Urteil des OLG Karlsruhe vom 15.12.2016

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OLG Karlsruhe Urteil vom 15.12.2016, 9 U 159/14
Bindungswirkung einer Nebenintervention im Regressprozess - Geltendmachung der Kosten
des Vorprozesses im Regressprozess
Leitsätze
1. Feststellungen zum Wert des in Verlust geratenen Gutes im Schadensersatzprozess gegen den Frachtführer
sind im Regressprozess des Frachtführers gegen den Subunternehmer bindend, wenn der Subunternehmer im
Vorprozess auf Beklagtenseite als Nebenintervenient beigetreten war. Das gilt grundsätzlich auch dann, wenn
für die Feststellungen im Vorprozess ein Verstoß des Frachtführers gegen prozessuale Erklärungspflichten
erheblich war.
2. Der Frachtführer kann im Regressprozess gegen den Subunternehmer auch die Kosten des verlorenen
Vorprozesses geltend machen, wenn diese einen Verzugsschaden im Sinne der Vorschriften des BGB darstellen;
im internationalen Straßengüterverkehr steht Art. 23 CMR diesem Anspruch nicht entgegen.
Tenor
1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Konstanz vom 27.11.2014 - 9 O 33/14 KfH -
wird zurückgewiesen.
2. Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
3. Dieses Urteil und das Urteil des Landgerichts sind vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung. Die
Beklagte kann eine Vollstreckung der Klägerin abwenden durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des nach
der Entscheidung des Senats vollstreckbaren Betrages, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit
in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
4. Die Revision wird teilweise zugelassen, soweit die Beklagte zur Erstattung von Kosten des Vorprozesses in
Höhe von 9.198,23 EUR nebst Zinsen verurteilt worden ist.
Gründe
I.
1 Die Parteien streiten über Schadensersatzansprüche aus einem Transportvertrag, nachdem das Transportgut
in Verlust geraten ist.
2 Am 19.04.2012 beauftragte die W. AG (Absenderin) die T. KG (im Folgenden abgekürzt: T.) mit dem
Transport von 13 Behältern mit Kupferschrott von Schalchen in Österreich zum Sitz der Absenderin in
Villingen-Schwenningen. Die T. beauftragte die Beklagte als Subunternehmerin mit der Durchführung des
Transports. Die Beklagte beauftragte ihrerseits C. H. als ausführenden Frachtführer.
3 Der Frachtführer C. H. holte die Behälter mit Kupferschrott am 20.04.2012 in Schalchen/Österreich ab. In
der Zeit zwischen dem 21.04.2012 und dem 23.04.2012 wurde der Lkw samt Ladung gestohlen. Das Gut
wurde nicht wieder aufgefunden.
4 In einem Vorprozess (Landgericht Konstanz - 8 O 16/13 KfH -) nahm die H. Versicherung AG (im Folgenden
abgekürzt: H.) die T. aus übergegangenem Recht auf Schadensersatz wegen des verlorengegangenen
Kupferschrotts in Anspruch. Die T. verkündete der Beklagten als Subunternehmerin im Vorprozess den Streit
wegen einer möglichen Regressforderung. Die Beklagte trat dem Rechtstreit auf Seiten der T. bei, um diese
zu unterstützen.
5 Das Landgericht erhob im Vorprozess Beweis über den Wert des verlorengegangenen Guts. Mit Urteil vom
12.12.2013 verurteilte das Landgericht die T. zum Schadensersatz in Höhe von 66.252,82 EUR nebst 5
Prozent Zinsen seit dem 27.04.2012. Das Landgericht sah es als erwiesen an, dass der Absenderin
(Versicherungsnehmerin der H.) durch den Diebstahl des Kupferschrotts ein Schaden in Höhe von 66.252,82
EUR entstanden war. Das Urteil des Landgerichts im Vorprozess ist rechtskräftig.
6 Die Klägerin war für den maßgeblichen Transport zusammen mit der X. Limited (im Folgenden abgekürzt: X.)
Haftpflichtversicherer der T., die Klägerin mit einer Quote von 85 %, die X. mit einer Quote von 15 %. Nach
dem Urteil im Vorprozess zahlten die Klägerin und die X. als Haftpflichtversicherer der T. den ausgeurteilten
Betrag nebst Zinsen an die H.. Außerdem erstatteten die Klägerin und die X. der H. die im Vorprozess
festgesetzten Kosten.
