Urteil des OLG Karlsruhe vom 09.12.2014

breite, grunddienstbarkeit, wegerecht, herrschendes grundstück

OLG Karlsruhe Urteil vom 9.12.2014, 9a U 8/14
Beeinträchtigung eines Wegerechts durch Errichtung eines Tores:
Geringfügigkeit der Beeinträchtigung; Zulässigkeit einer blickundurchlässigen
Ausführung des Tores
Leitsätze
1. Bei einem Wegerecht ist die Beeinträchtigung der Durchfahrt durch ein Tor nur dann
geringfügig, wenn es für jedermann möglich ist, das Tor zu öffnen. Sollte dies nicht der
Fall sein, müsste das Tor zumindest einen Briefkasten, eine beleuchtete Klingel und
Gegensprechanlage sowie einen elektrischer Türöffner neben einer entsprechenden
Beleuchtung der Schlösser für eine Öffnung bei Nacht aufweisen. Für Notlagen wäre
die Möglichkeit einer Notöffnung vorzuhalten.
2. Eine blickdurchlässige Ausführung eines Tores ab 1 m Höhe ist nicht notwendig.
Bei verkehrsüblicher Sorgfalt lässt sich auch ein entsprechendes
blickundurchlässiges Tor im Freien ohne Gefahren öffnen.
3. Zur Verjährung eines Anspruchs auf Beseitigung eines Überbaus in ein Wegerecht
Tenor
1. Auf die Berufung der Parteien wird das Urteil des Landgerichts vom 10.09.2013 - 3
O 49/11 D - unter Zurückweisung ihrer Berufung im Übrigen abgeändert und wie folgt
neu gefasst:
a. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, das auf dem Teil
ihres Grundstücks, eingetragen im Grundbuch von Nr. , Flst. Nr. , welcher
dem Geh- und Fahrrecht der jeweiligen Eigentümer der Grundstücke,
eingetragen im Grundbuch von Nr. , Flst. Nr. , Nr. und Nr. , dient, im Bereich
zur Grenze des Grundstücks Flst. Nr. errichtete Tor (hinteres Tor) zu
beseitigen, soweit es auf die Grundstücke Nr. und hinüber ragt und eine
Höhe von 1,50 m übersteigt.
b. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, den an das oben
genannte Tor direkt angrenzenden Holzzaun zu beseitigen, soweit er auf die
Grundstücke Nr. und hinüber ragt und eine Höhe von 1,50 m übersteigt.
c. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, durch geeignete
Maßnahmen dafür Sorge zu tragen, dass durch das in nordwestlicher
Richtung zu den Grundstücken Flst. Nr. und Flst. Nr. errichtete Tor (vorderes
Tor) das Geh- und Fahrrecht gemäß Ziffer 1 a. nicht erheblich beeinträchtigt
wird.
d. Die Beklagten werden verurteilt, als Gesamtschuldner einen Lichtschacht,
Teile einer Außentreppe sowie Steine einer Drainage im Wegeverlauf an und
entlang ihrem Wohnhaus, Grundstück Flst. Nr. , eingetragen im Grundbuch
von Nr. , so zu gestalten, dass den jeweiligen Eigentümern der Grundstücke,
eingetragen im Grundbuch von Nr. , Flst. Nr. , Nr. und Nr. , zum Befahren mit
beliebigen Fahrzeugen eine durchgehende Wegesbreite von 2 m zur
Verfügung steht.
e. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
f. Es wird festgestellt, dass die Kläger als Gesamtschuldner verpflichtet sind,
den Beklagten 1 der zukünftig erforderlichen Unterhaltungs- und
Instandsetzungskosten der Wegerechtsfläche (Grunddienstbarkeit,
eingetragen in Abteilung II, lfd. Nr. 1 im Grundbuch , Gemarkung , Blatt ,
Grundstück Flst. Nr. ) zu ersetzen.
g. Im Übrigen wird die Widerklage abgewiesen.
2. Die Kosten beider Instanzen tragen die Parteien als Gesamtschuldner jeweils zur
Hälfte.
3. Das Urteil ist hinsichtlich des Kostenausspruchs ohne Sicherheitsleistung vorläufig
vollstreckbar. Im Übrigen ist das angefochtene Urteil für die Kläger gegen eine
Sicherheitsleistung von 20.000,00 EUR, für die Beklagte von 1.500,00 EUR vorläufig
vollstreckbar.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
1 Die Parteien streiten um den Bestand und Umfang eines Wegerechts und um
nachbarrechtliche Ansprüche.
2 Die Kläger sind Eigentümer eines Hinterliegergrundstückes, zu dessen Gunsten
auf dem Vorderliegergrundstück der Beklagten eine Grunddienstbarkeit lastet.
Inhalt der Grunddienstbarkeit ist das Recht, das Grundstück der Beklagten auf eine
Breite von 2 m an der westlichen Grundstücksgrenze zu begehen oder mit
beliebigen Fahrzeugen zu befahren. Die Kläger begehren ein breiteres
Notwegerecht, um den Weg mit üblichen Pkws gefahrlos nutzen zu können. Sie
wenden sich außerdem gegen zwei Tore, die die Beklagten angebracht haben,
und gegen Gebäudeteile, die unstreitig in den Weg hineinragen. Die Beklagten
sind der Auffassung, dass die Kläger etwaige Beeinträchtigungen durch die Tore
hinzunehmen hätten. Sie machen widerklagend u.a. geltend, das Wegerecht sei
wegen Eintritts der Verjährung teilweise erloschen. Außerdem seien die Kläger
verpflichtet, sich an den Unterhaltskosten des Weges zu beteiligen.
