Urteil des OLG Karlsruhe vom 08.09.2016

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OLG Karlsruhe Beschluß vom 8.9.2016, 6 U 58/16
Patentverletzungsverfahren: Einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung aus einer
Verurteilung zum Rückruf und zur Entfernung patentverletzender Erzeugnisse bei FRAND-
Lizenzeinwand gegen ein Patent betreffend den DVD-Standard
Leitsätze
1. Zur Frage der einstweiligen Einstellung der Zwangsvollstreckung (§§ 719 Abs. 1, 707 ZPO) aus einer
Verurteilung zum Rückruf und zur Entfernung patentverletzender Erzeugnisse aus den Vertriebswegen nach
Erhebung des sog. FRAND-Lizenzeinwands.
2. Der Umstand, dass die Verurteilung zur Auskunft und Rechnungslegung in einem sog. FRAND-Fall sich auch
auf Angaben erstreckt, die der Schadensberechnung nach Maßgabe des Verletzergewinns dienen, rechtfertigt
für sich genommen nicht die einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung.
Tenor
1. Die Zwangsvollstreckung aus Ziffer 4.a) (Rückruf/Entfernung aus den Vertriebswegen) des Urteilsausspruchs
im Urteil des Landgerichts Mannheim vom 04.03.2016 (Az. 7 O 24/14) wird gegen Sicherheitsleistung in Höhe
von 150.000,00 Euro bis zur Entscheidung des Senats über die Berufung der Beklagten einstweilen eingestellt.
2. Der weitergehende Antrag auf einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung wird zurückgewiesen.
Gründe
I.
1 Die Parteien streiten über die Folgen einer Inanspruchnahme der Beklagten durch die Klägerin wegen
behaupteter Patentverletzung.
2 Die Klägerin, ein japanischer Elektronik-Konzern, ist eingetragene Inhaberin des europäischen Patents EP 0
734 181 B1 betreffend „Subtitle data encoding/decoding and recording medium for the same“, das am
21.03.1996 angemeldet wurde. Das Patent beansprucht eine Priorität vom 23. März 1995. Der Hinweis auf
die Patenterteilung wurde am 6. Mai 2004 veröffentlicht. Der deutsche Teil des Klagepatents (im Folgenden
„Klagepatent“) stand unter DE 696 28 487.1 bis zum Auslaufen des Klagepatents in Kraft. Der unabhängige
Anspruch 5 des Klagepatents hat – in der Verfahrenssprache und in deutscher Übersetzung – folgenden
Wortlaut:
3 Gegen das Klagepatent hat die XX GmbH am 22.07.2014 Nichtigkeitsklage vor dem Bundespatentgericht
erhoben. Die Nichtigkeitsklage beruft sich auf eine unzulässige Erweiterung und fehlende Neuheit des
Anspruchs 5 des Klagepatents. Für den weiteren Inhalt der Nichtigkeitsklage wird auf Anlage … verwiesen.
4 Die Beklagte ist die deutsche Tochtergesellschaft des ZZ-Konzerns. Sie vertreibt im Inland Computer,
Notebooks und sogenannte Ultra-Books der taiwanesischen Muttergesellschaft ZZ Inc., darunter die Modelle
…. Die angegriffenen Geräte sind dazu ausgebildet, nach dem DVD-Standard codierte Videodateien zu
decodieren und wiederzugeben. Die hierfür vorinstallierte Software stammt von der taiwanesischen Firma
….
5 Der DVD-Standard (DVD Specifications for Read-Only Disc, Part 3, Video Specification, Version 1.1, Anlage K
4c) bietet die Möglichkeit, eine sog. Farbwischblende zu realisieren, mit der die farbliche Unterteilung eines
Untertitels in zwei Bereiche und das Fortschreiten der Farbgrenze etwa mit einem zu sprechenden oder zu
singenden Text erreicht werden kann. Die Klägerin sieht in der Realisierung eines verschiebbaren
Farbumschlags im Untertitel nach dem DVD-Standard eine Benutzung der technischen Lehre des ihrer
Ansicht nach rechtsbeständigen Klagepatents.
6 Die Klägerin hat mit der Lizenzierung ihrer Schutzrechte, die sie für essentiell für den DVD-Standard hält,
darunter das Klagepatent, den Patent-Pool A beauftragt. Bei A handelt es sich um ein in … ansässiges
Unternehmen, das neben den Patenten der Klägerin auch Schutzrechte dreier weiterer
Elektronikunternehmen in deren Auftrag verwertet, wobei es etwaigen Interessenten auch freisteht, direkte
Lizenzverträge mit den Pool-Mitgliedern für deren Schutzrechte abzuschließen.
7 Anfang 2013 trat A an die Konzernmutter der Beklagten heran und stellte das Lizenzprogramm vor. Es kam
zu jedenfalls einem Gespräch und zwei schriftlichen Kontaktaufnahmen durch A, nicht aber zu konkreten
Lizenzverhandlungen. Mit Klageerwiderung legte die Beklagte ein Lizenzvertragsangebot vom 30.05.2014
für einen Lizenzvertrag zwischen den Parteien vor. Gegenstand des Lizenzangebots ist eine auf
Deutschland und das Klagepatent beschränkte Lizenz zugunsten der Beklagten. Sie erklärte, sie sei bereit,
über einer Portfolio-Lizenz für die deutschen Patente der Klägerin zu verhandeln und im Fall der
Nichteinigung die Lizenzgebühr durch ein Gericht oder Schiedsgericht festlegen zu lassen; das gelte auch für
den Fall, dass die Klägerin das Lizenzangebot nicht annehmen werde. Die Klägerin antwortete hierauf mit
Schreiben vom 25.07.2014. In diesem Schreiben schlug sie vor, das Beklagtenangebot dahingehend
abzuändern, dass Lizenznehmer die Muttergesellschaft der Beklagten ist, dass Lizenzgegenstand eine
Portfolio-Lizenz an allen A-Pool-Patenten der Klägerin ist und dass die Lizenz alle Länder umfasst, in denen
eines der Lizenzpatente gewährt wurde. Für die Identifizierung der Portfoliopatente verwies die Klägerin auf
die Internet-Seite der A. Hierauf ließ sich die Beklagte nicht ein, sondern teilte der Klägerin mit Schreiben
vom 22.08.2014 mit, wie viele Computer mit der DVD-Software sie im Zeitraum 04.07.2003 bis 30.06.2014
in Deutschland in den Verkehr gebracht habe, und hinterlegte beim Amtsgericht Düsseldorf einen Betrag in
Höhe von USD 12.972,06. Am 13.03.2015 unterbreitete die Klägerin der Muttergesellschaft der Beklagten
ein neues Angebot in Form eines Lizenzvertragsentwurfs, der eine weltweite Portfolio-Lizenz zum
Gegenstand hatte, umriss die Ableitung von Stücklizenzgebühren aus den A-Sätzen und fügte beispielhaft
für zwei Patente aus dem Pool Claim-Charts bei. Im Antwortschreiben vom 05.05.2015 forderte die Mutter
der Beklagten zur Beurteilung der Verletzungsfrage und des Rechtsbestands der Portfolio-Patente weitere
Informationen in Form von detaillierten Claim-Charts für alle Patente sowie eine weitergehende Erläuterung
der Lizenzgebühr. Mit Schreiben vom 25.06.2015 übersandte die Klägerin daraufhin Claim-Charts zu drei
weiteren ihrer Patenten aus dem A-Portfolio mit dem Hinweis, dass nun zu jeder vom Lizenzangebot
umfassten Familie eine Erläuterung vorliege, und schlug ein persönliches Treffen vor. Der Wunsch nach
weiteren Erläuterungen zur Berechnung der Lizenzgebühr sei nicht nachzuvollziehen, entsprechende
konkrete Fragen könnten jedoch gestellt und in dem Treffen beantwortet werden. Hierauf antwortete die
Mutter der Beklagten mit Schreiben vom 13.07.2015 (Anlage K 1i). In diesem Schreiben hielt sie allein einen
der am 25.06.2015 übersandten Claim-Charts für ausreichend detailliert und forderte entsprechende Claim-
Charts für alle Portfolio-Patente. Die Lizenzgebühr müsse in Bezug auf die Klägerin und nicht in Bezug auf A
erläutert, zudem müssten Referenzverträge vorgelegt werden. Mit Schreiben vom 27.07.2015 wies die
Klägerin die Kritik der Beklagten zurück und wiederholte ihren Wunsch, in Verhandlungen einzutreten.
