Urteil des OLG Koblenz vom 09.05.2005

OLG Koblenz: hebamme, einwilligung des patienten, behandlungsfehler, umkehr der beweislast, behandelnder arzt, positive vertragsverletzung, gesetzlicher vertreter, körperliche unversehrtheit, notfall

Bürgerliches Recht
OLG
Koblenz
09.05.2005
12 U 420/02
Deliktsrechtlich haftet jeder Arzt im Krankenhaus nur für eigene Fehler. Der ärztliche Kollege ist nicht sein
Verricthungsgehilfe. Im Verhältnis der gebärenden Kassenpatientin zum Krankenhaus kommt ein Vertragsverhältnis
zustande, in dessen Schutzwirkungen das Kind als begünstigter Dritter einbezogen wird.
Ärztlich eHeileingriffe bedürfen der Einwilligung des Patienten, um rechtmäßig zu sein. Diese Einwilligung kann nur
wirksam erteilt werden, wenn der Patient über den Verlauf des Eingriffs, seine Erfolgsaussichten, seine Risiken und
mögliche Behandlungsalternativen sachgemäß aufgeklärt worden ist. Eine vitale Indikation einer bestimmten ärztlichen
Maßnahme entbindet den behandelnden Arzt nicht von der Pflicht zur Aufklärung. Der Patient oder sein Vertreter, der
sich auf einen Aufklärungsmangel berufen will, muss in Fällen der vitalen Indikation plausible Gründe dafür darlegen,
dass er sich bei erfolgter Aufklärung in einem Entscheidungskonflikt befunden haben würde. Ferner obliegt dem
Patienten oder seinem Vertreter die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass eine Schadensfolge, für dei Ersatz verlangt
wird, durch einen eigenmächtigen ärztlichen Eingriff verursacht worden ist.
War eine hochdosierte Puffertherapie zur Abwendung eines lebensbedrohenden septischen Schocks das einzige Mittel
zur Lebensrettung des Kindes, dann fehlt es an einem Verschulden der behandelnden Ärzte für etwaige
gesundheitsschädigende Nebenwirkungen. Bei der Abwägung der gefährdeten Rechtsgüter kann ein schuldhafter
Pflichtverstoß der Ärzte nicht darin gesehen werden, dass sie gesundheitlich riskante Maßnahmen zur Lebensrettung
eingesetzt haben.
Geschäftsnummer:
12 U 420/02
10 O 209/99
LG Koblenz
Verkündet
am 09.05.2005,
Matysik, Amtsinspektor,
als Urkundsbeamter der
Geschäftsstelle
OBERLANDESGERICHT
KOBLENZ
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
in dem Rechtsstreit
N… T…. P……, vertreten durch den Ergänzungsbetreuer Rechtsanwalt
Klägerin und Berufungsklägerin,
- Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte
gegen
1. …hospital GmbH,
2. Dr. A…. S……. ,
Beklagte und Berufungsbeklagte,
- Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte
wegen eines Schadensersatzanspruches aus der Arzthaftung.
Der 12. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Koblenz hat durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dierkes,
die Richter am Oberlandesgericht Dr. Wohlhage und Dr. Eschelbach
auf die mündliche Verhandlung vom 4. April 2005
für R e c h t erkannt:
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der 10. Zivilkammer des Landgerichts Koblenz vom 15. Februar 2002
wird zurückgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Klägerin bleibt nachgelassen, die Vollstreckung durch die Beklagten durch
Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % der beizutreibenden Forderung abzuwenden, wenn nicht die Beklagten vor der
Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
T a t b e s t a n d :
Die Parteien streiten um Schadensersatzansprüche der Klägerin aufgrund ihrer geistigen und körperlichen
Behinderung, für die sie ärztliche Maßnahmen vor, während und nach der Geburt am 7. Juli 1979 verantwortlich macht.
Die Beklagte zu 1) betreibt das Krankenhaus, in dem die Klägerin geboren ist; der Beklagte zu 2) war der leitende Arzt
der geburtshilflich-gynäkologischen Abteilung.
Die Mutter der Klägerin, die am 1. November 1951 geboren ist und seit ihrem 14. Lebensjahr unter Epilepsie gelitten
hatte, war während der Schwangerschaft antibiotisch behandelt worden. Sie litt zudem unter Genitalblutungen. Am
2. Juli 1979 war die Fruchtblase gesprungen, worauf die Mutter der Klägerin als Kassenpatientin im Krankenhaus der
Erstbeklagten zur stationären Entbindung aufgenommen wurde. Am 7. Juli 1979 wurde die Klägerin als dystrophes
wachstumsretardiertes Kind durch Kaiserschnitt entbunden, nachdem es zu einem Nabelschnurvorfall gekommen war,
wobei die Parteien um den Zeitpunkt und die Umstände dieses Vorfalls streiten. Nach der Schnittentbindung und der
manuellen Lösung der Plazenta musste die Gebärmutter ausgeschabt werden; denn die Eihäute waren eitrig und die
Gebärmutterhöhle (cavum uteri) zeigte lokalen Gewebstod (Nekrose). Die Klägerin wurde un-mittelbar nach der Geburt
für wenige Minuten intubiert und mechanisch beatmet, konnte dann aber regelmäßig selbst atmend auf die Kinderstation
verlegt werden. Als Aufnahmebefund wurden in der Kinderstation die Frühgeburt und ein Zustand drohender Erstickung
(Asphyxie) festgehalten (Bl. 47 GA). Dort wurden eine antibio-tische Behandlung und eine Puffertherapie wegen eines
erhöhten Säuregehalts des Blutes und der Gewebe (Azidose) durchgeführt. Diese Azidose besserte sich bis um 23 Uhr
am Geburtstag der Klägerin. Danach ging es ihr gut. Am 17. Juli 1979 wurde zunächst bei der Untersuchung U-2 ein
weitgehender Normalbefund festgehalten. Dann trat an jenem Tag eine bakterielle Infektion (Sepsis) auf, die mit einer
metabo-lischen Azidose verbunden war. Diese Azidose wurde durch eine Puffertherapie mit Luminal (Inhaltsstoff:
Phenobarbital) und durch das krampflösende Mittel Rivotril (Wirkstoff: Clonazepam) behandelt, wodurch die Azidose
abklang, ohne dass sich jedoch der Allgemeinzustand der Klägerin wesentlich besserte. Es bestand der Verdacht auf
eine Gehirnhautentzündung (Meningitis) mit krampfartigen Anfällen. Erst ab dem 20. Juli 1979 erholte sich die Klägerin
allmählich wieder, bis es am 28. Juli 1979 erneut zu einer Azidose kam, die bis zum 31. Juli 1979 erneut zu einer
Verschlechterung des Allgemeinzustandes führte. Danach erholte sich die Klägerin wiederum und begann bei
regelrechtem Kopfwachstum zu gedeihen. Sie konnte am 14. September 1979 in stabilem Allgemeinzustand entlassen
werden. Im Ent-lassungsbericht wurden die Frühgeburt, eine intrauterine Infektion der Mutter, eine postnatale
Gehirnhautentzündung der Klägerin (Meningitis) mit cerebralen Krampfanfällen, sowie eine psychomotorische
Retardierung mit multiplen Hirnläsionen festgehalten. In der Folgezeit erwies sich die Klägerin als geistig und körperlich
schwer behindert. Es liegt eine erhebliche psychomotorische Retardierung bei linksbetonter spastischer Tetraplegie mit
einem generalisierten hirnorganischen Anfallsleiden vor. Die Sprachentwicklung ist kaum ausgebildet. Die Klägerin ist
auf Dauer pflegebedürftig.
Die Klägerin hat unter Vorlage eines Entwurfes der Klageschrift vom 20. April 1999 und unter Hinweis auf ein privat
eingeholtes Gutachten des Arztes Prof. Dr. med. G... vom 18. August 1997 (Bl. 12 ff.) Prozesskostenhilfe beantragt,
welche ihr erstinstanzlich durch Beschluss vom 1. Juni 1999 bewilligt wurde. Sie hat daraufhin Klage erhoben, die den
Beklagten am 4. Juni 1999 zugestellt wurde. Der Haftpflichtversicherer, der hinter den Beklagten steht, hat den „Verzicht
auf die Verjährungseinrede bis zum 30.06.1999, soweit nicht Verjährung bereits eingetreten sein sollte“, erklärt (Bl. 11
GA).
Die Klägerin hat behauptet,
ihre Mutter sei nach deren Erinnerung am 7. Juli 1979, ihrem Geburtstag, nach dem Blasensprung im Krankenhaus der
Erstbeklagten aufgenommen worden (Bl. 84 GA); bei dieser Datumsangabe könne es sich freilich auch um einen Irrtum
handeln (Bl. 116 GA). An ihrem Geburtstag, einem Samstag, sei bereits gegen 16.00 Uhr der Nabelschnurvorfall von
ihrer Mutter entdeckt und sogleich der Hebamme gemeldet worden (Bl. 58, 84 GA). Gleichwohl sei stundenlang kein Arzt
erreicht worden, weil die Rufbereitschaft nicht habe erreicht werden können und das sonstige ärztliche Personal
anderweitig eingesetzt gewesen sei (Bl. 115 GA). Der Beklagte zu 2) sei gegen 21.00 Uhr an ihrem Bett erschienen
(Bl. 84, 113 GA). Um 21.50 Uhr sei danach der Kaiserschnitt vorbereitet und um 22.17 Uhr durchgeführt worden. Durch
die verspätete Reaktion auf den Nabelschnurvorfall sei es zu einer Sauerstoffunterversorgung ihres Gehirns und dessen
nachhaltiger Schädigung gekommen. Die Schnittentbindung hätte aber auch nicht erst an diesem Tage, sondern bereits
an dem Tag, an dem die Fruchtblase gesprungen gewesen sei, erfolgen müssen (Bl. 116 GA). Mit einer solchen früheren
Schnittentbindung wäre die später eingetretene Hirnschädigung verhindert worden. Zumindest wäre eine
Dauerbeobachtung nach dem Blasensprung erforderlich gewesen (Bl. 116 GA), die tatsächlich nicht erfolgt sei. Auch
dadurch hätte es verhindert werden können, dass ein Nabelschnurvorfall eine so späte Reaktion hervorgerufen hätte.
Hinzu komme eine mangelhafte Infektionsprophylaxe. Durch ausreichende Infektionsvorsorge wäre die Meningitis
verhindert worden, die sie nach der Geburt erlitten habe. Über ihren kritischen Zustand sei ihre Mutter erst am 11. Tag
nach der Geburt unterrichtet worden mit der Mitteilung, sie, die Klägerin, könne jeden Moment sterben. Die Behandlung
durch eine massive Puffertherapie habe sie zwar knapp überlebt, aber dadurch schwerste Hirnschädigungen erlitten.
Demgegenüber habe sich die Gebärmutterinfektion ihrer Mutter nicht auf ihren Gesundheitszustand ausgewirkt, zumal
die pränatalen Untersuchungen keine Auffälligkeiten gezeigt hätten. Ein Abtreibungsversuch sei entgegen den
Vorhaltungen der Beklagten nicht vorausgegangen; das stelle ihre Mutter entschieden in Abrede (Bl. 75 GA). Da
einerseits grobe Behandlungsfehler vorgelegen hätten, andererseits aber auch die Dokumentation mangelhaft gewesen
sei, kehre sich die Beweislast zu ihren Gunsten um. Anspruchsverjährung sei nicht eingetreten, weil ihre Mutter erst
durch das Gutachten des anwaltlich beauftragten Sachverständigen Prof. Dr. G... (Bl. 12 ff. GA) vom 18. August 1997
ausreichende Kenntnis von der Schadensursache und den Verantwortlichkeiten erlangt habe. Sie habe zwar in den
Jahren 1979 und 1982 bereits Rechtsanwälte befragt, die aber von einer Klageerhebung abgeraten hätten (Bl. 85 GA).
Im Jahre 1991 sei von einer ihre Mutter psychologisch behandelnden Ärztin zur Durchführung eines Rechtsstreits
geraten worden (Bl. 85 GA). Erst im Jahre 1994 habe sie die Krankenhausunterlagen erhalten. Sie habe jahrelang
Verhandlungen mit dem Haftpflichtversicherer der Beklagten geführt. Schließlich habe dieser auf die Einrede der
Verjährung verzichtet.