3 Hinsichtlich der tatsächlichen Feststellungen wird auf das Urteil des Landgerichts
vom 10.09.2013 Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).
4 Das Landgericht hat Klage und Widerklage nur teilweise stattgegeben. Es hat die
Beklagten u.a. verpflichtet, das hintere Tor und den daran angrenzenden Holzzaun
auf ihr Grundstück zu versetzen und nach nachbarrechtlichen Vorgaben zu
gestalten. Das vordere Tor sei u.a. mit Klingel, Gegensprechanlage und
elektrischem Türöffner auszurüsten. Außerdem seien Beeinträchtigungen des
Wegerechts zu beseitigen. Die Kläger wurden auf die Widerklage hin insbesondere
dazu verpflichtet, 1 der Unterhaltungskosten für den Weg zu tragen.
5 Dagegen wenden sich beide Parteien mit ihren Berufungen, mit denen sie ihre
Anträge erster Instanz im Wesentlichen weiterverfolgen.
6 Die Kläger sind der Auffassung, dass eine Tenorierung, wonach ein Überbau zu
beseitigen sei, soweit er bestimmte Vorgaben überschreite, unzulässig sei. Am
hinteren Tor hätten die Beklagten kein berechtigtes Interesse. Ein Zutritt unbefugter
Personen von dieser Seite sei fernliegend. Einer Einfriedung wegen etwaiger
Gefahren für die jetzt wohl fünf und neun Jahre alten Kinder bedürfe es nicht.
Bereits das vordere Tor sei eine erhebliche Erschwerung der Ausübung des
Wegerechts. Die Erschwernisse durch das zweite Tor seien ebenfalls erheblich
und schikanös. Es gebe kein einziges schützenswertes Belang der Beklagten an
der Einfriedung ihres Grundstückes mit einem zweiten Tor. Hilfsweise sei es aber
jedenfalls mit einer weiteren Ausstattung zu versehen. Es müssten zumindest die
Schlüssel für das erste und zweite Tor gleich sein.
7 Soweit - gerade auch hinsichtlich des ersten Tores - auf die Entscheidung des
OLG Karlsruhe vom 23.02.2006 (9 U 132/05) zurückgegriffen werde, um eine
Zulässigkeit der Berufung zu begründen, gehe das fehl, weil der Entscheidung ein
ganz anderer Sachverhalt zu Grunde läge. Es gebe keinen allgemein gehaltenen
Grundsatz, dass es dem Eigentümer des dienenden Grundstücks im allgemeinen
freistünde, sein Grundstück einzuzäunen und mit einem verschließbaren Tor zu
versehen, solange er den Berechtigten die Möglichkeit einräume, das Tor jederzeit
zur Ausübung des Wegerechts zu öffnen. Im Einzelfall sei festzustellen und zu
bewerten, ob eine Einrichtung eine Erschwerung in der Ausübung des Rechts mit
sich bringe, wie gewichtig diese Erschwerung sich darstelle und ob sie im Rahmen
der Interessenabwägung dem Berechtigten zuzumuten sei. Hier läge eine
erhebliche Erschwerung bei der Ausübung des Rechtes vor.
8 Im Übrigen werde ein Notwegerecht begehrt, das über das bisherige Wegerecht 50
cm hinausgehe, um jedenfalls anlassbezogene Überquerungen von
Einsatzfahrzeugen zu ermöglichen.
9 Auch die Dachrinne, die in einer Höhe von 2,66 m in das Wegerecht hineinrage,
müsse entfernt werden, weil es Fahrzeuge gebe, die diese Höhe aufwiesen. Der
Inhalt des Wegerechts unterliege bereits dem Wortlaut nach keinerlei
Einschränkungen. Die Kläger könnten und dürften den Weg auch mit dem
vorbeschriebenen Fahrzeug befahren. Bezogen auf die Dachrinne sei ein
Beseitigungsanspruch auch nicht verjährt. Spätestens im Klägerschriftsatz vom
28.11.2011 sei der Dachvorsprung Gegenstand des Vortrages gewesen und damit
ebenfalls die Dachrinne. Eine absolute Verjährung Ende des Jahres 2011 käme
nicht in Betracht.
10 Bei den Unterhaltungs- und Instandsetzungskosten hätte das Urteil
Tatsachenfeststellungen zum Ausmaß der jeweiligen Nutzungen durch die Kläger,
die mitberechtigten Eheleute T. und die Beklagten selbst treffen müssen. Wie oft
benutzt jeder einzelne der Kläger den Weg? Die Kläger wohnen - im Gegensatz zu
den Beklagten und den Eheleuten T. - nicht auf dem Grundstück. Ein Kostenanteil
zu ihren Lasten mit 1 sei überhöht.
11 Die Kläger
beantragen
,
12 das Urteil des Landgerichts (3 O 49/11) vom 10.09.2013 abzuändern und wie folgt
neu zu fassen:
13 1. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, auf dem Teil ihres
Grundstückes, vorgetragen im Grundbuch von Nr. , Flurstück-Nr. , welcher dem
Geh- u. Fahrrecht der jeweiligen Eigentümer der Grundstücke, vorgetragen im
Grundbuch von Nr. , Flurstück Nr. , Nr. und Nr. dient,
14 a) das im Bereich zur Grenze des Grundstücks Flurstück-Nr. errichtete Tor (sog.
2. Tor) und
b) den direkt angrenzenden Holzzaun mit einer Breite von 0,93 m und einer Höhe
von 1,72 m zu beseitigen.