8 Am 03.09.2015 kam es zu einem Treffen von Vertretern der Klägerin und der Muttergesellschaft der
Beklagten am Sitz der Mutter der Beklagten in …. Das Treffen endete ohne spezifisches Resultat. Im
Nachgang hierzu übersandte die Klägerin der Mutter der Beklagten mit Schreiben vom 30.09.2015 eine
Power-Point-Präsentation mit weiteren technischen Erläuterungen zu einzelnen Patenten und machte
weitere Angaben zu dem Zuschlag gegenüber der A-Lizenzhöhe aufgrund der Teillizenzierung. Die Beklagte
antwortete mit Schreiben vom 05.01.2016, wies die Verletzung der Portfolio-Patente zurück und bezog sich
hinsichtlich der Kritikpunkte an der Lizenzgebühr auf den hiesigen Schriftsatz vom 29.10.2015.
9 Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, sie sei an der Durchsetzung ihrer Rechte nicht aus
kartellrechtlichen Gründen gehindert. Sie habe schon keine marktbeherrschende Stellung inne und sei damit
nicht Adressatin der Art. 101, 102 AEUV. Selbst wenn man die Normadressateneigenschaft unterstelle, habe
sie aber auch alle kartellrechtlichen Anforderungen erfüllt, insbesondere der Beklagten ein FRAND-Angebot
unterbreitet und sie in ausreichendem Maß über die ihr vorgeworfenen Verletzungshandlungen informiert.
Überdies sei sie stets gewillt gewesen, sich an die von ihr in der Vergangenheit abgegebene FRAND-
Erklärung zu halten. Sie könne lediglich das Original dieser Erklärung nicht vorlegen, was aber
kartellrechtlich ohne Relevanz sei. Sie habe sich auch nicht an die Herstellerin der DVD-Software halten
müssen, sondern sei befugt, aus dem Klagepatent gegen die Beklagte vorzugehen. Das von der Beklagten
vorgelegte Lizenzangebot sei hingegen ersichtlich nicht FRAND, da es auf das Klagepatent und die Verkäufe
in der Bundesrepublik Deutschland beschränkt sei. Ein solches Angebot brauche die Klägerin nicht
anzunehmen, weil zahlreiche parallele ausländische Patente der gleichen Patentfamilien existierten und die
Gesellschaften des Acer-Konzerns in sämtlichen Ländern, in denen Schutzrechte dieser Patentfamilie erteilt
worden seien, identische Computer wie die hier angegriffenen Ausführungsformen vertreiben würden. Die
Beklagte stelle die angegriffenen Ausführungsformen auch her.
10 Die Beklagte hat geltend gemacht, der DVD-Standard mache von der technischen Lehre des Klagepatents
keinen Gebrauch. Die Rückrufs- und Vernichtungsansprüche seien unverhältnismäßig, da die vorinstallierte
Software von den PCs gelöscht werden könne. Die Klägerin sei an der Durchsetzung der mit der Klage
geltend gemachten Ansprüche auch aus kartellrechtlichen Gründen gehindert. Sie habe keine FRAND-
Erklärung abgegeben und dennoch erwirkt, dass das Klagepatent in den Standard aufgenommen wird.
Bereits aus diesem Grund sei das Klagepatent nicht durchsetzbar. Die Verweigerung einer FRAND-Lizenz
gegenüber der Beklagten stelle zudem einen Verstoß sowohl gegen das Kartellverbot des Artikel 101 AEUV
als auch gegen das Missbrauchsverbot des Artikels 102 AEUV dar, so dass die Klägerin das Klagepatent aus
diesen Gründen ebenfalls nicht durchsetzen könne. Artikel 102 AEUV finde im vorliegenden Fall Anwendung,
da die Klägerin sowohl den Produktmarkt für „DVD-Wiedergabegeräte“ als auch den vorgelagerten
Technologiemarkt für die Vergabe von Lizenzen im DVD-Sektor beherrsche. Diese marktbeherrschende
Stellung habe die Klägerin missbraucht, da sie die Vorgaben des Gerichtshofs der Europäischen Union
(nachstehend: EuGH) aus der Entscheidung Huawei Technologies/ZTE (C-170/13) nicht beachtet habe.
