Urteil des OLG Koblenz vom 30.12.2004

OLG Koblenz: anerkennung, ausschluss, trennung, unterhalt, scheidung, erwerbstätigkeit, ehepartner, haus, quelle, hinterbliebenenrente

Familienrecht
Versorgungsausgleich
OLG
Koblenz
30.12.2004
7 UF 837/04
Auf Kindererziehungszeiten beruhende Rentenanwartschaften sind grundsätzlich in den Versorgungsausgleich
einzubeziehen. Führen die aus den Kindererziehungszeiten herrührenden Anwartschaften dazu, dass der erziehende
Elternteil ausgleichspflichtig ist, ist dies allein noch kein Grund für einen Ausschluss des Versorgungsausgleichs wegen
grober Unbilligkeit nach § 1587 c Abs. 1 BGB.
Geschäftsnummer:
7 UF 837/04
16 F 472/03
AG Montabaur
in der Familiensache
K….. A……..,
Antragstellerin und Beschwerdeführerin,
- Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte
gegen
K… H…. A……..,
Antragsgegner und Beschwerdegegner,
- Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte
weitere Verfahrensbeteiligte:
1. Bundesversicherungsanstalt für Angestellte,
zu Vers.-Nr.: 13 …… M 509 (Ehefrau)
2. Landesversicherungsanstalt Rheinland Pfalz,
zu Ver.-Nr.: 16 …… A 008 (Ehemann)
w e g e n Versorgungsausgleichs als Scheidungsfolgesache
Der 7. Zivilsenat – 4. Senat für Familiensachen – des Oberlandesgerichts Koblenz hat durch die Vorsitzende Richterin
am Oberlandesgericht Wolff, den Richter am Oberlandesgericht Eck und den Richter am Landgericht Pollex
am 30. Dezember 2004
beschlossen:
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen das Urteil des Amtsgerichts – Familiengericht – Montabaur vom 23.09.2004
(Ziffer 2: Versorgungsausgleich) wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Antragstellerin.
Der Wert des Beschwerdegegenstands wird auf 1.000,- € festgesetzt.
Gründe:
Das Amtsgericht hat durch das angefochtene Urteil die Ehe der Parteien geschieden und den Versorgungsausgleich
durchgeführt. Dabei hat es Rentenanwartschaften der gesetzlichen Rentenversicherung in Höhe von 94,79 € vom
Versicherungskonto der Antragstellerin bei der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte auf dasjenige des
Antragsgegners bei der Landesversicherungsanstalt Rheinland Pfalz übertragen. Nur gegen Letzteres wendet sich die
Antragstellerin mit ihrer Beschwerde. Sie möchte den Ausschluss des Versorgungsausgleichs erreichen, weil ein Teil
ihrer Anwartschaften auf der Berücksichtigung von Kindererziehungszeiten beruhe und damit allein die Stellung der
Mutter gestärkt, nicht aber ein Ausgleichspotential für den Ehepartner geschaffen werden solle. Im Übrigen habe der
Antragsgegner nach der Trennung keinen Ehegattenunterhalt gezahlt, der ihr mindestens im Höhe von 500,- €
zugestanden habe; Kindesunterhalt sei nicht bzw. nicht zeitgerecht gezahlt worden, so dass Pfändungen hätten
ausgebracht werden müssen. Obwohl der Antragsgegner in der Vergangenheit als Selbständiger gut verdient habe,
habe er immer nur den Mindestbeitrag zur gesetzlichen Rentenversicherung bezahlt. Der Antragsgegner habe mit seinen
Einkünften das in seinem Eigentum stehende Haus aufs Beste modernisiert. Im Übrigen sei sie – im Gegensatz zum
Antragsgegner – auf die erworbenen Rentenanwartschaften angewiesen.
Die gemäß §§ 629 a Abs. 2, 621 e Abs. 1, 621 Abs. 1 Nr. 6 ZPO zulässige Beschwerde der Antragstellerin hat in der
Sache keinen Erfolg.
Das Amtsgericht hat den Versorgungsausgleich auf der Grundlage der erteilten Auskünfte der Versorgungsträger
rechtlich und rechnerisch zutreffend und von den Beteiligten unbeanstandet durchgeführt.
Der Versorgungsausgleich ist auch nicht nach § 1587 c BGB herabzusetzen oder auszuschließen.