Die Klägerin hat beantragt,
1. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an sie ein angemessenes Schmerzensgeld nebst 4 % Zinsen seit
Rechtshängigkeit zu zahlen,
2. festzustellen, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, ihr alle zukünftig noch entstehenden
immateriellen Schäden, soweit diese noch nicht vom Klageantrag zu 1) erfasst und nicht vorhersehbar sind, sowie alle
zukünftig noch entstehenden materiellen Schäden, die ihr aus der stationären Behandlung bei der Beklagten zu 1) in der
Zeit vom 7. Juli 1979 bis zum 14. September 1979 entstanden sind, zu ersetzen, soweit diese Ansprüche nicht auf Träger
der Sozialver-sicherung oder andere Dritte übergegangen sind,
3. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, ihr durch Entrichtung einer Geldrente ab dem Tag der
Klagezustellung Schadensersatz zu leisten.
Die Beklagten haben beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie haben vorgetragen,
der Beklagte zu 2) hafte nicht, weil er am Geburtstag der Klägerin keinen Dienst gehabt habe. Behandelnder Arzt bei der
Schnittentbindung sei Dr. V… gewesen. Der Beklagte zu 2) sei nicht im Krankenhaus erschienen. Unrichtig sei die
klägerische Behauptung der Krankenhausaufnahme ihrer Mutter am 7. Juli 1979. Am 2. Juli 1979 sei es um 04.00 Uhr
zum Fruchtblasensprung gekommen; an jenem Tage sei die Mutter der Klägerin gegen 14.55 Uhr stationär im
Krankenhaus der Erstbeklagten aufgenommen worden. Die Mutter der Klägerin habe erstmals 18 Jahre nach dem
Geburtsereignis für den privat beauftragten Sachverständigen Prof. Dr. G... die Ereignisse so geschildert, wie sie diese für
die Klägerin mit der Klage geltend mache. Das deute auf eine nachträglich konstruierte Darstellung hin, die nicht zutreffe.
In der gesamten Dienstzeit des Beklagten zu 2) sei kein Fall zu verzeichnen gewesen, bei dem in einem Notfall über
Stunden hinweg auch im Rahmen einer Rufbereitschaft kein Arzt habe erreicht werden können. Auch im Übrigen komme
eine Haftungsverantwortlichkeit der Beklagten nicht in Frage. Es sei mit Blick auf die frühgeburtliche Lage nach den
Regeln der ärztlichen Kunst nicht angezeigt gewesen, unmittelbar nach dem Blasensprung eine Schnittentbindung
durchzuführen. Das CTG habe dann nämlich regelmäßige Herztöne gezeigt und auch sonst sei der Befund unauffällig
gewesen. Durch eine Dauerkontrolle der Herztöne sei der schließlich eingetretene Befund nicht zu verhindern gewesen
(Bl. 124 f. GA). Der Nabelschnurvorfall sei am Geburtstag der Klägerin gegen 20.40 Uhr aufgetreten, nicht um 16.00 Uhr.
Darauf sei unverzüglich durch Vorbereitung und Durchführung der Schnittentbindung reagiert worden. Die Geburt sei um
21.17 Uhr, nicht erst um 22.17 Uhr, erfolgt. Im Operationsbericht (Bl. 44 GA) sei eine Untersuchung gegen 21.00 Uhr
eingetragen worden, die von dem Vermerk der Hebamme abweiche. Danach müsse der Hebamme ein Fehler bei der
Eintragung der Uhrzeit unterlaufen sein, wonach deren Vermerk das tatsächliche Geschehen um eine Stunde vordatiert
habe. Es sei vor und nach der Geburt nicht zu einer Sauerstoffunterversorgung gekommen, die für die Hirnschädigungen
der Klägerin ursächlich geworden sei; denn nach der kurzzeitigen Beatmung habe die Klägerin selbst regelgerecht
geatmet. Die Behandlung nach der Geburt sei nach den Regeln der ärztlichen Kunst nicht zu beanstanden. Dass es am
elften Tage nach der Geburt zu einer schweren Sepsis der Klägerin gekommen sei, sei auf die Gebärmutterinfektion ihrer
Mutter zurückzuführen. Diese sei bei einem Versuch des Schwangerschaftsabbruchs in der 16. Schwangerschaftswoche
verursacht worden. Die spätere Sepsis der Klägerin sei auch durch deren Frühgeburt begünstigt worden. Die massive
Behandlung des aufgetretenen septischen Schocks sei lebensrettend gewesen und könne daher, unbeschadet etwaiger
Nebenwirkungen, rechtlich nicht beanstandet werden. Es bestehe kein ursächlicher Zusammenhang zwischen der
hierbei durchgeführten Puffertherapie und den geltend gemachten geistigen und körperlichen Beeinträchtigungen der
Klägerin. Die erforderlichen Befunde seien erhoben und ausreichend dokumentiert worden. Schließlich seien Ansprüche
der Klägerin verjährt, weil sie erstmals am 14. Juni 1994 Schadensersatzansprüche angemeldet und Krankenunterlagen
angefordert habe. Zu jenem Zeitpunkt habe die Mutter der Klägerin bereits über ausreichende Kenntnisse der
Gesamtumstände verfügt. Ein Verzicht auf die Erhebung der Verjährungseinrede sei vom Haftpflichtversicherer nur
erklärt worden, soweit Anspruchsverjährung nicht schon eingetreten gewesen sei.
Das Landgericht hat die Mutter der Klägerin als Partei angehört (Bl. 84 GA) und die Zeugin W... (Hebamme) vernommen
(Bl. 135 ff. GA). Es hat ein schriftliches Gutachten des geburtshilfe-medizinischen Sachverständigen Prof. Dr. med. F...
eingeholt (Bl. 204 ff. GA), dem die Beklagten entgegengetreten sind (Bl. 224 ff. GA). Das Landgericht hat auch ein
neonatologisches Gutachten des medizinischen Sachverständigen Prof. Dr. von St... eingeholt (Bl. 236 ff. GA). Es hat
beide Sachverständigen mündlich angehört (Bl. 301 ff., 303 ff. GA). Auf dieser Grundlage hat es die Klage durch Urteil
vom 15.2.2002 abgewiesen (Bl. 329 ff. GA). Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Reaktionszeit von -
soweit feststellbar - 37 Minuten auf die Entdeckung des Nabelschnurvorfalls bis zur Schnittentbindung sei lange. Dies sei
für die Beeinträchtigungen der Klägerin aber nicht ursächlich geworden. Die rasche Erholung der Klägerin nach der
kurzzeitigen Depression im unmittelbaren Anschluss an die Schnittentbindung zeige, dass kein wesentlicher
Sauerstoffmangel eingetreten gewesen sei, wie er durch eine Unterbrechung der Nabelschnurversorgung zu erwarten
gewesen wäre. Angesichts dieser klaren Einschätzung bedürfe es keiner weiteren Begutachtung. Dass nicht schon
unmittelbar nach dem Blasensprung eine Schnittentbindung angeordnet worden sei, stelle vor dem Hintergrund des
Frühgeborenenstatus der Klägerin zur Zeit der Aufnahme ihrer Mutter im Krankenhaus keinen Behandlungsfehler dar,
weil die Herztöne der Klägerin zu jener Zeit unauffällig gewesen seien. Schließlich sei das auch nicht ursächlich für die
Beeinträchtigungen der Klägerin geworden. Dafür sei vielmehr die Sepsis am 11. Tage nach der Geburt maßgebend.
Insoweit könne nicht von einer mangelhaften Infektionsprophylaxe ausgegangen werden. Vielmehr sei nach der Geburt
eine antibiotische Behandlung durchgeführt worden. Die dabei verwendeten Medikamente (Tototcillin, Colistin) seien
zwar toxisch gewesen, sie hätten andererseits das Spektrum aller befürchteten Keime abgedeckt. Ein Zusammenhang
dieser Medikamente mit der cerebralen Schädigung der Klägerin sei nicht festzustellen. Der schließlich eingetretene
septische Schock sei schicksalhaft eingetreten. Dafür sei wahrscheinlich der entzündliche Prozess in der Gebärmutter
während der Schwangerschaft ursächlich geworden. Die hohe Dosierung der Puffertherapie sei aufgrund einer
Abwägung der akuten Lebensgefahr mit den Nebenfolgen dieser Medikation nicht zu beanstanden. Die Klägerin habe
dadurch die akute Krise überlebt. Ein Behandlungsfehler liege deshalb nicht vor. Er wäre zudem nicht für den geltend
gemachten Schaden ursächlich geworden, weil schon Störungen der Versorgung der Klägerin im Stoffwechsel während
der Schwangerschaft anzunehmen seien. Dokumentationsmängel in den Krankenhausunterlagen eröffneten keine
eigenständige Anspruchsgrundlage. Sachliche Folgen in Form konkreter Diagnose- oder Behandlungsmängel könnten
daraus auch nicht abgeleitet werden.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der Klägerin, mit der sie ihre erstinstanzlichen Klageanträge weiter verfolgt
und dies erläutert (Bl. 371 ff., 514 ff., 566 ff., 579 ff., 601 f., 604 ff., 672 ff. GA). Sie bemängelt vor allem eine unzureichende
Sachaufklärung zu der Behauptung, dass ein Nabelschnurvorfall bereits ab 16.00 Uhr an ihrem Geburtstage vorlag. Der
Zweitbeklagte sei erst gegen 21.00 Uhr an ihrem Geburtstag erscheinen; ihre Mutter habe ihn später sicher wieder
erkannt; eine Verwechslung sei ausgeschlossen (Bl. 568 GA). Danach habe die Mutter ihn erst wieder am 11. Tage nach
der Geburt gesehen, als sie „im Sterbebett gelegen“ habe (Bl. 568 GA). Dann sei es zu einem ärztlichen Konsilium
gekommen, in dem ihre Mutter vom Zweibeklagten mit Vorhaltungen unter Druck gesetzt worden sei und ein
Schuldeingeständnis habe unterschreiben müssen (Bl. 582 ff. GA). Die Feststellung eines frühen Zeitpunkts des
Nabelschnurvorfalls um 16.00 Uhr sei wesentlich, weil der privat beauftragte Sachverständige Prof. Dr. G... gerade hierin
eine wesentliche Mitursache ihrer hirnorganischen Schädigung gesehen habe. Zudem sei nach dem Privatgutachten
davon auszugehen, dass eine frühere Schnittentbindung sowohl hinsichtlich des Nabelschnurvorfalls als auch
hinsichtlich der Infektionsgefahr präventiv gewirkt hätte. Die Klägerin verweist ferner darauf, dass vorgeburtlich keine
Auffälligkeiten festgestellt worden seien. Daher könne von einer intrauterin gesetzten Ursache ihrer Beeinträchtigung
entgegen der Annahme des Landgerichts nicht ausgegangen werden. Ausreichende Maßnahmen gegen eine
Sauerstoffunterversorgung beim Nabelschnurvorfall seien nicht getroffen worden. Mit den Ausführungen des privat
beauftragten Sachverständigen Prof. Dr. G... habe sich das Gericht nicht ausreichend auseinandergesetzt. Es sei auch
nicht beachtet worden, dass die Krankenhausunterlagen spärlich und unzureichend gewesen seien. Die Annahme des
Sachverständigen Prof. Dr. F..., dass die angemessene Reaktionszeit auf den Nabelschnurvorfall auch dann, wenn diese
nur 37 Minuten betragen hätte, überschritten worden sei, habe das Gericht überspielt. Insoweit habe der
Sachverständige Prof. Dr. von St... seinen Kollegen Prof. Dr. F..., der zunächst einen anderen Standpunkt eingenommen
gehabt habe, unsachlich beeinflusst. Es könne hinsichtlich der Zeitpunkte des Ablaufs nicht von einem Schreibversehen
der Hebamme ausgegangen werden; dafür fehle jeder Anhaltspunkt. Die Klägerin hat den erstinstanzlich beauftragten
Sachverständigen Prof. Dr. von St... zugleich mit der Berufungsbegründung wegen Besorgnis der Befangenheit
abgelehnt (Bl. 381 GA). Sie hat ferner die Vernehmung oder Anhörung ihrer Mutter als Zeugin gefordert. Diese könne
insbesondere den Zeitpunkt des Nabelschnurvorfalls bekunden und das Erscheinen des Beklagten zu 2) um 21.00 Uhr
an ihrem Geburtstag bestätigen. Die Ausführungen zur Infektion und zur Unvermeidbarkeit eines septischen Schocks
gingen fehl. Es fehle ein radiologisches und neurologisches Gutachten zum Nachweis dafür, dass der Hirnschaden
durch Sauerstoffmangel und nicht durch eine Infektion entstanden sei (Bl. 518 GA). Die Verjährungseinrede sei
unbegründet (Bl. 520 ff. GA).
