Urteil des OLG Koblenz vom 31.10.2008

OLG Koblenz: eltern, hersteller, gefahr, teilweise abweisung, schmerzensgeld, form, unfall, firma, produkthaftung, anpassung

Produkthaftung
OLG
Koblenz
31.10.2008
10 U 1268/07
Keine Produkthaftung für Verletzung eines sechsjährigen Kindes infolge automatischer Betätigung der
Windschutzanlage (sich aufwickelnde Plane) eines Boxenlaufstells, da Prototyp mit dem landwirtschaftlichen Betrieb
adäquater Sicherheit.
- Rechtskraft noch offen -
Geschäftsnummer:
10 U 1268/07
11 O 74/06 LG Trier
Verkündet am 31. Oktober 2008
Birgit Schäfer, Justizbeschäftigte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle des Oberlandesgerichts
in dem Rechtsstreit
Kläger und Berufungskläger,
- Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte -
g e g e n
1.
Beklagte und Berufungsklägerin,
-Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte -
2.
Beklagte und Berufungsklägerin,
-Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte -
Der 10. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Koblenz hat durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Weiss, die
Richterin am Oberlandesgericht Schwager-Wenz und die Richterin am Landgericht Stauder
auf die mündliche Verhandlung vom 26. September 2008
für R e c h t erkannt:
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Einzelrichters der 11. Zivilkammer des Landgerichts Trier vom 28. August
2007 wird zurückgewiesen.
Auf die Berufung der Beklagten zu 1. und 2. wird das genannte Urteil abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:
Die Klage wird in vollem Umfang abgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, soweit über sie nicht bereits im Urteil des Landgerichts
rechtskräftig erkannt ist.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger darf die Vollstreckung durch eine Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des aufgrund des Urteils
gegen ihn vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung eine Sicherheit in Höhe
des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.
G r ü n d e :
Der Kläger nimmt die Beklagten auf Zahlung eines Schmerzensgeldes und auf Feststellung der Verpflichtung zum Ersatz
aller materiellen und immateriellen Schäden im Zusammenhang mit einer Verletzung, die er am 21. April 2005 auf dem
landwirtschaftlichen Anwesen seiner Eltern erlitten hat, in Anspruch.
Der am 5. Oktober 1998 geborene Kläger spielte an diesem Tag zusammen mit seinem neunjährigen Bruder und
weiteren Kindern auf dem Grundstück des landwirtschaftlichen Betriebes seiner Eltern. Im Bereich der
Windschutzanlage, die an den Längsseiten des Boxenlaufstalles durch die Erstbeklagte installiert worden war,
verunglückte der Kläger. Infolge des Unfalls erlitt er schwere Quetschungen und Brüche. Er musste deshalb 3 Wochen
stationär behandelt werden.
Der landwirtschaftliche Betrieb der Eltern des Klägers umfasst eine landwirtschaftliche Nutzfläche von 140 ha und einen
Viehbestand von ca. 300 Stück Großvieh. Ausweislich der Auftragsbestätigung vom 4. Juni 2004 kaufte der Vater des
Klägers bei der Erstbeklagten ein Windschutzabrollsystem, bestehend aus einer PVC-Plane mit eingearbeitetem
Gewebe von hoher Reißfestigkeit, entwickelt und hergestellt von der Firma A., erstinstanzlich Beklagte zu 3.. Dieses
Windschutzsystem wurde durchgehend in einer Länge von 60 m an den Außenseiten des Boxenlaufstalles durch die
Erstbeklagte installiert. Die Plane kann nach Bedarf auf- oder abgerollt werden. Sie öffnet sich dabei von oben nach
unten, wobei der Antrieb über einen Elektromotor mit Kettenantrieb erfolgt. Beim Öffnen, das heißt beim Herunterfahren
der Windschutzplane, wird deren Folie um das untere Rohr herum aufgewickelt. Das komplette Öffnen bzw. Schließen
der Windschutzplane dauert etwa 75 Sekunden und ist mit einer manuellen Elektrosteuerung ausgestattet. Auf
ausdrücklichen Wunsch des Vaters des Klägers wurde das Windschutzsystem durch die Erstbeklagte zudem mit einer
automatisch-thermischen Steuerung geplant, ausgeführt und in dieser Form dem Vater des Klägers verkauft und geliefert.
Entwickelt und hergestellt wurde die thermische Steuerung durch die Zweitbeklagte. Ausgehend von dem gewünschten
Bedarf – Öffnen und Schließen der Stallwände durch Anpassung an das Außenklima - entwickelte die Zweitbeklagte
eine Software, die die gemessenen Daten aufnimmt und in Befehle (elektrische Impulse) umsetzt. Neben der Software
erstellte die Zweitbeklagte die Hardware, den so genannten „Schaltkasten“. Über diesen Schaltkasten ist neben der
manuellen Steuerung der beiden Seitenplanen auch die automatische- thermische Steuerung möglich. Zudem ist an
dem Schaltkasten ein manuell zu bedienender Notausschalter angebracht.
Das gesamte Windschutzsystem einschließlich der automatisch-thermischen Steuerung wurde durch die von der
Erstbeklagten beauftragte Firma C. GmbH installiert. Dabei war es Aufgabe der Erstbeklagten, die Elektroinstallationen
zu den Motoren an den Schaltkasten anzuschließen.