7 Im vorliegenden Verfahren hat die Klägerin von der Beklagten im Wege des Regresses Schadensersatz
verlangt. Als Subunternehmerin sei die Beklagte für den Schaden verantwortlich, welcher nach dem Urteil
im Vorprozess von der Klägerin und der X. reguliert wurde. Die Beklagte ist der Klage mit verschiedenen
Einwendungen entgegengetreten.
8 Mit Urteil vom 27.11.2014 hat das Landgericht Konstanz die Beklagte verurteilt, an die Klägerin 66.252,82
EUR nebst fünf Prozent Zinsen hieraus seit dem 27.04.2012 sowie weitere 9.198,23 EUR nebst Zinsen in
Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 09.07.2014 zu zahlen. Die Beklagte sei gemäß
Art. 3, 17 CMR i.V.m. § 86 VVG gegenüber der Klägerin zum Schadensersatz verpflichtet. Soweit die
Beklagte den Wert des in Verlust geratenen Kupferschrotts bestreite, sei dies rechtlich unerheblich. Denn
der Wert in Höhe von 66.252,82 EUR sei im Vorprozess rechtskräftig festgestellt worden. Auf Grund der
Streitverkündung im Vorprozess sei diese Feststellung auch im Regressprozess gegen die Beklagte gemäß §
68 ZPO bindend. Die Kosten des Vorprozesses in Höhe von insgesamt 9.198,23 EUR habe die Beklagte als
Verzugsschadensersatz zu ersetzen.
9 Gegen diese Entscheidung richtet sich die Berufung der Beklagten. Sie ist der Auffassung, den
Feststellungen im Vorprozess zum Wert des gestohlenen Kupferschrotts komme aus Rechtsgründen für das
vorliegende Verfahren keine Bindung zu. Die Beklagte habe den Wert des Gutes zulässig mit Nichtwissen
bestritten. An diesem Bestreiten halte die Beklagte auch im Berufungsverfahren fest. Das Landgericht hätte
die Beklagte ohne Beweiserhebung zur Schadenshöhe nicht zum Schadensersatz verurteilen dürfen. Zur
Erstattung von Prozesskosten aus dem Vorprozess sei die Beklagte zudem nicht verpflichtet. Denn im
Bereich der Geltung der CMR gebe es für eine solche Erstattungspflicht keine rechtliche Grundlage.
10 Die Beklagte hat zunächst in der Berufungsbegründung erklärt, das erstinstanzliche Urteil werde zwar
insgesamt angefochten. Gegenwärtig solle mit den angekündigten Berufungsanträgen jedoch nur in Höhe
von 3 % der erstinstanzlichen Verurteilung Klageabweisung beantragt werden. Hierin liege kein teilweiser
Berufungsverzicht. Eine Erweiterung der Anträge im Sinne einer vollständigen Aufhebung des
erstinstanzlichen Urteils und Klageabweisung bleibe vorbehalten. Mit Schriftsatz vom 12.08.2016 hat die
Beklagte eine weitergehende Antragstellung angekündigt.
11 Die Beklagte beantragt in der mündlichen Verhandlung,
12 das Urteil des Landgerichts Konstanz, Außenstelle Villingen-Schwenningen, Az: 9 O 33/14 KfH, vom
27.11.2014, zugestellt am 05.12.2014, aufzuheben und die Klage abzuweisen.
13 Die Klägerin beantragt,
14 die Berufung kostenpflichtig zurückzuweisen.
15 Die Klägerin verteidigt das erstinstanzliche Urteil. Die rechtskräftigen Feststellungen des Landgerichts zum
Wert des gestohlenen Gutes im Vorprozess seien entgegen der Auffassung der Beklagten gemäß § 68 ZPO
für das Regressverfahren bindend. Aus der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ergebe sich zudem, dass
die Beklagte auch die Kosten des Vorprozesses zu erstatten habe.
16 Wegen des weiteren Vorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze verwiesen.
II.
17 Die zulässige Berufung der Beklagten hat keinen Erfolg. Das Landgericht hat der Klage zu Recht in vollem
Umfang stattgegeben.