Für die Anwendung des § 1587 c Nr. 3 BGB fehlt es bereits an einer groben Unterhaltspflichtverletzung des
Antragsgegners von besonderem Gewicht, die zu ernsthaften finanziellen Schwierigkeiten der Unterhaltsberechtigten
geführt hätte (vgl. BGH, NJW-RR 1987, 578). Denn nach dieser Vorschrift kommt ein Ausschluss oder eine Herabsetzung
des Versorgungsausgleichs nur in Betracht, wenn der Ausgleichsberechtigte während der Ehe längere Zeit hindurch
seiner Pflicht, zum Familienunterhalt beizutragen, gröblich verletzt hat.
Der Antragsgegner war während der gesamten etwa dreizehnjährigen Ehedauer i.S.d. § 1587 Abs. 2 BGB (01.05.1991
bis 31.01.2004) selbständig als Gas- und Wasserinstallateurmeister erwerbstätig. Dies entsprach der gemeinsamen
Lebensplanung der Parteien. Während der Zeit des Zusammenlebens hat er unstreitig mit seinem Verdienst hieraus
seinen Beitrag zum Familienunterhalt geleistet. Nach der Trennung hat er – auch nach dem Vortrag der Antragstellerin –
den geschuldeten Unterhalt für die bei der Antragstellerin lebenden gemeinsamen Kinder gezahlt; soweit die
Antragstellerin sich auf Unpünktlichkeit der Zahlungen und das Erfordernis von Vollstreckungsmaßnahmen – nach dem
Vorbringen des Antragsgegners geschah dies allerdings nur ein einziges Mal – beruft, hat sie dies lediglich pauschal
ohne hinreichende Substantiierung vorgetragen. Dies kann aber letztlich dahinstehen, denn das von der Antragstellerin
geschilderte Verhalten kann nicht als grobe Unterhaltspflichtverletzung angesehen werden. Gröblichkeit verlangt nämlich
neben einer besonderen Rücksichtslosigkeit auch, dass der Unterhaltsberechtigte in Not geraten ist (vgl. BGH a.a.O.).
Der Unterhalt der Kinder war aber nie gefährdet, da auch nach dem Vortrag der Antragstellerin spätestens durch die
Pfändungsmaßnahmen die geschuldeten Beträge erlangt wurden und im Übrigen die Antragstellerin aufgrund ihres
eigenen Erwerbseinkommens geringfügige Verspätungen in den Unterhaltszahlungen überbrücken konnte. Etwas
anderes ergibt sich jedenfalls aus dem Vortrag der für das Vorliegen der Voraussetzungen der Ausnahmevorschrift des §
1587 c BGB darlegungs- und beweispflichtigen Antragstellerin nicht. Dies gilt ebenso, soweit sich die Antragstellerin auf
eigene Trennungsunterhaltsansprüche beruft, die der Antragsgegner nicht erfüllt habe. Auch hier ist nicht dargetan, dass
sie durch die Nichtzahlung von Ehegattenunterhalt in ernsthafte finanzielle Schwierigkeiten geraten ist. Die
Antragstellerin hat nach der Trennung eine Erwerbstätigkeit aufgenommen und monatlich durchschnittlich zunächst rund
900,- €, später rund 1.400,- € netto verdient. Dass sie restliche Gehaltsansprüche aus ihrer Tätigkeit im Betrieb des
Antragsgegners vor den Arbeitsgerichten einklagen musste – das Verfahren endete mit einem Vergleich über 2.000,- € –
ist in diesem Zusammenhang ebenfalls ohne hinreichende Relevanz.
Ebenso wenig sind die Voraussetzungen des § 1587 c Nr. 2 BGB erfüllt. Hiernach findet ein Versorgungsausgleich u.a.
dann nicht statt, wenn der Berechtigte in Erwartung der Scheidung oder danach bewirkt hat, dass auszugleichende
Versorgungsanwartschaften nicht entstanden sind. Dass der Antragsgegner nicht einen seinem tatsächlichen
Einkommen entsprechenden (freiwilligen) Beitrag zur gesetzlichen Rentenversicherung gezahlt oder anderweitig für eine
höhere Alterssicherung gesorgt hat, entsprach der gemeinsamen Lebensplanung der Parteien und wurde
unbeanstandet über die ganze Ehezeit so gehandhabt. Darüber hinaus fehlt dem Verhalten des Antragsgegners jeder
Bezug zur Scheidung der Parteien.