Zudem sei die Klägerin kartellrechtswidrig gegen die Beklagte als bloßes Vertriebsunternehmen
vorgegangen, obwohl sie sich an die Herstellerin der DVD-Software habe halten müssen. Jedenfalls sei der
vorliegende Verletzungsrechtstreit aber bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Nichtigkeitsklage der
XX GmbH vom 22.07.2014 auszusetzen. Angesichts der Verstöße der Klägerin gegen Art. 101 AEUV durch
Nichtabgabe einer FRAND-Verpflichtungserklärung sei auch die zulässige Zwischenfeststellungsklage
begründet. Der widerklagend hilfsweise geltend gemachten Anträge begründeten sich aus Art. 101 AEUV, §
33 Abs. 1 bzw. Abs. 3 GWB.
11 Mit dem angefochtenen Urteil, auf das wegen aller Einzelheiten Bezug genommen wird, hat das Landgericht
der Klage unter Abweisung der weitergehenden Anträge und der Widerklage wie folgt überwiegend
stattgegeben:
12 1. Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht
festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu EUR 250.000 — ersatzweise Ordnungshaft — oder Ordnungshaft
bis zu sechs Monaten, im Falle wiederholter Zuwiderhandlungen bis zu insgesamt zwei Jahren, wobei die
Ordnungshaft an ihren jeweiligen Geschäftsführern zu vollstrecken ist, zu unterlassen,
13 Vorrichtungen zum Decodieren von Untertiteln für die Verwendung in einem Video-bild-Anzeigesystem
14 in der Bundesrepublik Deutschland anzubieten, in den Verkehr zu bringen oder zu ge-brauchen oder zu den
genannten Zwecken einzuführen oder zu besitzen,
15 wenn die Vorrichtungen aufweisen:
16 eine Farbnachschlagtabelle mit Adressen für den Zugriff auf Anzeigedaten, eine Einrichtung zum Empfangen
von Datenblöcken, die Ladeblöcke und Pixeldatenblöcke enthalten, wobei die Pixeldatenblöcke
Untertiteldaten repräsentieren und die Lade-blöcke eine Umsteuerpositionsinformation enthalten und diese
Umsteuerpositionsinformation für die Aktualisierung einer in dem Videobild liegenden Änderungsposition
benutzt wird, wobei eine laufende Adresse für den Zugriff auf die Farbnachschlagtabelle in jeder
Rahmenperiode in die nächste Adresse veränderbar ist, so dass an der durch die
Umsteuerpositionsinformation angegebenen Änderungsposition auf unterschiedliche Anzeigedaten
zugegriffen wird, wobei die Umsteuerpositionsinformation Verzögerungslängendaten enthält, die zur
Steuerung der Verzögerung bei der Aktualisierung der Änderungsposition benutzt werden, wenn die gleiche
Umsteuerinformation sich über mehrere Rahmen fortsetzt, eine Einrichtung (200) zum Detektieren der
Umsteuerpositionsinformation aus den Ladeblöcken und eine Einrichtung (210 bis 209) zum Anzeigen der
Untertitel und des Videobilds auf einem Anzeige-bildschirm als Funktion der Umsteuerpositionsinformation
und der Farbnachschlagtabelle,
17 - Anspruch 5 des EP 0 734 181 B1 -
18 2. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin in einer gesonderten Aufstellung hinsichtlich der Angaben a.
und b. unter Vorlage von Rechnungen oder Lieferscheinen oder Quittungen darüber Angaben zu machen, in
welchem Umfang sie die unter Ziffer 1 bezeichneten Handlungen seit dem 4. Juli 2003 begangen haben und
zwar unter Angabe
19 a) der Menge der erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse, sowie der Namen und Anschriften der Hersteller,
Lieferanten und anderer Vorbesitzer,
20 b) der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten und -preisen, den jeweiligen
Typenbezeichnungen sowie den Namen und Anschriften der Abnehmer,
21 c) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten und -preisen, der jeweiligen
Typenbezeichnungen sowie der Namen und Anschriften der Angebotsempfänger,
22 d) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe,
Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet, im Falle von Internet-Werbung der Domain, den
Zugriffszahlen und den Schaltungszeiträumen,
23 e) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns,
24 wobei der Beklagten vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften der nicht-gewerblichen Abnehmer und
Angebotsempfänger statt der Klägerin einem von ihnen zu bezeichnenden, der Klägerin gegenüber zur
Verschwiegenheit verpflichteten vereidigten Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern die Beklagten dessen
Kosten tragen und ihn ermächtigen und verpflichten, der Klägerin auf konkrete Anfrage mitzuteilen, ob ein
bestimmter Abnehmer oder Angebotsempfänger in der Aufstellung enthalten ist.
25 3. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der ihr
durch die in Ziffer 1 bezeichneten Handlungen seit dem 4. Juli 2003 entstanden ist und noch entstehen
wird.
26 4. Die Beklagte wird verurteilt,
27 a) die vorstehend unter Ziffer 1. bezeichneten, im Besitz gewerblicher Dritter befindlichen Erzeugnisse,
soweit diese nach dem 29. April 2006 in den Verkehr gebracht wurden, aus den Vertriebswegen
zurückzurufen und endgültig zu entfernen,
28 b) in ihrem unmittelbaren oder mittelbaren Besitz und/oder Eigentum befindliche, vorstehend unter Ziffer 1.
bezeichnete Erzeugnisse auf eigene Kosten zu vernichten oder nach ihrer Wahl an einen von ihr zu
benennenden Treuhänder zum Zwecke der Vernichtung auf Kosten der Beklagten herauszugeben
(alternativ an einen zur Vernichtung bereiten Gerichtsvollzieher).
29 Das Landgericht hat ausgeführt, die angegriffenen Computer mit vorinstallierter Software machten aufgrund
ihrer Standardkonformität von der technischen Lehre des Klagepatents wortsinngemäßen Gebrauch.
Erschöpfung der Patentrechte sei nicht eingetreten. Die Beklagte könne den aus der Patentverletzung
folgenden Ansprüchen keine kartellrechtlichen Einwendungen entgegenhalten. Ein Missbrauch im Sinne des
Art. 102 AEUV liege nicht vor. Die Klägerin habe die nach dem vom Landgericht näher dargelegten
Verständnis der Entscheidung C-170/13 des EuGH geltenden Bedingungen für die gerichtliche
Geltendmachung von Unterlassungs- und Rückrufsansprüchen jedenfalls im Verlauf des vorliegenden
Verfahrens genügt, was ausreichend sei. Hierauf habe die Beklagte nicht mit einem den Anforderungen
entsprechenden Gegenangebot zum Abschluss eines FRAND-Lizenzvertrags reagiert; sie habe auch nicht die
erforderliche Sicherheit geleistet. Auch die übrigen kartellrechtlichen Einwendungen der Beklagten ließen
die Durchsetzbarkeit der verfolgten Ansprüche nicht entfallen.
30 Mit der hiergegen eingelegten Berufung verfolgt die Beklagte – soweit hier von Interesse – ihr auf
Abweisung der Klage gerichtetes Prozessziel weiter. Was den Antrag auf einstweilige Einstellung der
Zwangsvollstreckung angeht, hat sie zunächst beantragt,
31 die Zwangsvollstreckung aus Ziffer 2.e) (Auskunft zu Gestehungskosten und erzieltem Gewinn) und Ziffer
4.b) (Vernichtung) des Urteilsausspruchs im Urteil des Landgerichts Mannheim vom 08.01.2016 (Az. 7 O
24/14) gegen Sicherheitsleistung, deren Höhe vom Senat zu bestimmen ist, einstweilen einzustellen.