Die Klägerin beantragt (Bl. 371 f. GA),
unter Abänderung des angefochtenen Urteils
1. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an sie ein angemessenes Schmerzensgeld nebst 4 % Zinsen seit
Klagezustellung zu zahlen,
2. festzustellen, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, ihr alle zukünftig noch entstehenden
immateriellen Schäden, soweit diese noch nicht vom Klageantrag zu 1) mit erfasst und nicht vorhersehbar sind, sowie
alle zukünftig noch entstehenden materiellen Schäden, die ihr aus der stationären Behandlung bei der Beklagten zu 1) in
der Zeit vom 7. Juli 1979 bis zum 14. September 1979 entstanden sind, zu ersetzen, soweit diese Ansprüche nicht auf
den Träger der Sozialversicherung oder Sozialhilfe übergegangen sind,
3. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, ihr durch Entrichtung einer Geldrente ab dem Tage der
Klagezustellung Schadensersatz zu leisten,
hilfsweise die Revision zuzulassen.
Die Beklagten beantragen,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigen das angefochtene Urteil (Bl. 444 ff. GA). Sie machen ferner geltend, der Klageantrag zu 3) sei
unbestimmt. Ein Haftungsgrund bezüglich des Zweitbeklagten sei nicht ausreichend dargetan. Dieser habe am
Geburtstag der Klägerin keine Rufbereitschaft gehabt und sei auch nicht anwesend gewesen. Operationsfehler lägen
nicht vor. Für die Nachsorge sei die Kinderklinik zuständig gewesen. Die Berechtigung der Verjährungseinrede sei von
der Mutter der Klägerin damit zugestanden worden, dass sie eingeräumt habe, in den Jahre 1979 und 1982
Rechtsanwälte beauftragt zu haben, die aber letztlich von einer Klage abgeraten hätten. Die Mutter der Klägerin habe im
Juni 1994 Krankenunterlagen erhalten (vgl. Bl. 465 ff. GA) und deshalb ausreichende Informationen zur Klageerhebung
gehabt. Weitere Beweiserhebungen in der ersten Instanz würden zu Unrecht von der Klägerin vermisst. Prof. Dr. G... sei
am 12. August 2001 verstorben und stehe deshalb auch als sachverständiger Zeuge nicht zur Verfügung. Ein
Beweisantrag auf Vernehmung des Frauenarztes Dr. B... betreffe kein erhebliches Beweisthema. Die inzwischen
verstorbene Hebamme W... sei zu Standardmaßnahmen beim Nabelschnurvorfall nicht im Einzelnen befragt worden, so
dass aus ihrer Aussage auch kein Behandlungsfehler zu entnehmen sei. Die Ablehnung des Sachverständigen Prof. Dr.
von St... durch die Klägerin wegen Besorgnis der Befangenheit sei nicht gerechtfertigt (Bl. 455 GA). Die Behauptung, „es
sei“ zur Art der Behandlung „nichts mit der Kindesmutter erörtert worden“, treffe nicht zu (Bl. 456 a.E. GA). Die Zeugin B…
P… mache falsche Angaben, die in das Klägervorbringen eingeflossen seien. Das gelte für die Änderung der
Behauptungen zu einem Abtreibungsversuch, aber auch zu dem nachträglichen Vorbringen, sie habe ein „Schriftstück
unterschreiben“ müssen, „welches die Ärzte entlastete“ (Bl. 457 GA). Es treffe nicht zu, dass die Mutter der Klägerin am
11. Tage nach der Geburt unter Druck gesetzt worden sei, damit sie ein Schuldeingeständnis unterzeichne (Bl. 571 ff.
GA). Unrichtig sei vor allem auch der Vortrag, es sei schon um 16.00 Uhr am Geburtstag der Klägerin zu dem
Nabelschnurvorfall gekommen, wobei die Bettnachbarin der Mutter der Klägerin die „heraushängende“ Nabelschnur
gesehen habe (Bl. 458 GA). Der Stationsarzt sei nicht durch einen (anderen) Notfall verhindert gewesen, zumal ein
anderer Notfall diesen Arzt nicht von 16.00 Uhr bis 21.00 Uhr nach der Meldung eines Nabelschnurvorfalls daran
gehindert hätte, die Mutter der Klägerin aufzusuchen. Das Vorbringen zur Rufbereitschaft des Zweitbeklagten (Bl. 114,
394 GA) sei wechselnd und falsch (Bl. 458, 574 ff. GA). Die Behauptung, der Zweitbeklagte sei trotz Rufbereitschaft
spazieren gegangen und dabei unerreichbar gewesen (Bl. 561, 633 GA), treffe nicht zu, zumal ein fünfstündiger
Spaziergang in der Rufbereitschaft nicht anzunehmen sei und die Operation entgegen dem Klägervorbringen nicht erst
um 21.30 Uhr begonnen habe (Bl. 458 GA). Es sei undenkbar, dass ein vorhandener und sichtbarer Nabelschnurvorfall
mehr als sechs Stunden ohne Notschnittentbindung belassen worden sei (Bl. 575 GA).
Der Senat hat die Mutter der Klägerin zunächst informatorisch im Prozesskostenhilfeverfahren angehört (Bl. 559 ff. GA).
Hiernach wurde von der Klägerin ein ärztliches Konsilium am 11. Tage nach der Geburt behauptet, bei dem Druck auf die
Mutter der Klägerin ausgeübt worden sei, damit sie ein Schuldbekenntnis unterschreibe (Bl. 573 ff., 582 GA). Hierauf ist
ein Auflagen- und Beweisbeschluss des Senats vom 15. September 2003 ergangen (Bl. 590 ff. GA), der auch – vor
Verwerfung des Ablehnungsgesuchs gegen den Sachverständigen Prof. Dr. von St... – neben der Anordnung der
Erhebung von Zeugenbeweis die Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens durch Prof. Dr. S… in Aussicht
gestellt hat. Danach hat die Klägerin klargestellt, dass es um die Beurteilung des Hirnschadens durch die verspätete
Einleitung ihrer Geburt gehe (Bl. 604 GA). Während der Geburt sei eine als ausreichend bezeichnete Penicillin-
Behandlung erfolgt, die eine Vorschädigung ausschließe (Bl. 605 f. GA). Durch Beschluss vom 26. Mai 2004 hat der
Senat die Ablehnung des Sachverständigen Prof. Dr. von St... durch die Klägerin wegen Besorgnis der Befangenheit
verworfen (Bl. 612 ff. GA). Am 3. September 2004 hat der Senat seinen Beweisbeschluss hinsichtlich des
Zeugenbeweises wegen neuen Vorbringens modifiziert (Bl. 627 f. GA). Sodann hat er die Mutter der Klägerin als Zeugin
vernommen (Bl. 630 ff. GA) und die weiteren Zeugen F… (Bl. 638 f. GA), K… (Bl. 640 GA), Sch… (Bl. 642 f. GA), Dr. Sch…
(Bl. 646 f. GA), Dr. Ste… (Bl. 648 f. GA), Dr. V… Bl. 682 ff. GA), G… (Bl. 692 ff. GA), Dr. K… (Bl. 686 ff. GA), Dr. He…
(Bl. 688 ff. GA), Dr. H… (Bl. 690 f. GA) vernommen. Wegen der Ergebnisse der ergänzenden Beweisaufnahme durch den
Senat wird auf die Vernehmungsprotokolle verwiesen.
In der mündlichen Verhandlung vom 4. April 2005 hat der Senat darauf hingewiesen, dass die Ankündigung der
Einholung eines weiteren Gutachtens des medizinischen Sachverständigen Prof. Dr. S... der Überprüfung bedürfe
(Bl. 696 GA). Hinsichtlich der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes nimmt er auf die von den Parteien gewechselten
Schriftsätze nebst Anlagen Bezug. Unter dem 21.April 2005 nachgereichte schriftliche Ausführungen des Zeugen G… hat
der Senat nicht verwendet.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
Die Berufung ist unbegründet. Das Landgericht hat zu Recht die Klägerin mit der Klage abgewiesen. Es besteht kein
vertraglicher oder deliktischer Anspruch der Klägerin gegen die Beklagten wegen ihrer hirnorganischen
Beeinträchtigungen.
I.
Ärztliche Behandlungsfehler oder Organisationsmängel, die die Beeinträchtigungen der Klägerin verursacht hätten,
liegen nicht vor. Das hat das Landgericht zutreffend angenommen, auf dessen Urteil ergänzend Bezug genommen wird.
Der Senat hat die Beweisaufnahme ergänzt, gelangt aber auch danach zu keinem anderen Ergebnis. Auch ein Grund zur
Annahme einer Umkehr der Beweislast liegt nicht vor. Weder ist von einem groben Behandlungsfehler auszugehen noch
liegt hinsichtlich der potenziell haftungsbegründenden Umstände ein relevanter Dokumentationsmangel vor, der eine
Beweiserleichterung zugunsten der Klägerin gebieten könnte. Nur dann ist es gerechtfertigt, dem Patienten den Beweis
für den Kausalzusammenhang zu erleichtern, wenn eine Befunderhebung durch eine ärztliche
Untersuchungsmaßnahme angesichts der Symptome des Patienten zur Aufklärung und Sicherung des Status ärztlich
zweifelsfrei geboten gewesen und schuldhaft unterlassen worden ist, und wenn ein Befundstatus, wäre er erhoben
worden, wahrscheinlich den vom Patienten behaupteten Ursachenverlauf auch geklärt hätte, weil die Statussicherung
gerade wegen des erhöhten Risikos eines solchen Verlaufs geschuldet war (BGHZ 99, 391, 398 f.). Ein solcher Fall liegt
hier nicht vor.
1. Eine sofortige Anordnung der Schnittentbindung am 2. Juli 1979 oder eine Dauerüberwachung mit Hilfe des CTG nach
der stationären Aufnahme der Mutter der Klägerin im Krankenhaus der Erstbeklagten waren nicht angezeigt. Es gab
keine konkreten Anzeichen dafür, dass eine Schnittentbindung oder Dauerüberwachung zur Vermeidung einer Infektion
der Klägerin oder eines Nabelschnurvorfalls erforderlich werden könnte. Davon gingen schon in erster Instanz die
medizinischen Sachverständigen Prof. Dr. F... und Prof. Dr. von St... aus (Bl. 217, 251, 305 GA) und dem folgt der Senat.
Der vorzeitige Blasensprung war zuletzt noch in der Klinik mit dem Abgang von klarem Fruchtwasser verbunden (vgl.
Bl. 208 GA). Also lag keine Fruchtwassertrübung vor, die ein Hinweis auf einen Mangel hätte sein können. Das CTG
zeigte eine regelrechte Herzaktion des Feten (vgl. Bl. 208 GA). Auch insoweit bestand kein Grund zur Besorgnis.
Nabelschnurvorfälle sind statistisch selten und kaum vorhersehbar. Dass am 7. Juli 1979 ein Nabelschnurvorfall
eintreten würde, war bei der Krankenhausaufnahme am 2. Juli 1979 nicht absehbar. Die eitrige Amnionitis, welche später
die Ausschabung der Gebärmutter erforderlich machte, war noch nicht bekannt. Nach allem war die medizinische
Entscheidung, die Geburt nicht vorzeitig durch Schnittentbindung herbeizuführen, sondern zuerst die noch
unvollkommene Lungenreifung des Feten zu fördern, sachgerecht, zumal zugleich die Mutter der Klägerin in der
Wartephase bis zur Geburt vorsorglich mit einem Antibiotikum behandelt wurde.