In der Folge funktionierte die Windschutzanlage einwandfrei.
Nach dem Unfall des Klägers wurden an dem Windschutzsystem weitere Sicherungsmaßnahmen angebracht. An der
Vorderseite des Stalles wurde eine elektrische Lichtschranke installiert, die bei Unterbrechung des Lichtstrahls die
Anlage unverzüglich stoppt. An der hinteren Seite des Stalles wurde eine mit dem Ausschalter verbundene Reißleine
sowie eine weitere Lichtschranken- Notabschaltung montiert.
Der Kläger hat vorgetragen:
Er sei beim Spielen von außen an den Boxenlaufstall herangetreten, um über die zu diesem Zeitpunkt relativ weit
herabgelassene Windschutzplane in den Stall hineinzusehen. Hierzu sei er auf die untere Folienrolle getreten. Die
Plane sei zu diesem Zeitpunkt nicht in Bewegung gewesen. Er habe noch auf der unteren Rolle gestanden, als sich die
automatisch gesteuerte Windschutzplane plötzlich eingeschaltet habe und sich von oben nach unten einrollte. Die Füße
des Klägers seien von der Folie erfasst und auf die Rolle gezogen worden. Er habe nicht entkommen können, so dass
beide Füße und danach die Beine und der Körper bis zum Brustkorb um den engen Radius des Rohres und der Folie
gewickelt und hineingezogen worden seien. Die Folie habe lediglich etwas nachgegeben und im Fußbereich sei eine ca.
20 cm lange Rissöffnung entstanden. Die Anlage habe sich nicht ausgeschaltet und habe ihn in die Folie gezogen, bis
sie schließlich von selbst durch die automatische Steuerung in unterster Stelle angehalten habe. Der sich in der Nähe
befindliche Großvater habe sodann den Vater verständigt, der die Steuerung von Automatik auf manuell umgeschaltet
habe und die Folie mit der manuellen Steuerung nach oben gefahren habe. Erst dadurch sei der Kläger aus seiner
Zwangslage befreit worden. Er sei kurz vor dem Erstickungstod gestanden.
Der Kläger ist der Ansicht, dass das von der Erstbeklagten geplante und verkaufte automatisierte Windschutzsystem
fehlerhaft sei, da es keine wirksame Sicherheitsvorrichtung beinhaltet habe, um Unfälle wie den vorliegenden
auszuschließen. Der vorhandene Notausschalter am Schaltkasten sei für eine eingeklemmte Person nicht erreichbar und
daher nicht zu deren Schutz geeignet. Zudem habe die Erstbeklagte die Eltern des Klägers nicht hinreichend instruiert
und auch keine Hinweisschilder angebracht.
Auch die Zweitbeklagte sei ihm nach den Vorschriften des Produkthaftungsgesetzes zum Schadensersatz verpflichtet, da
dieser bekannt gewesen sei, wozu die von ihr entwickelte thermische Steuerung gedient habe. Es habe sich ihr
aufdrängen müssen, dass der angebrachte Notausschalter keine hinreichende Sicherheit bieten würde. Von daher habe
die Zweitbeklagte zumindest entsprechende Instruktionen und Gefahrhinweise an die Erstbeklagte oder die Eltern des
Klägers geben müssen. Auch habe es der Zweitbeklagten oblegen, ihrem Teilprodukt eine Betriebsanleitung beizufügen,
aus der sich eindeutig die verschiedenen Sicherungsmöglichkeiten durch Notausschaltung ergeben hätten.
Der Kläger hat in erster Instanz auch die Firma A. in Anspruch genommen und ihr insoweit vorgeworfen, dass es ihre
Aufgabe gewesen sei, in ihren Prospekten davor zu warnen, dass bei einem Aufrollen der Plane nach unten die Gefahr
des Erfassens und Aufwickelns bestehe.
Der Kläger hat ein Schmerzensgeld in Höhe von 30.000 € für angemessen erachtet.
Der Kläger hat beantragt,
1. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn ein angemessenes Schmerzensgeld, dessen Höhe in
das Ermessen des Gerichts gestellt wird, mit 5 % Zinsen seit Rechtshängigkeit zu zahlen,
2. festzustellen, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, ihm sämtlichen materiellen und
immateriellen Schaden aus dem Unfallgeschehen vom 21. April 2005 zu zahlen, soweit die Ansprüche nicht auf
Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergehen,
3. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, ihm gegenüber den Rechtsanwälten B., von vorgerichtlichen
Rechtsanwaltskosten in Höhe von 594,73 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach §
288 Abs.1 BGB hierauf seit dem 18. März 2006 freizustellen.
Die Beklagten haben beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Erstbeklagte hat vorgetragen:
Da sie das Windschutzsystem und die automatische Steuerung lediglich verkauft habe, sei sie schon nicht als Hersteller
im Sinne des Produkthaftungsgesetzes anzusehen. Darüber hinaus liege kein Produktfehler vor, da die
Windschutzanlage das zur Zeit des Unfalls zu fordernde Sicherheitsniveau erfüllt habe. Die Anlage habe im Übrigen den
berechtigten Sicherheitserwartungen des Adressatenkreises des Produktes und auch den Sicherheitserwartungen von
Dritten, die mit der Sache in Berührung kommen, entsprochen. Es gebe keinerlei wissenschaftlichen oder technischen
Standard, gegen die die Anlage verstoßen habe. Auch existierten keinerlei Sicherheitsvorschriften oder
Unfallverhütungsvorschriften. Mit einem Unfall, der auf einem zweckentfremdeten Gebrauch beruhe, habe niemand
rechnen müssen und eine solche Gefahr sei aus “ex-ante-Betrachtung“ auch nicht erkennbar gewesen. Zudem stelle das
Windschutzsystem keinerlei Gefahr für einen Erwachsenen dar, wenn sich dieser aus irgendwelchen Gründen auf das
angetriebene Rohr stellen würde. Lediglich bei einem kleinen Kind habe ein Unfall der vorliegenden Art überhaupt
geschehen können. Die Motoren seien im Übrigen auch nicht in der Lage, einen Erwachsenen mit einzuziehen.
