernommenen
ehelichen Wohnhaus mit seiner vom Dienstort weiter entfernt wohnenden neuen Lebenspartnerin
zusammengezogen ist, zumal die Antragsgegnerin über die Steuererstattungen an der nunmehr größeren
Entfernungspauschale partizipiert.
Des Weiteren ist vom beiderseitigen Einkommen vorab der an die beiden Söhne M... A... und J... zu zahlende
Kindesunterhalt abzusetzen. Wenn auch nach § 1609 Abs. 2 BGB die Söhne seit ihrer Volljährigkeit gegenüber
der Antragsgegnerin nachrangig sind, ist deren Unterhalt zur Ermittlung des Ehegattenunterhalts dennoch vorab
vom Einkommen in Abzug zu bringen, weil die Universitätsausbildung der Söhne der gemeinsamen
Lebensplanung der Parteien entspricht und ihnen auch nach Vorwegabzug des Kindesunterhalts ein
angemessener Unterhalt verbleibt (vgl. Ziff. 15.1 KoL). Da nach der Entscheidung des BGH vom 26.10.2005
(NJW 2005, 57 = FamRZ 2006, 99) bei volljährigen Kindern abweichend von § 1612b BGB das Kindergeld
bedarfsdeckend anzurechnen ist, sodass nur der verbleibende Restbedarf von den Eltern gedeckt werden
muss, ist der von beiden Parteien jeweils zu tragende Unterhalt nur mit den nach Abzug des Kindergeldes
verbleibenden Zahlbeträgen in Ansatz zu bringen. Das sind nach der von den Parteien im Termin vom
02.03.2006 getroffenen Vereinbarung auf Seiten des Antragstellers jeweils 500,00 € und auf Seiten der
Antragsgegnerin unter Berücksichtigung des von dieser an die Kinder auszukehrenden Kindergeldes je 62,00 €
(216,00 € - 154,00 €).
Schließlich ist nur auf Seiten des Antragstellers – die Antragsgegnerin hat ihr ursprüngliches Vorbringen
insoweit fallen gelassen (S. 4 des Schriftsatzes vom 17.02.2006, Bl. 152 GA) ‑ die Kostendämpfungspauschale,
die er gemäß § 12c BVO RLP von den jährlichen Krankheitsaufwendungen tragen muss, einkommensmindernd
zu berücksichtigen. Diese beläuft sich unter Beachtung zweier berücksichtigungsfähiger Kinder auf 370,00 €
jährlich (vgl. auch Beihilfebescheid vom 22.03.2006, Bl. 244 GA); das sind rund 31,00 € monatlich.
5.
Hiernach verfügen die Parteien über
folgendes unterhaltsrelevantes Einkommen
Antragsteller
Antragsgegnerin
laufendes Gehalt
3.880,00
1.512,00
Einkommensteuererstattung
362,00
25,00
4.242,00
1.537,00
Krankenversicherung
306,00
172,00
berufsbedingte Aufwendungen
330,00
68,00
Unterhalt. M...
500,00
62,00
Unterhalt J...
500,00
62,00
Kostendämpfungspauschale
31,00
maßgebliches Erwerbseinkommen (rund):
2.575,00
1.173,00
Somit berechnet sich der ab 06.02.2006 geschuldete Gesamtunterhalt wie folgt:
unterhaltsrelevantes Einkommen des Antragstellers 2.575,00 €
unterhaltsrelevantes Einkommen der Antragsgegnerin 1.173,00 €
Differenz 1.402,00 €
Anspruch (3/7) aufgerundet (Ziff. 24 KoL)
601,00 €
6.
Dieser Gesamtanspruch beruht allerdings lediglich ich Höhe eines Teilbetrages von 404,00 € auf § 1572 BGB,
während ein Teilbetrag von 197,00 € aus § 1573 Abs. 2 BGB (Aufstockungsunterhalt) herzuleiten ist.