18 1. Die Berufung der Beklagten ist zulässig. Die Begründung entspricht entgegen der Auffassung der Klägerin
den Anforderungen gemäß § 520 Abs. 3 ZPO. Die Berufungsbegründung lässt erkennen, welche
Rechtsverletzungen nach Auffassung der Beklagten zu einer unzutreffenden erstinstanzlichen Entscheidung
geführt haben sollen. Auch wenn die Berufungsbegründung nach Auffassung der Beklagten eine
Klageabweisung insgesamt rechtfertigen würde, war die Beklagte nicht gehindert, Anträge schriftsätzlich
anzukündigen, die lediglich zu einer teilweisen Abänderung führen würden. Die Beklagte hat in zulässiger
Weise klargestellt, wie sich die angekündigte prozentuale Teilabweisung auf die einzelnen Teile des
Streitgegenstands auswirken sollte. Die ursprüngliche Teilanfechtung des erstinstanzlichen Urteils enthält
keinen Teilverzicht (vgl. zur Wirkung der Teilanfechtung Zöller/Heßler, Zivilprozessordnung, 31. Auflage
2016, § 520 ZPO, RdNr. 31). Die Antragserweiterung mit Schriftsatz vom 12.08.2016 war auch nach Ablauf
der Frist zur Berufungsbegründung zulässig.
19 2. Der Klägerin steht ein Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte in Höhe von 66.252,82 EUR zu gemäß
Art. 17 Abs. 1 CMR, Art. 3 CMR i.V.m. § 86 Abs. 1 VVG.
20 a) Auf das für den Anspruch maßgebliche Vertragsverhältnis ist deutsches Recht anwendbar. In den
Transportvertrag zwischen der T. und der Beklagten wurden die Allgemeinen Deutschen
Spediteurbedingungen (ADSp) einbezogen (vgl. die Anlage K 4). Aus Ziffer 30.3 ADSp ergibt sich die
Anwendbarkeit deutschen Rechts.
21 b) Grundlage des Anspruchs ist der zwischen der T. und der Beklagten zustande gekommene
Transportvertrag (vgl. den „Transportauftrag“ vom 20.04.2012, Anlage K 4). Gegenstand des Vertrages war
ein Transport im internationalen Straßengüterverkehr von Österreich nach Deutschland, so dass das
Übereinkommen über den Beförderungsvertrag im Internationalen Straßengüterverkehr (CMR) anwendbar
ist. Die Beklagte war Frachtführer im Sinne des Übereinkommens, da sie einen Transport zu einem festen
Frachtpreis ausführen sollte.
22 Der Anspruch der Klägerin beruht auf Art. 17 Abs. 1 CMR, da das zu transportierende Gut zwischen dem
Zeitpunkt der Übernahme und dem Zeitpunkt der Ablieferung unstreitig in Verlust geraten ist. Gemäß Art. 3
CMR haftet die Beklagte für das Handeln des von ihr beauftragten Frachtführers C. H.. Gründe für eine
Befreiung von der Haftung gemäß Art. 17 Abs. 2, 3 und 4 CMR liegen nicht vor.
23 c) Die Klägerin ist aus übergegangenem Recht zur Geltendmachung der Schadensersatzansprüche aus dem
Vertrag zwischen der T. und der Beklagten aktiv legitimiert.
24 aa) Die Klägerin und der Mitversicherer X. haben als Haftpflichtversicherer der T. die
Schadensersatzansprüche der W. AG reguliert. Durch die Zahlungen der Versicherer (66.252,82 EUR
Hauptforderung, 6.053,83 EUR Kostenerstattungsanspruch der Gläubigerin aus dem Vorprozess und
3.144,40 EUR Kosten der Versicherungsnehmerin im Vorprozess) sind die entsprechenden Regressansprüche
gegen die Beklagte auf die beiden Versicherer gemäß § 86 Abs. 1 VVG übergegangen.
25 bb) Der Anspruchsübergang gemäß § 86 Abs. 1 VVG folgt den Quoten der beiden Mitversicherer. Die
Klägerin ist mithin zu 85 Prozent Inhaberin der Regressansprüche gegen die Beklagte; zu 15 Prozent stehen
die Ansprüche der X. zu.
26 Soweit die Ansprüche der X. zustehen, liegen die Voraussetzungen einer zulässigen gewillkürten
Prozessstandschaft vor. Die Klägerin ist aus der vertraglichen Beziehung mit der X. zur Prozessführung
ermächtigt. Da sie selbst Mitgläubigerin ist, besteht ein schutzwürdiges Eigeninteresse der Klägerin, die
Ansprüche auch für die X. geltend zu machen.
27 3. Die Beklagte hat gemäß Art. 23 Abs. 1 CMR den Wert des in Verlust geratenen Gutes zu ersetzen. Dieser
beträgt 66.252,82 EUR. Die Wertgrenze gemäß Art. 23 Abs. 3 CMR spielt keine Rolle, da die Wertgrenze
gemäß Art. 23 Abs. 3 CMR unstreitig über dem Betrag von 66.252,82 EUR liegt.