Ob auf der Klemmleiste des Schaltkastens auch Anschlussmöglichkeiten für einen per Lichtschranke gesteuerten
Notstopp vorhanden gewesen seien, wisse sie nicht. Bei der Produkteinführungsveranstaltung, die von der
Zweitbeklagten und der Firma A. durchgeführt worden sei, sei darüber jedenfalls nicht gesprochen worden.
Die Zweitbeklagte hat vorgetragen:
Sie sei als Hersteller eines Teilprodukts in erster Linie ihrer Vertragspartnerin gegenüber verantwortlich. Im Übrigen sei
die Erstbeklagte lückenlos über das Produkt informiert gewesen. Im Rahmen der Produkteinführungsveranstaltung sei
der Erstbeklagten erläutert worden, dass es ihre Aufgabe sei, die Signalgebung für einen Notstopp zu schaffen. Auch
über die Möglichkeit, als Signalgeber eine Lichtschranke zu wählen, sei gesprochen worden. Auch die Eltern des
Klägers hätten gewusst, dass ein per Lichtschranke gesteuerter Notstopp nicht vorhanden gewesen sei. Im Übrigen sei
der Unfall auf einen nicht vorhersehbaren Fehlgebrauch des Produktes zurückzuführen. Es entspreche nämlich nicht
dem bestimmungsgemäßen Gebrauch, dass sich kleine Kinder im Bereich der Anlage aufhielten. Dass dies hier
gleichwohl der Fall gewesen sei, liege allein an einer Verletzung der Verkehrssicherungspflicht durch die Eltern des
Klägers.
Das Landgericht hat nach Beweisaufnahme zum Ablauf des Unfallgeschehens der Klage gegenüber der Erstbeklagten
und Zweitbeklagten teilweise stattgegeben und die Erstbeklagte und die Zweitbeklagte als Gesamtschuldner verurteilt,
an den Kläger ein Schmerzensgeld in Höhe von 10.000 € zu zahlen. Darüber hinaus hat es dem Feststellungsantrag und
dem Freistellungsantrag gegenüber den Beklagten stattgegeben. Die weitergehende Klage gegenüber der Firma A. hat
das Landgericht abgewiesen.
Der Kläger wendet sich mit seiner Berufung gegen die teilweise Abweisung seines Schmerzensgeldanspruchs. Die
Beklagten wenden sich mit den von ihnen selbständig eingelegten Berufungen gegen ihre Verurteilung. Wegen der
Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze
sowie den Tatbestand des landgerichtlichen Urteils Bezug genommen. Wegen der Begründung der erstinstanzlichen
Entscheidung wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils verwiesen.
Der Kläger ist weiterhin der Auffassung, dass die Beklagten ihm unter dem Gesichtspunkt der Produkthaftpflicht zu
Schmerzensgeldzahlung in Höhe von 20.000 € verpflichtet seien. Er macht hierzu geltend, dass das ausgeurteilte
Schmerzensgeld zu niedrig bemessen sei. Wie sich inzwischen herausgestellt habe, bleibe eine Längendifferenz der
beiden Beine von 1 cm auf Dauer bestehen. Beeinträchtigungen des Hüftgelenks seien deshalb zu erwarten. Darüber
hinaus sei festgestellt worden, dass die Mittelzehe des linken Fußes eine so genannte Zehenheberschwäche aufweise.
Dies bedeute, dass eine Fehlstellung der Zehe vorliege.
Was die Verantwortung der Beklagten für den Unfall betreffe, so seien beide als Gesamtschuldner aus der Verletzung
des Produkthaftgesetzes in Anspruch zu nehmen. Die Zweitbeklagte habe eine thermische Steuerung entwickelt und
konstruiert, von der sie gewusst habe, dass sie im Zusammenhang mit dem Windschutzsystem in Betrieb genommen
werden sollte. Sowohl die Zweitbeklagte als auch die Erstbeklagte hätten gewusst, dass eine automatische Sicherung
nicht installiert worden sei. Zudem seien der Erstbeklagten die Örtlichkeiten bekannt und sie habe von daher die Gefahr
gekannt, dass Spaziergänger, Kinder, aber auch Tiere auf die Rolle treten könnten. Trotzdem habe sie die Anlage nicht
entsprechend gesichert, insbesondere weder Warnlampen noch akustische Signale installiert oder auch
Sicherungseinrichtungen in Form automatischer Abschaltung bei Gegenlast oder durch Lichtschranken angebracht.