15 2. Hilfsantrag (zu Klageantrag Ziff. 1 a):
16 Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, das in Ziff. 1 bezeichnete
Tor auf ihre Kosten abzuändern und auszustatten:
17 - maximale Torhöhe von 1,50 Meter mit Blickdurchsicht ab 1,0 Meter Höhe,
- Ausstattung Klinkel/Klinke und mit dem gleichen Schloss und Schlüssel wie das
in Klageantrag Ziff. 3 bezeichnete Tor (sog. 1. Tor) sowie einem elektrischen
Türöffner.
18 3. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, das auf dem
Wegebereich gem. Klageantrag Ziff. 1 in nordwestlicher Richtung zu Grundstück
Flurstück-Nr. und Grundstück Flurstück-Nr. errichtete Tor samt Pfosten zu
entfernen.
19 4. Hilfsantrag (zu Klageantrag Ziff. 3):
20 Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, das in Ziff. 3 näher
bezeichnete Tor auf ihre Kosten abzuändern und auszustatten:
21 - Austausch der beiden obersten Lamellen gegen blickdurchsichtiges Material,
- Installation einer Gegensprechanlage mit elektrischem Türöffner und Klingel,
- Installation eines Briefkastens
- Installation einer bei Dunkelheit die Bedienung der beiden innen- u. außenseitig
angebrachten Schlüsselschlösser ermöglichenden Beleuchtung.
22 5. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, den jeweiligen
Eigentümern der Grundstücke, vorgetragen im Grundbuch von Nr. , Flurstück-Nr. ,
Nr. und Nr. über das Grundstück der Beklagten, vorgetragen im Grundbuch von
Nr. , Flurstück-Nr. entlang der nordöstlichen Grenze zu Flurstück-Nr. die Überfahrt
mit Transport-, Versorgungs- und Notfalleinsatzkraftfahrzeugen in einer Breite von
2,50 Meter zu gewähren, Zug-um-Zug gegen Zahlung einer jährlichen
Notwegerente der Kläger an die Beklagten.
23 6. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an und entlang ihrem
Wohnhaus, Grundstück Flurstück Nr., vorgetragen im Grundbuch von Nr. , die
Dachrinne, den Lichtschacht, die Außentreppe sowie die Steine so zu gestalten,
dass den jeweiligen Eigentümern der Grundstücke, vorgetragen im Grundbuch
von Nr. , Flurstück Nr. , Nr. u. Nr. eine jederzeitige Überwegung mit beliebigen
Fahrzeugen in einer Mindestbreite von 2, Meter, hilfsweise in einer Breite von
mindestens 2,0 Meter möglich ist.
24 7. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Kläger
vorgerichtliche Anwaltskosten von EUR 1.487,38 nebst Zinsen in Höhe von 5 %-
Punkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.
25 8. Die Widerklage wird abgewiesen.
26 Die Beklagten
beantragen
,
27 die Berufung zurückzuweisen.
28 Sie verteidigen das Urteil, soweit es zu ihren Gunsten ergangen ist. Dagegen
greifen sie die Verpflichtung, am hinteren Tor einen elektrischen Türöffner
anzubringen, an, da das hintere Tor bereits auf beiden Seiten eine Türklinke
aufweise und nicht abgeschlossen werde, so dass die Kläger oder Dritte jederzeit
die Möglichkeit hätten, das Wegerecht auszuüben. Ein Anspruch auf einen
elektrischen Türöffner bestehe deshalb nicht.
29 Es bestehe - entgegen den Ausführungen des Landgerichts - dagegen ein
Anspruch auf die Berichtigung des Grundbuches und teilweise Löschung der
Grunddienstbarkeit, weil diese im geltend gemachten Umfang durch Verjährung
erloschen sei. Die Rechtsvorgängerin der Kläger habe Kenntnis von der
Beeinträchtigung des Wegerechts gehabt oder zumindest grob fahrlässig nicht
gehabt, so dass ein entsprechender Beseitigungsanspruch bereits zum
01.01.2006 verjährt gewesen sei. Im Übrigen sei auch die absolute Verjährung
nach § 199 Abs. 4 BGB abgelaufen, da der Beseitigungsanspruch wegen der
Außentreppe, des Lichtschachtes und der Steindränage erst mit Schriftsatz vom
01.03.2012 geltend gemacht worden sei, die absolute Verjährungsfrist allerdings
schon am 01.01.2012 abgelaufen sei.
30 Soweit das Gericht nicht die Auffassung der Beklagten teile, dass Verjährung
eingetreten sei, sei jedenfalls der Tenor zur Beseitigung der Beeinträchtigungen
neu zu fassen, da diese nicht zwangsläufig durch Beseitigung der
beeinträchtigenden Gegenstände erfolgen müsse, sondern den Beklagten
überlassen bleibe, wie sie die Beeinträchtigungen beseitigen wollten. Schließlich
sei das Grundstück Flurstück von den Klägern an die Eheleute T. verkauft worden
und nicht herrschendes Grundstück der Grunddienstbarkeit, so dass der Tenor
auch insoweit fehlerhaft sei.
31 Die Beklagten
beantragen
,
32 1. unter teilweiser Abänderung des am 10.09.2013 verkündeten Urteils des
Landgerichts , Az. 3 O 491, die Klage abzuweisen hinsichtlich der Verpflichtung
der Beklagten als Gesamtschuldner, das auf dem Teil ihres Grundstücks,
eingetragen im Grundbuch von Nr. , Flst. Nr. 154612 im Bereich zur Grenze des
Grundstücks Flst. Nr. errichtete (hintere Tor) mit einem elektrischen Türöffner zu
versehen.
