Urteil des OLG Karlsruhe vom 23.12.2014

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OLG Karlsruhe Urteil vom 23.12.2014, 9a U 15/14
Krankentagegeldversicherung: Wirksamkeit der Regelung zur Herabsetzung des
Krankentagegeldes beim Absinken des durchschnittlichen Nettoeinkommens
unter den der Erstbemessung des Krankentagegeldes zugrunde gelegten
Betrag
Leitsätze
1. Für eine mögliche Anpassung der Höhe des Krankentagegeldes und des Beitrages
beim Absinken des durchschnittlichen Nettoeinkommens unter den der
Erstbemessung des Krankentagegeldes zugrunde gelegten Betrages einseitig durch
den Versicherer ist von vornherein kein Raum, wenn beim Vertragsschluss kein
bestimmtes Nettoeinkommen zugrunde gelegt worden ist.
2. Die einseitige Anpassung von Krankentagegeld und Beitrag im Falle des Absinken
des durchschnittlichen Nettoeinkommens unter den der Erstbemessung des
Krankentagegeldes zugrunde gelegten Betrages durch den Versicherer unter
Berufung auf § 4 Abs. 4 MB/KT ist unwirksam, weil die Regelungen in § 4 Abs. 4 auch
i.V.m. § 2 Abs. 2 MB/KT einer AGB-rechtlichen Kontrolle nicht standhalten.
a. § 4 Abs. 4 MB/KT benachteiligt den Kläger entgegen dem Gebotes von Treu und
Glauben unangemessen im Sinne des § 307 Abs. 1 S. 1 BGB.
b. Die Regelungen zur Herabsetzung des Krankentagegeldes verstoßen im Übrigen
gegen das Transparenzgebot, § 307 Abs. 1 S. 2 BGB, und sind auch deshalb
unwirksam.
3. Eine ergänzende Vertragsauslegung kommt in diesem Fall nicht in Betracht.
Tenor
1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Landgerichts Konstanz vom
18.11.2013 im Kostenpunkt aufgehoben, im Übrigen abgeändert und wie folgt neu
gefasst:
Es wird festgestellt, dass die von der Beklagte mit Schreiben vom
25.07.2012 erklärte Herabsetzung des versicherten Krankentagegeldes von
ursprünglich 100 EUR pro Tag ab dem 01.09.2012 auf 62 EUR pro Tag
unwirksam ist.
2. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits in beiden Rechtszügen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch
Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren
Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger zuvor Sicherheit in Höhe von 110 % des
jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
4. Die Revision wird zugelassen.
Gründe
I.
1 Die Parteien sind u.a. durch eine Krankentagegeldversicherung verbunden und
streiten über die Berechtigung der Beklagten, einseitig die Höhe des
Krankentagegeldes herabzusetzen. Der Kläger begehrt die Feststellung, dass das
Krankentagegeldanspruch in der zunächst vereinbarten Höhe von 100 EUR pro
Tag weiter bestehe.
2 Hinsichtlich der tatsächlichen Feststellungen wird auf das Urteil des Landgerichts
Konstanz vom 18.11.2013 Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).
3 Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Es hat ausgeführt, dass auf der
zwischen den Parteien für die Krankentagegeldversicherung vereinbarten
vertraglichen Grundlage der Musterbedingungen des Verbandes der privaten
Krankenversicherung (MB/KT) 2009 in Verbindung mit den Tarifbedingungen der
Beklagte die Höhe des Krankentagegeldes vom Nettoeinkommen abhänge, nicht
vom Bedarf. Selbst wenn die Versicherungsagentin der Beklagten bei
Vertragsschluss für die Höhe des Krankentagegeldes auf seinen Bedarf als
selbständiger Handwerker abgestellt habe und nicht auf das Nettoeinkommen,
könne der Kläger mit seiner Klage keinen Erfolg haben. Daraus könne keine
Änderung der vertraglichen Grundlagen abgeleitet werden. Für einen den
Klageantrag tragenden Schadensersatzanspruch nach § 6 Abs. 5 VVG fehle es an
relevantem Vortrag zum beratungsgerechten Verhalten. Die Beklagte sei
vertraglich berechtigt gewesen, das Krankentagegeld von ursprünglich 100 EUR
auf 62 EUR pro Tag herabzusetzen. Entgegen der Meinung des Klägers, die
maßgebliche Vorschrift verstoße gegen AGB-Recht, halte diese der AGB-Kontrolle
stand.