Auch seien die Eltern des Klägers nicht darüber unterrichtet worden, dass bei einem automatischen nicht absehbaren
Einschalten der maschinellen Einrichtung eine derartige Gefahrenquelle entstehen und sich verwirklichen könne. Eine
entsprechende Betriebsanleitung, aus der sich diese Gefahren ergeben hätten, sei den Eltern nicht ausgehändigt
worden.
Der Kläger beantragt,
unter Abänderung des Urteilsausspruchs zu Ziffer 1 des am 28. August 2007 verkündeten Urteils des Landgerichts Trier,
Az: 11 O 40/06, die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an den Kläger ein angemessenes Schmerzensgeld,
dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, jedenfalls 20.000 €, nebst 5 % Prozentpunkten über dem
Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagten beantragen,
die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
Darüber hinaus beantragt die Erstbeklagte,
das erstinstanzliche Urteil des Landgerichts Trier abzuändern und die Klage abzuweisen.
Die Zweitbeklagte beantragt,
unter Aufhebung des Urteils des Landgerichts Trier vom 28. August 2007 die gegen die Zweitbeklagte erhobene Klage
kostenpflichtig abzuweisen.
Die Erstbeklagte ist weiterhin der Auffassung, dass sie kein fehlerhaftes Produkt in Verkehr gebracht habe. Rücksicht
genommen werden müsse nämlich auf den bestimmungsgemäßen Gebrauch und auf einen über die Zweckbestimmung
hinausgehenden üblichen Gebrauch; mit einem völlig zweckentfremdeten Gebrauch müsse dagegen nicht gerechnet
werden. Für sie habe keinerlei Veranlassung bestanden, damit zu rechnen, dass sich dritte Personen auf die Laufrolle
der Plane stellen würden. Der Hersteller könne nicht gegen jegliche Art von Missbrauch Vorsorge treffen. Insbesondere
könne nicht von jedem Produkt in jeder Situation totale Sicherheit erwartet werden. Da das Windschutzsystem zum
Zeitpunkt des Inverkehrbringens den berechtigten Sicherheitserwartungen entsprochen habe, könnten spätere
Erkenntnisse nicht zu einem Fehler des bereits in Verkehr gebrachten Produktes führen. Im Übrigen hätten es die Eltern
des Klägers zugelassen, dass der Kläger sowie andere Kinder im Stallbereich gespielt haben und dies, obwohl der Vater
des Klägers genau gewusst habe, dass die Windschutzanlage automatisch auf thermische Veränderungen reagiere, es
also nicht genau vorhersehbar gewesen sei, wann sich die Plane am Stall in Bewegung setze.
Abgesehen davon sei das ausgeurteilte Schmerzensgeld angemessen.
Die Zweitbeklagte ist der Auffassung, dass der Nichtanschluss einer Lichtschranke keinen Fehler des Produkts
konstituiere. Insbesondere habe die Zweitbeklagte nicht damit rechnen müssen, dass das Endprodukt in die Hand von
Kindern gelangen werde, die mit den Produktgefahren nicht vertraut sein würden. Zudem habe das Landgericht verkannt,
dass nicht das Endprodukt und auch nicht das Teilprodukt der Zweitbeklagten adäquat für die Unfallverursachung
gewesen sei, sondern das grob fahrlässige Verhalten des damaligen Sachwalters der Eltern des Klägers, also des
Großvaters. Dieser habe das Spiel am falschen Ort geduldet und von der durch das Produkt angebotenen Option des
manuellen Betriebes keinen Gebrauch gemacht. Das Produkt sei jeder Gefahrenlage angepasst zu betreiben gewesen,
und es sei Aufgabe der Eltern des Klägers gewesen, die Anlage den jeweiligen Gefahrenlagen entsprechend zu
betreiben.
Auch eine Verletzung der Instruktionspflicht sei nicht gegeben, da es ständiger Rechtsprechung entspreche, dass, was
auf dem Gebiet allgemeinen Erfahrungswissens der in Betracht kommenden Abnehmerkreise liege, nicht zum Inhalt
einer Gebrauchsanleitung oder einer Warnung gemacht werden brauche.
Der Kläger beantragt,
die Berufungen der Erstbeklagten und Zweitbeklagten zurückzuweisen.
Wegen aller weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf die zu den Akten gereichten Schriftsätze nebst
Anlagen verwiesen.
II.
Die Berufung des Klägers ist zulässig, aber unbegründet.
Die selbständigen Berufungen der Erstbeklagten und Zweitbeklagten sind zulässig und begründet. Dem Kläger steht ein
Anspruch gegen die Beklagten auf Schadensersatz und Schmerzensgeld weder nach den Grundsätzen über die
Produkthaftung noch im Übrigen zu.
Gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 Produkthaftungsgesetz ist der Hersteller eines Produktes verpflichtet, dem Geschädigten den
Schaden an Körper oder Gesundheit zu ersetzen, der durch den Fehler eines Produkts verursacht worden ist. Der Begriff
des Fehlers ist in § 3 Produkthaftungsgesetz definiert. Nach dieser Vorschrift ist ein Produkt fehlerhaft, wenn es nicht die
Sicherheit bietet, die unter Berücksichtigung aller Umstände, insbesondere seiner Darbietung, des Gebrauchs und des
Zeitpunktes, in dem es in den Verkehr gebracht wurde, berechtigterweise erwartet werden kann. Zur Beurteilung der
Fehlerhaftigkeit eines Produkts ist auf den im Zeitpunkt seines Inverkehrbringens maßgeblichen Sicherheitsstandard
abzustellen (Münch/Komm/Wagner, § 3 Produkthaftungsgesetz Rdnr. 26 und § 1 Rdnr. 55). Bei der Wahl des
Sicherheitsstandards kann sich der Hersteller an den objektiven Erwartungen eines durchschnittlich verständigen
Konsumenten oder Drittbetroffenen orientieren (Münch/Komm/Wagner, a.a.0. m.w.N.). Die Sicherheitserwartung muss
berechtigt sein; absolute Sicherheit kann im Rahmen des Produkthaftungsgesetzes genauso wenig wie nach § 823 Abs.