Nur ergänzend kommt hinzu, dass wegen der unzuverlässigen Angaben der Mutter der Klägerin auch unklar war, wann
der reguläre Geburtstermin anzunehmen war. Erst durch nachträgliche Untersuchungen ergab sich, dass die Klägerin
wahrscheinlich in der 35. Schwangerschaftswoche geboren wurde. Zur Zeit der Krankenhausaufnahme ihrer Mutter
stand anhand der Eintragungen im Mutterpass noch die 32. Schwangerschaftswoche im Raum, weil der Frauenarzt der
Mutter der Klägerin anhand ihrer Angaben das Geburtsdatum auf den 5. September 1979 prognostiziert hatte. Auch mit
Blick auf die Wachstumsretardierung der Klägerin bestand für die Ärzte des Krankenhauses der Erstbeklagten kein
Grund, dies in Zweifel zu ziehen. Dann erschien die Förderung der Lungenreifung vorrangig vor einer frühzeitigen
Einleitung der Geburt zur Verhinderung eines noch nicht absehbaren Risikos der Infektion oder eines
Nabelschnurvorfalles.
2. Ein schon um 16.00 Uhr am 7. Juli 1979 aufgetretener und der Hebamme gemeldeter, aber nicht ärztlich
diagnostizierter Nabelschnurvorfall lag nicht vor. Darauf weist keine Eintragung in den Krankenunterlagen hin. Das
Vorbringen der Klägerin, womit ein derart extremer Vorfall behauptet wird, trifft nicht zu. Die entsprechende Aussage der
Zeugin B… P…, die in das Klägervorbringen eingeflossen ist, ist unglaubhaft.
a) Es ist anhand der Aufzeichnungen in den Krankenhausunterlagen davon auszugehen, dass ein Nabelschnurvorfall
um 20.40 Uhr am 7. Juli 1979 aufgetreten ist und zur Geburt der Klägerin durch Schnittentbindung im 21.17 Uhr geführt
hat. Dies entspricht der Geburtszeit laut Kinderkurve in der Frauenklinik. Als Übernahmezeitpunkt in der Kinderabteilung
ist 21.25 Uhr notiert. Das Geburtsdatum, das von der Hebamme W... im Operationsbericht notiert wurde, differiert davon
bei gleicher Minutenangabe um eine Stunde. Demnach ist davon auszugehen, dass die Zeitangaben der Hebamme W...
insgesamt hinsichtlich der Minutenangaben zutreffen, aber um eine Stunde zurückverlegt sind. Entgegen der
Berufungsbegründung fehlt dafür nicht eine sachliche Grundlage, weil die Daten des Anästhesieberichts und die Daten
der Kinderabteilung vorliegen und die Korrektur rechtfertigen. Ist die Klägerin schon um 21.25 Uhr auf der Kinderstation
aufgenommen worden, so können nicht erst um 21.40 Uhr der Nabelschnurvorfall und um 22.17 Uhr die
Schnittentbindung erfolgt sein. Die Schnittentbindung erfolgte tatsächlich um 21.17 Uhr, wie es in der Kinderabteilung
notiert wurde. Im Narkoseprotokoll wurde sie nach dem Schnitt um „21.11 Uhr“ auf „12.17 Uhr“ datiert, was ersichtlich
einen Zahlendreher enthält und wiederum auf 21.17 Uhr zu korrigieren ist. Das entspricht dem Geburtsdatum in der
Kinderkurve. Dann aber kann auch angenommen werden, dass der Zeitpunkt der Diagnose des Nabelschnurvorfalls auf
20.40 Uhr (statt 21.40 Uhr) festzustellen ist. Der zeitliche Ablauf im Übrigen wurde nämlich – nur verschoben um eine
Stunde – von der Hebamme W... im Operationsbericht – auch bei nachträglicher Aufzeichnung aus der Erinnerung
heraus (Bl. 227 f. GA) jedenfalls im Wesentlichen - zutreffend festgehalten: 21.40 Uhr (tatsächlich 20.40 Uhr)
Nabelschnurvorfall, 21.50 Uhr (tatsächlich 20.50 Uhr) Partusionstropf usw., 22.17 Uhr (tatsächlich 21.17 Uhr) Geburt
durch sectio.
b) Keiner der vernommenen Zeugen vermochte sich an einen skandalösen Vorfall der von der Klägerin geltend
gemachten Art erinnern. Die Zeuginnen E… F…, die von 1970 bis 1999 leitende Stationsschwester der geburtshilflichen
Abteilung war, und M… K…, von 1966 bis 1986 Hebamme in derselben Abteilung, haben bekundet, sie hätten nie erlebt,
dass bei einem Notfall kein Arzt erreichbar gewesen sei (Bl. 638, 640 GA). Der Zeuge H… Sch…, damals Assistenzarzt
bei der Schnittentbindung der Klägerin, vermochte sich an das zur Zeit seiner Vernehmung 25 Jahre zurückliegende
Geschehen nicht mehr zu erinnern. Er hielt es aber für ausgeschlossen, dass ein Nabelschnurvorfall, der um 16.00 Uhr
aufgetreten ist, bis 21.00 Uhr ohne ärztliche Reaktion geblieben sei (Bl. 644 f. GA). Die Zeugen Dr. Sch…, damals
Anästhesist, und Dr. Ste…, damals Stationsarzt, vermochten sich an das Geschehen nicht zu erinnern (Bl. 646 f., 647 f.
GA). Auch der Zeuge Dr. V…, damals operierender Arzt, vermochte sich an den konkreten Fall nicht zu erinnern (Bl. 683
GA). Er hielt einen mehrere Stunden lang unbehandelten Nabelschnurvorfall aber für ausgeschlossen, zumal bereits die
Wahrscheinlichkeit des Überlebens der Klägerin dann sehr gering gewesen wäre (Bl. 684 GA). Der Zeuge nahm zudem
an, dass er dann den Operationsbericht anders gefasst hätte (Bl. 685 GA).
Die am Geburtstag der Klägerin als Hebamme diensthabende Zeugin W... konnte sich an einen über mehr als sechs
Stunden ohne ärztliches Einschreiten vorliegenden Nabelschnurvorfall nicht erinnern (Bl. 135 GA). Dass die erfahrene
Hebamme – ohne Notmaßnahmen zu ergreifen - nach der Meldung des Nabelschnurvorfalls weggegangen und erst eine
halbe Stunde später wiedergekommen sei, nur um der Mutter der Klägerin mitzuteilen, dass sie keinen Arzt erreicht
habe (Bl. 394, 561, 633 GA), liegt fern. Auch die Datierung dieser gegebenenfalls pflichtwidrigen Handlung der
Hebamme in der Aussage der Zeugin B... P... wechselt und wirkt unhaltbar. Die Zeugin B... P... hat dazu bekundet: „Frau
W... hat versucht, Herrn Dr. Sa... zu erreichen. Frau W... hat mir kurze Zeit später erklärt, Herr Dr. Sa... sei nicht erreichbar.
Er sei mit seiner Frau spazieren gegangen. Woher sie wusste, dass er spazieren gegangen war, weiß ich nicht. Ich
vermute, dass sie jemanden angerufen hat, der ihr das erklärt hat. Frau W... fügte noch hinzu, sie habe aber für Herrn Dr.
Sa... eine Nachricht hinterlassen, dass ein Notfall passiert sei. Er möge doch sofort kommen. Dann ging Frau W... weg.
Sie kam erst nach einer Stunde wieder. Das war gegen 18.00 Uhr. Gegen 18.00 Uhr kam die Hebamme aber nicht aus
eigenem Antrieb. Sie kam, weil ich mir so große Sorgen gemacht habe und meine Zimmernachbarin gebeten hatte, sie
möge doch mit Hilfe der Notfallklingel die Hebamme herbeirufen. daraufhin kam Frau W.... Sie schaute mich an. Sie sagte
zu mir: `Was wollen Sie, ich habe alles getan´.“ Letzteres leuchtet nicht ein, nachdem die Zeugin W... nach den Angaben
der Zeugin B... P... selbst bis zu jenem Zeitpunkt um 18.00 Uhr nichts zur Notfallbehandlung getan hatte und erst danach
mit Hilfe von Kopfkissen eine präventive Beckenlagerung vorgenommen haben soll (Bl. 633 GA). Der erfahrenen
Hebamme war - als Basiswissen ihres Berufs - bekannt, dass ein Nabelschnurvorfall ein Notfall ist und sofortiges
Einschreiten, hinsichtlich der Hebammentätigkeit insbesondere ein Hochlagern des Beckens der Mutter und das
Wegdrücken des Kopfes des Kindes vom Beckenring, erforderlich macht. Dass die Hebamme W... solche Maßnahmen
nicht ergriffen habe, sondern zunächst bis 18.00 Uhr wegging, erscheint kaum nachvollziehbar. Dass ein Arzt der
Rufbereitschaft trotz vorhandener „Piepser“ wegen eines Spaziergangs mit seiner Ehefrau ebenfalls stundenlang nicht zu
erreichen gewesen sein soll, ist auch kaum vorstellbar; so haben es auch die Zeuginnen F… und K… betrachtet (Bl. 639,
641 GA). Die angebliche Kumulierung der gravierenden Fehler macht sie einzeln noch unwahrscheinlicher. Der Zeugin
W... war auch nichts von alledem in Erinnerung, obwohl ein Skandal der beschriebenen Art kaum vergesslich gewesen
wäre. Weder vermochte die Zeugin W... bei ihrer Vernehmung die Mutter der Klägerin wieder zu erkennen noch konnte
sie sich daran erinnern, dass sie einmal stundenlang vergeblich versucht habe, den Zweitbeklagten telefonisch zu
erreichen. Auch an eine notfallmäßig durchgeführte Schnittentbindung zur Zeit der Geburt der Klägerin konnte sie sich
nicht erinnern. Der Senat schließt aus, dass der Zeugin ein Vorfall der von der Klägerin beschriebenen Art in deren
eigenem Verantwortungsbereich bekannt geworden und danach in der Erinnerung der Zeugin entfallen ist. Ein
Nabelschnurvorfall im Krankenhaus, der mehr als sechs Stunden lang nach der Entdeckung und Meldung an die
Hebamme in skandalöser Weise ohne jede ärztliche Reaktion geblieben wäre, hätte sich als markantes Ereignis
eingeprägt. Tatsächlich hat er nicht stattgefunden. Die Zeugin W... hätte nach ihrer Darstellung einen Nabelschnurvorfall,
wenn er tatsächlich um 16.00 Uhr eingetreten gewesen wäre, als solchen dokumentiert. Wenn sie tatsächlich vermerkt
hatte: „21.40 Uhr Nabelschnurvorfall“, dann ist dies nicht mit einem schon um 16.00 Uhr aufgetretenen Ereignis dieser Art
vereinbar. Für eine spätere bewusste Falschdatierung durch die Hebamme anstelle eines pflichtgemäßen Verhaltens
durch diese bestand kein nachvollziehbarer Grund. Die Zeugin hat allein eingeräumt, dass ihre Zeitangaben im
Operationsbericht jeweils aus Versehen um eine Stunde verschoben sein könnten (Bl. 136 GA). Dass der
Nabelschnurvorfall aber entgegen dem Vermerk schon um 16.00 Uhr aufgetreten und gemeldet worden sein soll, ist nicht
anzunehmen.
c) Soweit die Zeugin B... P... den Nabenschnurvorfall beharrlich auf 16.00 Uhr am Geburtstag der Klägerin datiert, ist
ihre Aussage objektiv unrichtig. Das ergibt sich aus einer Gesamtschau einer Reihe von Umständen.
Die Zeugin hat auch den Tag ihrer Krankenhausaufnahme ebenso konstant (Bl. 559, 630, 633 GA) wie falsch auf den
7. Juni 1979 datiert, obwohl kein Anlass besteht anzunehmen, dass der Aufnahmevermerk vom 2. Juli 1979 unzutreffend
ist. Deshalb geht im Übrigen auch das Insistieren der Klägerin darauf, dass ein „Aufnahmeprotokoll der Kindesmutter
vom 07. Juli 1979“ in den Krankenunterlagen nicht vorhanden sei (Bl. 516 GA), so dass die Krankenunterlagen einen
Dokumentationsmangel enthielten, fehl.