4 Dagegen wendet sich der Kläger mit seiner Berufung. Das Gericht sei
rechtsfehlerhaft dem gestellten Beweisantrag auf Vernehmung der
Versicherungsagentin S. (vom Kläger fehlerhaft mit falschem Vornamen, aber
korrekter ladungsfähiger Anschrift benannt) nicht nachgekommen. Da diese beim
Kläger den Bedarf im Krankheitsfalle, den der Kläger als selbstständiger
Handwerker auf Vorschlag der Zeugin mit 100 EUR pro Tag angesetzt habe, und
nicht sein Nettoeinkommen abgefragt habe, sei dieser Betrag unabhängig von der
Entwicklung seines Nettoeinkommens nach den Grundsätzen der
gewohnheitsrechtlichen Erfüllungshaftung maßgeblich. Da ein ursprüngliches
Nettoeinkommen des Klägers, auf das eine Bemessung des Krankentagegeldes
ursprünglich bezogen gewesen sein könnte, von der Beklagten nicht vorgetragen
worden und auch sonst nicht ersichtlich sei, fehle es an den Voraussetzungen für
eine Neufestsetzung. Schließlich halte die maßgebliche Klausel einer AGB-
Kontrolle nicht stand, weil der Kläger dadurch unangemessen benachteiligt werde,
dass die Beklagte zur nachträglichen Erhöhung des Krankentagegeldes nach
einer früher erfolgten Herabsetzung ohne erneute Gesundheitsprüfung bei einer
späteren Erhöhung seines Nettoeinkommens nicht verpflichtet sei.
5 Der Kläger
beantragt
,
6
das Urteil des Landgerichts Konstanz vom 18.11.2013 abzuändern:
7
Es wird festgestellt, dass die Beklagte nicht berechtigt ist, das, mit der zwischen
den Parteien abgeschlossenen Krankentagegeldversicherung, Mitglieds-
Nummer: ..., nach dem Tarif TA IV versicherte Krankentagegeld i.H.v. 100 Euro
pro Tag, ab dem 01.09.2012 auf 62 EUR pro Tag herabzusetzen.
8 Die Beklagte
beantragt
,
9
die Berufung zurückzuweisen.
10 Sie verteidigt das erstinstanzliche Urteil. Eine Individualabrede sei nicht
geschlossen worden, die vom Kläger als Versicherungsagentin benannte Zeugin
sei der Beklagten unbekannt. Die streitgegenständliche Vorschrift sei wirksam und
halte der AGB-Kontrolle stand. Durch die Möglichkeit des Absenkens von
Versicherungsleistung und Beitrag sei es dem Versicherer möglich, das subjektive
Risiko der Inanspruchnahme, nämlich durch eine Erkrankung ein höheres
Einkommen aufgrund von Versicherungsleistungen erzielen zu können als durch
die eigene Erwerbstätigkeit, zu begrenzen. Das sei ein legitimer Zweck. Die vom
Kläger begehrte Erhöhungsmöglichkeit ohne erneute Risikoprüfung bei höherem
Nettoeinkommen ergebe sich aus den Tarifbedingungen zu § 2 MB/KT 2009. Als
maßgebliches Nettoeinkommen seien die Einkünfte aus Gewerbebetrieb abzüglich
der Einkommensteuer zuzüglich der Versicherungsprämien anzusehen.
11 Der Senat hat Beweis erhoben durch Einvernahme der Zeugin S.. Für deren
Bekundungen wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 04.12.2014
verwiesen. Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes im zweiten Rechtszug
wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
II.
12 Die Berufung ist zulässig, insbesondere an sich statthaft sowie form- und
fristgerecht eingelegt und begründet worden.
13 Sie hat auch in der Sache Erfolg. Das angefochtene Urteil ist abzuändern. Die
einseitige Herabsetzung des Krankentagegeldes auf 62 EUR pro Tag durch die
Beklagte ist ohne vertragliche Grundlage erfolgt und damit unwirksam.
14 1. Das besondere Feststellungsinteresse des Klägers, vgl. § 256 ZPO, ergibt sich
aus der jederzeit bestehenden Möglichkeit des Eintritts des Versicherungsfalles.
15 2. Eine mögliche Anpassung der Höhe des Krankentagegeldes scheitert nicht
bereits daran, dass beim Vertragsschluss kein bestimmtes Nettoeinkommen
zugrunde gelegt worden wäre (vgl. OLG Saarbrücken ZfS 2002, 445;
Bach/Moser/Wilmes, Private Krankenversicherung, 4. Auflage 2009, MB/KT § 4
Rn. 16; Prölss/Martin/Voit, VVG, 28. Aufl. 2010, MB/KT 2009 § 4 Rn. 10 m.w.N.;
anders noch OLG Karlsruhe VersR 82, 233). Die Beklagte, die die Darlegungs-
und Beweislast für die Voraussetzungen des § 4 Abs. 4 MB/KT - und damit auch
für das zunächst zugrunde gelegte und später veränderte Nettoeinkommen - trägt
(s. OLG Saarbrücken ZfS 2002, 445), hat nachgewiesen, dass die von den
Parteien zunächst vereinbarte Tagesgeldhöhe auf Grundlage des
Nettoeinkommens gebildet wurde.
16 Nach Einvernahme der Zeugin S. ist der Senat davon überzeugt, dass der Ansatz
des Tagegeldes mit 100 EUR auf den Angaben des Klägers zu seinen
Nettoeinkünften beruht. Die Zeugin hat glaubhaft bekundet, dass sie zwar keine
konkrete Erinnerung an die Vertragsgespräche mehr habe (s. Protokoll v.