33 2. unter teilweiser Abänderung des am 10.09.2013 verkündeten Urteils des
Landgerichts , Az. 3 O 491, die Klage abzuweisen hinsichtlich der Verpflichtung
der Beklagten als Gesamtschuldner, die an und entlang ihrem Wohnhaus,
Grundstück Flst. Nr. , eingetragen im Grundbuch von Nr. im Wegeverlauf
angebrachten Lichtschacht, Außentreppe sowie Steine einer Drainage so zu
beseitigen, dass für die jeweiligen Eigentümer der Grundstücke, eingetragen im
Grundbuch von Nr. , Flst Nr. , Nr. und Nr. eine durchgehende Wegebreite von 2 m
hergestellt wird.
34 hilfsweise unter teilweiser Abänderung des am 10.09.2013 verkündeten Urteils
des Landgerichts , Az. 3 O 491, die Beklagten zu verurteilen, als
Gesamtschuldner die an und entlang ihrem Wohnhaus, Grundstück Flst. Nr. ,
eingetragen im Grundbuch von -… Nr. im Wegeverlauf angebrachten
Lichtschacht, Außentreppe sowie Steine der Drainage so zu gestalten, dass den
Klägern als Eigentümer der Flurstücke Nr. und eine jederzeitiges Überfahren mit
Fahrzeugen in einer Breite von 2 m möglich ist.
35 3. unter teilweiser Abänderung des am 10.09.2013 verkündeten Urteils des
Landgerichts , Az. 3 O 49/11, die Kläger und Widerbeklagten zu verurteilen, der
teilweisen Löschung der Grunddienstbarkeit, eingetragen in Abteilung II, lfd. Nr. 1
im Grundbuch , Gemarkung , Blatt , Grundstück Flurstück , zu Gunsten des
Eigentümers des in Blatt 148, lfd. Nr. 3 eingetragenen Grundstücks Flurstück
(nach Teilung im Jahr 2011 neue Flurstückbezeichnungen , und ), bestehend aus
einem Geh- und Fahrrecht entlang der nordöstlichen Grenze des Flurstücks zu
dem Flurstück , in einer Breite von 2 m gemäß Bewilligung vom 04.09.1962 im
Hinblick auf die teilweise verringerte Breite zuzustimmen und gegenüber dem
Grundbuchamt zu bewilligen und zu beantragen, dass die Grunddienstbarkeit wie
folgt im Grundbuch berichtigt und eingetragen wird: „Geh- und Fahrrecht zu
Gunsten des jeweiligen Eigentümers des Grundstücks Flurstück (neu: , und ),
jeweils beginnend an dem nordwestlichen Grenzpunkt (zwischen den Flurstück , ,
und ) entlang der nordöstlichen Grenze des Flurstücks , zu dem Flurstück bis zum
nordöstlichen Grenzpunkt (zwischen den Flurstücken und ): bis zu einer
Entfernung von 6 m von dem nordwestlichen Grenzpunkt beträgt die Breite 2 m,
ab einer Entfernung von 6 m vom nordwestlichen Grenzpunkt beträgt die Breite
1,90 m und reduziert sich bis auf 1,80 m in der Entfernung von 8,85 m von dem
nordwestlichen Grenzpunkt, ab einer Entfernung von 8,85 m von dem
nordwestlichen Grenzpunkt verringert sich die Breite auf 1,77 m und verbreitert
sich wieder auf 1,83 m in einer Entfernung von 10,60 m von dem nordwestlichen
Grenzpunkt, ab einer Entfernung von 10,60 m vom nordwestlichen Grenzpunkt
vergrößert sich die Breite von 1,83 m bis auf 1,91 m in einer Entfernung von 15,80
m vom nordwestlichen Grenzpunkt, ab einer Entfernung von 15,80 m vom
nordwestlichen Grenzpunkt beträgt die Breite 1,92 m und vergrößert sich bis auf
1,96 m in einer Entfernung von 16,60 m vom nordwestlichen Grenzpunkt, ab der
Entfernung von 16,60 m vom nordwestlichen Grenzpunkt bis zum nordöstlichen
Grenzstein (zwischen den Flurstücken und ) beträgt die Breite wieder 2 m.
36 Die Kläger
beantragen
,
37 die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
38 Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes im zweiten Rechtszug wird auf die
gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
II.
39 Die Berufungen sind zulässig, insbesondere an sich statthaft sowie form- und
fristgerecht eingelegt und begründet worden.
40 Die Rechtsmittel sind nur zu einem geringen Teil erfolgreich. Auf die Berufung der
Kläger war der Tenor hinsichtlich der Beseitigung des vorderen Tores neu zu
fassen. Außerdem besteht keine Verpflichtung zum Verschließen und Verankern
des vorderen Tores. Auf die Berufung der Beklagten war der Ausspruch zur
Ausstattung des hinteren Tores aufzuheben und der Tenor hinsichtlich der
Beseitigung von Beeinträchtigungen des Wegerechts abzuändern. Im Übrigen hat
das Landgericht richtig entschieden.
41 1. Zur Berufung der Kläger
42 a. Der Berufungsangriff der Kläger gegen den Wortlaut von Ziff. 1 des Tenors des
landgerichtlichen Urteils, wonach eine Beseitigung von Tor und Holzzaun der
Beklagten zu erfolgen habe, „soweit“ sie in das Grundstück der Kläger rage bzw.
eine Höhe von 1,50 m übersteige, hat keinen Erfolg. Eine solche Formulierung
stellt den genauen Umfang der Rechtspflicht aus §§ 1004 Abs. 1 S. 1 BGB und §
11 Abs. 2 NRG BW zutreffend dar und ist vollstreckbar (vgl. auch OLG Karlsruhe
MDR 2014, 893, das einen entsprechenden Tenor des LG Heidelberg nicht
beanstandet hat).
