Urteil des OLG Koblenz vom 27.07.2005

OLG Koblenz: gerichtliche zuständigkeit, beschlagnahme, beendigung, eigentum, strafverfahren, ermittlungsverfahren, herausgabeklage, nichtigkeit, anfechtung, täuschung

Bürgerliches Recht
Gerichtsverfassungsrecht
OLG
Koblenz
27.07.2005
8 W 427/05
Nach Wegfall der Beschlagnahme sind für die Entscheidung über Herausgabeansprüche Dritter die Zivilgerichte
zuständig.
Geschäftsnummer:
8 W 427/05
1 O 53/05
Landgericht Koblenz
In Sachen
..-Automobile GmbH,
Klägerin und Beschwerdeführerin,
Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte
gegen
Land Rheinland-Pfalz,
Beklagter und Beschwerdegegner,
Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte
Der 8. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Koblenz hat durch den Vizepräsidenten des Oberlandesgerichts Hölzer, den
Richter am Oberlandesgericht Marx und den Richter am Landgericht Eisert
am 27. Juli 2005
b e s c h l o s s e n :
Auf die sofortige Beschwerde der Klägerin wird der Beschluss der 1. Zivilkammer des Landgerichts Koblenz vom 1. Juni
2005 abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Die Kosten des Verfahrens trägt das beklagte Land.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt ebenfalls das beklagte Land.
Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird auf 2.500 EUR festgesetzt.
G r ü n d e :
Die zulässige sofortige Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg.
Bei streitiger Durchführung der Klage wäre das beklagte Land voraussichtlich unterlegen gewesen, so dass ihm die
Kosten des Verfahrens erster Instanz aufzuerlegen sind.
Entgegen der Auffassung des Landgerichts war die Klage zulässig.
Zwar ist der Rechtsweg zu den Zivilgerichten für die Vindikation problematisch, wenn der Besitzer sein Besitzrecht aus öf-
fentlichem Recht wie z.B. einer strafprozessualen Beschlagnahme herleitet. Insoweit wird für die Fälle vor Abschluss des
Strafverfahrens die Auffassung vertreten, dass vor den Zivilgerich-ten nur bei Nichtigkeit oder nach Aufhebung des
Verwaltungsaktes vindiziert werden kann (Medicus in Münchener Kommentar zum BGB, 4. Aufl., § 985 Rn.51). Demnach
scheitert die Zulässigkeit einer Zivilklage in solchen Fällen grundsätzlich an der fehlenden Zulässigkeit des Rechtsweges
zu den Zivilgerichten (so wohl auch im Ergebnis OLG Stuttgart, wistra 1984, 240 f.).
Anders ist die Rechtswegfrage bei einer Herausgabeklage nach vorausgegangener Beschlagnahme jedoch zu
entscheiden, wenn das Strafverfahren bereits beendet ist. Mit dem rechtskräftigen Abschluss des betreffenden
Strafverfahrens endet eine Beschlagnahme ohne weiteres. Eine förmliche Entscheidung über die Beendigung der
Beschlagnahme ist damit überflüssig (OLG Stuttgart NStZ-RR 2002, 111). Demzufolge endet mit dem rechtskräftigen
Abschluss des Strafverfahrens auch die Zuständigkeit des Strafrichters betreffend die Herausgabe von beschlagnahmten
Gegenständen. Seine Zuständigkeit kann insbesondere nicht aus Nr.75 Abs.3 RiStBV hergeleitet werden, da diese Ver-
waltungsvorschrift keine gerichtliche Zuständigkeit begründen kann (OLG Stuttgart a.a.O.). Vielmehr ist in diesen Fällen
mit der wohl überwiegenden Meinung (OLG Stuttgart a.a.O. m.w.N.) davon auszugehen, dass über die Herausgabe die
Zivilgerichte zu entscheiden haben.
Nichts anderes kann gelten, wenn es nicht zum rechtskräftigen Abschluss eines Strafverfahrens kommt, sondern im
Vorfeld bereits das Ermittlungsverfahren gemäß § 170 Abs.2 StPO eingestellt wird. Auch mit einer solchen Einstellung
werden beschlagnahmte Gegenstände für das Strafverfahren entbehrlich. Die Beschlagnahme endet ebenfalls ohne
weiteres. Eine förmliche Entscheidung über ihre Beendigung ist nicht mehr erforderlich.
Vorliegend wurde das Ermittlungsverfahren am 21. Juli 2004 und damit über ein halbes Jahr vor Klageerhebung gemäß
§ 170 Abs.2 StPO eingestellt (Bl. 23 GA). Der Zivilrechtsweg war mithin für die Herausgabeklage der Klägerin gegeben.
Die Klage wäre voraussichtlich auch begründet gewesen, da der Klägerin nach der Aktenlage ein Herausgabeanspruch
gemäß § 985 BGB gegen das beklagte Land zustand.
Nach dem bisherigen Sach- und Streitstand hat sowohl der Beteiligte V.... von der Beteiligten D.......... als auch die
Klägerin von dem Beteiligten V.... das Eigentum an dem Pkw gemäß § 929 S.1 BGB erworben. Anhaltspunkte, die dafür
sprechen könnten, dass eine von der Beteiligten D.......... gegenüber dem Beteiligten V.... erklärte Anfechtung wegen
arglistiger Täuschung auch zur Nichtigkeit des dinglichen Erfüllungsgeschäfts geführt haben, sind jedenfalls nicht
vorgetragen. Selbst wenn aber der Beteiligte V.... von der Beteiligten D.......... kein Eigentum an dem Pkw erworben hätte,
wäre die Klägerin gemäß § 932 Abs.1 S.1 BGB Eigentümerin geworden.
Sie hätte mithin nach Beendigung der Beschlagnahme von dem besitzenden Land den Pkw gemäß § 985 BGB
herausverlangen können.
Die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens beruht auf § 91 Abs.1 ZPO.
Der Wert des Beschwerdegegenstandes ist ausgehend von einem ursprünglichen Streitwert in Höhe von 14.000 EUR mit
dem Betrag der in erster Instanz entstandenen Kosten des Rechtsstreits bemessen worden.
Hölzer Marx Eisert