32 Mit Schriftsatz vom 05.08.2016 hat sie vorgetragen, sie konkretisiere ihren bisherigen Antrag auf
einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung und beantrage nunmehr,
33 die Zwangsvollstreckung aus Ziffer 2. (Auskunft/Rechnungslegung) des Tenors des Urteils des Landgerichts
Mannheim vom 08.01.2016 (Az. 7 O 24/14) gegen Sicherheitsleistung, deren Höhe vom Senat zu
bestimmen ist, einstweilen einzustellen, einstweilen einzustellen, soweit sie [
gemeint: die Verurteilung
gemäß Ziff. 2] über die Angabe der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen und -zeiten
hinausgeht, sowie die Zwangsvollstreckung aus Ziffer 4.a) (Rückruf und Entfernung) des Tenors des Urteils
des Landgerichts Mannheim vom 08.01.2016 (Az. 7 O 24/14) gegen Sicherheitsleistung, deren Höhe vom
Senat zu bestimmen ist, einstweilen einzustellen.
34 Sie trägt vor, sie habe der Klägerin mit Schreiben vom 22.08.2014 und vom 30.01.2015 unter Nennung der
exakten Liefermengen von Computern, die mit der streitgegenständlichen Software ausgestattet sind, für
die jeweiligen Zeiträume Rechnung gelegt; mit Schreiben vom 27.04.2015 habe sie mitgeteilt, dass sie in
Deutschland seit Anfang 2015 keine Computer mehr mit der Software ausliefere. Damit habe sie den
Rechnungslegungstenor erfüllt, soweit er sich auf Angaben beziehe, die zur Berechnung des der Klägerin
allein zustehenden Entschädigungsanspruchs in Höhe einer FRAND-Lizenz erforderlich seien. Da die
Parteien übereinstimmend eine Stücklizenz für einschlägig hielten, bedürfe es nicht der Mitteilung der Preise
und des erzielten Gewinns. Ein über die Angabe von Liefermengen und -zeiten hinausgehender Auskunfts-
und Rechnungslegungsanspruch würde außer Acht lassen, dass der Auskunfts- und
Rechnungslegungsanspruch als vorbereitender Anspruch für einen Schadensersatzanspruch nicht weiter
gehen könne als der Schadensersatzanspruch, der aber auf eine FRAND-Lizenz limitiert sei. Die ergebe sich
schon aus der offensichtlichen Fehlerhaftigkeit der vom Landgericht festgestellten FRAND-Konformität. Bei
Vollstreckung der weitergehenden Auskunft drohten der Beklagten nicht zu ersetzende Nachteile, die die
Interessen der Klägerin an der Vollstreckung weit überwögen.
35 Der in Ziffer 4.a) des Urteilstenors titulierte Anspruch auf Rückruf und Entfernung aus den Vertriebswegen
stehe der Klägerin nicht zu, weil seine Geltendmachung evident gegen europäisches Kartellrecht verstoße
und die Klage schon aus diesem Grund hätte abgewiesen werden müssen. Die Verurteilung beruhe insoweit,
wie sich aus S. 47, 1. Absatz, des Urteils ergebe, auf der Auffassung des Landgerichts, wonach es ausreiche,
dass ein Angebot „nicht evident nicht-FRAND“ sei. Diese Auffassung sei offensichtlich fehlerhaft. Zudem
drohe bei einer Vollstreckung des Rückrufs- und Entfernungsanspruchs der Verlust von Kundenbeziehungen;
der Ersatz daraus resultierender Schäden gemäß § 717 Abs. 2 ZPO stoße auf erhebliche Darlegungs- und
Beweisschwierigkeiten. Damit ergebe auch die Abwägung der Interessen, dass die Klägerin kein legitimes
Interesse an der Durchsetzung der entsprechenden Verurteilung habe.
36 Die Klägerin tritt dem Einstellungsantrag entgegen. Die vom Landgericht ausgesprochene Verurteilung zu
Auskunft und Rechnungslegung sei nicht evident fehlerhaft. Auch wenn – entgegen der Auffassung der
Klägerin – eine vollumfängliche Prüfung ihres Lizenzangebots erforderlich sein sollte, könne dies nur für den
Unterlassungs- und den Rückrufsanspruch gelten. Der Schadensersatzanspruch sei nicht in der von der
Beklagten angenommenen Weise beschränkt. Auch die Interessenabwägung gebiete nicht die einstweilige
Einstellung der Zwangsvollstreckung. Soweit der Senat im Verfahren 6 U 55/16 (Mitt. 2016, 321) die vom
Landgericht vertretene Auffassung einer Kontrolle der Lizenzangebote auf evidente FRAND-Widrigkeit als
fehlerhaft gewürdigt habe, gehe dies bei Annahme einer strikten Reihenfolge einseitig zu Lasten des
Patentinhabers. Auch könne es, wenn die FRAND-Konformität des Angebots des Klägers feststehe, nicht
mehr auf ein Gegenangebot des Verletzers ankommen. Im Übrigen liege eine alternative Begründung des
vom Landgericht gefundenen Ergebnisses auf der Hand, weil dem Patentinhaber bei der Beurteilung dessen,
was FRAND sei, ein großzügiger Ermessensspielraum zukomme.
37 Wegen der Einzelheiten des Parteivortrags wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug
genommen.
II.
38 Der Antrag der Beklagten auf einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung hat nur im Hinblick auf die
Verurteilung zum Rückruf und zur Entfernung der patentverletzenden Erzeugnisse aus den Vertriebswegen
Erfolg; im Übrigen ist er unbegründet.
