Urteil des OLG Koblenz vom 27.01.2010

OLG Koblenz: begründung des urteils, gaststätte, wirtschaftliche leistungsfähigkeit, nebenleistung, bestimmtheitsgebot, ordnungswidrigkeit, verbotsirrtum, lokal, betreiber, ausnahme

OLG
Koblenz
27.01.2010
2 SsBs 120/09
1. In Bußgeldsachen kann sich der Aufwand für die Begründung des Urteils auf das rechtsstaatlich unverzichtbare Maß
beschränken. Eine ausdrückliche Darstellung ist entbehrlich, wenn sich die Grundlagen des Urteilsspruchs mit einer für
die Nachprüfung der Rechtsanwendung ausreichenden Sicherheit aus dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe
entnehmen lassen.
2. Das durch Urteil des Verfassungsgerichtshofs Rheinland-Pfalz vom 30. September 2008 als Zwischenregelung
aufgestellte Verbot, Personen unter achtzehn Jahren das Betreten von Rauchergaststätten zu gestatten, ist in die
Neuregelung des § 7 NRSG durch das Gesetz zur Änderung des Nichtraucherschutzgesetzes Rheinland-Pfalz vom 26.
Mai 2009 (GVBl. Seite 205) nicht übernommen worden. Damit ist auch die Pflicht zur Kenntlichmachung des
Zutrittsverbots entfallen. Verstöße können nach dem Meistbegünstigungsprinzip nicht mehr geahndet werden.
3. Unter dem in Ein-Mann-Rauchergaststätten lediclich gestatteten Angebot einfach zubereiteter Speisen als
untergeordnete Nebenleistung sind kleinere Speisen zu verstehen, die für die Gastronomie in Schankwirtschaften typisch
sind. Vollständige Mahlzeiten gehen über diesen eingeschränkten Leistungsumfang hinaus.
4. Die Regelung des zulässigen Speisenangebots in Rauchergaststätten ist nicht am verfassungsrechtlich normierten
Bestimmtheitsgebot zu messen.
5. Eine Fehlvorstellung über die Grenzen des in Rauchergaststätten gestatteten Speisenangebots ist ein indirekter
Verbotsirrtum, der den Vorsatz des Gaststättenbetreibers nicht berührt.
Geschäftsnummer:
2 Ss Bs 120/09
2030 Js 35036/09 – 2 OWi StA Koblenz
In der Bußgeldsache
g e g e n
E… M…,
geboren am ... Oktober 1975 in Z…,
wohnhaft
- Verteidiger:Rechtsanwälte
w e g e n Verstoßes gegen das Nichtraucherschutzgesetz Rheinland-Pfalz
hier: Rechtsbeschwerde der Betroffenen
hat der 2. Strafsenat – Bußgeldsenat – des Oberlandesgerichts Koblenz durch den Vorsitzenden Richter am
Oberlandesgericht Völpel
am 27. Januar 2010 b e s c h l o s s e n :
Auf die Rechtsbeschwerde der Betroffenen wird das Urteil des Amtsgerichts Bad Neuenahr-Ahrweiler vom 4. August
2009 aufgehoben.
Gegen die Betroffene wird wegen Nichteinhaltens der Bestimmungen über rauchfreie Gaststätten eine Geldbuße von 200
Euro festgesetzt.
Ihre weitergehende Rechtsbeschwerde wird als unbegründet verworfen.
Sie trägt die Kosten ihres Rechtsmittels, jedoch wird die Gerichtsgebühr um ein Viertel ermäßigt. In diesem Umfang hat
die Staatskasse auch die notwendigen Auslagen der Betroffenen zu tragen.
- Angewendete Vorschriften: §§ 11 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3, 10 Abs. 1 Satz 1, 7 Abs. 1 Nichtraucherschutzgesetz
Rheinland Pfalz
Gründe:
I.