1 BGB erwartet werden (Palandt/Thomas § 3 Produkthaftungsgesetz Rdnr. 8). Abzustellen ist objektiv darauf, ob das
Produkt diejenige Sicherheit bietet, die die Allgemeinheit nach der Verkehrsauffassung in dem Bereich für erforderlich
hält (OLG Hamm NJW RR 2001, 1248). Der Hersteller schuldet als Sicherheitsstandard nur solche
Sicherheitsmaßnahmen, deren Nutzen in Gestalt verminderter Schäden in einem angemessenen Verhältnis zu ihren
Kosten stehen.
Nach den Grundsätzen der Produkthaftung muss der Hersteller eines Erzeugnisses darüber hinaus für solche Schäden
einstehen, die eintreten, weil er die Verwender des Produkts pflichtwidrig nicht auf Gefahren hingewiesen hat, die sich
aus der Verwendung der Sache ergeben (BGHZ 64, 46, 49; 116, 60, 65; BGH NJW 1987, 372, 373; 1999, 2815 ff.). Diese
Pflicht entfällt jedoch dann, wenn das Produkt nach den berechtigten Erwartungen des Herstellers ausschließlich in die
Hand von Personen gelangen kann, die mit den Gefahren vertraut sind (BGHZ 116, 60, 65 ff.; BGH NJW 1986, 1863,
1864; 1999, 2815, 2816), wenn die Gefahrenquelle offensichtlich ist (BGH NJW 1995, 2631, 2632) oder, wenn es um die
Verwirklichung von Gefahren geht, die sich aus einem vorsätzlichen oder äußerst leichtfertigen Fehlgebrauch ergeben
(BGH NJW 1999, 2815, 2816).
Auf der Grundlage der vorstehenden Erwägungen ist davon auszugehen, dass weder das Produkt der Erstbeklagten,
noch das Produkt der Zweitbeklagten einen Produktfehler im Sinne des § 3 Produkthaftungsgesetz aufweist.
Einer auf Produkthaftpflicht gegründeten Schadensersatzpflicht der Zweitbeklagten als Herstellerin des Zulieferprodukts
„automatische Steuerung“ steht allerdings nicht entgegen, dass die von der Zweitbeklagten hergestellte automatische
Steuerung nicht an sich bereits gefährlich oder mit Risiken für Rechtsgüter anderer behaftet war. Als Zulieferer hat die
Zweitbeklagte nämlich wie jeder Produzent dafür einzustehen, dass das von ihr gefertigte Produkt im Rahmen des
bestimmungsgemäßen Gebrauchs auch in der Weiterverarbeitung durch andere in vollem Umfang fehlerfrei und ohne
Gefährdung des Eigentums Dritter eingesetzt werden kann (BGH NJW 1996, 2224 - 2226). Auf der Grundlage dieser
Überlegung stellt der Einbau der von der Zweitbeklagten entwickelten automatischen Steuerung in Form eines
elektrischen Schaltkastens in das Windschutzanlagensystem der Erstbeklagten einen bestimmungsgemäßen Gebrauch
dieses Produkts der Zweitbeklagten dar, hinsichtlich dessen letztere grundsätzlich im produkthaftungsrechtlichen Sinne
verkehrssicherungspflichtig ist.
Ein haftungsrechtlich relevanter Konstruktionsfehler des Windschutzanlagensystems lag jedoch entgegen der
Auffassung des Landgerichts nicht vor.
Ein Konstruktionsfehler liegt nicht schon dann vor, wenn ein Produkt eine gewisse Gefährlichkeit in sich birgt und sich
diese Gefahr im Einzelfall realisiert. Fehlerhaft ist das Produkt nur, wenn es objektiv nicht die Sicherheit bietet, die die
Allgemeinheit nach der Verkehrsauffassung in dem entsprechenden Bereich für erforderlich hält. Ein Hersteller hat bei
der Konstruktion seines Produktes die Verpflichtung, im Rahmen des ihm Zumutbaren alle Gefahren abzuwenden, die
sich aus der Benutzung ergeben können. Auch für die Verkehrssicherungspflicht des Herstellers von technischen
Anlagen gilt, dass bei der Herstellung diejenigen Maßnahmen ergriffen werden müssen, die im konkreten Fall zur
Vermeidung von Gefahren erforderlich und zumutbar sind. Dabei ist für die Produktsicherheit in erster Linie die
durchschnittliche Erwartung derjenigen Verbraucher maßgebend, für die das Produkt bestimmt ist, daneben aber auch
das Sicherheitsniveau, das nach dem jeweiligen Erkenntnisstand von Wissenschaft und Technik möglich und zumutbar
ist. Die Untergrenze dieses Sicherheitsniveaus wird in der Regel von den anerkannten Regeln der Technik bestimmt, die
den Mindeststandard darstellen, bei dessen Nichteinhaltung im Allgemeinen von einer Verletzung der
Verkehrssicherungspflicht auszugehen ist.