Die Vermutung der Klägerin, der Blasensprung um 04.00 Uhr (am 2. Juli 1979) sei mit dem Nabelschnurvorfall um 16.00
Uhr (am 7. Juli 1979) verwechselt worden (Bl. 392 GA), hat keine reale Grundlage.
Die Angabe der (nachmaligen) Zeugin B... P..., die Hebamme W... habe kurz nach der Aufnahme im Krankenhaus (an
dem von B... P... falsch datierten Aufnahmetag) erklärt, sie sei „zu sehr beschäftigt“ (Bl. 560 GA) ergibt für sich genommen
keinen Sinn, wenn sie nicht dem Zweck dienen soll, einen generellen personellen Engpass in der geburtshilflichen
Abteilung des Krankenhauses der Erstbeklagten am Geburtstag der Klägerin darzustellen. Dass sich eine Beweisperson
nach 24 Jahren (informelle Befragung am 17. Juli 2003) noch an eine solche – für sich genommen wenig belangvolle –
Bemerkung der Hebamme erinnern will, überzeugt auch nicht.
Die Zeugin P... hat auch sonst falsche Angaben gemacht. So hat sie behauptet, der Beklagte zu 2) sei am Geburtstag der
Klägerin um 21.00 Uhr erschienen. Der Mann, den sie als den bei der Zeugenaussage im Gerichtssaal anwesenden
Zweitbeklagten sicher wieder erkannt haben will, habe – so die Zeugin - grün-blaue Augen gehabt. „Er hatte einen
Grünblaustich in den Augen. Nicht ganz blau, es gibt ja so etwas dazwischen“ (Bl. 562). Der Beklagte zu 2) hat aber, wie
der Senat selbst sehen konnte, tatsächlich dunkelbraune Augen. Die Zeugin B... P... hat für diesen nachweislichen
Aussagefehler keinen Grund nennen können.
Nichts deutet darauf hin, dass der Zweitbeklagte tatsächlich am Geburtstag der Klägerin im Krankenhaus war. Die
Schnittentbindung hat Dr. V... durchgeführt. Im Operationsbericht ist der Zweitbeklagte auch sonst nicht erwähnt.
Warum er bei einer Rufbereitschaft herbeigerufen worden sein soll, wenn – neben dem sonstigen ärzt-lichen Personal -
Dr. V... als Operateur zur Verfügung stand, ist nicht ersichtlich. Nach der Aussage des Zeugen Dr. V... hatten dieser und
der Zweitbeklagten abwechselnd Rufbereitschaft im Wochenenddienst; die Annahme, dass Dr. V... und der Zweitbeklagte
an jenem Samstag erschienen sind, liegt dann fern. Dass die Hebamme W... den bei der anschließenden Operation nicht
mitwirkenden Zweitbeklagten nach fünfstündigem vergeblichen Warten der Mutter der Klägerin mit der Bemerkung
vorgestellt haben soll: „Was habe ich Ihnen gesagt, Frau P..., dort ist Herr Dr. Sa...; er ist gekommen“ (Bl. 561, 634 GA),
wirkt gekünstelt und macht keinen Sinn, wenn aus dem Operationsbericht und der Zeugenvernehmung hervorgeht, dass
Dr. V... als Operateur erschienen war.
Woher die Zeugin B... P... erfahren haben soll, dass der Zweitbeklagte trotz Rufbereitschaft mit seiner Ehefrau spazieren
gegangen und deshalb unerreichbar gewesen sein soll, konnte sie selbst nicht sagen (Bl. 633 GA). Wäre das richtig, so
hätte die Zeugin W..., die den Zweitbeklagten eben zunächst nicht erreicht hatte, den Abwesenheitsgrund selbst wohl
kaum erfahren und der Zweitbeklagte hätte einen dienstpflichtwidrigen überlangen Spaziergang ohne Ermöglichung des
Erreichens trotz Rufbereitschaft nicht kundgetan. Dieses Detail der Schilderung durch die Zeugin wirkt jedenfalls
erfunden. Dass der Zweitbeklagte, wenn er erst fünf Stunden nach der Feststellung des Nabelschnurvorfalls durch die
Mutter der Klägerin, die Bettnachbarin und die Hebamme als erster Arzt erschienen wäre, den Nabelschnurvorfall dann
nicht einmal selbst ärztlich diagnostiziert haben soll (Bl. 632 GA: „Herr Dr. Sa... hat mich an diesem Tage nicht
untersucht“), erscheint wiederum kaum vorstellbar; denn ein Nabelschnurvorfall als Notfall verlangt nach sofortiger
ärztlicher Diagnose und Therapie.
Auf derselben Linie wie das Beharren der Zeugin B... P... auf falschen Daten der Krankenhausaufnahme und des Eintritts
des Nabelschnurvorfalls liegt das zunächst hartnäckige Bestreiten eines Versuchs des Schwangerschaftsabbruchs
zumindest bis zum Ende der ersten Instanz, obwohl, wie erst nach Auswertung der Unterlagen aus dem Krankenhaus in
M… durch den Sachverständigen Prof. Dr. von St... zweit-instanzlich eingeräumt wurde, tatsächlich ein
Schwangerschaftsabbruch versucht wurde. Das hat auch die Zeugin B... P... schließlich zugegeben (Bl. 635 GA). Dabei
ist ihre Aussage, der Abtreibungsversuch sei ohne ihr Wissen und ihre Einwilligung erfolgt, jedoch wiederum zweifelhaft,
zumal Dr. S… zuvor selbst bekundet haben soll, er könne eine Abtreibung nicht durchführen und die Zeugin B... P... solle
dazu nach Holland fahren. Ihre Erklärung zu dem Abtreibungsversuch bei einem Arztbesuch, der „nur zufällig“ erfolgt
sein soll mit der Bemerkung: „An diesem Tage hat Herr Dr. S… vermutlich durchgedreht …“ (Bl. 635 a.E. GA) und: „Herr
Dr. S… hat mich praktisch in seine Praxis hineingelockt“ (Bl. 637 GA), entbehrt ebenso einer nachvollziehbaren
Begründung wie die Vorwürfe gegenüber dem angeblich durch Spaziergang an der Wahrnehmung der Rufbereitschaft
gehinderten Zweitbeklagten oder die Hebamme W....
Schließlich ist nach der sicheren Überzeugung des Senats die Behauptung eines Nabelschnurvorfalls, der schon um
16.00 Uhr am 7. Juli 1979 eingetreten und stundenlang (bis 21.00 Uhr) ohne ärztliche Reaktion und (insoweit jedenfalls
bis 18.00 Uhr) ohne Gegenmaßnahmen der Hebamme geblieben sein soll, als eine nachträglich erfundene Annahme
anzusehen. Aus ihren Angaben ist auch in das Klägervorbringen eingeflossen, dass sie die Uhrzeit abgelesen habe
(Bl. 631 GA) und deshalb mit Bestimmtheit wisse, dass der Vorfall genau um 16.00 Uhr eingetreten sei (Bl. 393, 560, 631
GA). Auffällig ist, dass ein solcher – gegebenenfalls skandalöser – Vorfall, den der Sachverständige Prof. Dr. F... als
„kaum vorstellbar“ bezeichnet hat, weder in den Krankenhausunterlagen dokumentiert ist noch sonst bis zum Jahre 1997
„kaum vorstellbar“ bezeichnet hat, weder in den Krankenhausunterlagen dokumentiert ist noch sonst bis zum Jahre 1997
durch die Zeugin B... P... gegenüber dem Privatgutachter Prof. Dr. G... erwähnt wurde. Dass der angebliche Skandal bis
zu jenem Zeitpunkt über rund 18 Jahre hinweg nicht thematisiert wurde und Rechtsanwälte der Zeugin B... P... in den
Jahren 1979, und 1982 bereits mangels Erfolgsaussichten von einer Klageerhebung abgeraten hatten, spricht dagegen,
dass er sich zugetragen hat. Vor allem aber ist die Feststellung des Sachverständigen Prof. Dr. von St..., dass vor,
während und unmittelbar nach der Geburt kein wesentlicher Sauerstoffmangel vorgelegen habe, ein deutlicher Beweis
dafür, dass nicht ein mehr als sechs Stunden andauernder Nabelschnurvorfall anzunehmen ist. In seltenen Fällen kann
nach dem
Blasensprung
eine Schlinge der Nabelschnur in die Scheide vorfallen und daraufhin im Geburtskanal vor dem
ungeborenen Kind liegen. Dieses Phänomen nennt man einen Nabelschnurvorfall (ICD-10, O69-0), wie er hier in Rede
steht, und es tritt gelegentlich auf, insbesondere wenn das Köpfchen noch nicht fest im Becken sitzt. Die Nabelschnur
versorgt das ungeborene Kind mit Nährstoffen und Sauerstoff. Durch das Gewicht des kindlichen Körpers wird dann
gegebenenfalls die Nabelschnur gegen die Beckenknochen gedrückt und die Sauerstoffzufuhr unterbunden
(„Fetusschädigung durch Nabelschnurvorfall“ ICD-10, P02.4). Dadurch entsteht höchste Lebensgefahr für das Kind, denn
eine gefährliche akute
Sauerstoffmangelversorgung
kann die Folge sein. Wäre hier die Nabelschnur über mehr als sechs
Stunden in dieser Risikolage vorgeschoben gewesen, so wäre eine Unterbrechung der Versorgung des Kindes mit Blut
und Sauerstoff über die Nabelschnur selbst dann, wenn die Wehentätigkeit noch nicht eingesetzt gehabt hätte, mit
größter Wahrscheinlichkeit zu erwarten gewesen. Wäre zudem, wie die Klägerin aufgrund der Angaben ihrer Mutter
vorträgt, im gleichen stundenlangen Zeitraum keine Gegenmaßnahme durch die Hebamme durch eine Hochlagerung
des Beckens der Mutter und Wegdrücken des Kopfes der Klägerin erfolgt, so hätten für die Klägerin kaum
Überlebenschancen bestanden. Mit dem Bild einer nach der Schnittentbindung nur kurzzeitig vorliegenden Azidose ist
das nicht vereinbar.
d) Soweit die Zeugin B... P... behauptet hat, der nachmittägliche Nabelschnurvorfall sei durch ihre Bettnachbarin
festgestellt worden, ist das nicht bewiesen. Die Bettnachbarin konnte die Klägerin nicht mehr feststellen. Die Angabe,
deren Ehemann habe ihren Freund, den Zeugen G…, davon informiert, ist falsch. Der Zeuge G… hat freimütig die
Benachrichtigung durch den Ehemann der Bettnachbarin von der Geburt wiedergegeben. Ein Nabelschnurvorfall der
genannten Art war aber nicht Gegenstand seiner Benachrichtigung und darauf sei auch nicht nach seinem Eintreffen im
Krankenhaus hingewiesen worden (Bl. 695 GA). Er könne sich auch nicht daran erinnern, die Zeugin B... P... habe ihm
gesagt, sie sei mehrere Stunden unbehandelt geblieben (Bl. 695 GA). B... P... sei psychisch krank und habe sich nach
einem wiederholten Selbstmordversuch in psychiatrischer Behandlung befunden (Bl. 695 GA). Erst danach sei der
Bericht von dem frühzeitig eingetretenen Nabelschnurvorfall entstanden.
Der Hinweis auf eine psychische Erkrankung der Zeugin B... P... stimmt mit einem Hinweis im Klägervorbringen überein
(Bl. 85 GA; zu „psychogenen Anfällen“ vgl. auch Bl. 410 GA). Dies erklärt die Konstanz der Angaben der Zeugin B... P...,
die sich Behauptungen zu Recht gelegt hat, von denen sie selbst dann nicht abzuweichen vermag, wenn sich durch
Sachbeweise die Unrichtigkeit einzelner Angaben belegen lässt. Das wird an der Bezeichnung der falschen Augenfarbe
des – bei der Aussage anwesenden - Zweitbeklagten deutlich, wobei dies nur ein Teilstück markanter Aussagefehler ist.