39 Gemäß §§ 719 Abs. 1 Satz 1, 707 Abs. 1 Satz 1 ZPO kann, wenn gegen ein für vorläufig vollstreckbar
erklärtes Urteil Berufung eingelegt wird, die Zwangsvollstreckung aus dem Urteil gegen Sicherheitsleistung
einstweilen eingestellt werden. Im Rahmen der demnach zu treffenden Ermessensentscheidung hat das
Gericht die widerstreitenden Interessen des Gläubigers einerseits und des Schuldners andererseits
abzuwägen. Dabei hat es die Wertentscheidung des Gesetzgebers zu beachten, dass grundsätzlich den
Belangen des Vollstreckungsgläubigers der Vorrang gebührt. Der Vorschrift des § 709 Satz 1 ZPO ist zu
entnehmen, dass der Vollstreckungsschuldner in aller Regel bereits durch die vom Gläubiger vor der
Vollstreckung zu leistende Sicherheit hinreichend geschützt ist. Es entspricht daher gefestigter
Rechtsprechung, dass in Fällen, in denen das angefochtene Urteil nur gegen Sicherheitsleistung vorläufig
vollstreckbar ist, eine Einstellung der Zwangsvollstreckung nur in Ausnahmefällen unter besonderen
Umständen in Betracht kommen kann. Zu dieser allgemeinen Erwägung tritt im Bereich des Patentrechts
noch die Besonderheit, dass die Laufzeit des Patents und damit das von ihm vermittelte Unterlassungsgebot
zeitlich begrenzt ist, weshalb jedenfalls bei einem zeitnahen Ablauf des Schutzrechts jedes Hinausschieben
der Zwangsvollstreckung zu einem vollständigen Leerlaufen des Unterlassungsanspruchs führen kann (BGH,
GRUR 2000, 862 - Spannschraube; OLG Düsseldorf, GRUR-RR 2010, 122, 123; Senat, InstGE 11, 124 -
UMTS-Standard I; InstGE 13, 256 - UMTS-Standard II; GRUR-RR 2015, 326 juris-Rn. 17 – Mobiltelefone). Es
ist jedoch anerkannt, dass die Einstellung der Zwangsvollstreckung in Betracht kommt, wenn bereits im
Zeitpunkt der Entscheidung über den Einstellungsantrag bei der im Verfahren nach §§ 719, 707 ZPO
gebotenen summarischen Prüfung festgestellt werden kann, dass das angefochtene Urteil voraussichtlich
keinen Bestand haben wird, oder wenn der Schuldner die Gefahr eines besonderen Schadens darlegen und
glaubhaft machen kann, der über die allgemeinen Vollstreckungswirkungen hinausgeht (vgl. OLG Düsseldorf,
a.a.O.; Senat a.a.O. – Mobiltelefone; Mitt. 2016, 321 juris-Rn. 17; Beschl. v. 29.08.2016, 6 U 57/16, juris-Rn.
25).
40 Die im Verfahren nach §§ 707, 719 ZPO vorzunehmende summarische Prüfung, ob das angefochtene Urteil
voraussichtlich keinen Bestand haben wird, muss sich zumindest im Regelfall auf diejenigen tatsächlichen
Feststellungen und diejenigen rechtlichen Erwägungen beschränken, die für die erstinstanzliche
Entscheidung tragend sind. Die Einstellungsentscheidung darf und kann nicht die abschließende, aufgrund
umfassenden rechtlichen Gehörs und mündlicher Verhandlung zu treffende Entscheidung im
Berufungsrechtszug vorwegnehmen. Wenn sich also die Feststellungen oder rechtlichen Erwägungen, auf
denen die erstinstanzliche Entscheidung beruht, als nicht tragfähig darstellen, spricht dies im Rahmen der
vorzunehmenden Interessenabwägung für eine vorläufige Einstellung der Zwangsvollstreckung. Wenn und
weil das angefochtene Urteil mit seinen tragenden Feststellungen und Rechtsausführungen voraussichtlich
keinen Bestand haben wird, ist dem obsiegenden Kläger regelmäßig zuzumuten, die Vollstreckung bis zur
Entscheidung im Berufungsrechtszug zurückzustellen, ohne dass geprüft wird, ob die Verurteilung mit
anderen Feststellungen oder aufgrund eines abweichenden rechtlichen Ansatzes bestätigt werden könnte.
Denn der Grundsatz, dass eine Einstellung nur dann geboten ist, wenn bereits im Zeitpunkt der
Entscheidung über den Einstellungsantrag bei summarischer Prüfung festgestellt werden kann, dass das
angefochtene Urteil voraussichtlich keinen Bestand haben wird, beruht darauf, dass sich das Vordergericht
bereits im Einzelnen mit dem Sachverhalt befasst und über die sich stellenden Fragen entschieden hat.
Alternative Begründungen tatsächlicher oder rechtlicher Art, auf die die angefochtene Entscheidung nicht
gestützt worden ist, können nicht das Vertrauen genießen, das die vorläufige Vollstreckbarkeit des
erstinstanzlichen Urteils und damit den grundsätzlichen Vorrang der Interessen des obsiegenden Klägers
rechtfertigt (Senat GRUR-RR 2015, 50 juris-Rn. 12 – Leiterbahnstrukturen).
41 1. Im Streitfall wird die Verurteilung zum Rückruf und zur Entfernung patentverletzender Gegenstände aus
den Vertriebswegen mit der vom Landgericht gegebenen tragenden Begründung voraussichtlich keinen
Bestand haben. Die Erwägungen, mit denen das Landgericht den Einwand der Beklagten, die
Geltendmachung des Rückrufsanspruchs stelle sich als Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung dar,
für unbegründet erachtet hat, erweisen sich bei der gebotenen summarischen Prüfung in einem
entscheidenden Punkt als nicht tragfähig. Im Rahmen der hier zu treffenden Einstellungsentscheidung kann
auch nicht festgestellt werden, dass die Unterlassungsverurteilung insoweit auf eine alternative
Begründung gestützt werden kann.
42 a) Nach dem Urteil des EuGH (C-170/13, GRUR 2015, 764 – Huawei gg. ZTE) bestehen in Fällen, in denen
Unterlassungs- und Rückrufsansprüche durch den Inhaber eines standardessentiellen Patents (SEP) geltend
gemacht werden, der sich gegenüber der Standardisierungsorganisation zur Gewährung von Lizenzen an
diesem SEP zu FRAND-Bedingungen verpflichtet hat, unter dem Gesichtspunkt des Missbrauchsverbots nach
Art. 102 AEUV eine Reihe wechselseitiger Obliegenheiten:
43 (1) Der Inhaber des SEPs muss den angeblichen Verletzer grundsätzlich vor der gerichtlichen
Geltendmachung auf die ihm vorgeworfene Patentverletzung hinweisen und dabei das fragliche SEP zu
bezeichnen und angeben, auf welche Weise es verletzt worden sein soll (EuGH a.a.O. Rn. 61).
44 (2) Wenn der angebliche Verletzer seinen Willen zum Ausdruck bringt, einen Lizenzvertrag zu FRAND-
Bedingungen zu schließen, muss der Inhaber des SEP ihm ein konkretes schriftliches Lizenzangebot zu
diesen Bedingungen unterbreiten und insbesondere die Lizenzgebühr sowie die Art und Weise ihrer
Berechnung angeben (a.a.O. Rn. 63).