Gemessen an diesen Vorgaben lässt sich hier nicht feststellen, dass die Beklagten ein fehlerhaftes Produkt hergestellt
haben.
Bei der von dem Erstbeklagten in Zusammenarbeit mit der Zweitbeklagten entwickelten technischen Anlage handelt es
sich um einen Prototyp, für den es weder handelsübliche Sicherheitsstandards noch anerkannte Regeln der Technik,
noch sonstige technische Anforderungen gibt. Das Windschutzsystem ist in Absprache mit dem Vater des Klägers mit
einer zusätzlichen automatischen Steuerung versehen worden. Insofern stellt das Windschutzsystem in seiner konkreten
Ausformung einen völlig neu an den Bedürfnissen des landwirtschaftlichen Betriebs der Eltern des Klägers entwickelten
Prototyp dar. Dieser Prototyp ist als Individualprodukt entsprechend den Bedürfnissen des landwirtschaftlichen Betriebes
des Vaters des Klägers installiert worden, um den dort vorhandenen Boxenlaufstall, in dem die Rinder untergebracht
sind, vor ungünstigen Witterungseinflüssen und klimatischen Veränderungen zu schützen. Die Anlage ist so konzipiert
worden, dass durch Öffnen und Schließen der einrollbaren Stallwände ein gewünschtes Stallinnenklima durch
Anpassung an das jeweilige Außenklima hergestellt wird. Die ursprünglich nur im manuellen Betrieb zu steuernde
Anlage ist durch den Einbau der durch die Zweitbeklagte entwickelten automatischen Steuerung in ihrem Wirkungskreis
dahingehend erweitert worden, dass die gewünschte Anpassung der Klimaverhältnisse automatisch erfolgt, und zwar in
der Weise, dass die gemessenen Daten über eine Software aufgenommen werden und in Befehle umgesetzt werden, die
dann in die von der Erstbeklagten erstellte Elektroinstallation geleitet werden, an deren Ende sich Motoren befinden,
welche die Planen auf- und abrollen. So gesehen funktioniert die Anlage im Rahmen bestimmungsgemäßen Gebrauchs
problemlos, so dass ein Fehler, der sich bei ordnungsgemäßer Nutzung im Sinne des Unfallereignisses hätte auswirken
können, nicht ersichtlich ist.
Auch das Vorbringen des Klägers, die Anlage biete nicht die Sicherheit, die berechtigterweise bei einem Produkt dieser
Art erwartet werden kann, lässt entgegen der Auffassung des Landgerichts nicht auf das Vorliegen eines
Konstruktionsfehlers schließen.
Die Anlage ist als Prototyp für einen agrarindustriellen Betrieb entwickelt und installiert worden. Sie hat - wie bereits
ausgeführt -, bei ordnungsgemäßer Nutzung ein an sich relativ geringes Gefahrpotential, da ihre Funktionsweise einfach
und überschaubar ist – vergleichbar dem Auf und Abrollen der Plane einer Markise -. Die Beklagten durften bei der
Konstruktion der Windschutzanlage berücksichtigen, dass diese nach Art, Zuschnitt und Verwendungszweck lediglich
von einem eingeschränkten Verkehrskreis benutzt wird, nämlich Betreibern landwirtschaftlicher Betriebe, die ausgehend
von der Konzeption des Windschutzsystems mit dessen besonderer Funktionsweise vertraut sind. Eine automatische
Steuerung, angepasst an nicht beeinflussbare Witterungsverhältnisse, beinhaltet allein das objektive
Gefährdungspotential, dass sich die Planen unvorhergesehen von selbst auf- oder abrollen. Um Sinn und Zweck der
Konstruktion des Windschutzsystems mit einer automatischen Steuerung zu gewährleisten – optimale Anpassung der
klimatischen Innenverhältnisse des Stalles, unabhängig von einer sonst notwendigen eigenen Prüfung der
Klimaverhältnisse mit anschließender manuellen Inbetriebnahme - , muss dieses Risiko hingenommen werden. Dieses
naheliegende Risiko muss dem Betreiber, hier dem Vater des Klägers, eines so hoch technisierten landwirtschaftlichen
Betriebes geläufig sein. Die Beklagten konnten deshalb berechtigterweise davon ausgehen, dass die Gefahr der
plötzlichen Inbetriebsetzung der Windschutzanlage dem Verwenderkreis bekannt ist.
Damit verbunden ist denknotwendig, dass sich die Anlage in dem Moment in Betrieb setzen kann, in dem sich eine
Person in unmittelbarer räumlicher Nähe befindet. Deshalb ist für den Benutzerkreis deutlich, dass er durch
entsprechende Maßnahmen sicherzustellen hat, dass unbefugte Personen sich nicht in der Nähe aufhalten.
Die abstrakte Gefährdung hat sich vorliegend dadurch konkretisiert, dass sich der sechsjährige Kläger beim Spielen auf
die untere Rolle gestellt, bei Ingangsetzung des Windschutzsystems nicht reagiert hat und dadurch erheblich verletzt
worden ist. Damit hat sich ein Gefährdungspotential – nämlich Betreten durch spielende Kinder - verwirklicht, mit dem
die Beklagten zum Zeitpunkt der Entwicklung und Installierung der Anlage zur Überzeugung des Senats nicht ohne
weiteres rechnen mussten.