43 b. Den Klägern steht kein Anspruch auf Beseitigung der Tore aus §§ 1004, 1027
BGB zu. Das hintere Tor ist in seiner konkreten Gestaltung nach Abwägung der
beiderseitigen Interessen von den Klägern hinzunehmen. Hinsichtlich des
vorderen Tores besteht ein Anspruch der Kläger auf Beseitigung der derzeitigen
Beeinträchtigung des Geh- und Fahrrechts durch die Beklagten. Es bleibt jedoch
den Beklagten überlassen, ob sie diese Beeinträchtigung durch eine die
Grunddienstbarkeit der Kläger gewährleistende Ausrüstung des Tores oder durch
dessen Abbau beseitigen wollen.
44 Bei der Ausübung einer Grunddienstbarkeit hat der Berechtigte das Interesse des
Eigentümers des belasteten Grundstücks tunlichst zu schonen, § 1020 BGB.
Entscheidend für die Frage, zu welchen Sicherungsmaßnahmen die Beklagten
bezogen auf das belastete Grundstück berechtigt sind, ist eine umfassende
Abwägung der widerstreitenden Interessen - der Interessen der
Dienstbarkeitsberechtigten an einem möglichst unbeschränkten Zugang zu ihrem
Grundstück einerseits und der berechtigten Sicherungsinteressen des
Eigentümers des mit der Grunddienstbarkeit belasteten Grundstücks andererseits
(OLG Karlsruhe, Urteil vom 25. Juli 2014 - 12 U 1553 -, juris).
45 (1) Auch wenn unbefugte Personen durch das hintere Tor auf das Grundstück der
Beklagten praktisch nur als Gäste der Kläger oder der Familie T. gelangen
können, überwiegt das legitime Interesse der Beklagten an einer Einfriedung zur
Abgrenzung auch von fremdem Besuch und an einer leichteren Beaufsichtigung
ihrer Kinder im Grundschul- und Kindergartenalter das Interesse der Kläger an
einer freien Durchfahrt, weil deren Interesse durch das hintere Tor nur geringfügig
beeinträchtigt wird. Das hintere Tor ist - unstreitig - nicht abgeschlossen und auf
beiden Seiten mit einer Klinke versehen, so dass jederzeit Durchgang und
Durchfahrt möglich sind, aber eine Abschlussfunktion für das Grundstück der
Beklagten gewahrt ist. Soweit kein Überbau vorliegt und die nachbarrechtlichen
Beschränkungen eingehalten werden - insoweit ist der Ausspruch erster Instanz
von den Parteien in der Berufung auch nicht angegriffen worden -, ist gegen diese
Ausführung des Tores nichts einzuwenden.
46 (2) Das vordere Tor dagegen, das das Eindringen unbefugter Personen von der
öffentlichen Straße auf das Grundstück der Beklagten gewährleisten soll, ist durch
die legitimen Sicherheitsinteressen der Beklagten lediglich dann gerechtfertigt,
wenn die Interessen der Kläger an einer freien Durchfahrt ebenfalls nur
geringfügig beeinträchtigt werden (so für Tore zur öffentlichen Straße auch OLG
Karlsruhe, a.a.O.; NJW-RR 2006, 1678; 1991, 785; OLG Frankfurt NJW-RR 1986,
763). Zwar ist derzeit Durchgang und Durchfahrt für die Kläger jederzeit möglich,
weil sie Inhaber der entsprechenden Schlüssel sind, nicht aber für berechtigte
Dritte, die zu den Klägern gelangen wollen. Das vordere Tor hat nach außen
einen Knauf und nur nach innen eine Klinke. Wird das Tor geschlossen oder fällt
es versehentlich zu, ist ein Zugang von außen nicht mehr möglich. Für Dritte
existiert derzeit weder eine Möglichkeit der Kontaktaufnahme mit den Klägern
noch für die Kläger die Möglichkeit einer Öffnung des Tores von ihrem Grundstück
aus. Gegebenenfalls müssen die Kläger mit ihrem Schlüssel bis zum Tor
vorlaufen, um Besucher, Lieferanten oder Rettungskräfte einzulassen. Das ist
nicht zumutbar (vgl. OLG Karlsruhe, Urteil vom 25. Juli 2014 - 12 U 1553 -, juris
Rz. 19 ff.).
47 Es bleibt den Beklagten als Störern des Geh- und Fahrrechts der Kläger
überlassen, die Mittel zu wählen, die die Beeinträchtigung beseitigen (s.