28 a) Der Wert des Gutes ist im Vorprozess (Landgericht Konstanz - 8 O 16/13 -) zwischen der H. und der T.
festgestellt worden. Die Feststellung des Wertes ist gemäß § 68 ZPO für die Entscheidung im vorliegenden
Verfahren bindend.
29 Die Streitverkündung der T. gegenüber der Beklagten war im Hinblick auf die in Betracht kommenden
Regressansprüche gemäß § 72 Abs. 1 ZPO zulässig. Die Bindungswirkungen des Vorprozesses für die
Beklagte ergeben sich aus §§ 74 Abs. 1, 3, 68 ZPO, i. V. m. § 325 Abs. 1 ZPO analog. Zwar war die Klägerin
nicht Partei des Vorprozesses. Sie kann sich dennoch auf die Bindungswirkungen berufen, die zu Lasten der
Beklagten eingetreten sind, da die Klägerin Rechtsnachfolgerin der T. (Klägerin des Vorprozesses) ist (vgl.
RGZ 54, 350, 354; LG Dresden BauR 2006, 1335; Schultes in Münchener Kommentar, ZPO, 5. Auflage
2016, § 68 ZPO Rn. 7; Zöller/Vollkommer, 31. Auflage 2016, § 68 ZPO Rn. 7). Bindend sind diejenigen
tragenden Feststellungen des Ersturteils, welche für die Entscheidung im Vorprozess in gleicher Weise
relevant sind wie für die Entscheidung im Folgeprozess. Zu den tragenden Gründen der Entscheidung des
Landgerichts im früheren Verfahren gehörte die Feststellung des Wertes im Sinne von § 23 Abs. 1 CMR. Für
die Entscheidung im vorliegenden Regressprozess ist der selbe Wert des selben in Verlust geratenen Gutes
relevant. Daraus ergibt sich, dass die Beklagte die Entscheidung des Landgerichts im Ersturteil über den
Wert des Gutes als für sie bindend hinnehmen muss.
30 b) Das Landgericht hat im Vorprozess die Entscheidung u.a. darauf gestützt, dass die dortige Beklagte den
Inhalt der transportierten Behälter pauschal „ohne jegliche Grundlage ins Blaue hinein“ bestritten habe. Das
Landgericht hat die Auffassung vertreten, dieses Bestreiten sei unerheblich. Dabei handelt es sich der Sache
nach um eine Anwendung der Regelungen zur Erklärungspflicht in § 138 ZPO. Der Umstand, dass eine
unzureichende Erklärung der damaligen Beklagten für die Entscheidung im Vorprozess mit ursächlich war,
ändert an der Bindungswirkung gemäß § 68 ZPO nichts.
31 Bedenken könnten gegen die Bindungswirkung nur dann bestehen, wenn für die Feststellung des Wertes
des gestohlenen Gutes im Regressprozess andere rechtliche Grundsätze gelten würden als im Vorprozess.
Dies ist jedoch nicht der Fall. Insbesondere gelten für die Erklärungspflicht der T. im Vorprozess die gleichen
Grundsätze wie für die Erklärungspflicht der Beklagten im Regressprozess. Ungeachtet des Umstandes, dass
die Darlegungs- und Beweispflicht für den Wert des in Verlust geratenen Gutes grundsätzlich der
Gläubigerin obliegt, kommt jeweils eine Pflicht des Frachtführers zu konkreten Erklärungen zum Vorbringen
der Gegenseite gemäß § 138 Abs. 1, 2 ZPO in Betracht. Der Umfang der Erklärungspflicht eines
Frachtführers zu dem in Verlust geratenen Gut richtet sich allein nach prozessualen Grundsätzen. Wenn es
keine Bindungswirkung gäbe, würden für die Erklärungspflicht der Beklagten im vorliegenden Verfahren
dieselben rechtlichen Anforderungen gelten wie für die Erklärungspflicht der T. im Vorprozess. Die
Erklärungspflicht richtet sich danach, inwieweit es der T. einerseits und der Beklagten andererseits möglich
und zumutbar ist, anhand der vorhandenen Unterlagen und durch Erkundigungen im Rahmen der
Vertragsbeziehungen zu den Subunternehmern Informationen über das in Verlust geratene Gut zu
erlangen, um eine Erklärung ins Blaue hinein zu vermeiden (vgl. zur Erklärungspflicht Zöller/Greger a.a.O., §
138 ZPO, RdNr. 16). Mithin sind nicht nur die materiellen Grundlagen, sondern auch die prozessualen
Regeln, nach denen der Wert des in Verlust geratenen Gutes bestimmt wird, im Vorprozess identisch mit
den rechtlichen Regeln im Regressprozess. Dies ist für die Interventionswirkung entscheidend.