Das Amtsgericht verhängte gegen die Betroffene wegen vorsätzlichen Verstoßes gegen das bezeichnete
Nichtraucherschutzgesetz (NRSG) eine Geldbuße von 350 €.
1.
Nach den Feststellungen des Urteils betreibt die Betroffene in … die Gaststätte „…“. Dabei handelt es sich um eine
Schankwirtschaft, in der auch Speisen gereicht werden. Das Angebot ist in einer Speisenkarte enthalten, die – jedenfalls
in der Zeit vom 11. Februar bis 6. April 2009 – unter anderem als Spezialität des Hauses „Pfefferlendchen“ zum Preis von
11,90 € zur Auswahl stellte. Dieses Gericht besteht aus drei kleinen Schweinemedaillons in Pfeffersoße, Kroketten und
Prinzessbohnen.
Die Betroffene hat das Lokal, in dem sie das Rauchen erlaubt hat, zwar als „Rauchergaststätte“ gekennzeichnet, einen
Hinweis auf ein Betretungsverbot für Personen unter achtzehn Jahren jedoch erst nach dem 17. März 2009 angebracht.
Sowohl in dem zunächst fehlenden Hinweis als auch dem Angebot der „Pfefferlendchen“ im genannten Tatzeitraum sieht
der Bußgeldrichter einen vorsätzlichen, als Ordnungswidrigkeit zu ahndenden Verstoß gegen §§ 7 Abs. 1, 10 Abs. 1 Satz
1 NRSG.
2.
Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde der Betroffenen. Mit der Sachrüge greift sie das Urteil in vollem Umfang an
und beantragt Freispruch, soweit sie wegen des Speisenangebots verurteilt worden ist.
Sie ist der Auffassung, der gesetzliche Bußgeldtatbestand werde dem Bestimmtheitsgebot nicht gerecht, da für einen
Gaststättenbetreiber nicht hinreichend erkennbar sei, welche Speisen er in einer Rauchergaststätte anbieten dürfe. Das
Angebot von Schweinelendchen sei ihrer Auffassung nach mit dem Betreiben einer Rauchergaststätte vereinbar.
Die Generalstaatsanwaltschaft beantragt ebenfalls Aufhebung des amtsgerichtlichen Urteils. Sie erkennt in den
Urteilsgründen Darstellungsmängel, weil darin die Einlassung der Betroffenen nicht mitgeteilt werde und nicht ersichtlich
sei, worauf sich die Annahme vorsätzlichen Handelns stütze.
II.
Das in zulässiger Weise eingelegte Rechtsmittel hat Erfolg, soweit der Schuldspruch sich auf den unterbliebenen
Hinweis auf ein Betretungsverbot für Personen unter achtzehn Jahren bezieht (vgl. dazu nachfolgend Nr. 2.). Da dieser
Teil der Tat mit dem zu Recht angenommenen unerlaubten Betreiben einer Rauchergaststätte (vgl. dazu nachfolgend Nr.
3.) in Tateinheit steht, erfolgt insoweit kein Teilfreispruch, sondern lediglich eine Herabsetzung der Geldbuße (vgl. dazu
nachfolgend Nr. 4.). Im Übrigen ist der Schuldspruch rechtsfehlerfrei.
1.
Die an die Tatfeststellungen und Beweiswürdigung zu stellenden Darlegungsanforderungen sind hinreichend erfüllt.
In Bußgeldsachen kann sich der Aufwand für die Begründung des Urteils auf das rechtsstaatlich unverzichtbare Maß
beschränken. Übertriebene Anforderungen sind nicht zu stellen (vgl. nur Göhler, OWiG, § 71 Rdn. 42 m.w.N.). Eine
ausdrückliche Darstellung ist entbehrlich, wenn sich die Grundlagen des Urteilsspruchs mit einer für die Nachprüfung der
Rechtsanwendung ausreichenden Sicherheit aus dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe entnehmen lassen.