Die psychische Überforderung der Mutter der Klägerin mit der Gesamtsituation und der Wunsch nach einer Entlastung
durch einen Klageerfolg lässt dies nachvollziehbar erscheinen. Demnach gehen entgegen der Annahme der Berufung
(Bl. 396 GA) nicht die gerichtlichen Sachverständigen, sondern die Klägerin und die Zeugin B... P... von falschen
Anknüpfungstatsachen aus.
e) Schließlich ist die erstmals am 14. Juli 2003, rund 24 Jahre nach dem Vorfall, gemachte Behauptung der Zeugin B...
P..., am 11. Lebenstag der Klägerin sei sie im Rollstuhl zu einem ärztlichen Konsilium gebracht worden, wo ihr im Kreise
von sechs Ärzten der unmittelbar bevorstehende Tod der Klägerin mitgeteilt und sie zur Unterzeichnung eines
schriftlichen Eingeständnisses der eigenen Schuld bewegt worden, wobei der Zweitbeklagte sie unter Druck gesetzt
habe (Bl. 562 ff., 568 GA), unrichtig. Ein solches Schriftstück ist nie aufgetaucht. Die angeblich beteiligten Ärzte haben
allesamt ihre Anwesenheit bei einem solchen Vorgang bestritten. Das gilt gleichermaßen für die Zeugin Dr. K… (Bl. 687
GA) und die Zeugen Dr. He… (Bl. 689 GA), Dr. H… (Bl. 691: „absurdes Vorkommnis“). Der Senat schließt danach - auch
mit Blick auf weitere Fehler im Aussageverhalten der Zeugin B... P... - ein Konsilium zur Abnahme eines
Schuldbekenntnisses aus. Der Annahme einer ärztlichen Beratung über die Krise der Klägerin und die
Behandlungsmöglichkeiten steht das andererseits nicht entgegen.
3. Ob die anhand des Operationsberichts der Hebamme W… allein – jedenfalls annähernd genau - feststellbare
Reaktionszeit zwischen der Diagnose des Nabelschnurvorfalls und der Schnittentbindung von 37 Minuten einen
Behandlungsfehler darstellt, kann offen bleiben. Der Sachverständige Prof. Dr. F... hat sie in seinem schriftlichen
Gutachten und bei der mündlichen Erläuterung als zu lang bezeichnet, der Sachverständige Prof. Dr. von St... hingegen
als nicht behandlungsfehlerhaft. Gegen einen Behandlungsfehler spricht, dass die Reaktionszeit zur Zeit der Geburt der
Klägerin zwar nicht dem medizinisch wünschenswerten Stand, wohl aber der geburtshilflichen Realität entsprach (Bl. 255
GA). Im Krankenhaus der Erstbeklagten war nach der Aussage des Zeugen Dr. V... auch zu berücksichtigen, dass sich
die geburtshilfliche Abteilung im obersten Stockwerk befand, der Operationssaal aber im Erdgeschoss. Auch das nahm
geraume Zeit in Anspruch. Das Herbeiholen des Arztes der Rufbereitschaft konnte in 10 Minuten erfolgten. Bei
Berücksichtigung dieser Lage war die Reaktionszeit von 37 Minuten zwischen der Diagnose des Nabelschnurvorfalls
und der Schnittentbindung der Klägerin sachgemäß; so sah es der sachverständige Zeuge Dr. V..., der die Operation
durchgeführt hat (Bl. 684 GA). Jedenfalls hat sich diese Reaktionszeit nicht auf den nunmehr vorhandenen Befund der
hirnorganischen Beeinträchtigungen der Klägerin ausgewirkt. Davon geht der Sachverständige Prof. Dr. von St... aus und
dies hat der Sachverständige Prof. Dr. F... nach Kenntnisnahme von den Werten des Säure-Basen-Status akzeptiert
(Bl. 302 f. GA). Dem folgt auch der Senat.
Der erfahrene Sachverständige Prof. Dr. von St... hat in seinem neonatologischen Gutachten anhand der Auswertung des
ersten Säure-Basen-Status nachvollziehbar angenommen, dass unmittelbar nach der Geburt eine schwere
respiratorische Azidose vorgelegen habe, aber eine Laktatazidose auszuschließen sei (Bl. 242 GA). Bei einer
respiratorischen Azidose
pH-Wert
des
Blutes
unter 7,36 (hier: 7,125), weil saure Valenzen wie CO
2
nur
unzureichend aus dem Organismus entfernt werden. Infolgedessen steigt der arterielle pCO
2
auf über 45 mmHg (hier:
112,5 mmHg). Ursache für eine derartige Störung im
Säure-Basen-Haushalt
ist im Allgemeinen eine verminderte CO
2
-
Ausscheidung durch die Lungen. Diese respiratorische Azidose hat sich auch ohne weitere Beatmung bis um 23.00 Uhr
am Geburtstag der Klägerin deutlich gebessert und im Laufe des folgenden Tages normalisierte sich die CO
2
-
Ausscheidung. Am Morgen des 9. Juli 1979 betrug der pH-Wert 7,453 bei einem pCO
2
von 33,7 mmHG. beide Werte
lagen also wieder außerhalb des kritischen Bereichs.
Eine metabolische Azidose als Folge eines Sauerstoffmangels vor, während oder gleich nach der Geburt ist nach dem
Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. von St... auszuschließen. Das ergibt sich aus dem Basenexzess, der 28
Minuten nach der Geburt +1,5 mmol/l betrug. Der Hämoglobinwert war bei der Aufnahme der Klägerin in der Kinderklinik
mit 20,1 g/dl normal. Das lässt darauf schließen, dass eine Blutverarmung infolge einer Nabelschnurkompression nicht
eingetreten ist (Bl. 250 GA). Die Klägerin wurde nach der Schnittentbindung im Kreissaal zwar vorsorglich intubiert, aber
ebenso rasch wieder extubiert. Schon acht Minuten nach der Geburt traf sie in der Kinderklinik ein, wo keine Beatmung
mehr durchgeführt wurde. Die rasche Erholung nach einer kurzzeitigen Depression unmittelbar nach der Geburt belegt
nach allem eindeutig, dass vor, während und nach der Geburt kein wesentlicher Sauerstoffmangel bestanden haben
kann (Bl. 250 f. GA).
Gegen die Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. von St... ist auch im Rahmen der Beweiswürdigung nicht der
Vorwurf der Unsachlichkeit gerechtfertigt, den die Klägerin erhoben hat (Bl. 379 ff. GA). Dass der Sachverständige in
einer Zwischenkorrespondenz mit dem Gericht bemerkt hatte, er könne sich nicht vorstellen, dass Unklarheiten in den
Krankenhausunterlagen und medizinische Bedenken gegen die Puffertherapie am 17. Juli 1979 „zur Begründung eines
Haftungsschadens vor 22 Jahren genügt“, ist nicht unsachlich. Die Tatsache, dass die Beweisführung ein 22 Jahre
zurückliegendes Geschehen zu rekonstruieren sucht, ist nämlich durchaus bemerkenswert. Die Annahme, dass
Rekonstruktionsprobleme entstehen, war mit Blick auf den ungewöhnlich langen Zeitablauf gerechtfertigt.
Beanstandungen der Klägerin hinsichtlich einer weiteren Bemerkung des Sachverständigen, dass den Krankenakten
aus M… und N… zu entnehmen sei, dass die Klägerin „nicht erwünscht“ gewesen sei, sind gleichfalls nicht angebracht.
Die Mutter der Klägerin hat den Versuch eines Schwangerschaftsabbruchs noch in erster Instanz entschieden in Anrede
gestellt, zuletzt aber doch jedenfalls als objektiven Befund eingeräumt, wenngleich sie behauptet hat, davon erst
nachträglich erfahren zu haben (Bl. 389 GA). Bei dieser Sachlage sind die genannten Bemerkungen des
Sachverständigen gegenüber dem Landgericht zu den vorherigen Befundgrundlagen nicht geeignet, Zweifel an seiner
Neutralität zu hegen, die – nach erfolgloser Ablehnung des Sachverständigen durch die Klägerin wegen Besorgnis der
Befangenheit –im Rahmen der Beweiswürdigung zu beachten sein oder gar ein Beweisverwertungsverbot auslösen
könnten.
4. Die Infektionsprophylaxe nach der Geburt war ausreichend. Auch insoweit ist ein Behandlungsfehler nicht
anzunehmen. Davon sind die Sachverständigen Prof. Dr. F... und Prof. Dr. von St... unabhängig voneinander
übereinstimmend ausgegangen (Bl. 215, 251 GA). Der Senat teilt ihre Auffassung.
Im Krankenhaus der Erstbeklagten wurden eine Leukozytenbestimmung und eine Antibiotikatherapie durchgeführt. Das
in den ersten sechs Tagen verwendete Mittel Colistin war zwar einerseits damals nicht mehr gebräuchlich, weil es
erhebliche Nebenwirkungen auslösen konnte, andererseits aber war es dazu geeignet, alle gängigen
Neugeboreneninfektionen durch gefürchtete Keime, wie Streptokokken, Staphylokokken, Listerien und alle
gramnegativen Darmkeime einschließlich der Pseumonaden zu erfassen. Nachdem eine Ausschabung bei der Mutter
der Klägerin nach deren Schnittentbindung erforderlich geworden war, war eine solche breit wirkende
Antibiotikabehandlung sachgemäß. Bis zum 17. Juli 1979 wurde weiterhin das Mittel Orazef verwendet. Durch die
antibiotische Behandlung wurde eine Infektion im Zeitraum zwischen dem Geburtstag der Klägerin und dem 17. Juli 1979
verhindert.
5. Eigentliche Schadensursache für die heute vorhandenen Beeinträchtigungen der Klägerin in Form eines schweren
Hirnschadens bei körperlicher und geistiger Behinderung ist nach dem Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. von
St... mit der relativ größten Wahrscheinlichkeit eine massive Stoffwechselentgleisung und Asphyxie als Ausdruck eines
perakuten septischen Schocks (Bl. 243 GA), dessen Symptome am 17. Juli 1979 überraschend aufgetreten sind.
Die Krisenlage ist nachzuvollziehen. Nachdem an jenem Tage zuerst ein unauf-fälliger Befund bei der U2-Untersuchung
vorgelegen hatte, sind im Verlauf des Tages dramatische Veränderungen eingetreten, die am Säure-Base-Status, der
gegen 16.30 Uhr ermittelt wurde, erkennbar sind. Danach war der pH-Wert auf 6,905 abgesunken. Der pCO
2
-Wert war
mit 23,1 mmHg stark erniedrigt. Der Basenexzess war bei -28,9 mmol/l extrem erniedrigt. Der Säure-Base-Status mit
diesen Werten war ungewöhnlich und überraschend. Es handelte sich um eine aussichtslos erscheinende Situation
(Bl. 244 GA). In dieser Lage, in der nach den Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. von St... die
Überlebenswahrscheinlichkeit gering war (Bl. 252, 306 GA), wurde die Klägerin mit einer hochdosierten Puffertherapie
behandelt. Diese führte bis um 18.00 Uhr zu einer erheblichen Veränderung der genannten Werte: pH-Wert von 7,41,
pCO
2
-Wert von 28,1 mmHg, Basenexzess von -4,0 mmol/l (Bl. 244 GA). Außerdem wurde eine antibiotische Therapie
vorgenommen. Die extreme Azidose wurde erfolgreich weggepuffert, indes verbesserte sich der Allgemeinzustand der
Klägerin zunächst nicht. Es kam weiterhin auch am 18. und 19. Juli 1979 zu Krampfanfällen, die medikamentös
behandelt wurden. Auch die antibiotische Behandlung wurde über mehr als fünf Wochen bis zur Normalisierung des
Liquors fortgeführt. Am 28. und 31. Juli 1979 wurde indes erneut Verschlechterungen des Allgemeinzustands durch
metabolische Azidosen festgestellt, denen durch erneute Pufferungen und eine Bluttransfusion entgegen gewirkt wurde.
Erst danach kam es zu einer Erholung der Klägerin. Am 24. August 1979 wurde ein Computertomogramm des Gehirns
durchgeführt, das Hinweise auf eine Hirnatropie, also einen Schwund des Nervengewebes im Gehirn, ergab.