Palandt/Bassenge, 73. Aufl. 2014, § 1004 Rn. 51; Gursky, in: Staudinger, BGB -
Neubearbeitung 2012, § 1004 Rn. 147 m.w.N.). So steht ihnen frei, das Tor zu
entfernen. Wird das Tor jedoch belassen, läge eine nur geringfügige
Beeinträchtigung dann vor, wenn es bei bestehendem Hinweis auf einen Zugang
zum Haus der Kläger für jedermann möglich wäre, das Tor mit einer Klinke zu
öffnen und so das Haus der Kläger zu erreichen. Sollte ein Zugang nicht möglich
sein, weil ein Knauf ohne Klinkenfunktion an der Außenseite des Tores
angebracht wäre, müsste das Tor zumindest einen Briefkasten, eine beleuchtete
Klingel und Gegensprechanlage sowie einen elektrischer Türöffner neben einer
entsprechenden Beleuchtung der Schlösser für eine Öffnung bei Nacht aufweisen
(s. OLG Karlsruhe NJW-RR 1991, 785). Für Notlagen wäre die Möglichkeit einer
Notöffnung vorzuhalten (vgl. OLG Karlsruhe, Urteil vom 25. Juli 2014 - 12 U 1553 -
, juris Rz. 22). Eine Nutzungsmöglichkeit des Weges mit nur einem Schlüssel
wäre dann ebenso zu gewährleisten wie eine Arretierung der Torflügel, um ein
Zufallen der Torflügel zu verhindern.
48 Eine konkrete Notwendigkeit für eine blickdurchlässige Ausführung der Tore ab 1
m Höhe haben die Kläger nicht dargetan. Bei verkehrsüblicher Sorgfalt lässt sich
auch ein entsprechendes blickundurchlässiges Tor im Freien ohne Gefahren
öffnen.
49 c. Ein Notwegerecht der Kläger entlang des bisher bestehenden Wegerechts in
einer Breite von 2,50 m zur Überfahrt mit Transport-, Versorgungs- und
Notfalleinsatzkraftfahrzeugen gem. § 917 BGB besteht nicht. Es ist zwar trotz des
bereits bestehenden Wegerecht ein darüber hinausgehendes Notwegerecht
möglich (s. BGH NJW-RR 2009, 515, 517). Bei Wohngrundstücken kommt ein
solches in Betracht, wenn die Erreichbarkeit mit Fahrzeugen insbesondere zur
Befriedigung von Grundbedürfnissen über ein bestehendes Wegerecht nicht
gewährleistet ist (s. BeckOK-BGB/Fritzsche, § 917 Rn. 16; Staudinger/Roth,
Neubearb. 2009, § 917 Rn. 11). Dem Grundstück der Kläger fehlt eine Verbindung
zu einem öffentlichen Weg in einer Breite, die für die ordnungsgemäße Nutzung
des Grundstücks notwendig ist. Ein solcher Notweg müsste dann in der Regel 3
m, zumindest aber 2,50 m Breite aufweisen.
50 Mit der von den Klägern begehrten Streckenführung ist das jedoch nicht möglich,
weil das Haus der Beklagten die natürliche Grenze eines Weges an dieser Stelle
des Grundstücks bildet. Der nach § 917 BGB belastete Eigentümer ist zur
Duldung der Benutzung verpflichtet, nicht aber zum Abriss von Gebäudeteilen, um
dem Notwegeberechtigten einen von ihm gewünschten Weg zu ermöglichen. Der
wegebedürftige Eigentümer hat keinen Anspruch auf einen bestimmten Verlauf
des Weges (s. RGZ 160, 185).
51 Ein abwehrfähiger Eingriff in ein etwaiges Notwegerecht kommt nicht in Betracht,
weil ein Notwegerecht erst mit Nutzungsverlangen entsteht (s. BGH NJW-RR
2006, 1160, 1161) und ein solches jedenfalls erst nach den letzten
Baumaßnahmen auf dem Grundstück der Beklagten erfolgt ist.
52 d. Soweit die Kläger die Beseitigung der Beeinträchtigung des Geh- und
Fahrrechts durch die Dachrinne am Haus der Beklagten begehren, dringt ihre
Berufung nicht durch.
53 Nach § 1027 BGB sind Beeinträchtigungen des Geh- und Fahrrechts abwehrfähig.
Im Streitfall ist die Befahrbarkeit mit beliebigen Fahrzeugen im Rahmen des
Fahrrechts zu gewährleisten. Dieses ist auf eine Wegebreite von 2 m beschränkt.
Zwar würden sich beim Eigentum die Rechte nach § 905 S. 1 BGB auch auf den
Raum über der Oberfläche des Grundstücks erstrecken. Aber selbst dann - beim
stärksten absoluten Recht - kann der Eigentümer Einwirkungen nicht verbieten,
die in solcher Höhe vorgenommen werden, dass er an der Ausschließung kein
Interesse hat, § 905 S. 2 BGB.
54 Bei einer Breite des Weges von nur 2 m sind keine marktgängigen Fahrzeuge
ersichtlich, die eine Höhe von über 2,60 m erreichen. Der von den Klägern
angeführte MB Sprinter mit Hochdach ist zwar über 2,7 m hoch, aber selbst ohne
Seitenspiegel praktisch kaum durch das Tor zu bringen (Fahrzeugbreite 1,993 m,
mit Spiegeln 2,426 m). Die Befahrung durch Lkws scheidet angesichts der
geringen Breite des Weges von vornherein aus.
55 e. Gegen die Verteilung der Unterhalts- und Instandhaltungskosten auf die
Parteien gem. §§ 1020 S. 2 BGB, 748, 742 BGB analog durch das Landgericht
bestehen keine Bedenken. Danach haben die Kläger die Kosten zu 1, die
Beklagten zu 2 zu tragen. Konkrete Feststellungen zum Nutzungsumfang waren
nicht angezeigt, da dieser naturgemäß schwankt und damit kaum als Anknüpfung
für eine Verteilung der Kosten dienen kann. Entsprechend ist abstrakt auf die
Bebauung und die regelmäßige Nutzung der Grundstücke abzustellen, wobei hier
maßgeblich der Stand vor dem Verkauf an die Eheleute T. ist. Angesichts dessen
kommt eine Abänderung zu Gunsten der Kläger nicht in Betracht.