Zu berücksichtigen war bei dieser Einschätzung, dass die Anlage zur Verwendung in einem agrar-industriellen Betrieb
entwickelt und installiert wurde. Erfahrungsgemäß halten sich in einem solchen Bereich Personen auf, die mit den sich
aus den vorhandenen technischen Anlagen ergebenden Gefahren vertraut sind. Den Beklagten musste sich von daher
nicht zwingend aufdrängen, dass sich in diesem technisierten Bereich spielende Kinder aufhalten, die mit der speziellen
Funktionsweise der Anlage nicht vertraut sind.
Es macht nämlich einen erheblichen Unterschied in der Beurteilung der berechtigterweise zu erwartenden
Sicherheitsvorstellungen, ob die Anlage in einem der Allgemeinheit frei zugänglichen Bereich - insbesondere mit der
nahe liegenden Möglichkeit der Nutzung durch Dritte - installiert ist, oder - wie hier - im Rahmen eines
hochtechnologisierten landwirtschaftlichen Betriebes. Während strenge Anforderungen an die Sicherheit von frei
zugänglichen Bereichen verlangt werden können mit der Maßgabe, dass diese möglichst gefahrlos zu gestalten und zu
erhalten sind, sind die Anforderungen an die Sicherheit industriell genutzter oder nur einem speziellen Nutzerkreis zur
Verfügung stehender Bereiche geringer einzustufen. Insofern kann nicht jede mit Gefahrenpotential ausgestattete Anlage
zu hundert Prozent kindersicher gestaltet werden. Da die Beklagten , wie oben ausgeführt, zu Recht davon ausgehen
konnten, dass die Eltern des Klägers um das Gefährdungspotential bei Betreten der untere Rolle wussten, und im
Übrigen ein Notstopp am Regelungskasten installiert worden ist, bestand für die Beklagten keine Pflicht, weitere
Sicherheitseinrichtungen zu installieren. Sie mussten bei der hier vorzunehmenden Betrachtung “ex ante“ nicht davon
ausgehen, dass sich möglicherweise spielende Kinder in der Nähe des Windschutzsystems aufhalten und die Betreiber
keine geeigneten Maßnahmen zum Nichtbetreten Unberechtigter getroffen haben.
Das einzuhaltende Ausmaß der Sicherheit kann sich nur an den konkreten Umständen des Einzelfalls orientieren, so
dass die Beklagten sich bei der Konzeption der Anlage nur auf den üblichen und zweckentsprechenden Gebrauch und
nicht auf fernliegenden, insbesondere missbräuchlichen Gebrauch, einzustellen brauchten. Dass beim Betrieb einer
automatisierten Windschutzanlage in einem evident gefahrgeneigten Bereich – nämlich einem industriell genutzten
landwirtschaftlichen Betrieb - spielende Kinder möglicherweise die untere Rolle betreten könnten, mussten die
Beklagten bei der Entwicklung im Hinblick auf einzuhaltende Sicherheitsvorschriften nach Ansicht des Senats zum
Zeitpunkt des Inverkehrbringens nicht berücksichtigen. Die missbräuchliche Nutzung des Windschutzsystems durch
Betreten spielender und nicht mit den Gefahren vertrauter Kinder stellt demnach vorliegend keine nahe liegende
Gefahrenquelle dar, so dass es einer weiteren zwingenden Sicherung durch die Beklagten als Hersteller beispielsweise
in Form einer Lichtschranke bedurft hätte. Soweit in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat erörtert wurde, dass das
betreffende Gelände frei zugänglich, insbesondere auch für Spaziergänger, sei, entsprach solches gegebenenfalls nicht
den berechtigten Erwartungen der Beklagten, war jedenfalls auch nach dem Vorbringen des Klägers nicht offensichtliche
Einsatzbedingung.
Unter Berücksichtigung der oben dargestellten Grundsätze kommt auch eine Haftung der Beklagten unter dem
Gesichtspunkt einer Instruktionspflichtverletzung nicht in Betracht. Ein Instruktionsfehler der Beklagten ist nicht
feststellbar. Instruktionsfehler bestehen in einer mangelhaften Gebrauchsanweisung und/oder nicht ausreichender
Warnung vor einer Gefahr bringenden Eigenschaft, die in der Wesensart der als solcher fehlerfreien Sache begründet
sind (vgl. Palandt/Thomas, § 3 Produkthaftungsgesetz Rdziff. 5).
Mit dem Betrieb der von der Beklagten konstruierten Windschutzanlage sind - wie oben bereits ausgeführt - bei
bestimmungsgemäßem Gebrauch keine erheblichen Gefahren verbunden.