Der Anspruch auf Krankenunterhalt besteht nach der gesetzlichen Vorgabe nur, „soweit“ krankheitsbedingt eine
Erwerbstätigkeit nicht erwartet werden kann. Deshalb ist die Antragsgegnerin durch den Krankenunterhalt nur
so zu stellen, als wenn sie ein Einkommen aus einer vollen Erwerbstätigkeit erzielen würde. Die darüber
hinausgehende Differenz zwischen dem ihr möglichen vollen Erwerbseinkommen und dem Einkommen des
Antragstellers unterfällt dem Aufstockungsunterhalt.
Bei
Wahrnehmung einer Vollzeitstelle
Monatseinkommen:
Grundgehalt 2.781,01 €
Familienzuschlag (Kinder) 180,10 €
allgemeine Stellenzulage 58,22 €
laufende Sonderzahlung (§§ 11 und 12 LBesG Rh-Pf) 130,17 €
Urlaubsgeld (Bruttobetrag auf den Monat umgelegt) 6,66 €
3.156,16 €
Beihilfebeitrag 13,00 €
3.143,16 €
Lohnsteuer (Lohnsteuerklasse II/1.0) 591,91 €
Solidaritätszuschlag 23,94 €
Kirchensteuer 39,18 €
2.488,13 €.
Da sich bei einem Erwerbseinkommen in dieser Höhe auch die Berechnungsgrundlagen für die
Einkommensteuererstattung ändern, ist der Steuererstattungsbetrag ‑ ausgehend vom Bescheid vom
24.02.2006 (Bl. 176 GA) ‑ fiktiv wie folgt zu ermitteln:
Einkünfte (12 x 3.143,16) 37.717,00 €
Arbeitnehmerpauschbetrag 920,00 €
Entlastungsbetrag für Alleinerziehende 1.308,00 €
Gesamtbetrag der Einkünfte 35.489,00 €
Sonderausgaben:
gezahlte Kirchensteuer 471,00 €
erstattete Kirchensteuer 124,00 € 347,00 €
Behindertenpauschbetrag 570,00 €
beschränkt abziehbar (wie Bescheid) 2.001,00 €
zu versteuerndes Einkommen 32.571,00 €
Einkommensteuer (Grundtarif 2005) 6.643,00 €
Kirchensteuer aus 32.571,00 €
abzüglich Kinderfreibetrag 5.808,00 €
26.763,00 €
fiktive Einkommensteuer hieraus 4.801,00 €
davon 9% 432,09 €
Solidaritätszuschlag 264,06 €
Gesamtsteuern: 7.339,15 €
fiktiver Steuerabzug vom Lohn 7.860,36 €
fiktiver Erstattungsbetrag: 521,21 €.
Hiernach hätte die Antragsgegnerin bei Vollerwerbstätigkeit folgendes unterhaltsrelevantes Einkommen:
laufendes Einkommen rund 2.488,00 €
Einkommensteuererstattung rund 43,00 €
insgesamt 2.531,00 €
abzüglich Kranken- und Pflegeversicherungsbeitrag 172,00 €
berufsbedingte Aufwendungen 118,00 €
Kindesunterhalt 62,00 €
und 62,00 €
2.117,00 €.
Hiernach würde sich der Anspruch auf Aufstockungsunterhalt bei Vollerwerbstätigkeit der Antragsgegnerin wie
folgt berechnen:
unterhaltsrelevantes Einkommen des Antragstellers 2.575,00 €
unterhaltsrelevantes Einkommen der Antragsgegnerin 2.117,00 €
Differenz 458,00 €
Aufstockungsanspruch (3/7) aufgerundet (Ziff. 24 KoL)
197,00 €
Der
anteilige Krankenunterhalt
7.