Das ist hier der Fall. Aus den Urteilsfeststellungen zum objektiven Tatgeschehen ergeben sich auch die Grundlagen
vorsätzlichen Handelns. Dass die Betroffene ihre Gaststätte im Tatzeitraum bewusst und gewollt als Raucherlokal
betrieben hat, steht schon aufgrund des äußeren Tatgeschehens außer Zweifel. Indem der Bußgeldrichter des Weiteren
zur Vorstellung der Betroffenen von der Vereinbarkeit des Speisenangebots mit dem Betreiben einer Rauchergaststätte
ausführt, dass sie sich darüber bei der Stadtverwaltung oder einer sonstigen Stelle hätte informieren können, gibt er
zugleich seine Bewertung einer Fehleinschätzung als vermeidbaren Verbotsirrtum zu erkennen, der den Vorsatz des
Täters nicht berührt (§ 11 Abs. 2 OWiG).
Die Urteilsausführungen lassen erkennen, dass gerade im Speisenangebot die Streitfrage der Verhandlung lag, woraus
sich auch ohne ausdrückliche Darlegung auf die Einlassung der Betroffenen schließen lässt. Es wird deutlich, dass sie
nicht das Betreiben ihrer Gaststätte als Raucherlokal in Abrede gestellt, sondern die Vereinbarkeit von Speisenangebot
und Raucherlaubnis geltend gemacht hat.
2.
Der Vorwurf, durch Unterlassen eines Hinweises auf ein Betretungsverbot für Personen unter achtzehn Jahren gegen
Bestimmungen des Nichtraucherschutzgesetzes verstoßen zu haben, muss aus Rechtsgründen entfallen.
Das Betretungsverbot und die Pflicht des Betreibers, es im Eingangsbereich der Gaststätte kenntlich zu machen, ergab
sich zur Zeit der Tat aus dem Urteil des Verfassungsgerichtshofs Rheinland-Pfalz vom 30. September 2008 (AS RP-SL
36, 323). Dieser hatte § 7 Abs. 1 Satz 1 des Nichtraucherschutzgesetzes Rheinland-Pfalz vom 5. Oktober 2007 für
unvereinbar mit Art. 58 in Verbindung mit Art. 52 Abs. 1 der Landesverfassung erklärt, die Anwendbarkeit der Vorschrift
jedoch aufrechterhalten und bis zu einer gesetzlichen Neufassung eine Zwischenregelung eingeführt. Darin trug er dem
Regelungsziel des Landesgesetzgebers, insbesondere Kinder und Jugendliche vor den Gefahren des Passivrauchens
zu schützen, dadurch Rechnung, dass er dem Gastwirt Ausnahmen vom Rauchverbot nur gestattete, wenn er Personen
mit nicht vollendetem achtzehnten Lebensjahr den Zutritt zu der Rauchergaststätte verwehrt.
Dieses Betretungsverbot ist jedoch in die Neuregelung des § 7 NRSG durch das Gesetz zur Änderung des
Nichtraucherschutzgesetzes Rheinland-Pfalz vom 26. Mai 2009 (GVBl. Seite 205) nicht übernommen worden. Damit ist
auch die Pflicht zur Kenntlichmachung entfallen. Diese nach Beendigung der Tat eingetretene, für die Betroffene
gegenüber dem Tatzeitrecht günstigere Regelung ist nach dem Meistbegünstigungsprinzip gem. § 4 Abs. 3 OWiG
rückwirkend anzuwenden, so dass der unterbliebene Hinweis auf ein Betretungsverbot für Personen unter achtzehn
Jahren nicht mehr geahndet werden kann.
3.