45 (3) Auf dieses Angebot muss der angebliche Patentverletzer, während er das betreffende Patent weiter
benutzt, mit Sorgfalt gemäß den in dem betreffenden Bereich anerkannten geschäftlichen Gepflogenheiten
und nach Treu und Glauben reagieren, was auf der Grundlage objektiver Gesichtspunkte zu bestimmen ist
und u. a. impliziert, dass keine Verzögerungstaktik verfolgt wird (a.a.O. Rn. 65).
46 (4) Nimmt der angebliche Patentverletzer das ihm unterbreitete Angebot nicht an, muss er – will er sich mit
Erfolg auf den missbräuchlichen Charakter einer Unterlassungs- oder Rückrufklage berufen – dem SEP-
Inhaber innerhalb einer kurzen Frist schriftlich ein konkretes Gegenangebot machen, das FRAND-
Bedingungen entspricht (a.a.O. Rn. 66).
47 (5) Benutzt der angebliche Patentverletzer vor Abschluss eines Lizenzvertrags das standardessentielle
Patent weiter, muss er ab dem Zeitpunkt, zu dem der Patentinhaber sein Gegenangebot abgelehnt hat, eine
angemessene Sicherheit leisten und eine Abrechnung vorlegen, die auch vergangene
Benutzungshandlungen umfassen (a.a.O. Rn. 67).
48 b) Das Landgericht hat angenommen, die Klägerin habe die Beklagte in einer den Anforderungen
genügenden Weise auf die ihr vorgeworfene Patentverletzung hingewiesen und den Verletzungssachverhalt
in ausreichender Weise erläutert; dass dies erst im Verlauf des vorliegenden Verfahrens geschehen sei, stehe
einer Erfüllung der Obliegenheiten der Klägerin nicht entgegen. Letzteres hat der Senat als jedenfalls nicht
offensichtlich fehlerhaft angesehen (vgl. Senat Mitt. 2016, 321 juris-Rn. 24 f.); hieran wird festgehalten (vgl.
auch OLG Düsseldorf, Beschl. v. 09.05.2016, I-15 U 36/16, juris-Rn. 22 ff.). Die weiteren von der Beklagten
aufgeworfenen Fragen bedürfen im Hinblick auf die nachstehenden Ausführungen keiner Entscheidung.
49 c) Wie bereits im Verfahren Az. 6 U 55/16 (Mitt. 2016, 321 = NZKart 2016, 334 juris-Rn. 30 ff.) ausgeführt
wurde, vermag der Senat der Ansicht des Landgerichts insoweit nicht zu folgen, als es angenommen hat,
das vom SEP-Inhaber unterbreitete FRAND-Lizenzangebot sei im Verletzungsprozess nur darauf überprüfen,
ob es sich um ein annahmefähiges Angebot handelt (das also alle
essentialia negotii eines Lizenzvertrages
enthält) und nicht evident FRAND-widrig ist.
50 (1) Das Landgericht hat die Entscheidung des EuGH dahin interpretiert, dass sie ein Programm an
Verhandlungspflichten entwickle mit dem Ziel, den Verletzungsprozess von der Bestimmung zu entlasten,
welche Bedingungen – insbesondere hinsichtlich der Formulierung einzelner Vertragsklauseln und besonders
hinsichtlich der Höhe des Lizenzsatzes – in der konkreten Situation FRAND seien, sofern es nicht gerade um
die Zahlung einer FRAND-Lizenzgebühr im Betragsverfahren gehe. Erforderlich sei deshalb nur, dass es sich
um ein annahmefähiges Vertragsangebot handele, das die vertragswesentlichen Bedingungen enthalte; bei
Streit über die FRAND-Gemäßheit sei das Verletzungsgericht nicht gehalten, nach objektiven
Gesichtspunkten zu entscheiden, ob das Angebot des SEP-Inhabers tatsächlich FRAND sei oder nicht. Dies
trage der Erkenntnis Rechnung, dass wirtschaftlich denkende Parteien selten den Versuch unternähmen,
tatsächlich Gerichte entscheiden zu lassen, welche Lizenzgebühr und welche Lizenzvertragsbedingungen
FRAND-gemäß seien, sondern sich nach den vom Gerichtshof mehrfach in Bezug genommenen anerkannten
geschäftlichen Gepflogenheiten im Verhandlungswege auf eine für beide Seiten wirtschaftlich akzeptable
Lösung verständigten. Nach Auffassung des Landgerichts übe der SEP-Inhaber seine auf dem SEP gründende
Verhandlungsmacht erst dann durch Erhebung einer auf Rückruf und Unterlassung gerichteten Klage in
kartellrechtswidriger Weise aus, wenn die Art und Weise der Verhandlungsführung sich als Missbrauch der
beherrschenden Stellung darstelle; dies sei aber nicht bereits dann der Fall, wenn das Angebot des SEP-
Inhabers nicht exakt FRAND sei, sondern sich darüber bewege. Kartellrechtswidrig und ersichtlich nicht
FRAND sei ein Angebot erst dann, wenn es sich unter Berücksichtigung der konkreten
Verhandlungssituation und insbesondere der Marktgegebenheit als Ausdruck von Ausbeutungsmissbrauch
darstelle.
51 (2) Die Annahme einer solchen auf eine „negative Evidenzkontrolle“ beschränkten Prüfung des FRAND-
Lizenzangebots ist nach Auffassung des Senats, an der er nach nochmaliger Überprüfung festhält, nicht nur
mit dem Wortlaut („zu diesen Bedingungen“), sondern auch mit dem Sinn der vom EuGH aufgestellten
Anforderungen nicht zu vereinbaren. Den eigentlichen Grund, warum der Patentverletzer einer Klage auf
Unterlassung und Rückruf den Einwand missbräuchlichen Verhaltens gemäß Art. 102 AEUV entgegenhalten
kann, sieht der EuGH in der Weigerung des Inhabers des SEP, eine Lizenz zu FRAND-Bedingungen zu
erteilen; die FRAND-Lizenzbereitschaftserklärung wecke bei Dritten die berechtigte Erwartung, dass der
Inhaber des SEP ihnen
tatsächlich Lizenzen zu diesen Bedingungen gewähren werde (a.a.O. Rn. 53). Es ist
deshalb nach Auffassung des Senats erforderlich, dass die gegen die FRAND-Konformität des Angebots
erhobenen Einwände inhaltlich geprüft werden.
52 Die dem angefochtenen Urteil zugrunde liegende Auffassung, mit dem Erfordernis einer inhaltlichen
Überprüfung der FRAND-Gemäßheit werde vom Verletzungsgericht Unmögliches verlangt, teilt der Senat im
derzeitigen Stand der Diskussion nicht. Es dürfte nämlich nicht darum gehen, diejenigen
Vertragsbedingungen zu ermitteln, die „exakt FRAND“ sind. Vielmehr dürfte – wie der Senat bereits im oben
zitierten Beschluss erwogen hat (Beschl. v. 31.05.2016, 6 U 55/16, juris-Rn. 32) – dem Inhaber eines SEP
bei der Bestimmung der FRAND-Bedingungen ein großzügiger Entscheidungsspielraum zuzubilligen sein,
weil und soweit es eben eine Vielzahl von Vertragsgestaltungen geben kann, die unter den im jeweiligen
Lizenzmarkt gegebenen Bedingungen als fair, angemessen und nicht diskriminierend anzusehen sind.