Die Antragsgegnerin hat ihren Anspruch
nicht nach § 1579 Nr. 3 BGB verwirkt
Unterhaltsanspruch zu versagen, herabzusetzen oder zeitlich zu begrenzen, soweit die Inanspruchnahme des
Verpflichteten auch unter Wahrung der Belange eines dem Berechtigten zur Pflege oder Erziehung anvertrauten
gemeinschaftlichen Kindes grob unbillig wäre, weil der Berechtigte seine Bedürftigkeit mutwillig herbeigeführt
hat. Hierunter fällt auch bewusstes Vermeiden ärztlicher Hilfe (OLG Hamm, FamRZ 1999, 237), wenn dem
Unterhaltsbedürftigen der Vorwurf unterhaltsbezogen leichtfertigen Verhaltens zu machen ist (vgl.
Wendl/Gerhardt, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, 6. Aufl., § 4, Rdn. 669 m.w.N.). Den
Bedürftigen trifft nämlich die unterhaltsrechtliche Obliegenheit zur Krankenbehandlung und aktiven Mitarbeit an
seiner Genesung (Wendl/Gerhardt, a.a.O., § 4, Rdn. 679 m.w.N.). Deshalb kann bewusstes Vermeiden ärztlicher
Hilfe dazu führen, dass der Unterhaltsgläubiger gemäß § 1579 Nr. 3 BGB als erfolgreich therapiert anzusehen
ist (OLG Hamm, a.a.O.). Indes kann der Antragsgegnerin ein solcher Vorwurf derzeit nicht gemacht werden.
Erstmals im Gutachten des Dr. G... vom 18.03.2005 ist eine Indikation zur Psychotherapie angesprochen.
Deutlicher heißt es im Gutachten des Dr. B... vom 28.06.2006, dass für eine Besserung der Symptome neben
der Migränebehandlung eine gezielte psychotherapeutische Hilfe und supportive nervenärztliche Behandlung
erforderlich wären. Ob dem die in der Vergangenheit sporadisch in Anspruch genommene nervenärztliche
Behandlung bei Dr. K… und die in der Migräneklinik erfahrene psychotherapeutische Behandlung (so die
Äußerung der Antragstellerin im Verhandlungstermin vom 05.10.2006) gerecht werden, bedarf hier keiner
Entscheidung. Denn jedenfalls für die Zeit vor Zugang des Gutachtens des Dr. B... kann der Antragsgegnerin
nicht der Vorwurf gemacht werden, die nunmehr erstmals von ihr verlangte Behandlung bewusst unterlassen zu
haben und der seither vergangene Zeitraum ist in Anbetracht der von dem Sachverständigen Dr. B...
beschriebenen Langwierigkeit der Erkrankung für die derzeitige Unterhaltsbedürftigkeit nicht maßgebend.
8.
Der anteilige
Aufstockungsanspruch ist gemäß § 1573 Abs. 5 BGB zeitlich bis zum 31.12.2010 zu
begrenzen
soweit insbesondere unter Berücksichtigung der Dauer der Ehe sowie der Gestaltung von Haushaltsführung
und Erwerbstätigkeit ein zeitlich unbegrenzter Unterhaltsanspruch unbillig wäre, was in der Regel nicht gilt,
wenn der Unterhaltsberechtigte nicht nur vorübergehend ein gemeinschaftliches Kind allein oder überwiegend
betreut hat oder betreut, wobei die Zeit der Kindesbetreuung der Ehedauer gleich steht. Diese Vorschrift soll
nach dem Übergang von der Anrechnungs- zur Differenzmethode in der Entscheidung des BGH vom
13.06.2001 (NJW 2001, 2254 = FamRZ 2001, 986) zur Entlastung des Unterhaltspflichtigen verstärkte
Anwendung finden (BGH, a.a.O.; Kalthoener/Büttner/Niepmann, Die Rechtsprechung zur Höhe des Unterhalts,
9. Aufl., Rdn. 1026) und ist nach Ansicht des Senates hier einschlägig.
Zwar dauerte die Ehe der Parteien bis zur insoweit maßgeblichen Rechtshängigkeit des Scheidungsantrags fast
25 Jahre (29.12.1978 bis 11.07.2003), in denen die Antragsgegnerin einen Großteil der Hausarbeit sowie der
Erziehungs- und Betreuungsaufgaben gegenüber den beiden Kindern der Parteien wahrgenommen hat.