Für die Stoffwechselentgleisung und Asphyxie der Klägerin als Ausdruck eines perakuten septischen Schocks sind die
behandelnden Ärzte und der Krankenhausträger nicht verantwortlich. Es bestand eine Infektion der Mutter der Klägerin
infolge eines Versuchs des Schwangerschaftsabbruchs. Dies erhöhte das Risiko für die Klägerin erheblich (Bl. 248 GA).
Weil die Mutter der Klägerin einen tatsächlich erfolgten Versuch des Schwangerschaftsabbruchs, den sie zuletzt
eingeräumt hat, über lange Zeit hinweg, auch noch nach Aufnahme des Prozesses 20 Jahre nach der Geburt der
Klägerin jedenfalls bis zur zweiten Instanz, entschieden in Abrede gestellt hatte, lag für die Ärzte des Krankenhauses der
Erstbeklagten im Juli 1979 kein klarer Hinweis hierauf bei der Anamnese vor. Der septische Schock der Klägerin am
17. Juli 1979 kam auch vor diesem Hintergrund überraschend. Ein Sauerstoffmangel war nicht die Ursache für diese
Krise, weil der Sauerstoffpartialdruck im Kapillarblut, der um 16.30 Uhr gemessen wurde, mit 64,4 mmHg dagegen
spricht (Bl. 252 GA). Die eingetretene Sepsis war bei dem Frühgeborenen trotz vorheriger sachgerechter
Antibiotikabehandlung möglich, weil namentlich im Darm multiresistente pathogene Keime in ausreichender Zahl
überleben können. Dafür spricht auch, dass bei der Mutter der Klägerin trotz deren Antibiotokabehandlung vor der Geburt
eine eitrige Amnionitis fortbestehen blieb, die nach der Schnittentbindung der Klägerin zur Ausschabung der
Gebärmutter führte. Das zeigt, dass Keime die Antibiotikabehandlung überlebt haben, die das Kind beim vorzeitigen
Blasensprung infiziert haben, ohne dass die Antibiotikabehandlung der Klägerin nach der Geburt sie dann restlos
beseitigt hat.
Es lag zwar ein Verdacht auf Meningitis vor, der aber wahrscheinlich nicht begründet war (Bl. 262 f. GA). Bei sterilem
Liquor fanden sich nach der Lumbalpunktion der Klägerin, wenngleich einen Tag nach Beginn der antibiotischen
Therapie, eine geringe Keimzahl und reichlich Erytrozten. Da deutet darauf hin, dass die Antibiotikatherapie eine
Hirnhautentzündung verhindert hat. Den überraschend aufgetretenen septischen Schock hat sie dagegen nicht
ausgeschlossen.
Dessen Behandlung war für sich genommen zwar kritisch, aber für das Überleben der Klägerin entscheidend (Bl. 253,
256 GA). Es wurden in kürzester Zeit 45 ml Natriumkarbonat (statt rechnerisch ausreichender 26 ml) zusammen mit 5
ml 50-prozentiger Glukoselösung verabreicht, die nach 90 Minuten den pH-Wert von 6,9 auf 7,41 ansteigen
ließen. Der plötzliche Anstieg des Natriumspiegels, der mit der Infusion verbunden war, kann bei Neugeborenen
Hirnblutungen auslösen; ob das aber tatsächlich hierdurch geschehen ist, steht nicht fest. Ein plötzlicher Anstieg des pH-
Wertes kann Muskelzittern und Krampfanfälle hervorrufen (Bl. 254 GA). Die Puffertherapie war deshalb zwar noch in den
60er Jahren gebräuchlich, in den 70er Jahren aber nur noch bei strenger Indikation. Eine solche Indikation lag bei der
Krise der Klägerin am 17. Juli 1979 jedoch grundsätzlich vor. Es bestand akute Lebensgefahr. Ob die Puffertherapie
unmittelbar zu einer Hirnschädigung der Klägerin geführt hat, lässt sich indes nicht sicher feststellen (Bl. 254 GA).
Ebenso gut kann eine Minderdurchblutung des Gehirns als Folge des septischen Schocks die Ursache des heute
vorliegenden Befundes sein. Auch eine intrauterine Vorschädigung des Gehirns der Klägerin ist nicht sicher
auszuschließen (Bl. 257 GA). Eine Infektion der Klägerin aufgrund der Folgen des Schwangerschaftsabbruchs ist
möglich.
Die septische Infektion der Klägerin am 17. Juli 1979 war im Ergebnis schicksalhaft und nicht vorhersehbar (Bl. 254 ff.
GA). Eine genaue Abgrenzung der verschiedenen Ursachenmöglichkeiten für die Hirnschädigung der Klägerin –
intrauterine Vorschädigung, Sepsis oder Puffertherapie - ist nachträglich nicht mehr möglich. Die Ultraschalltechnik zur
Untersuchung stand im Jahre 1979 noch nicht in ausreichendem Maße zur Verfügung, so dass hiermit eine zeitnahe
Abklärung nicht erfolgt ist. Ein später durchgeführtes Computertomogramm ergab Hinweise auf Infarktzonen im
Marklager beider Großhirnhemisphären und der Stammganglien (vgl. Bl. 300 GA), die auch nach Ansicht des Radiologen
„möglicherweise entzündungsbedingt“ sind (Bl. 300 GA).
II.
Weitere Beweiserhebungen sind nicht erforderlich.
1. Nachdem zwei Sachverständige unabhängig voneinander übereinstimmend angegeben haben, es sei kein
Behandlungsfehler gewesen, wenn die Geburt der Klägerin nicht schon am 2. Juli 1979 eingeleitet worden ist, dann
besteht entgegen der erstinstanzlichen Anregung der Klägerin (Bl. 325 GA) kein Anlass, dazu ein weiteres Gutachten
einzuholen.
2. Eine Anhörung des privat beauftragten Sachverständigen Prof. Dr. G..., die erstinstanzlich beantragt wurde (Bl. 321 f.
GA), ist entbehrlich; davon ist auch das Landgericht zutreffend ausgegangen (Bl. 336 GA). Inzwischen ist Prof. Dr. G...
verstorben. Sachverständigenbeweis ist vom Gericht erhoben worden, weil Gutachten der Sachverständigen Prof. Dr. F...
und Prof. Dr. von St... eingeholt wurden. Der Privatgutachter Prof. Dr. G... war in diesem Zusammenhang kein förmliches
Beweismittel. Inhaltlich sind seine Ausführungen zudem angreifbar und wegen fehlerhafter Befundgrundlagen nicht
weiter zu erörtern. Prof. Dr. G... war von der falschen Sachverhaltsdarstellung der Mutter der Klägerin zum Zeitpunkt des
Nabelschnurvorfalls ausgegangen und hatte auch darin eine Mitursache der Behinderung der Klägerin gesehen.
3. Dafür, dass ein neurologisches und radiologisches Gutachten 25 Jahre nach der Geburt näheren Aufschluss über die
neonatologisch abgeklärte Ursache für eine im Ergebnis unstreitige cerebrale Schädigung ergeben könne, spricht nichts.
Dem diesbezüglichen Beweisantrag der Klägerin (Bl. 326, 374 f., 396 ff., 417 ff. GA) muss der Senat deshalb aus
denselben Gründen, die bereits das Landgericht angeführt hat (Bl. 336 GA), nicht nachgehen. Urkundenbeweislich
verwertbare radiologische Äußerungen der Radiologen Dr. G… und Dr. S… sowie Dr. N… liegen vor (Bl. 414 f. GA), die
aber auch keine näheren Hinweise auf eine vom neonatologischen Gutachten abweichende Aussage zur Ursache der
hirnorganischen Schäden der Klägerin geben. Sie nennen „mehrere umschriebene Hirnsubstanzdefekte, z.B.
posttraumatischer oder postischämischer Genese“ (Bl. 414 GA). Erkannt wurde auch ein „wahrscheinlich alter
Blutungsherd im rechten Thalamus“ (Bl. 414 GA). Zusammenfassend spricht der radiologische Befund auch unter
Auswertung alter Aufnahmen aus den Jahren 1980 und 1981 „für einen frühkindlichen Hirnschaden“ (Bl. 415 GA), der als
solcher unstreitig ist. Zur Klärung der Ursachenfrage trägt dies nicht weiter bei. Das gilt aber auch deshalb, weil die
Klägerin zur behaupteten Ursache der Sauerstoffmangelversorgung unter der Geburt hinsichtlich des
Nabelschnurvorfalls falsche Anknüpfungstatsachen vorgetragen hat und auch diese in den Mittelpunkt ihres weiteren
Beweisbegehrens stellt (Bl. 398 f. GA). Dass eine Sauerstoffunterversorgung infolge eines Nabelschnurvorfalls nicht der
eigentliche Grund für die hirnorganische Schädigung der Klägerin ist, steht bereits aufgrund der neonatologischen
Begutachtung fest, weil der Sauerstoffpartialdruck im Kapillarblut, der um 16.30 Uhr gemessen wurde, mit 64,4 mmHg
dagegen spricht (Bl. 252 GA). Dann aber ist nicht anzunehmen, dass eine andere Untersuchungsmethode, welche die
biochemischen Prozesse nicht in den Blick nehmen kann, dieses Ergebnis in Frage stellt. Der Beweisantrag kann
entsprechend § 244 Abs. 4 Satz 2 StPO abgelehnt werden. Eine Infektion in der Gebärmutter, eine Sepsis nach der
Geburt, und eine Krise stehen mit hinreichender Sicherheit für die Überzeugungsbildung zur Frage der
haftungsbegründenden Schadensursache nach § 286 ZPO fest. Der bisher nicht dokumentierte Sauerstoffmangel kann
nicht nachträglich, auch nicht mit Hilfe der in Bl. 601/603 GA verspätet – nach unrichtigen früheren Vorwürfen an die
Beklagten, diese hätten die Aufnahmen nicht herausgegeben – vorgelegten Aufnahmen aus dem Jahre 1980,
neurologisch und radiologisch belegt werden, weil beide Methoden sich – für sich genommen - nicht mit dem
Sauerstoffzufluss befassen. Die Neurologie betrifft die Nerven, nicht die Blutgefässe und deren Inhalt. Die Radiologie
kann Bilder des physischen Istzustands erstellen und bewerten, aber nicht den Sauerstoffgehalt des Blutes vor, während
und nach der Geburt ermitteln und deuten. Dass Hirnblutungen auf diesem Wege festgestellt werden können (Bl. 397
GA), ändert nichts an dem Ergebnis des Gutachtens des Sachverständigen Prof. Dr. von St..., dem die Aufnahmen nicht
zur Verfügung gestellt worden waren (vgl. Bl. 304 GA). Dieser hat Hirnblutungen nicht ausgeschlossen, die eigentliche
Ursache der unstreitigen hirnorganischen Schädigung der Klägerin aber in einem septischen Schock gesehen. Dass
dieser durch ein radiologisches Gutachten als Ursache für verifizierbare Hirnblutungen ausgeschlossen werden könne,
ist nach allem nicht zu erwarten.
4. Das auf Vernehmung des sachverständigen Zeugen Dr. B... gerichtete Beweisangebot zu der Frage, dass die CTG-
Untersuchung vom 22. Juni 1979 unauffällig verlief, so dass kein Hinweis auf eine intrauterine Infektion bestanden habe
(Bl. 372 f., 674 GA), muss nicht befolgt werden. Auf diese Frage kommt es nicht entscheidungserheblich an. Auch die
späteren CTG-Untersuchungen ergaben unauffällige Resultate. Von einer intrauterinen Infektion gingen die Ärzte des
Krankenhauses der Erstbeklagten bis zur Schnittentbindung der Klägerin nicht aus. Sie hatten deshalb gerade keinen
Anlass, die Geburt schon unmittelbar nach der Aufnahme der Mutter der Klägerin am 2. Juli 1979 einzuleiten.
5. Die unter dem 25. April 2005 beantragte erneute eidliche Vernehmung der Zeugin B... P... ist nicht angezeigt. Die
Zeugin ist am 6. September 2004 vom Senat in der Besetzung, die auch an der Urteilsberatung mitwirkt, vernommen
worden. Der Klägervertreter hat die Vereidigung der Zeugin damals in das Ermessen des Senats gestellt (Bl. 637 GA).