Der berechtigte Schuldvorwurf, durch Betreiben einer Rauchergaststätte im genannten Tatzeitraum gegen die
Bestimmungen des Nichtraucherschutzgesetzes verstoßen zu haben, ergibt sich aus den - in alter und neuer
Gesetzesfassung gleichlautenden - §§ 10 Abs. 1 Satz 1, 7 Abs. 1 NRSG.
a) Gaststätten sind grundsätzlich rauchfrei (§ 7 Abs. 1 S. 1 NRSG). Für die Umsetzung und Einhaltung dieser
Bestimmung hat der Gaststättenbetreiber zu sorgen (§ 10 Abs. 1 S. 1 NSRG). Dieser Verantwortung ist die Betroffene
nicht nachgekommen, da sie ihre Einrichtung als Rauchergaststätte geführt hat.
Ein Ausnahmetatbestand, der es ihr gestattet hätte, das Rauchen zu erlauben, stand ihr nicht zur Seite. Von den hier
nicht vorliegenden Fällen des § 7 Abs. 2 und 3 NRSG a.F., bzw. § 7 Abs. 3, 4 und 5 NRSG n.F. abgesehen, bestand eine
Raucherlaubnis für den Betreiber einer Gaststätte mit nur einem Gastraum mit einer Grundfläche von weniger als 75 m²,
wenn die Einrichtung entsprechend gekennzeichnet war und den Gästen lediglich einfach zubereitete Speisen als
untergeordnete Nebenleistung angeboten wurden. Diese Voraussetzungen, die sich zur Tatzeit aus der bereits
genannten Zwischenregelung im Urteil des Verfassungsgerichtshofs Rheinland-Pfalz vom 30. September 2008 ergaben,
sind in die gesetzliche Neufassung des § 7 NRSG ohne Einschränkungen übernommen worden (§ 7 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1
und 2 NRSG), so dass die jetzt gültige Gesetzesvorschrift die Betroffene gegenüber dem Tatzeitrecht nicht begünstigt.
Diese Ausnahmevoraussetzungen hat die Betroffene nicht erfüllt. Aus den Urteilsgründen ist zu schließen, dass die von
ihr betriebene Gaststätte zwar den räumlichen Vorgaben entsprach, jedoch gingen die von ihr zum Verzehr
ausgegebenen „Pfefferlendchen“ über den für ein Speisenangebot in Rauchergaststätten gestatteten Leistungsumfang
hinaus. Dieser lehnt sich an die Regelung des für Straußwirtschaften geltenden § 12 Abs. 1 der Gaststättenverordnung
und die dazu entstandene Verwaltungspraxis an. Danach ist es, übertragen auf den Betrieb von Ein-Raum-
Schankwirtschaften, in Rauchergaststätten nur gestattet, als untergeordnete Nebenleistung kleinere Speisen anzubieten,
die für diesen Bereich der Gastronomie typisch sind (VGH Rhld.-Pf. a.a.O. Seite 344). Mit dieser Einschränkung erfolgt
eine Abgrenzung zu Speiselokalen, um zum einen dem Grundanliegen des Gesetzes Rechnung zu tragen, gerade
Nichtrauchern den ungehinderten Besuch von Speisegaststätten zu ermöglichen, zum anderen diese (rauchfreie)
Gastronomie vor Wettbewerbsnachteilen gegenüber den als Rauchergaststätten betriebenen Schankwirtschaften zu
schützen (vgl. VGH Rhld.-Pf. a.a.O.)
Die „Pfefferlendchen“ sind nicht mehr unter diesen eingeschränkten Leistungsumfang zu fassen. Sie stellen eine
vollständige Mahlzeit dar, bestehend aus einer Fleischportion mit Soße und zweierlei Beilagen in Form einer bestimmten
Kartoffelzubereitung und Gemüse. Ein solches Gericht wird gewöhnlich als mittägliche oder abendliche Hauptmahlzeit
eingenommen. Es dient der Sättigung des Konsumenten und nicht der Förderung eines Getränkegenusses. Werden
Getränke im Zusammenhang mit dem Verzehr eingenommen, dienen sie der Essensbegleitung und werden passend
zum Geschmack der Speisen ausgewählt. Nicht das Essen, sondern das Getränk ist in diesem Fall die Nebenleistung, so
dass die Leistungen in einem für Speisegaststätten, nicht für Schankwirtschaften typischen Verhältnis zueinander stehen.