56 f. Auf die Berufung der Kläger war die Widerklage bezüglich der Verpflichtung zur
Schließung und Verankerung des vorderen Tores abzuweisen, weil der Vortrag
der Beklagten erster Instanz insoweit unschlüssig war. Der Widerklageantrag der
Beklagten wurde im Termin vom 04.09.2012 ohne schriftsätzliche Vorbereitung
gestellt. Ein entsprechender Tatsachenvortrag ist von den Beklagten weder in der
genannten mündlichen Verhandlung noch später - nach der schriftsätzlichen
Ankündigung des Abweisungsantrags der Kläger vom 21.09.2012 - geführt
worden.
57 g. Die Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten der Kläger durch die
Beklagten ist nicht geschuldet. Eine Anspruchsgrundlage ist nicht ersichtlich.
Soweit die Kläger die Kosten aus Schadensersatz verlangen, ergibt sich ein
solcher Anspruch nicht aus den Klageanträgen, mit denen lediglich ein
Unterlassen bzw. Beseitigen der Beeinträchtigung von Rechtspositionen begehrt
wird. Zwar kommt ein Anspruch aus Verzug in Betracht, §§ 280, 286 BGB i.V.m.
dem Beseitigungsanspruch aus § 1004 Abs. 1 S. 1 BGB (s. Gursky, in:
Staudinger, BGB - Neubearbeitung 2012, § 1004 Rn. 165), jedoch sind dessen
Voraussetzungen nicht vorgetragen. Eine verzugsbegründende Mahnung vor
Mandatierung ist nicht ersichtlich (vgl. Palandt/Grüneberg, BGB, 73. Aufl. 2014, §
286 Rn. 44).
58 2. Zur Berufung der Beklagten
59 a. Soweit die Beklagten einwenden, durch die Aufteilung des Grundstücks
Flurst.Nr. im Zuge des Verkaufs eines Grundstücksteils an die Eheleute T. im
Verlauf des Prozesses seien die Kläger nicht mehr berechtigt, auch in Ansehung
dieses Grundstücksteils (Flurst.Nr. ) den Prozess fortzuführen, vermögen sie mit
ihrer Berufung nicht durchzudringen. Die Veräußerung von gestörtem
Grundstückseigentum hat keinen Einfluss auf eine Eigentumsstörungsklage (s.
BGH NJW 1955, 1719; Musielak/Foerste, ZPO, 11. Aufl. 2014, § 265 Rn. 3).
Nichts anderes kann für die Beeinträchtigung einer Grunddienstbarkeit gelten. Die
Kläger können die Klage demnach auch nach Veräußerung für alle gestörten
herrschenden Grundstücksteile weiterverfolgen.
60 b. Auf die Berufung der Beklagten war die Klage auf Ausstattung des hinteren
Tores mit einem elektrischen Türöffner abzuweisen. Da das hintere Tor
unverschlossen ist, bedarf es eines elektrischen Türöffners nicht, um es
problemlos zu passieren, so dass ein Beseitigungsanspruch mangels einer
erheblichen Beeinträchtigung nicht besteht.
61 c. Die Berufung hat keinen Erfolg, soweit sie die Verurteilung zur Beseitigung der
Beeinträchtigungen des Wegerechts angreift. Den Klägern steht ein Anspruch auf
Beseitigung der Wegeverengungen auf dem Grundstück der Beklagten zu. Ein
solcher Anspruch ist insbesondere nicht verjährt.
62 (1) Das Wegerecht ist unstreitig wirksam errichtet, die Bezugnahme auf die
Bewilligung für dessen Umfang ist nach § 874 Abs. 1 S. 1 BGB unproblematisch
(s. Staudinger/Mayer, BGB - Neubearb. 2009, § 1018 Rn. 26 f.). Durch die
Wegeverengungen (durch Steindränage, Lichtschacht, Treppenstufe und
Dachrinne) wird das auf 2 m Breite eingeräumte Wegerecht beeinträchtigt.
63 (2) Eine Duldungspflicht dieser Beeinträchtigung entsprechend § 912 BGB (s.
BGHZ 39, 5, 7; BGH NJW 2008, 3123, 3124; MüKo-BGB/Joost, 6. Aufl. 2013, §
1027 Rn. 1, § 1018 Rn. 65) besteht nicht. Bei Treppe, Dachrinne und Lichtschacht
handelt es sich jeweils um einen Gebäudeüberbau (vgl. Palandt/Bassenge, BGB,
73. Aufl. 2014, § 912 Rn. 6 f.), nicht aber bei den Steinen der Dränage. Der
Überbau wäre zu dulden, wenn nicht vor oder sofort nach den Baumaßnahmen
von der Rechtsvorgängerin der Kläger Widerspruch erhoben worden wäre - wie
nicht - oder der überbauende Voreigentümer vorsätzlich oder grob fahrlässig
gehandelt hätte. Die Beweislast für einen nur fahrlässigen Überbau tragen die
Beklagten (Palandt/Bassenge, BGB, 73. Aufl. 2014, § 912 Rn. 9). Darauf, dass ein
entsprechender Beweis nicht geführt wurde, hat das erstinstanzliche Gericht in
der mündlichen Verhandlung vom 04.09.2012, S. 6, hingewiesen. Weiterer
Vortrag dazu erfolgte nicht.