04.12.2014, S. 3), was nach über acht Jahren bei einem typischen Beratungs- und
Abschlussgespräch ohne Besonderheiten zu erwarten war. Sie hat jedoch den
üblichen Ablauf eines Beratungsgespräches und die von ihr normalerweise
abgegebenen Erklärungen plausibel und plastisch geschildert. Danach frage sie
bei Ziff. 5 des Antragsformulars - wie dort vorgesehen - nach dem
Nettoeinkommen. Sie erkläre dazu, dass das Krankentagegeld nur zur
Absicherung des Einkommensausfalls bestimmt sei, nicht dazu, sich zu
bereichern. Sie gehe üblicherweise von den vom Antragsteller angegebenen
Zahlen aus, Unterlagen oder Belege verlange sie - entsprechend der Forderung
der Beklagten - erst ab einem Tagesgeldsatz von 175 EUR (ebd., S. 3 f.). Diesen
Gesprächsinhalt legt der Senat auch für den vorliegenden Fall zugrunde. Soweit
der Kläger angegeben hat, er habe beim Ausfüllen des Versicherungsantrages mit
der Zeugin S. auch auf Nachfrage keinen Orientierungswert für sein
Nettoeinkommen angeben können, worauf die Zeugin S. erklärt habe, er müsse
als Handwerker 100 EUR pro Tag haben, damit seien seine Kosten abgedeckt,
stellt das die Aussage der Zeugin nicht ernsthaft in Frage. Auch der Kläger konnte
sich nur noch rudimentär an die Inhalte des Gesprächs erinnern. Dass er gerade
bezogen auf den behaupteten Wortwechsel eine so klare Erinnerung haben will,
obwohl dieser Punkt nur am Rande thematisiert wurde (ebd., S. 2) und mindestens
bis zur Klage für den Kläger belanglos gewesen sein dürfte, ist wenig
nachvollziehbar.
17 Auf die Frage, ob sich ein Anspruch des Klägers auf Grundlage der
gewohnheitsrechtlichen Erfüllungshaftung (vgl. BGH VersR 2001, 1502; KG VersR
2004, 723) ergeben könnte, kommt es damit nicht mehr an.
18 3. Die einseitige Anpassung von Krankentagegeld und Beitrag durch die Beklagte
ist jedoch deshalb unwirksam, weil die Regelungen in § 4 Abs. 4 i.V.m. § 2 Abs. 2
MB/KT einer AGB-rechtlichen Kontrolle nicht standhalten.
19 Allgemeine Versicherungsbedingungen sind Allgemeinen Geschäftsbedingungen
gleichstehend und unterliegen der AGB-Kontrolle (BGH VersR 2013, 1397). Für die
Beurteilung ihrer Wirksamkeit sind allgemeine Versicherungsbedingungen so
auszulegen, wie ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer sie bei verständiger
Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und unter Berücksichtigung des
erkennbaren Sinnzusammenhangs verstehen muss. Dabei kommt es auf die
Verständnismöglichkeiten eines Versicherungsnehmers ohne
versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse und damit - auch - auf seine Interessen
an. Die Allgemeinen Versicherungsbedingungen sind aus sich heraus zu
interpretieren. In erster Linie ist vom Bedingungswortlaut auszugehen. Der mit dem
Bedingungswerk verfolgte Zweck und der Sinnzusammenhang der Klauseln sind
zusätzlich zu berücksichtigen, soweit sie für den Versicherungsnehmer erkennbar
sind (BGH VersR 2014, 625, 627; st. Rspr.).
20 Wenn nach Ausschöpfung der in Betracht kommenden Auslegungsmethoden ein
nicht behebbarer Zweifel bleibt und mindestens zwei Auslegungen rechtlich
vertretbar sind, ist von der Auslegung auszugehen, die zur Unwirksamkeit der
Klausel führt (s. Palandt/Grüneberg, BGB, 73. Auflage 2014, § 305c Rn. 15, 18),
weil die kundenfeindlichste Auslegung in diesem Falle in Wahrheit die dem
Versicherungsnehmer günstigste Auslegung ist, § 305c Abs. 2 BGB.
21 a. Die tatsächlichen Voraussetzungen der Einbeziehung des Bedingungswerkes
der Beklagten in den Vertrag sind unstreitig. Die Einbeziehung von § 4 Abs. 4
MB/KT scheitert auch nicht daran, dass die Klausel ungewöhnlich und
überraschend im Sinne von § 305c Abs. 1 BGB wäre (s. OLG München r+s 2012,
607, zust. Fuchs, jurisPR-VersR 11/2012 Anm. 1). Es handelt sich bei
Regelungen, die die Möglichkeit eröffnen, ein Dauerschuldverhältnis an neue
tatsächliche Umstände anzupassen, nicht um ungewöhnliche Klauseln, denen ein
Überraschungsmoment innewohnt, weil eine solche Regelung üblich ist, um bei
langfristigen Verträgen die Interessen beider Parteien zu wahren. Auch die
Stellung der Regelung im Bedingungswerk der Beklagten unter dem Titel „Umfang
der Leistungspflicht“ ist nicht zu beanstanden.