In diesem Fall verbleibt es daher bei dem Grundsatz nach § 7 Abs. 1 Satz 1 NRSG: Die Betroffene hätte mit ihrem
Speisenangebot das Lokal als rauchfreie Gaststätte betreiben müssen. Eine Raucherlaubnis war nicht statthaft. Das
Nichteinhalten der Bestimmung stellt - sowohl nach der zur Tatzeit gültig gewesenen Gesetzeslage als auch nach der
Neufassung des Nichtraucherschutzgesetzes - eine Ordnungswidrigkeit gem. § 11 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 NRSG dar.
b) Das einfachrechtlich in § 3 OWiG und verfassungsrechtlich in Art. 103 Abs. 2 GG normierte Bestimmtheitsgebot, das
den Gesetzgeber auch in Bußgeldsachen zu einer genauen Umschreibung der Voraussetzungen einer
ordnungswidrigkeitsrechtlichen Ahndung verpflichtet (vgl. dazu nur Göhler, OWiG, § 3 Rdn. 1 m.w.N.), ist durch die hier
einschlägige Bußgeldbestimmung des Nichtraucherschutzgesetzes gewahrt.
Der Betreiber einer Gaststätte als Normadressat kann dem Gesetzeswortlaut klar und eindeutig entnehmen, dass seine
Einrichtung grundsätzlich rauchfrei zu sein hat, er für die Umsetzung und Einhaltung des Rauchverbots verantwortlich ist
und ein vorsätzliches oder fahrlässiges Zuwiderhandeln eine Geldbuße in bestimmter Höhe nach sich ziehen kann.
Tragweite und Anwendungsbereich des Ordnungswidrigkeitentatbestands stehen damit außer Zweifel.
Die von der Beschwerdeführerin als zu ungenau beanstandete Regelung des in Rauchergaststätten zulässigen
Speisenangebots unterliegt diesen Bestimmtheitsanforderungen nicht. Denn sie ist Bestandteil eines Tatbestands, der
eine Ausnahme vom Rauchverbot gestattet und sich damit zugunsten des Gaststättenbetreibers auswirkt. Bei Erfüllung
seiner Voraussetzungen ist die Ahndung einer Raucherlaubnis als Ordnungswidrigkeit ausgeschlossen. Ein solcher
Ausschließungsgrund ist, ungeachtet seiner genauen dogmatischen Einordnung, nicht am Bestimmtheitsgebot zu
messen (BVerfGE 73, 206,238/239). Gründe dieser Art hängen nicht selten von den Umständen des Einzelfalls ab und
entziehen sich daher einer im Voraus bestimmbaren normativen Umschreibung. Es reicht aus, wenn sich der
Gesetzgeber, wie vorliegend, mit sprachlich verständlichen, wertungsabhängigen Begriffen begnügt und deren
Anwendung im Einzelfall dem Richter überlässt (BVerfG a.a.O.; Dannecker in Leipziger Kommentar, StGB, § 1 Rdn. 222).
c) Die Fehlvorstellung der Betroffenen über die Vereinbarkeit ihres Speisenangebots mit einer Raucherlaubnis steht der
Annahme vorsätzlichen Handelns nicht entgegen. Sie befand sich weder in einem Irrtum über die Merkmale des
Ordnungswidrigkeitentatbestands selbst, noch über die tatsächlichen Voraussetzungen der Ausnahmeregelung. Auch
ohne ausdrückliche Feststellung dazu kann aufgrund des im Urteil festgestellten Sachverhalts nicht zweifelhaft sein, dass
sie ihr Speisenangebot nach Art und Umfang kannte. Die Annahme, es sei unter die Erlaubnisnorm zu fassen, führt
lediglich zu einer unrichtigen Vorstellung über deren Reichweite und damit zu einem (indirekten) Verbotsirrtum (Vogel in
Leipziger Kommentar § 17 Rdn. 32; Göhler a.a.O. § 11 Rdn. 16), der Vorsatz nicht ausschließt (§ 11 Abs. 2 OWiG).