53 Entgegen der Auffassung des Landgerichts werden die weiteren vom EuGH aufgestellten Obliegenheiten bei
der hier vertretenen Betrachtungsweise nicht obsolet; sie behalten vielmehr auch dann ihren Sinn, wenn
eine inhaltliche Prüfung der FRAND-Gemäßheit des Lizenzangebots des SEP-Inhabers verlangt wird: Beide
Parteien können zum Zeitpunkt ihrer möglichen Lizenzvertragsangebote – nach dem vom EuGH
betrachteten Modellfall: vor Klageerhebung – nicht wissen, welche Bedingungen das Gericht im Falle eines
Streits als FRAND-gemäß ansehen wird. Beide Parteien müssen daher mit dem Risiko rechnen, dass ihr
Angebot – wenn sie „den Bogen überspannen“ – als nicht mehr FRAND-konform angesehen wird. Der SEP-
Inhaber riskiert dabei, dass die Ansprüche auf Unterlassung und Rückruf abgewiesen werden; der
mutmaßliche Patentverletzer, dass die Ansprüche zugesprochen werden. Letzteres gilt jedenfalls dann,
wenn man – was hier nicht zu entscheiden ist (s.u.) – davon ausgeht, dass die anzustellende
Interessenabwägung zu dem Ergebnis führen kann, dass ein Verletzer, der ein Gegenangebot macht, das
deutlich nicht FRAND-konform ist, nicht mit Sorgfalt gemäß den in dem betreffenden Bereich anerkannten
geschäftlichen Gepflogenheiten und nach Treu und Glauben reagiert hat und sich deshalb im Rahmen der
Interessenabwägung auf die fehlende FRAND-Konformität nicht berufen kann.
Insofern leisten die vom EuGH
aufgestellten Kriterien in der Tat einen Beitrag dazu, einen Lizenzvertragsschluss zu fördern, indem sie die
Parteien zu Angeboten veranlassen, die nicht nur formal, sondern auch wirtschaftlich annahmefähig sind.
54 (3) Die angefochtene Entscheidung beruht auf der Anwendung des abweichenden, auf eine „negative
Evidenzkontrolle“ beschränkten Prüfungsmaßstabs. Die Beklagte hat die FRAND-Gemäßheit des von der
Klägerin unterbreiteten Lizenzvertragsangebots u.a. deshalb in Abrede gestellt, weil sich die geforderten
Lizenzgebühren mit dem Wegfall der – überwiegend „alten“ – Portfolioschutzrechte nicht reduzierten
(Schriftsatz vom 29.10.2015, S. 17 ff. = AS I 525 ff.). Sie hat substantiiert dargelegt, dass dies während der
vorgesehenen Vertragslaufzeit von 5 Jahren erhebliche Auswirkungen auf das wirtschaftliche Verhältnis von
Leistung und Gegenleistung hat. Die Klägerin hat diesen Ausführungen in tatsächlicher Hinsicht lediglich
entgegengehalten, der Umstand, dass nach mittlerweile drei Jahren Verhandlungsgeschichte einzelne
Patente ausliefen, sei im Angebot der Klägerin eingepreist (Schriftsatz vom 20.11.2015, S. 55). Das
Landgericht hat hierzu ausgeführt:
55 „Soweit die Beklagte kritisiert, dass sich die Lizenzgebühren mit dem fortlaufenden Auslaufen der Patente
nicht reduziere, kann dieser Klausel bei der anzustellenden Gesamtbetrachtung keine offensichtliche
FRAND-Widrigkeit bescheinigt werden, die die Beklagte davon entbinden würde, sich inhaltlich konstruktiv
mit dem Angebot auseinanderzusetzen und konkrete Gegenvorschläge zu dieser Regelung zu unterbreiten.“
(LGU S. 47 oben)
56 Damit wird – nach der Auffassung des Landgerichts folgerichtig – von einer inhaltlichen Begründung dafür
abgesehen, dass der Einwand der Beklagten gegen die FRAND-Gemäßheit des Lizenzangebots nicht
durchgreift. Eine solche Begründung wäre aber nach Auffassung des Senats erforderlich gewesen; sie zu
liefern ist, wie oben ausgeführt, nicht Aufgabe des Verfahrens nach §§ 707, 719 ZPO. Soweit die Klägerin
vorträgt, eine alternative Begründung des vom Landgericht gefundenen Ergebnisses liege klar zutage (offen
lassend Senat GRUR-RR 2015, 50 juris-Rn. 12 – Leiterbahnstrukturen), weil dem SEP-Inhaber ein
großzügiger Ermessensspielraum einzuräumen sei, kann dem nicht gefolgt werden. Eine alternative
Begründung läge nur dann vor, wenn sich das Angebot (einschließlich der genannten Regelung) im Rahmen
eines solchen Einschätzungsspielraums hielte; diese Beurteilung kann nicht erstmals im Verfahren um die
einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung vorgenommen werden.
57 Die genannte Erwägung ist ausweislich der Entscheidungsgründe allein tragend. Das Landgericht hat
angenommen, die Klägerin habe die sie treffenden Obliegenheiten erfüllt, und hat daran die Rechtsfolge
geknüpft, dass die Beklagte gehalten gewesen sei, alsbald mit einem Gegenangebot zu reagieren und – im
Falle der Ablehnung des klägerischen Angebots – eine angemessene Sicherheit zu stellen. Da die Beklagte
nach Auffassung des Landgerichts diese Obliegenheiten nicht erfüllt hat, hat es die auf Art. 102 AEUV
gestützte Einwendung der Beklagten als unbegründet angesehen. Insbesondere kann dem angefochtenen
Urteil nicht entnommen werden, dass der auf Art. 102 gestützte Einwand auch für den Fall, dass das
Vertragsangebot der Klägerin – nach inhaltlicher Prüfung – nicht FRAND-Bedingungen entsprach, erfolglos
gewesen wäre (gegen eine solche Möglichkeit wohl OLG Düsseldorf NZKart 2016, 139). Auch diese Frage
kann nicht erstmals im Verfahren nach §§ 707, 719 ZPO entschieden werden. Gleiches gilt für die Frage, ob
das Verhalten der Beklagten den Schluss zulässt, sie sei bei objektiver Würdigung unter Berücksichtigung
der in diesem Bereich anerkannten geschäftlichen Gepflogenheiten nicht als „willing licensee“ anzusehen.