22 b. Die Inhaltskontrolle führt zur Unwirksamkeit der Vorschriften. § 4 Abs. 4 MB/KT
benachteiligt den Kläger entgegen des Gebotes von Treu und Glauben
unangemessen im Sinne des § 307 Abs. 1 S. 1BGB.
23 aa. § 4 Abs. 4 MB/KT gestattet es dem Versicherer, seine Leistung einseitig für
die Zukunft herabzusetzen, unabhängig davon, ob der Versicherungsfall bereits
eingetreten ist oder nicht. Voraussetzung dieser Leistungsbeschränkung ist, dass
das Nettoeinkommen des Versicherten unter die Höhe des dem Vertrag zugrunde
gelegten Einkommens gesunken ist. Die Herabsetzung von Krankentagegeld und
Beitrag erfolgt dann entsprechend dem geminderten Nettoeinkommen.
24 Damit wird dem Versicherer ein Entschließungsermessen eingeräumt, ob er
seinen Leistungsumfang für die Zukunft entsprechend mindern will oder nicht.
Das benachteiligt den Versicherungsnehmer, der sich nicht auf einen Fortbestand
des Vertrages, so wie er ursprünglich abgeschlossen wurde, verlassen kann.
25 bb. Benachteiligungen des Versicherungsnehmers durch die Vertragsbedingung
sind dann unangemessen im Sinne von § 307 Abs. 1 S. 1 BGB, wenn der
Versicherer durch eine einseitige Vertragsgestaltung missbräuchlich eigene
Interessen auf Kosten seines Vertragspartners durchzusetzen versucht, ohne von
vornherein auch dessen Belange hinreichend zu berücksichtigen und ihm einen
angemessenen Ausgleich zuzugestehen (BGH NJW 2010, 57;
Palandt/Grüneberg, BGB, 73. Auflage 2014, § 307 Rn. 12). Dies ist vorliegend der
Fall.
26 (1) In der Krankentagegeldversicherung bietet der Versicherer dem
Versicherungsnehmer Schutz gegen Verdienstausfall bei Arbeitsunfähigkeit, § 1
Abs. 1 MB/KT. Der Versicherungsnehmer deckt damit Risiken ab, die durch die
Möglichkeit eines Wegfalls des Lohnanspruchs im Krankheitsfall oder des
Ausfalls der Arbeitskraft zur selbständigen Erzielung eines Einkommens
entstehen (s. Bach/Moser/Wilmes, Private Krankenversicherung, 4. Auflage 2009,
MB/KT § 1 Rn. 2). Sie ist Summen-, nicht Schadensversicherung (s. BGH VersR
2001, 1100), weil die vom Versicherer zu erbringende Leistung betragsmäßig
bereits vor dem Versicherungsfall feststeht.
27 Dabei hat der Versicherer ein Interesse daran, die Gefahr zu begrenzen, dass er
aufgrund eines Verschuldens des Versicherungsnehmers zu Unrecht (insb.
betrügerisch) in Anspruch genommen wird. Diese Gefahr ist bei der
Krankentagegeldversicherung, deren Versicherungsfall nicht vollständig
objektivierbar und auch vom Versicherungsnehmer abhängig ist und die
außerdem unabhängig von einem konkreten Schaden eintritt, besonders hoch (s.
Bach/Moser/Wilmes, Private Krankenversicherung, 4. Auflage 2009, MB/KT § 4
Rn. 6). Deshalb ist es legitim, zu diesem Zweck die Höhe der Leistungen so
anzupassen, dass jedenfalls keine höheren Einkünfte durch eine
Arbeitsunfähigkeit erzielt werden können als durch die berufliche Tätigkeit (s. OLG
München r+s 2012, 607). Dem dient das Herabsetzungsverfahren nach § 4 Abs.
4 MB/KT.
28 (2) Dabei sind indes auch die Interessen des Versicherungsnehmers
angemessen zu berücksichtigen. Das ist durch die
Versicherungsvertragsbedingungen nicht ausreichend gewährleistet.
29 (aa) Aus § 4 Abs. 4 MB/KT ist ein Zeitraum, innerhalb dessen der Versicherer
berechtigt ist, das Krankentagegeld herabzusetzen, nicht ersichtlich.