Aber auch für die Anwendung des § 1587 c Nr. 1 BGB fehlt es vorliegend bei einer Gesamtwürdigung der beiderseitigen
Verhältnisse an ausreichenden Gesichtspunkten. Die Anwendung dieser Härteregelung kommt nur in Betracht, wenn
aufgrund besonderer Verhältnisse die starre Durchführung des öffentlich-rechtlichen Versorgungsausgleichs dem
Grundgedanken des Versorgungsausgleichs in unerträglicher Weise widersprechen würde (vgl. BGH, NJW 1982, 989).
Vorliegend sind die Voraussetzungen für einen Härtefall, der nur in eng begrenzten Ausnahmefällen zuzulassen ist, nicht
gegeben. Eine grobe Unbilligkeit liegt insbesondere nicht darin, dass der Berechtigte es unterlassen hat, bei
bestehender Lebensgemeinschaft als selbständig Erwerbstätiger eine höhere eigene Altersvorsorge zu treffen (vgl. OLG
Bremen, FamRZ 2002, 466; OLG Köln, FamRZ 1986, 580; OLG Hamm, FamRZ 1981, 547). Die Ausgleichspflicht beruht
nämlich auf der wirtschaftlichen Solidargemeinschaft der Eheleute. Während des Zusammenlebens hat die
Antragstellerin an der Erhöhung des Lebensstandards aufgrund der nicht durch die Altersvorsorge gebundenen Mittel
partizipiert. Darüber hinaus ist wesentlich, welche Planung der ehelichen Gemeinschaft zugrunde lag. Dass der
Antragsgegner einer selbständigen Tätigkeit nachging, wurde – ebenso wie die Höhe der freiwilligen Beitragszahlung
zur gesetzlichen Rentenversicherung – vom Willen beider Parteien getragen und von der Antragstellerin von Anfang an
durch ihre Mitarbeit im Betrieb, durch die sie eigenen Anwartschaften erwarb, unterstützt.
Ebenso entsprach es der gemeinsamen Lebensplanung, dass die Antragstellerin sich neben bzw. in Unterbrechung ihrer
Tätigkeit im Familienbetrieb während eines Teils der Ehezeit der Kinderbetreuung widmete. Die ihr während dieser Zeit
zugeflossenen Anwartschaften wegen Kindererziehungszeiten entsprechen ihrem – einverständlichen – Einsatz in der
Ehezeit und sind deshalb grundsätzlich in gleicher Weise wie die sonstigen Versorgungsanrechte in die am Ende der
Ehezeit aufzustellende Bilanz der beiderseitigen Anwartschaften einzubeziehen; eine Beschränkung oder Wegfall des
Versorgungsausgleichs allein aus dem Grunde, dass die ausgleichspflichtige Ehefrau Versorgungsanwartschaften
(auch) durch Kindererziehungszeiten erworben hat, kommt nicht in Betracht (vgl. OLG München, OLGR 2004, 171; OLG
Bremen, FamRZ 2002, 466; OLG Zweibrücken, FamRZ 2000, 890; OLG Brandenburg, FamRZ 2000, 891). Denn nach
den §§ 1587, 1587 a BGB sind bei der Durchführung des Versorgungsausgleichs alle Anrechte auszugleichen, die der
Versorgung wegen Alters oder Erwerbsunfähigkeit dienen. Hierzu gehören auch die Anwartschaften wegen
Kindererziehungszeiten. Diese sind weder privilegiert noch stellt deren Ausgleich allgemein und erst recht nicht für sich
allein eine grobe Unbilligkeit für die Antragstellerin dar. Der Gesetzgeber hat im Gesetz zur Neuordnung der
Hinterbliebenenrente sowie zur Anerkennung von Kindererziehungszeiten vom 11.07.1985 (BGBl I S. 1450) – anders als
etwa bei Leistungen nach dem Kindererziehungsleistungs-Gesetz vom 12.07.1987 (BGBl I S. 1585), die an Mütter der
Geburtsjahrgänge vor 1921 nicht wegen Alters, sondern als Anerkennung gezahlt werden (vgl. BGH, NJW 1991, 1825) –
die Anerkennung von Kindererziehungszeiten für Mütter der Geburtsjahrgänge nach 1920 rentenbegründend bzw.