64 (3) Dass der Grenzverlauf nicht zuverlässig ermittelt und die Bauausführung
hinreichend überwacht wurde, ergibt sich zwanglos aus dem Überbau. Besondere
Umstände, die etwas anderes ergeben würden, sind nicht ersichtlich. Vielmehr hat
der Zeuge Seidenschnur, der zur Zeit des Umbaus 1990 Eigentümer des
Grundstücks der Beklagten war, angegeben (Prot. d. mündl. Verh. v. 03.09.2013,
S. 5), er sei davon ausgegangen, das Wegerecht werde von den Anbauten
überhaupt nicht tangiert. Demnach hat der Zeuge sich schuldhaft nicht des
Grenzverlaufs versichert.
65 (4) Der Beseitigungsanspruch ist auch nicht verjährt.
66 Die relative Verjährung würde voraussetzen, das der Anspruch entstanden ist -
was unstreitig zwischen 1990 und 2000 der Fall war - und die Rechtsvorgängerin
der Kläger bis zum 31.12.2007 von den einen Anspruch begründenden
Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt hätte oder ohne
grobe Fahrlässigkeit hätte erlangen müssen. Für diese subjektiven
Voraussetzungen sind die Beklagten als Schuldner beweisbelastet
(Palandt/Bassenge, BGB, 73. Aufl. 2014, § 199 Rn. 50). Diesen Beweis
vermochten sie - wie das Landgericht rechtsfehlerfrei festgestellt hat - nicht zu
führen. Das Berufungsgericht schließt sich nach eigener Prüfung der Würdigung
der Zeugenaussagen durch das Landgericht an. Soweit die Beklagten lediglich
ihre Beweiswürdigung an die Stelle der Beweiswürdigung des Landgerichts
setzen wollen, können sie damit nicht durchdringen.
67 Dass die Grundstücke 1962 einmal vermessen wurden, etwa 30 Jahre vor den
Baumaßnahmen, lässt keinerlei Rückschlüsse auf eine Kenntnis der
Rechtsvorgängerin der Kläger von der Beeinträchtigung des Wegerechts zu. Aus
ihrer Mitwirkung im Baugenehmigungsverfahren um 1990 und 2000 sind ebenfalls
keine eindeutigen Schlüsse zu ziehen, weil sich aus den Bauplänen aufgrund der
fehlenden Maßstabstreue eine Beeinträchtigung nicht ersehen lässt.
68 Selbst das Vorhandensein und die Sichtbarkeit eines Grenzsteins ist vorliegend
nur ein schwaches Indiz für die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis des
Überbaus, da beim hier in Rede stehenden Abstand von max. 25 cm eine sichere
Kenntnis nur mithilfe eines Maßes zu erreichen gewesen wäre. Durch die
Möglichkeit der Nutzung des Nebengrundstückes beim Überfahren des Weges
war eine klare Abschätzung der tatsächlichen Breite zusätzlich erschwert. Eine
solche Messung drängte sich auch angesichts der offensichtlich problemlosen
Nutzung durch die Rechtsvorgängerin der Kläger nicht auf. Grundsätzlich durfte
die Rechtsvorgängerin zunächst davon ausgehen, dass ihre Interessen -
insbesondere das Wegerecht - von ihren Nachbarn hinreichend gewahrt werden.
Alle Nachbarn haben sich nach Angabe der Zeugen Se. und Sp. damals gut
vertragen (Prot. d. mündl. Verh. v. 03.09.2013, S. 3, 5). Eine Pflicht, die sich in
dieser Situation jedem vernünftig denkenden Menschen hätte aufdrängen
müssen, diese Messung vorzunehmen, bestand nicht.
69 Die absolute Verjährung wäre mit Ablauf des 02.01.2012 eingetreten, Art. 224 § 6
Abs. 4 EGBGB, § 195 BGB a.F., §§ 193, 199 Abs. 3 Nr. 1 BGB. Insoweit wurde
die Verjährung durch Klageerhebung gem. § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB gehemmt. In
der Klage vom 07.03.2011, zugestellt am 12.03.2011, wird in Ziff. 4 (S. 2, AS I 3)
bereits auf die Beseitigung der Beeinträchtigungen des Geh- und Fahrrechts
angetragen. Auf S. 7 (AS I 13) wird auf die Grunddienstbarkeit Bezug genommen.
Im Schriftsatz vom 28.11.2011, S. 2 (AS I 261), wird mit dem Begriff
„Dachvorsprung“ auch die Regenrinne zum Prozessgegenstand gemacht.
70 (5) Auch hier muss es allerdings den Beklagten überlassen bleiben, wie sie die
Beeinträchtigung des Geh- und Fahrrechts der Kläger beseitigen wollen. Das
kann durch eine Beseitigung der Gegenstände geschehen oder durch eine
anderweitige Überfahrbarmachung. Der Tenor war entsprechend anzupassen.
71 d. Da der Abwehranspruch gegen die Beeinträchtigungen der Grunddienstbarkeit
nicht verjährt ist, kommt ein Erlöschen der Grunddienstbarkeit und daraus folgend
ein Grundbuchberichtigungsanspruch gem. §§ 1027 Abs. 1 S. 2, 894 BGB nicht in
Betracht.
72 3. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91a, 92, 97 ZPO. Die Kosten sind für beide
Instanzen aufzuheben. […]
73 Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich hinsichtlich der
Kosten aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO, hinsichtlich der Hauptsache aus §§ 709, 108
Abs. 1 ZPO. § 708 Nr. 10 ZPO findet keine Anwendung, da das Urteil keine
vermögensrechtliche Streitigkeit betrifft (vgl. OLG Stuttgart NJW-RR 2014, 423).
74 Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO
nicht erfüllt sind.