30 Die frühestmögliche Wirkung der Herabsetzung tritt bedingungsgemäß zu Beginn
des zweiten Monats nach Kenntniserlangung des Versicherers vom Absinken
des Nettoeinkommens ein. Sollte diese Frist den Versicherungsnehmer schützen,
ihm insbesondere die Möglichkeit eröffnen, sich auf die neue Situation
einzustellen, wäre es interessengerecht, den Eintritt zwei Monate nach Zugang
einer entsprechenden Erklärung beim Versicherten zu vereinbaren. Selbst wenn
der Versicherte weiß, dass sein Nettoeinkommen abgesunken ist und er dies der
Versicherung offenbart hat, also weiß, dass eine Herabsetzung möglich wäre,
wäre eine solche Gestaltung sinnvoll, weil die Herabsetzung im Ermessen der
Versicherung steht. Zwar kommt es abweichend vom Wortlaut nach der
obergerichtlichen Rechtsprechung tatsächlich nicht auf die Kenntnis des
Versicherers, sondern auf den Zeitpunkt des Zugangs der
Herabsetzungserklärung an (OLG Hamm VersR 1983, 1177; OLG Stuttgart
VersR 1999, 1138; OLG Frankfurt VersR 1999, 1138; OLG Frankfurt VersR 2001,
318; Prölss/Martin/Voit, VVG, 28. Aufl. 2010, MB/KT 2009 § 4 Rn. 22; Nachweise
zur kontroversen Literaturmeinung bei Bach/Moser/Wilmes, Private
Krankenversicherung, 4. Auflage 2009, MB/KT § 4 Rn. 14). Dieses Verständnis
dürfte sich für den durchschnittlichen Versicherungsnehmer bei aufmerksamer
Durchsicht und verständiger Würdigung der Bedingungen der Beklagten indes
kaum ergeben und lässt sich im Rahmen der kundenfeindlichsten Auslegung so
auch nicht zugrunde legen.
31 (bb) Ein letztmöglicher Zeitpunkt einer Herabsetzung ist in den Bedingungen nicht
geregelt. Die Klausel schließt es nicht aus, dass der Versicherer auch nach
Ablauf der Zweimonatsfrist die Herabsetzung erklärt (s. BGH VersR 2001, 1100;
Bach/Moser/Wilmes, Private Krankenversicherung, 4. Auflage 2009, MB/KT § 4
Rn. 14; Prölss/Martin/Voit, VVG, 28. Aufl. 2010, MB/KT 2009 § 4 Rn. 23). Der
Versicherer kann also mit der Herabsetzung ohne weiteres bis zum
Versicherungsfall abwarten und bis dahin Prämien für einen Risikoschutz
vereinnahmen, bei dem sich das Risiko bekanntermaßen nicht realisiert hat. Im
Versicherungsfall lassen sich dann Leistungen und Prämien herabsetzen für ein
bekannt realisiertes Risiko. Damit wird - jedenfalls bei Selbständigen, deren
Einkommen regelmäßig Schwankungen unterworfen ist und so häufiger
Anpassungsmöglichkeiten eröffnen dürfte - das Äquivalenzverhältnis der
Leistungen nachträglich einseitig änderbar.
32 (cc) Das ist insbesondere dann problematisch, wenn das Einkommen in Folge
der Arbeitsunfähigkeit weiter sinkt, so dass schrittweise eine Reduzierung der
Versicherungsleistungen bis auf Null denkbar ist (OLG München r+s 2012, 607;
Bach/Moser/Wilmes, Private Krankenversicherung, 4. Auflage 2009, MB/KT § 4
Rn. 13). Damit verliert der Versicherte gerade die Absicherung, die er durch seine
Prämienzahlungen erreichen wollte. Soweit das OLG München die Rechtfertigung
für die so mögliche Herbeiführung der Leistungsfreiheit des Versicherers im Fall
des Eintritts des versicherten Risikos im generell fehlenden „‘Rundumschutz‘
gegen negative finanzielle Auswirkungen krankheitsbedingter Beeinträchtigungen
der Arbeitskraft“ (OLG München a.a.O.) durch die Krankentagegeldversicherung
sieht, überzeugt das den Senat nicht. Das Argument, das Krankentagegeld
sichere etwaige negative Auswirkungen von Arbeitsunfähigkeitszeiten auf die
Erwerbsmöglichkeiten in gesunden Tagen nicht ab - entsprechend auch keine
Reflexwirkungen daraus, lässt nicht ohne weiteres erkennen, welche
Sachverhalte damit angesprochen sind. Zutreffend ist, dass mit dem
Krankentagegeld nicht der Verlust von Know-How, Marktpräsenz, Markenwert u.
dgl., die durch Zeiten der Arbeitsunfähigkeit eines Selbständigen entstehen
können, ausgeglichen wird. Diese Nachteile realisieren sich regelmäßig nach
Ende der Arbeitsunfähigkeit in gesunden Tagen. Sinkt dadurch das
Nettoeinkommen, ist insoweit eine Anpassung von Tagegeld und Beitrag
interessengerecht. Problematisch hingegen ist ein Absinken des
Nettoeinkommens allein aufgrund der Arbeitsunfähigkeit, gegen deren
finanziellen Folgen sich der Versicherungsnehmer ja gerade versichern wollte
und deren Ziel gerade im Aufrechterhalten des Einkommens auf dem Niveau des
bisherigen Nettoeinkommens besteht.