Jedoch schließt dies allein die Möglichkeit einer Befristung nicht aus. Nach dem Urteil des BGH vom 12.04.2006
(NJW 2006, 2401 = FamRZ 2006, 1006) ist bei der Frage, ob eine lange Ehedauer der Befristung entgegensteht
vorrangig zu prüfen, ob sich die Einkommensdivergenz der Ehegatten, die den Anspruch auf
Aufstockungsunterhalt begründet, als ein ehebedingter Nachteil darstellt, der einen dauerhaften
unterhaltsrechtlichen Ausgleich zu Gunsten des bedürftigen Ehegatten rechtfertigt. Stellt sich eine
Einkommensdivergenz der Ehegatten nicht als ehebedingter Nachteil dar, kann sich eine Befristung des
Anspruchs auf Aufstockungsunterhalt zwar gleichwohl im Hinblick auf die lange Dauer der Ehe verbieten,
nämlich dann, wenn und soweit es für den Ehegatten mit dem geringeren Einkommen - auch unter
Berücksichtigung seines Alters im Scheidungszeitpunkt - unzumutbar erscheint, sich nach einer lang dauernden
Ehe, deren tatsächlicher Lebenszuschnitt durch ein erheblich über seinen eigenen Möglichkeiten und
wirtschaftlichen Verhältnissen liegendes Einkommen des anderen Ehegatten geprägt worden ist, dauerhaft auf
einen niedrigeren Lebensstandard einzurichten, der lediglich seinen eigenen beruflichen Möglichkeiten
entspricht. Jedoch legt das Gesetz in § 1573 Abs. 5 BGB keine bestimmte Ehedauer fest, von der ab eine
zeitliche Begrenzung des Unterhaltsanspruchs nicht mehr in Betracht kommen könnte. Wie der BGH bereits
mehrfach ausgeführt hat, widerspräche es auch dem Sinn und Zweck des § 1573 Abs. 5 BGB, den
Billigkeitsgesichtspunkt „Dauer der Ehe“ im Sinne einer festen Zeitgrenze zu bestimmen, von der ab der
Unterhaltsanspruch grundsätzlich keiner zeitlichen Begrenzung mehr zugänglich sein sollte (vgl. BGH, a.a.O.
sowie NJW 1990, 2810 = FamRZ 1990, 857 und NJW-RR 1991, 130 = FamRZ 1991, 307). Das Gesetz stellt
vielmehr die Ehedauer als Billigkeitsgesichtpunkt gleichrangig neben die „Gestaltung von Haushaltsführung und
Erwerbstätigkeit“. Auch die Kindesbetreuung steht einer Begrenzung nicht entgegen, wenn der Berechtigte
durch die Kindesbetreuung keine beruflichen Nachteile erlitten hat (Prütting/Kleffmann, BGB, 1. Aufl., § 1573,
Rdn. 23).