Daraufhin blieb die Zeugin unvereidigt. Eine nochmalige Vernehmung lässt nach dem bisherigen Aussageverhalten der
Zeugin auch im Fall der Vereidigung keine Aussageänderung erwarten. Die Glaubwürdigkeitsbeurteilung muss hier vor
allem bei der inhaltlichen Aussageanalyse und dem Abgleich mit dem sonstigen Beweisbild anknüpfen. Daraus ergibt
sich hinsichtlich der objektiven Unrichtigkeit des Aussageinhalts ein eindeutiges Resultat. Deshalb bedarf es auch nicht
der unter dem 3. Mai 2005 von der Klägerin beantragten Einholung eines Glaubwürdigkeitsgutachtens; der genaue
Grund der Unrichtigkeit der Aussage ist nicht entscheidend.
III.
Rechtlich fehlt nach den getroffenen Feststellungen eine haftungsrechtliche Verantwortlichkeit der Beklagten für die
hirnorganischen Beeinträchtigungen der Klägerin.
1. a) Der Zweitbeklagte haftet nicht aufgrund eines Vertrages mit Schutzwirkung zugunsten der Klägerin auf
Schadensersatz. Er ist nicht Vertragspartner der Mutter der Klägerin geworden. Vielmehr haftet auch der
Krankenhausträger vertraglich für den Chefarzt (vgl. BGHZ 95, 63, 70).
b) Deliktsrechtlich im Sinne von § 823 Abs. 1 oder § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 229 StGB haftet jeder Arzt
grundsätzlich nur für eigene Fehler (vgl. Katzenmeier, Arzthaftung, 2002, S. 127). Der ärztliche Kollege ist mangels
Weisungsabhängigkeit nicht sein Verrichtungsgehilfe (vgl. Steffen/Dressler, Arzthaftungsrecht, 9. Aufl., Rn. 87). Deshalb
wäre der Zweitbeklagte nur für Fehler verantwortlich, die in seinem eigenen ärztlichen Verantwortungsbereich
aufgetreten sind. Für eventuelle Behandlungsfehler des Operateurs Dr. V... oder für eventuelle Behandlungsfehler durch
Ärzte in der Kinderklinik müsste er nicht haften. Dass der Zweitbeklagte vor der Schnittentbindung eigene ärztliche
Behandlungspflichten verletzt hat, ist von der Klägerin nicht dargelegt worden. Der Zweitbeklagte war insbesondere nicht
der untersuchende Arzt bei der Aufnahme der Mutter der Klägerin im Krankenhaus. Im Übrigen ist hier ein für die
hirnorganische Beeinträchtigung der Klägerin ursächlicher Behandlungsfehler nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme
nicht aufgetreten. Dass der Zweitbeklagte am Geburtstag der Klägerin Rufbereitschaft hatte und verspätet erschienen ist,
kann - wie oben ausgeführt wurde - auch nicht festgestellt werden. An der eigentlichen Schnittentbindung und der
anschließenden Befunderhebung hat er nicht mitgewirkt. Für die Infektionsprophylaxe nach der Geburt der Klägerin war
er deliktsrechtlich nicht verantwortlich; dies war Sache der Ärzte in der Kinderklinik.
2. Auch die Erstbeklagte haftet der Klägerin nicht auf Schadensersatz.
a) Eine positive Vertragsverletzung der Erstbeklagten durch einen Behandlungsfehler eines ihrer Erfüllungsgehilfen liegt
nicht vor. Der Senat geht allerdings davon aus, dass im Verhältnis des Kassenpatienten zum Krankenhaus ein
Vertragsverhältnis zustande kommt und nicht nur die Krankenkasse mit dem Krankenhausträger einen (privatrechtlichen)
Vertrag über die Behandlung des Kassenpatienten abschließt, in den dieser (nur) als begünstigter Dritter im Sinne des §
328 BGB a.F. einbezogen wird (vgl. BGHZ 89, 250, 253; 96, 360, 363). Auch die Klägerin ist in den Schutzbereich dieses
Behandlungsvertrages einbezogen. Insoweit ist aber kein Behandlungsfehler festzustellen, der für die Behinderung der
Klägerin ursächlich geworden ist. Ebenso scheidet auch eine deliktsrechtliche Haftung der Erstbeklagten aus (s. unten
d). Dass die Schnittentbindung nicht schon vor dem 7. Juli 1979 erfolgt ist, stellt nach dem oben Gesagten keinen
Behandlungsfehler dar. Die Durchführung der Schnittentbindung erfolgte entgegen dem Klägervortrag nicht mehr als
sechs Stunden nach Eintritt des Nabelschnurvorfalls, sondern etwa 37 Minuten danach; das war gleichfalls kein
Behandlungsfehler; jedenfalls ist ein solcher nicht für die Behinderung der Klägerin ursächlich geworden. Die
Infektionsprophylaxe nach der Geburt war grundsätzlich ausreichend. Zu diskutieren ist allein die Frage, ob die für sich
genommen fehlerhafte Pufferung der Azidose am 17. Juli 1979 als Behandlungsfehler anzusehen ist, der zu der
Behinderung der Klägerin geführt hat und die Haftung der Erstbeklagten eröffnet. Auch dies ist im Ergebnis im Einklang
mit dem angefochtenen Urteil zu verneinen.
b) Nach der Rechtsprechung bedürfen ärztliche Heileingriffe grundsätzlich der Einwilligung des Patienten, um
rechtmäßig zu sein (vgl. Katzenmeier, Arzthaftung, S. 112 ff., 118 ff.). Diese Einwilligung kann nur wirksam erteilt werden,
wenn der Patient über den Verlauf des Eingriffs, seine Erfolgsaussichten, seine Risiken und mögliche
Behandlungsalternativen mit wesentlich anderen Belastungen, Chancen und Gefahren im Großen und Ganzen
aufgeklärt worden ist. Nur so wird sein Selbstbestimmungsrecht und sein Recht auf körperliche Unversehrtheit gewahrt
(BGHZ 106, 391, 397; 126, 386, 389 f.; 144, 1, 4 f.). Eine vitale oder absolute Indikation entbindet den behandelnden Arzt
nicht von der Pflicht zur Aufklärung (vgl. Steffen/Dressler, Arzthaftungsrecht, Rn. 373b m.w.N.). Die Art und Weise der
Aufklärung bleibt dem Arzt überlassen. Dieser hat „im Großen und Ganzen“ aufzuklären. Er braucht das Risiko nicht exakt
zu bestimmen, muss nur die Zielrichtung seines beabsichtigten Handelns kennzeichnen. Indikation und Dringlichkeit von
ärztlichen Maßnahmen sind zutreffend darzustellen. Der Behandlungsträger hat für die Erfüllung von
Aufklärungspflichten nach Maßgabe von § 278 BGB einzustehen (vgl. Katzenmeier, Arzthaftung, S. 338).
Aufklärungsadressat ist der Patient oder sein gesetzlicher Vertreter; bei letzterem reicht die Befugnis zur
Fremdbestimmung insbesondere bei einer vitalen Indikation indes nicht soweit wie das originäre eigene
Selbstbestimmungsrecht des Patienten (Steffen/Dressler, Arzthaftungsrecht, Rn. 434). Der Patient oder sein Vertreter
muss in Fällen der vitalen Indikation gegebenenfalls plausible Gründe dafür darlegen, dass er sich bei erfolgter
Aufklärung in einem wirklichen Entscheidungskonflikt befunden haben würden, ob er die empfohlene Behandlung
gleichwohl ablehnen solle (BGHZ 90, 103, 111; BGH NJW 1990, 2928, 2929). Auch den Patienten können insoweit
Substantiierungspflichten treffen, wenn er Ersatzansprüche aus einem Aufklärungsversäumnis herleiten will (BGHZ 90,
103, 111; BGH NJW 1982, 697, 698; 1982, 700). Das gilt jedenfalls dann, wenn die Gründe für eine Ablehnung der
Behandlung angesichts der Schwere der Erkrankung und der angewendeten Methode der Therapie nicht ohne weiteres
zutage liegen; erst recht muss dies gelten, wenn es – wie hier – um die Fremdbestimmung des Patienten durch den
gesetzlichen Vertreter geht. In solchen Fällen ist es geboten, dass der Patient oder sein Vertreter als Kläger plausibel
darlegt, weshalb er bei Kenntnis der aufklärungsbedürftigen Umstände die Behandlung gleichwohl abgelehnt haben
würde. Daran fehlt es hier.
Die Klägerin hat sich insgesamt nicht auf einen ärztlichen Aufklärungsfehler hinsichtlich der Puffertherapie berufen, erst
recht nicht darauf, dass sie angesichts der aussichtslosen Lage der Klägerin am 17. Juli 1979 in einer Konfliktlage
befunden hätte, in der sie sich auch bei Kenntnis aller Risiken der Puffertherapie dagegen entschieden hätte.
Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme ist ferner nicht davon auszugehen, dass der Mutter der Klägerin keinerlei
Hinweise auf die Lage der Klägerin am 17. Juli 1979 gegeben wurden. Sie hat zum Gegenstand der Äußerungen bei
dem ärztlichen Konsilium fehlerhafte Angaben gemacht. Außerdem können die Beklagten mit Erfolg geltend machen,
ohne die Puffertherapie wäre eine gleich schwere oder noch schwerere Beeinträchtigung entstanden (vgl. Katzenmeier,
Arzthaftung, S. 350). Denn ohne die Puffertherapie hätte die Klägerin die akute Krise am 17. Juli 1979 nicht überlebt.
c) Schließlich obliegt der Klägerin die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass die Schadensfolge, für die sie Ersatz
verlangt, durch einen eigenmächtigen ärztlichen Eingriff verursacht worden ist (vgl. BGHR BGB § 823 Abs. 1
Arzthaftung 2; Steffen/Dressler, Arzthaftungsrecht, Rn. 447). Auch dem ist nicht Genüge getan worden. Die
hirnorganische Schädigung der Klägerin ist nach dem Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. von St... schicksalhaft
eingetreten und nicht notwendigerweise durch die Puffertherapie als Abwehrmaßnahme gegenüber der
lebensbedrohenden Azidose verursacht worden. Daher steht nicht fest, dass die Durchführung der Puffertherapie, über
deren Art und Wirkung gegebenenfalls nicht vollständig und zutreffend aufgeklärt wurde, die Behinderung der Klägerin
verursacht hat.
d) Eine Haftung der Erstbeklagten nach § 831 Abs. 1 Satz 1 BGB scheidet aus, weil sie gemäß § 831 Abs. 1 Satz 2 BGB
den Nachweis der fehlenden haftungsbegründenden Kausalität sowie des fehlenden Verschuldens geführt hat. Lag die
eigentliche Ursache der hirnorganischen Beeinträchtigung der Klägerin in einem unvorhersehbaren septischen Schock,
so ist die Erstbeklagte dafür nicht verantwortlich. War die hochdosierte Puffertherapie unbeschadet etwaiger
Nebenwirkungen jedenfalls das nach Lage der Dinge einzige Mittel zur Lebensrettung für die Klägerin, dann fehlt es an
einem Verschulden der behandelnden Ärzte, die das zur Lebensrettung geeignete Mittel eingesetzt haben. Im Ergebnis
der Abwägung des Lebens der Klägerin gegen etwaige körperliche Beeinträchtigungen kann wegen der überragenden
Bedeutung des Lebensrechts (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG) kein schuldhafter Pflichtverstoß gesehen werden.
Ein Behandlungsfehler des Zweitbeklagten, für den die Erstbeklagte nach §§ 31, 823 BGB einzustehen hätte (vgl. BGHZ
77, 74, 79; 95, 63, 70; Katzenmeier, Arzthaftung, S. 136 ff.), lag nicht vor (oben I, III.1.).
IV.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus §§ 709, 712 ZPO.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 223.000 Euro festgesetzt (wie Bl. 345 GA).
Die Revision wird nicht zugelassen, weil ein Zulassungsgrund gemäß § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegt. Die Entscheidung
des Senats beruht vor allem auf tatsächlichen Erwägungen; eine Abweichung von höchstrichterlicher Rechtsprechung
oder anderen obergerichtlichen Entscheidungen liegt nicht vor.
Dierkes Dr. Wohlhage Dr. Eschelbach