33 Ein solcher Effekt dürfte seine Rechtfertigung auch kaum darin finden, dass in der
Regel nur schwer feststellbar sein wird, welcher Anteil eines
Einkommensrückgangs bei einem Selbständigen auf Arbeitsunfähigkeitszeiten
zurückgeht und welcher sich auf sonstige Gründe zurückführen lässt, z.B.
gewisse Einschränkungen der Leistungsfähigkeit in einem Umfang, der nicht vom
Versicherungsschutz gedeckt ist, oder sonstige Ursachen, in die der Versicherer
keine Einblicke hat (so aber OLG München, a.a.O., zust. Fuchs, jurisPR-VersR
11/2012 Anm. 1). Ein solches Problem ließe sich durch die einfache Addition der
Versicherungsleistungen aus der Krankentagegeldversicherung zum sonstigen
Nettoeinkommen beheben, denn im Krankentagegeld drückt sich der
Einkommensverlust durch die Arbeitsunfähigkeit aus.
34 Eine Regelung, die auf diese Interessenlage des Versicherten Rücksicht nimmt,
ist den Bedingungen der Beklagten nicht zu entnehmen.
35 (dd) Schließlich wird auch dem Interesse des Versicherten auf eine spätere
Erhöhung von Krankentagegeld und Beitrag nach einer früheren Herabsetzung
wegen eines verminderten Nettoeinkommens nicht Rechnung getragen.
36 Das Verfahren zur Erhöhung des Versicherungsschutzes ist im Rahmen der
Tarifbedingungen der Beklagten nachfolgend zu § 2 MB/KT - Beginn des
Versicherungsschutzes - geregelt. Danach bietet der Versicherer mindestens alle
drei Jahre Gelegenheit, das vereinbarte Krankentagegeld ohne erneute
Wartezeiten und Risikoprüfung zu erhöhen. Diese Erhöhung bemisst sich
üblicherweise nach der Erhöhung der Beitragsbemessungsgrenze in der
gesetzlichen Rentenversicherung (zur Orientierung: 2009 bis 2015 ø 1,92 % p.a.).
Dann heißt es in den Bedingungen:
37 „Sofern eine darüber hinausgehende Erhöhung des Nettoeinkommens (vgl. § 4
Abs. 2 MB/KT 2009) nachgewiesen wird, erfolgt diese Anpassung aufgrund der
individuellen Entwicklung des Nettoeinkommens. ... Nimmt der
Versicherungsnehmer an zwei aufeinanderfolgenden Leistungsanpassungen
nicht teil, ohne dass ein Grund nach § 4 Abs. 2 MB/KT 2009 vorliegt, so erlischt
der Anspruch auf künftige Leistungsanpassungen nach Abs. 1 dieser Vorschrift.
Eine erneute Teilnahme kann zugelassen werden, wenn ein ärztliches Zeugnis
über den Gesundheitszustand der zu versichernden Person vorgelegt wird.“
38 Die danach folgenden Sonderregeln für Arbeitnehmer in einem festen
Arbeitsverhältnis sind vorliegend nicht einschlägig.
39 Daraus ergibt sich, dass der versicherte Selbständige eine Erhöhung von
Leistung und Betrag nur aufgrund eines Angebotes der Beklagten erreichen
kann. Spätestens alle drei Jahre besteht ein Anspruch auf ein solches Angebot.
Dieses Angebot bemisst sich, wenn eine Erhöhung des Nettoeinkommens im
Vergleich zum zuletzt zugrundeliegenden Nettoeinkommen nachgewiesen wird,
nach der „Entwicklung des Nettoeinkommens“. Ob damit ein sachlicher
Unterschied zu § 4 Abs. 4 MB/KT gemacht werden soll, in dem die Höhe des
Krankentagegeldes „entsprechend dem geminderten Nettoeinkommen“
herabgesetzt werden kann, ist unklar.
40 Hat der Versicherungsnehmer an zwei aufeinanderfolgenden
Leistungsanpassungen, z.B. im Rahmen der üblichen Erhöhungen unabhängig
von einem veränderten Nettoeinkommen nicht teilgenommen, verliert er das
Recht auf künftige Leistungsanpassungen. Sinkt also nun sein Nettoeinkommen
und wird entsprechend § 4 Abs. 4 MB/KT angepasst, hat er - ohne erneute
Risikoprüfung - keine Möglichkeit mehr, eine Erhöhung zu erreichen. Ob er dann
zur Teilnahme am Erhöhungsverfahren überhaupt zugelassen wird, steht im
Ermessen des Versicherers.
41 Diese Asymmetrie des Anpassungsverfahrens für Versicherungsnehmer und
Versicherung führen in Literatur und Rechtsprechung zu erheblichen Bedenken
gegen das Klauselwerk (OLG München, a.a.O.; Fuchs, a.a.O.; Prölss/Martin,
a.a.O., Rn. 20, unter Verweis auf BGH NJW 1992, 1164, der eine endgültige und
ersatzlose Beendigung einer einmal begründeten Krankentagegeldversicherung
als empfindliche Beeinträchtigung der Position des Versicherungsnehmers in
rechtlicher wie in wirtschaftlicher Hinsicht ansieht, da der Versicherungsnehmer
damit die Chance verliere, sich wieder sachgerecht versichern zu können). Als
Ausgleich für den Versicherungsnehmer wird in der Regel eine
Anwartschaftsversicherung, ein Anwartschafts- oder Anpassungsrecht erwogen,
das eine Wiedererhöhung der Versicherung - ohne erneute Risikoprüfung -
ermöglichen soll (ebd.). Da das Bedingungswerk der Beklagten entsprechende
Regelungen nicht vorsieht, ist dieser Weg im Rahmen der Klauselkontrolle
zunächst verschlossen (keine geltungserhaltende Reduktion, s. BGHZ 84, 114,
anders OLG München a.a.O.).