rentensteigend ausgestaltet. Sie sind deshalb grundsätzlich in den Versorgungsausgleich einzubeziehen, da mit dem
HEZG keine aus dem System des Rentenrechts herausgelöste Stellung der kindererziehenden Elternteile geschaffen
werden sollte. Es kann von daher auch keinen Unterschied machen, ob die aus der Kindererziehungszeit herrührenden
Anwartschaften dazu führen, dass der andere Ehepartner geringere Anwartschaften zu übertragen hat, oder ob der
erziehende Elternteil durch den Erwerb dieser Anwartschaften ausgleichspflichtig wird. Mit der Berücksichtigung von
Kindererziehungszeiten im Rentenrecht wird ein Ausgleich für die aus der Zeit der Kindererziehung folgenden
Einkommenseinbußen geschaffen. Der die Kindererziehung ausübende Elternteil wird damit (annähernd) so gestellt, als
wenn er während dieser Zeit tatsächlich Einkommen bezogen und durch die Abführung entsprechender
Rentenversicherungsbeiträge Anwartschaften erworben hätte. Hätte er in dieser Zeit gearbeitet und aufgrund des Bezugs
von Erwerbseinkommen Rentenanwartschaften erworben, so gäbe es keinen Grund, diese nicht im
Versorgungsausgleich zu berücksichtigen. Die Berücksichtigung der Kindererziehungszeiten führt letztlich lediglich dazu,
dass sich die auf der gemeinsamen Willensentscheidung der Parteien beruhende Gestaltung der ehelichen
Lebensverhältnisse nunmehr auch beim Ausgleich der von beiden Ehegatten erworbenen Versorgungsanwartschaften
auswirkt.
Die Übertragung der Hälfte des Wertunterschieds der Anwartschaften der Antragstellerin ist auch nicht deshalb unbillig,
weil die Antragstellerin dringend auf diese Anwartschaften angewiesen wäre. Denn der Antragsgegner hat bis zum Ende
der Ehezeit insgesamt nur eine geringfügig höhere Anwartschaft (434,30 €) erworben als die Antragstellerin (404,04 €),
obwohl er zehn Jahre älter ist als diese. Auch wenn die Antragstellerin über den Versorgungsausgleich hiervon 94,79 €
an den Antragsgegner abgeben muss, ist zu berücksichtigen, dass sie vom Ende der Ehezeit bis zum Erreichen der
Altersgrenze noch über 26 Jahre im Berufsleben stehen und hierdurch ihre Anwartschaften aufbessern kann, während
der Antragsgegner hierfür nur noch rund 16 Jahre zur Verfügung hat. Es ist auch nicht ersichtlich, dass der
Antragsgegner in erheblich besseren Einkommens- und Vermögensverhältnissen lebt als die Antragstellerin. Hierfür ist
der Vortrag der Antragstellerin zu wenig substantiiert. Unstreitig hat der Antragsgegner in der Vergangenheit mit seiner
selbständigen Tätigkeit gut verdient. Er hat aber nachvollziehbar vorgetragen, dass dies im Wesentlichen auf Aufträgen
(Rohrverlegungstätigkeiten) im Zusammenhang mit der Errichtung der ICE-Trasse zwischen Frankfurt und Köln
zusammenhing und inzwischen nach Fertigstellung und Inbetriebnahme der ICE-Trasse nicht mehr der Fall ist. Es kann
deshalb nicht ohne weiteres angenommen werden, dass der Antragsgegner in den ihm verbleibenden Jahren der
Erwerbstätigkeit besser als die Antragstellerin in der Lage sein wird, für sein Alter (weiter) vorzusorgen. Soweit die
Antragstellerin sich auf Investitionen des Antragsgegners in sein (allerdings belastetes) Hausgrundstück beruft, kann sie
– sollte dem so sein – hieran über den Zugewinnausgleich partizipieren.
Bei dieser Sachlage muss es nicht als unerträglicher Verstoß gegen das Gerechtigkeitsgefühl empfunden werden, wenn
der Versorgungsausgleich zu Lasten der Antragstellerin durchgeführt wird.
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss wird nicht zugelassen, da die Rechtssache weder grundsätzliche
Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine
Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert (§§ 621 e Abs. 2, 543 Abs. 2 ZPO).
Die Festsetzung des Beschwerdewerts beruht auf § 49 GKG in der ab 01.07.2004 geltenden Fassung.
Wolff Eck Pollex