Die fehlende Einsicht, etwas Unerlaubtes zu tun, ist für die Betroffene vermeidbar gewesen und lässt daher die
Vorwerfbarkeit des ordnungswidrigen Handelns nicht entfallen. Zwar haben zur Tatzeit noch keine
Gerichtsentscheidungen zur Frage eines zulässigen Speisenangebots in Rauchergaststätten vorgelegen, an denen sich
die Betroffene hätte orientieren können. Bei zweifelhafter Rechtslage ist aber zu erwarten gewesen, dass sie sich im
Rahmen ihrer wirtschaftlichen Betätigung zumindest bei der zuständigen Fachbehörde Auskunft über die Rechtmäßigkeit
ihres Verhaltens einholt (vgl. Göhler a.a.O. § 11 Rdn. 27a m.w.N.). Abgesehen davon hätte die Betroffene unter
Beachtung der ihr als Gaststättenbetreiberin zumutbaren Sorgfalt auch selbst erkennen können, dass die angebotenen
„Pfefferlendchen“ keine untergeordnete Nebenleistung zum Getränkeausschank mehr darstellten.
4.
Die gegen die Betroffene zu verhängende Geldbuße kann der Senat auf Grundlage der Urteilsfeststellungen in eigener
Sachentscheidungskompetenz (§ 79 Abs. 6 OWiG) festsetzen.
Die von der Änderung des Nichtraucherschutzgesetzes nicht betroffene Bestimmung des § 11 Abs. 2 Alt. 2 NRSG droht
für die von der Betroffenen begangene Ordnungswidrigkeit nach § 11 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 NRSG eine Geldbuße von fünf
bis zu eintausend Euro an.
Innerhalb dieses Rahmens ist der Betroffenen zu Gute zu halten, dass sie sich über die Reichweite der vom
Verfassungsgerichtshof mit Urteil vom 30. September 2008 eingeführten Ausnahme vom Nichtraucherschutz in
Gaststätten irrte und im Tatzeitraum (11. Februar bis 6. April 2009) zur Umsetzung der Regelung eines zulässigen
Speisenangebots in Ein-Raum-Rauchergaststätten noch keine Rechtsprechung oder gefestigte Verwaltungspraxis
existierte, an der sie sich hätte orientieren können. Mangels gegenteiliger Feststellungen ist zu ihren Gunsten weiter
davon auszugehen, dass sie durch ihr Speisenangebot weder Nichtraucher zum Besuch ihrer Gaststätte veranlasst, noch
der Speisegastronomie (Raucher-) Kunden abgeworben hat. Bußgelderhöhend muss sich aber die Dauer der
Zuwiderhandlung von ca. zwei Monaten auswirken.
Unter Abwägung dieser Gesichtspunkte hält der Senat eine Geldbuße von 200 Euro für angemessen. Anhaltspunkte
dafür, dass dieser Betrag die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Betroffenen, die aus dem Betrieb der Gaststätte
regelmäßige Einkünfte erzielt, übersteigen könnte (§ 17 Abs. 3 S. 2 OWiG), ergeben sich aus den Urteilsfeststellungen
nicht (zur Berücksichtigung der wirtschaftlichen Verhältnisse bei Festsetzung geringer Geldbußen vgl. Göhler a.a.O. § 17
Rdn. 24; OLG Koblenz, Beschlüsse 1 Ss 283/02 vom 20.1.2003 und 2 Ss 10/00 vom 26.1.2000).
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 46 Abs. 1 OWiG, 473 Abs. 1 S. 1, Abs. 4 StPO.
Völpel