42 Damit hat die Beklagte in ihrem Regelwerk ein an sich legitimes
Anpassungsverfahren an die sich im Rahmen eines Dauerschuldverhältnisses
ändernden Verhältnisse zum Schutz vor der Erhöhung ihres subjektiven Risikos
in einer Weise umgesetzt, die in wesentlichen Teilen auf Kosten des
Versicherungsnehmers geht. Dabei wurden dessen Belange beim
Vertrauensschutz zu Beginn des Verfahrens, bei der zeitlichen Begrenzung des
Verfahrens und der nachträglichen einseitigen Leistungsänderung bis zu einem
Krankentagegeld von Null nicht hinreichend berücksichtigt und ihm auch im
Erhöhungsverfahren ein angemessener Ausgleich nicht zugestanden.
43 c. Die Regelungen zur Herabsetzung des Krankentagegeldes verstoßen im
Übrigen gegen das Transparenzgebot, § 307 Abs. 1 S. 2 BGB, und sind auch
deshalb unwirksam.
44 Nach dem Transparenzgebot ist der Verwender Allgemeiner
Versicherungsbedingungen gehalten, Rechte und Pflichten seines
Vertragspartners möglichst klar und durchschaubar darzustellen. Dabei kommt es
nicht nur darauf an, dass die Klausel in ihrer Formulierung für den
durchschnittlichen Versicherungsnehmer verständlich ist. Vielmehr gebieten Treu
und Glauben, dass die Klausel die wirtschaftlichen Nachteile und Belastungen
soweit erkennen lässt, wie dies nach den Umständen gefordert werden kann. Bei
einer den Versicherungsschutz einschränkenden Ausschlussklausel muss der
Versicherungsnehmer den danach noch bestehenden Umfang der Versicherung
erkennen können (BGH VersR 2013, 1397).
45 Diesen Anforderungen hält das Klauselwerk der Beklagten nicht stand.
46 aa. Aus den bereits oben ausgeführten Gründen ist für den beruflich
selbständigen Versicherungsnehmer insbesondere die Entwicklung seines
Versicherungsschutzes kaum absehbar. Die Umstände und der Ablauf einer
möglichen Absenkung des Krankentagesgeldes und die danach nur bedingt
mögliche Aufstockung sind aus den Bedingungen zunächst nicht zu ersehen.
47 bb. Unklar ist aber auch, welcher Stichtag für die Berechnung des
Nettoeinkommens aus dem Durchschnittseinkommen der letzten 12 Monate nach
§ 4 Abs. 2 MB/KT maßgeblich sein soll. Dort wird der Zeitraum vor Antragstellung
bzw. vor Eintritt der Arbeitsunfähigkeit genannt. Damit ergeben sich drei mögliche
Anknüpfungspunkte: Der Zeitpunkt der Stellung des Versicherungsantrags, der
Zeitpunkt der Stellung des Leistungsantrags und der Zeitpunkt des Eintritts der
Arbeitsunfähigkeit. Welcher Zeitpunkt tatsächlich maßgeblich sein soll, lässt sich
auch im Wege der Auslegung nicht ermitteln (so ebenfalls OLG Hamm VersR
2000, 750). Soweit es bei der Erhöhung des Versicherungsschutzes auf ein
gestiegenes Nettoeinkommen ankommt, ist der Stichtag überhaupt nicht
ersichtlich. Der dann notwendige Nachweis kann den Versicherungsnehmer dazu
zwingen, Zwischenbilanzen zu erstellen, um diesen Nachweis zu führen. Eine
zutreffende Beurteilung ist im Allgemeinen erst nach Fertigstellung der
Einkommensteuererklärung möglich, was bei Selbständigen häufig Jahre dauert
(so Bach/Moser/Wilmes, a.a.O., Rn. 18), wobei allerdings nach Ansicht des OLG
Brandenburg das steuerliche Einkommen grundsätzlich nicht mit dem
Nettoeinkommen nach § 4 Abs. 2 MB/KT gleichzusetzen sei (VersR 2005, 820).
48 cc. Auch der Begriff des Nettoeinkommens in § 4 Abs. 2 MB/KT ist unbestimmt
und in der Rechtsprechung und Lehre umstritten (Betrag, der nach Abzug von
Betriebskosten, Abgaben und Steuern verbleibt: OLG Dresden VersR 2014, 364;
Bruttobetriebseinnahmen abzüglich Steuern: OLG Brandenburg VersR 2005, 820;
Bruttoeinkünfte abzüglich Abgaben und Steuern, nicht aber Geschäftskosten:
Prölss/Martin, a.a.O., § 4 MB/KT Rn. 3). Wie der Betrag letztlich berechnet wird, ist
aus den Bedingungen nicht zu ersehen.