32 c) Die Auffassung der Beklagten, eine Bindungswirkung könne nicht bestehen, weil die Transportaufträge im
Verhältnis zwischen der W. AG und der T. einerseits und zwischen der T. und der Beklagten andererseits
unterschiedlich formuliert seien, ist unzutreffend. Entscheidend ist allein, dass der Vertragsgegenstand der
beiden Beförderungsverträge, nämlich der in Schalchen/Österreich abzuholende Kupferschrott, identisch
war. Es trifft entgegen der Auffassung der Beklagten nicht zu, dass bei unterschiedlich formulierten
Aufträgen für das Bestreiten der Beklagten im Regressprozess andere Grundsätze gelten als für das
Bestreiten der T. im Vorprozess. Die prozessualen Pflichten der Beklagten im Rahmen von § 138 ZPO
hängen nicht davon ab, wie das abzuholende Gut (Kupferschrott) im Transportauftrag (vgl. die Anlage K 4)
konkretisiert war. Die Erklärungspflichten der Beklagten im Prozess hängen vielmehr allein davon ab,
inwieweit es der Beklagten möglich und zumutbar war, sich nachträglich zu vergewissern, welches Gut in
welcher Menge der von ihr beauftragte Frachtführer C. H. tatsächlich übernommen hat. In diesem Punkt
unterscheidet sich die Stellung der Beklagten nicht von der Stellung der T. im Vorprozess; denn die
Möglichkeiten, sich nachträglich zu informieren, welches Gut vom Frachtführer C. H. übernommen wurde,
waren für die Beklagte keinesfalls schlechter als für ihre Auftraggeberin, die T., als Beklagte des
Vorprozesses.
33 d) Eine Bindungswirkung käme nur dann nicht in Betracht, wenn die Beklagte im Vorprozess gemäß § 68 2.
Halbsatz ZPO gehindert gewesen wäre, bestimmte Angriffs- oder Verteidigungsmittel geltend zu machen.
Eine solche Hinderung gab es jedoch nicht. Die Beklagte hätte als Streithelferin im Vorprozess in gleicher
Weise wie die damalige Beklagte den in Schalchen/Österreich übernommenen Kupferschrott konkretisieren
können, um dem Vorwurf des Landgerichts einer unzulässigen Erklärung ins Blaue hinein zu begegnen. Es
gab im Vorprozess keine Handlung der Hauptpartei, durch welche die Beklagte gehindert worden wäre,
schriftsätzliche Erklärungen zum in Verlust geratenen Gut abzugeben.
34 e) Die Auffassung der Beklagten, bei Vertragsketten komme eine Bindungswirkung von entsprechenden
Feststellungen aus dem Vorprozess für den Nachfolgeprozess generell nicht in Betracht, trifft nicht zu. Bei
Vertragsketten ergeben sich Einschränkungen für eine Bindungswirkung aus dem Vorprozess nur dann,
wenn die in den beiden Verfahren zu behandelnden Streitfragen nicht vollständig identisch sind (vgl.
Zöller/Vollkommer a.a.O., § 68 ZPO, RdNr. 10; OLG Celle, OLGR 2000, 27). Eine solche Differenz ist
vorliegend nicht gegeben. Denn der Vertragsgegenstand (Transport eines bestimmten Gutes von Schalchen/
Österreich nach Villingen-Schwenningen) war in beiden Beförderungsverträgen identisch. Für die relevante
Bestimmung des Wertes gemäß Art. 23 Abs. 1 CMR galten zudem bei beiden Verträgen die gleichen
materiellen und prozessualen Grundsätze (s.o.).
35 f) Da die Voraussetzungen für eine Interventionswirkung gemäß § 68 ZPO vorliegen, kommt es nicht darauf
an, ob und inwieweit das Landgericht im Vorprozess richtig entschieden hat. Es ist daher unerheblich, ob
und inwieweit im Vorprozess der Umfang der Erklärungspflichten für die dortige Beklagte zutreffend
bestimmt wurde. Es kann auch dahinstehen, ob das Landgericht vor einer Entscheidung auf Mängel im
Sachvortrag der Beklagten gemäß § 139 ZPO hätte hinweisen müssen. Der Einwand einer möglicherweise
unrichtigen Entscheidung im Vorprozess ist der Beklagten gemäß § 68 ZPO abgeschnitten.