Die Divergenz der beiderseitigen Einkommensmöglichkeiten beruht hier nicht auf einem ehebedingten Nachteil,
sondern auf der unterschiedlichen Vorbildung der Parteien als Rechtspflegerin einerseits sowie als Volljurist
andererseits. Die Antragsgegnerin ist durch die Ehe auch nicht in ihrem beruflichen Fortkommen behindert
worden. Zwar war sie in der Ehe insgesamt fast 12 Jahre beurlaubt und war in der übrigen Zeit überwiegend nur
halbtags als Rechtspflegerin tätig – wobei hier dahinstehen mag, ob dies krankheits- oder ehebedingt war. Nach
§ 7 Abs. 3 Landesgleichstellungsgesetz RLP dürfen nämlich vorausgegangene Teilzeitbeschäftigungen und
Beurlaubungen sowie Verzögerungen beim Abschluss der Ausbildung nicht zu einer Diskriminierung bei der
Auswahlentscheidung über Beförderung, Höhergruppierung und Aufstieg in die nächst höhere Laufbahn führen,
wenn sie auf Familienarbeit beruhen. Seit Mai 1990 bekleidet die Antragsgegnerin das Amt einer
Oberinspektorin (vgl. dienstliche Beurteilung vom 23.08.2001, Anlage zum Gutachten des Dr. B...). Dass sie
während der nachfolgenden (zweiten) Beurlaubung (April 1994 bis Dezember 1999) befördert worden wäre und
deswegen jetzt einen höheren Dienstgrad hätte, kann in Anbetracht der nur mit der Note „ausreichend“
bestandenen Rechtspflegerprüfung (dienstliche Beurteilung, a.a.O.) sowie der Tatsache, dass im Justizbereich
nur wenige Beförderungsstellen zur Verfügung stehen und diese nur an außerordentlich gut beurteilte Bewerber
vergeben werden, nicht angenommen werden. Soweit die Antragsgegnerin durch die Beurlaubungen und
Reduzierung der Arbeitszeit geringere Versorgungsanwartschaften erdient hat, wird dies durch den zwischen
den Parteien durchgeführten öffentlich-rechtlichen Versorgungsausgleich ausgeglichen (vgl. Hahne, Zur
Auslegung der §§ 1578 I S. 2 und 3 und 1573 V BGB i.d.F. des Unterhaltsänderungsgesetzes vom 20. Februar
1986, FamRZ 1986, 305 ff, 307).
Bei Rechtskraft der Scheidung war die Antragsgegnerin knapp 50 Jahre alt. Ihr ist es durchaus zuzumuten, sich
nach einer angemessen langen Übergangszeit dauerhaft auf einen niedrigeren Lebensstandard einzurichten,
der lediglich ihren eigenen beruflichen Möglichkeiten entspricht, zumal ihr Wohnbedarf gedeckt ist. Im Hinblick
darauf, dass die Parteien fast über die hälftige Ehezeit allein vom Einkommen des Antragstellers lebten und
auch für den Unterhalt der beiden Kinder aufkommen mussten, ist ihr Lebensstandard in der Ehe nicht von
einem erheblich über ihren eigenen Möglichkeiten und wirtschaftlichen Verhältnissen liegenden Einkommen
geprägt worden.
Auch die Gestaltung der Haushaltsführung und Erwerbstätigkeit der Parteien fordert nicht die Gewährung eines
lebenslangen Differenzunterhalts. Nach dem Gesetzeswortlaut ist die Arbeitsteilung der Ehegatten - ebenso wie
die Ehedauer - bei der Billigkeitsabwägung lediglich zu „berücksichtigen“; sie lässt sich also nicht zwingend für
oder gegen eine Befristung ins Feld führen. Zudem beanspruchen beide Aspekte, wie das Wort „insbesondere“
verdeutlicht, für die Billigkeitsprüfung keine Ausschließlichkeit (BGH, NJW 2006, 2401 = FamRZ 2006, 1006).