49 dd. § 4 Abs. 3 MB/KT, der dem Versicherungsnehmer aufgibt, unverzüglich eine
Minderung seines Nettoeinkommens mitzuteilen, soweit diese Minderung nicht
nur vorübergehend ist, ist bei Selbständigen problematisch. Jedes Einkommen in
einer konkreten Höhe eines Selbständigen ist naturgemäß nur vorübergehend (so
auch Bach/Moser/Wilmes, a.a.O., Rn. 18). Wann also eine Vertragsanpassung
droht und wann noch nicht, ist für den Versicherungsnehmer nur schwer
einzuschätzen.
50 Soweit der BGH in seiner Entscheidung vom 04.07.2001 (VersR 2001, 1100) die
Wirksamkeit von § 4 MB/KT 94 nicht problematisiert hat, folgte die Erörterung der
Vorschrift in diesem Urteil erkennbar aus einer ganz anderen Perspektive. Dort
ging es allein um die Frage, ob die Krankentagegeldversicherung eine Summen-
oder Schadensversicherung ist. Es war insoweit nur problematisch, ob die dort
vorgesehene Anpassungsfähigkeit des Tagegeldsatzes und Beitrags an das
Nettoeinkommen der Einschätzung der Krankentagegeldversicherung als einer
Summenversicherung zuwiderliefe. Ein Argument für oder gegen die Wirksamkeit
der Vorschrift nach dem Recht der allgemeinen Geschäftsbedingungen ergibt sich
damit nicht.
51 d. Rechtsfolge des Verstoßes ist die Unwirksamkeit der Klausel bei gleichzeitiger
Aufrechterhaltung des Versicherungsvertrages im übrigen, § 306 Abs. 1 BGB.
Damit entbehrt die Reduzierung des Krankentagegeldes durch die Beklagte einer
vertraglichen Grundlage und ist daher ebenfalls unwirksam.
52 e. Eine ergänzende Vertragsauslegung gemäß §§ 133, 157, 242 BGB dergestalt,
dass für den Versicherer die Möglichkeit der Reduzierung von Krankentagegeld
und Beitrag bei sinkendem Nettoeinkommen besteht, kommt nicht in Betracht.
53 Für das Versicherungsvertragsrecht ist es typisch, dass im Falle einer
Klauselunwirksamkeit nach dem AGB-Recht dispositive Gesetzesbestimmungen
nicht zur Verfügung stehen, so dass das Regelungsgefüge eine Lücke aufweist.
Eine ergänzende Vertragsauslegung ist in derartigen Fällen möglich. Allerdings ist
besonders darauf zu achten, dass sie nicht zu einer Erweiterung des
Vertragsgegenstandes führt. Außerdem ist es gemäß § 306 Abs. 3 BGB
notwendig, dass sich feststellen lässt, für den Versicherer sei es unzumutbar, an
dem lückenhaften Vertrag festgehalten zu werden. Andererseits muss der
ergänzte Vertrag für den Versicherungsnehmer typischerweise von Interesse sein
(BGH VersR 1992, 477).
54 Entfällt die Möglichkeit zur Anpassung des Krankentagegeldes an das
Nettoeinkommen des Versicherten, ist es nach Ansicht des Senats nicht
unzumutbar, den Versicherer am insoweit lückenhaften Vertrag festzuhalten. Zwar
widerspricht ein vom Verdienst abgekoppeltes Krankentagegeld zunächst dem
Zweck der Krankentagegeldversicherung, den Verdienstausfall abzudecken.
Diese Lösung von Verdienst und Krankentagegeld ist indes bereits in der
Ausgestaltung der Krankentagegeldversicherung als Summen- und nicht als
Schadensversicherung angelegt (s. BGH VersR 2001, 1100). Das bei einer
Diskrepanz zwischen Nettoeinkommen und Krankentagegeld erhöhte subjektive
Risiko des Versicherers besteht in erheblichem Maße bereits bei einem dem
Nettoeinkommen entsprechenden Krankentagegeld (vgl. Bach/Moser/Wilmes,
Private Krankenversicherung, 4. Auflage 2009, MB/KT § 4 Rn. 6) und ist durch die
Versicherungsprämien abgedeckt.
55 4. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 91 ZPO, die Entscheidung zur
vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
56 5. Der Senat hat die Revision gemäß § 543 ZPO zugelassen. Der Rechtsstreit ist
aufgrund der Bedenken in Literatur und Rechtsprechung gegen die Wirksamkeit
der Anpassungsregelung nach § 4 (4) MB/KT von grundsätzlicher Bedeutung.
Darüber hinaus steht die Entscheidung des Senats auch in Widerspruch zu der
Entscheidung des Oberlandesgerichts München vom 27. Juli 2012 – 25 U 4610/11
– (r+s 2012, 607) mit der Folge einer Divergenz.