36 4. Die Klägerin kann von der Beklagten auch Erstattung der Kosten des Vorprozesses in Höhe von insgesamt
9.198,23 EUR (Kostenerstattungsanspruch der Gegenseite im Vorprozess und eigene Kosten der
Versicherungsnehmerin) verlangen.
37 a) Der gemäß § 86 Abs. 1 VVG übergegangene Anspruch der Klägerin beruht auf §§ 280 Abs. 1, 286 Abs. 1
BGB. Die Beklagte ist durch das Schreiben der Sch. KG vom 05.07.2012 (Anlage K 11) in Verzug geraten.
Der Umstand, dass die Beklagte trotz Mahnung nicht zu einer Freistellung der T. gegenüber den Ansprüchen
der W. AG bereit war, hat die Kosten des Vorprozesses verursacht. Denn die T. hätte sich gegenüber den
Ansprüchen ihrer Vertragspartnerin nicht streitig gestellt, wenn sie gewusst hätte, dass die Beklagte als
Subunternehmerin ihrerseits zur Leistung von Schadensersatz bereit war (vgl. BGH, NJW-RR 2001, 170).
38 b) Die Anwendung der CMR steht einem Rückgriff auf das nationale Recht nicht entgegen, soweit es um die
Folgen des Verzuges geht. Art. 23 CMR enthält eine abschließende Regelung nur für die Folgen eines
Beförderungsverzugs, nicht jedoch für die Rechtsfolgen einer verspäteten Entrichtung der Entschädigung.
Wenn ein Frachtführer - wie die Beklagte - mit der Zahlung der Entschädigung in Verzug gerät, sind daher
die Vorschriften über die Verzugsfolgen im BGB neben den Regeln der CMR anwendbar (vgl. hierzu
ausführlich BGH, NJW-RR 2001, 170).
39 Entgegen der Auffassung der Beklagten lässt sich der späteren Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom
01.07.2010 (NJW-RR 2011, 117) nicht ohne Weiteres eine abweichende Rechtsauffassung entnehmen. Zwar
hat der Bundesgerichtshof in dieser Entscheidung bei einem internationalen Straßengütertransport die
Kosten des Vorprozesses im Regressverfahren gegen den Unterfrachtführer nicht für ersatzfähig gehalten.
Dabei geht aus den Entscheidungsgründen nicht eindeutig hervor, ob in dieser Entscheidung die sich aus der
früheren Entscheidung (BGH, NJW-RR 2001, 170) ergebende Differenzierung übersehen wurde (davon geht
Thume, Transportrecht 2012, 61 aus), oder ob in der neueren Entscheidung (anders als im Sachverhalt der
früheren Entscheidung) die Voraussetzungen für einen Verzug nicht festgestellt waren. Jedenfalls ergibt sich
aus der Entscheidung vom 01.07.2010 nicht, dass damit die bis dahin anerkannte Differenzierung im
Rahmen von Artikel 23 CMR (gemäß BGH, NJW-RR 2001, 170) aufgegeben werden sollte. Der Senat geht
daher davon aus, dass die vorliegende Entscheidung, soweit es um die Erstattung von Kosten des
Vorprozesses geht, weiterhin der höchstrichterlichen Rechtsprechung entspricht (ebenso Thume a.a.O.;
anders allerdings OLG München, Transportrecht 2011, 434).
40 5. Die geltend gemachten Zinsen stehen der Klägerin zu gemäß Art. 27 Abs. 1 CMR und §§ 286 Abs. 1, 288
Abs. 1 BGB.
41 6. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
42 Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Ziffer 10, 711 ZPO.
43 7. Der Senat lässt die Revision teilweise zu gemäß § 543 Abs. 2 Ziffer 1 ZPO. Die Frage, ob Artikel 23 CMR
einer Geltendmachung von Kosten des Vorprozesses im Regressprozess entgegensteht, hat grundsätzliche
Bedeutung. Im Hinblick auf die abweichende Entscheidung des Oberlandesgerichts München (Transportrecht
2011, 334) kommt eine Klarstellung der höchstrichterlichen Rechtsprechung in Betracht. Die Zulassung der
Revision ist auf einen Teil des Streitgegenstandes zu beschränken, da die für die Entscheidung in der
Hauptforderung maßgeblichen Fragen zu § 68 ZPO in der Rechtsprechung geklärt sind.