Bei der erforderlichen Billigkeitsprüfung ist zu berücksichtigen, dass das Gesetz keine „grobe“ Unbilligkeit
fordert, sondern nur eine „einfache“ Unbilligkeit genügen lässt (Wendl/Pauling, a.a.O., § 4, Rdn. 591). Insoweit
ist neben der bereits angesprochenen langen Ehedauer sowie der Gestaltung von Haushaltsführung,
Erwerbstätigkeit und Kindesbetreuung von Bedeutung, dass der Antragsteller auch in der fast fünfjährigen
Trennungszeit zunächst die Belastungen des gemeinsamen, aber von der Antragsgegnerin bewohnten Hauses
allein getragen und ab Dezember 2004 Unterhalt an die Antragsgegnerin gezahlt hat, der Antragsgegnerin bei
vollschichtiger Tätigkeit ein Nettoeinkommen von über 2.500,00 € zur Verfügung stünde und ihr Wohnbedarf
durch das ihr gehörende Hausanwesen auch für das Alter gedeckt ist. Entscheidendes Gewicht kommt zudem
der Tatsache zu, dass die Antragsgegnerin – wie oben dargestellt ‑ in ihrer beruflichen Entwicklung nicht durch
ehebedingte Nachteile beeinträchtigt ist (vgl. Wendl/Pauling, a.a.O., § 4, Rdn. 591). Hinzukommt, dass der
Antragsteller sechs Jahre älter ist als die Antragsgegnerin und dementsprechend früher als diese
Einkommenseinbußen infolge Pensionierung wird hinnehmen müssen. Nach alledem erscheint dem Senat ein
zeitlich unbegrenzter Anspruch auf Aufstockungsunterhalt unbillig.
Für die zeitliche Bestimmung der Übergangsfrist ist maßgebend, wie lange der Berechtigte voraussichtlich
braucht, um der nachwirkenden Mitverantwortung des Ehepartners nicht mehr zu bedürfen. Entscheidend hierfür
ist, inwieweit und wie lange die Ehegatten ihren Lebenszuschnitt aufeinander eingestellt und auf ein
gemeinsames Lebensziel ausgerichtet hatten (vgl. Johannsen/Henrich/Büttner, Eherecht, 4. Aufl., § 1573, Rdn.
43). In Anbetracht dieser Kriterien erscheint dem Senat ‑ insbesondere unter Berücksichtigung der langen
Ehedauer von fast 25 Jahren – auch in Anbetracht der bereits zurückgelegten Trennungszeit von fast fünf
Jahren und der in dieser Zeit vom Antragsteller bereits erbrachten Leistungen eine Übergangszeit bis Ende
2010, das sind knapp fünf weitere Jahre, angemessen. Soweit er im Verhandlungstermin vom 05.10.2006 nach
vorläufiger Einschätzung eine Dauer von sieben Jahren in Vorschlag gebracht hatte, hält er hieran nach
erneuter Beratung, nicht zuletzt im Hinblick auf das Alter des 1950 geborenen Antragstellers, nicht mehr fest.
9.
Der nicht vorbehaltene Schriftsatz des Antragstellers vom 13.10.2006 veranlasst den Senat nicht zu einer
Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung, weil er, soweit die vorstehenden Gründe nicht hierauf eingehen,
keinen entscheidungserheblichen neuen Sachvortrag enthält (§ 156 ZPO).
III.
Die
Nebenentscheidungen
Eine
Revision
ZPO nicht vorliegen. Insbesondere dem vom Antragsteller angesprochenen Gesichtspunkt, ob die
Teildienstfähigkeit der Antragsgegnerin dienstrechtlich festgestellt werden muss, kommt weder grundsätzliche
Bedeutung zu, noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen
Rechtsprechung insoweit eine Entscheidung des Revisionsgerichts. Die Bedeutung einer in einem anderen
Verfahren getroffenen Tatsachenfeststellung für die Beweiswürdigung ist in der Rechtsprechung hinreichend
geklärt. Gleiches gilt für die Frage der Einsichtnahme in die vom Sachverständigen verwendeten Testbögen. Der
Senat hat allerdings eine Zulassung der Revision im Hinblick auf die Begrenzung des Unterhalts trotz
langjähriger Ehe erwogen, hiervon aber letztlich im Hinblick auf die Ausführungen im Urteil des BGH vom
12.04.2006 (NJW 2006, 2401 = FamRZ 2006, 1006) abgesehen.
Der
Streitwert
7.870,20 €, Berufung der Antragsgegnerin: 3.865,80 €).
Eck Darscheid Dühr-Ohlmann