Die Beklagten trifft deshalb zunächst keine Warnpflicht, weder im Hinblick auf einen schriftlich anzubringenden
Warnhinweis noch im Hinblick auf ein akustisches oder optisches Warnsignal. Es liegt im Bereich allgemeinen
Erfahrungs-wissens des bei bestimmungsgemäßen Gebrauch mit der Anlage in Kontakt kommenden Verwenderkreises,
dass eine automatisch an die Witterungsverhältnisse angepasste Steuerung zu einer jederzeit ausgelösten
Inbetriebnahme der Anlage führt. Aus dieser plötzlichen und unvorhergesehenen Inbetriebnahme ergibt sich, dass ein
Betreten der unteren Rolle möglicherweise zu einer Gefährdung führen kann. Das Auf- und Abrollen der Plane stellt
einen Alltagsmecha-nismus dar. Es liegt im Zusammenhang mit einem solchen Alltagsmechanismus erkennbar, also
nicht nur für instruierte Personen, sondern auch für mit der Funktionsweise vertraute Personen, nahe, dass die Gefahr
eines Einklemmens bei einem völlig bestimmungswidrigen Betreten der Rolle besteht.
Aber auch das Fehlen einer Gebrauchsanweisung für die als Prototyp entwickelten Anlage begründet keinen
Instruktionsfehler.
Wie bereits ausgeführt, war dem Vater des Klägers bewusst, dass sich die Anlage automatisch, abhängig von den
Witterungsverhältnissen, in Betrieb setzt. Dies war ausdrücklich so gewünscht. Die Funktionsweise der Anlage war
bekannt und die sich daraus ergebende mögliche Gefahr des Eingeklemmtwerdens bei einem fahrlässigen oder
vorsätzlichen Betreten der unteren Rolle ohne weiteres erkennbar. Der Hersteller war deshalb nach Ansicht des Senats
nicht verpflichtet, nochmals gesondert darauf hinzuweisen, dass die Anlage bei Betreten der unteren Rolle zu
Gefährdungen führen kann. Auch ein ausdrücklicher Hinweis auf das Fehlen von Sicherheitsvorrichtungen in der vom
Kläger gewünschten Form war nicht geschuldet.
Ein unterbliebener Hinweis auf aus Sicht des Klägers fehlende Sicherheitsvorrichtungen, die jedoch nach den oben
gemachten Ausführungen weder berechtigterweise erwartet werden können, noch aufgrund gesetzlicher Bestimmungen
geschuldet sind, kann keine Verpflichtung des Herstellers begründen. Was objektiv nicht geschuldet ist, kann nicht zum
Inhalt einer Pflicht gemacht werden, deren Verletzung dann wiederum Sanktionen auslöst.
Zudem wussten die Eltern des Klägers um die Möglichkeit, die Windschutzanlage auch manuell zu betreiben.
Entsprechend konnten die Beklagten davon ausgehen, dass die Anlage aufgrund des ihr erkennbar innewohnenden
Risikos auf manuellen Betrieb umgestellt wird, wenn durch die Betreiber der Anlage nicht sichergestellt werden kann,
dass sich keine unberechtigten Personen in der Nähe des Systems aufhalten. Damit hätte das sich aus dem
automatischen Betrieb zwangsläufig ergebende Gefährdungspotential jederzeit erheblich reduziert werden können.
Diese Option gewährleistet nämlich eine den individuellen Bedürfnissen angepasste gefahrlose Nutzung des
Windschutzsystems.
Selbst wenn die Instruktion der Beklagten unzulänglich gewesen wäre, wovon der Senat, wie oben ausgeführt, nicht
ausgeht, wäre diese Verletzung der Instruktionspflicht jedenfalls nicht kausal geworden. Dies geht zu Lasten des Klägers,
der nach allgemeinen Grundsätzen die Beweislast für die anspruchsbegründenden Voraussetzungen trägt.
Ursächlich ist die Verletzung der Warnpflicht nur, wenn pflichtgemäßes Handeln den eingetretenen Schaden mit
Sicherheit verhindert hätte. Selbst wenn die Beklagte umfassend auf die Gefahren bei Betreten der Rolle hingewiesen
hätte, kann nach Ansicht des Senats nicht davon ausgegangen werden, dass der Kläger, ein zum Zeitpunkt des Unfalls
sechsjähriges Kind, in dessen Wesen es liegt, sich beim Spielen gerade nicht an Warnhinweise zu halten, die untere
Rolle nicht betreten hätte. Zu berücksichtigen ist hierbei, dass Kinder, besonders, wenn sie spielen, nicht sorgsam,
umsichtig und vernünftig handeln, sondern neugierig und unbedacht agieren. Es gibt keinen Grund, gemessen am
strengen Maßstab des § 286 ZPO, anzunehmen, dass sich gerade der Kläger in seinem kindlichen Verhalten durch
einen Hinweis auf völlig entfernt liegende Gefahren vom Betreten der unteren Rolle hätte abhalten lassen.
Zur Überzeugung des Senats kann im Sinne des § 286 ZPO auch nicht festgestellt werden, dass die Eltern des Klägers
bei einem Hinweis auf fehlende Sicherheitsschutzvorrichtungen entsprechende Sicherheitsvorrichtungen installiert
hätten. Entsprechende, nicht protokollierte Einlassungen der Eltern des Klägers in der mündlichen Verhandlung vor dem
Senat begründen diesbezüglich nicht die Voraussetzungen einer Parteivernehmung nach § 448 ZPO.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 10,
711 ZPO.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 24.000 € festgesetzt (10.000 € Berufung Kläger, jeweils 14.000 €
Berufungen der Beklagten).
Die Revision wird nicht zugelassen, weil ein Zulassungsgrund gemäß §§ 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegt.
Weiss Schwager-Wenz Stauder