58 2. Demgegenüber ist der Einstellungsantrag hinsichtlich der Verurteilung zur Auskunft und
Rechnungslegung (Ziffer 2 des Tenors des angefochtenen Urteils) nicht begründet. Die Verurteilung ist
weder evident rechtsfehlerhaft, noch ergibt die Interessenabwägung, dass eine Einstellung der
Zwangsvollstreckung geboten wäre.
59 a) Entgegen der Auffassung der Beklagten erweist sich die Auffassung des Landgerichts, der Durchsetzung
der verfolgten Ansprüche stehe Art. 101 AEUV nicht entgegen, bei summarischer Prüfung als vertretbar. Das
Landgericht hat hierzu ausgeführt:
60 „Selbst wenn die Klägerin keine beachtliche FRAND-Erklärung abgegeben haben sollte und dadurch die
Standardisierung und/oder Einbringung der Lehre des Klagepatents in den Standard gegen Art. 101 AEUV
verstoßen würde, würde dies nicht zu einer Durchsetzungssperre der verfolgten Ansprüche, insbesondere
des Unterlassungs- und Rückrufsanspruchs führen. Ein Verstoß gegen Art. 101 AEUV hätte zunächst die
Nichtigkeit der Standardisierungsvereinbarung zur Folge. Darüber hinaus stünden Dritten nach nationalem
Recht zivilrechtliche Ansprüche zu, die in Deutschland nach § 33 GWB auf Unterlassung, Beseitigung und
Schadensersatz gerichtet sind. Bezugspunkt des Unterlassungs- und Beseitigungsanspruchs ist dabei der
Kartellverstoß, nämlich die Feststellung des Standards. Dementsprechend ist weder der
Unterlassungsanspruch noch der Beseitigungsanspruch gegen die Durchsetzung des betreffenden Patents
gerichtet. Die Verpflichtung zur Erteilung einer Zwangslizenz besteht nur bei einem Verstoß gegen Art. 102
AEUV und kann nur unter diesem Gesichtspunkt einen kartellrechtlichen Zwangslizenzeinwand begründen.
(…) Nichts anderes gilt für einen eventuellen Schadensersatzanspruch. Auch dieser Anspruch ist nicht auf
die Erteilung einer Lizenz gerichtet.“ (LGU S. 54)
61 Diese Auffassung ist jedenfalls vertretbar (ebenso: LG Düsseldorf, Urt. v. 19.01.2016 - 4b O 123/14 Rn. 322
m.w.N. - juris). Ob und unter welchen Voraussetzungen die Erhebung einer Klage durch den Inhaber eines
SEP gegen Art. 101 AEUV verstößt, ist höchstrichterlich noch nicht geklärt und streitig. Soweit im
Schrifttum vereinzelt vertreten wird, Art. 101 AEUV könne zu einem Durchsetzungshindernis für eine Klage
des Patentinhabers führen, bezieht sich diese Auffassung lediglich auf den Unterlassungsanspruch
(Barthelmeß/Gauß, WuW 2010, 626, 634), nicht aber auf die hier in Rede stehenden Schadensersatz- und
Auskunftsansprüche (Senatsbeschluss vom 28.09.2016, 6 U 57/16, juris-Rn. 28-30).
62 b) Nach der Rechtsprechung des EuGH haben typische Patentverletzungsklagen auf Rechnungslegung über
die vergangenen Benutzungshandlungen keine unmittelbaren Auswirkungen darauf, ob von Wettbewerbern
hergestellte Produkte, die dem betreffenden Standard entsprechen, auf den Markt gelangen oder auf dem
Markt bleiben. Sie können daher nicht als missbräuchlich im Sinne von Art. 102 AEUV angesehen werden, so
dass die unter 1.a) genannten Anforderungen für die Geltendmachung dieses Anspruchs grundsätzlich nicht
gelten (vgl. EuGH a.a.O. Rn. 72-75).
63 Mit der Berechnung des Schadensersatzanspruchs und mit der Frage, ob die vorbereitende Rechnungslegung
auch den mit den Verletzungshandlungen erzielten Gewinn sowie die dafür relevanten Faktoren umfassen
kann, beschäftigt sich die Entscheidung des EuGH nicht. Teilweise wird vertreten, die vom
Schutzrechtsinhaber übernommene Pflicht, die Benutzung seines marktbeherrschenden Patents jedermann
gegen eine ausbeutungsfreie Lizenz zu gestatten, reduziere den Schadensersatzanspruch auf diese FRAND-
Lizenz und die begleitende Rechnungslegung auf solche Angaben, die für eine Lizenzberechnung erforderlich
sind (Kühnen, Handbuch der Patentverletzung, 8. Aufl., Kap. E Rn. 313; LG Düsseldorf, Urt. v. 19.01.2016 -
4b O 123/14 Rn. 348). Eine solche Beschränkung des Rechnungslegungsanspruchs wird jedoch von weiteren
Voraussetzungen abhängig gemacht. So wird teilweise gefordert, dass der Patentbenutzer sich vor der
Benutzung über die bestehende Patentsituation informiert und sich um eine Lizenz bemüht hat (LG
Düsseldorf, Urt. v. 19.01.2016 - 4b O 123/14 Rn. 348). Nach anderer Auffassung soll die Beschränkung nur
gelten, solange der Patentinhaber seinen Verpflichtungen zum Abschluss eines FRAND-Lizenzvertrages nicht
nachkommt (Kühnen a.a.O. Rn. 313) bzw. eine Lizenzbereitschaft des Benutzers überhaupt festgestellt
werden kann (Kühnen a.a.O. Rn. 314). Folgte man dieser Ansicht bestünde insbesondere kein Anspruch auf
Auskunft über den Verletzergewinn, also über Kosten- und Gewinnangaben (LG Düsseldorf a.a.O.) sowie
über die betriebene Werbung (vgl. BGH, GRUR 2008, 254, 258 - THE HOME STORE), sofern die genannten
Voraussetzungen vorlägen.
64 Für eine Beschränkung des Schadensersatzanspruchs auf die FRAND-Lizenz könnte sprechen, dass sich der
Inhaber eines standardessentiellen Patents durch seine FRAND-Erklärung selbst der Marktchance begeben
hat, die sich daraus ergibt, dass allein der Schutzrechtsinhaber auf Grund seines Ausschließlichkeitsrechts
jeden Dritten daran hindern kann, ein mit seinem schutzrechtsgemäßen Erzeugnis (technisch) identisches
Produkt auf den Markt zu bringen und dass in dem Fall, in dem alle Produkte von dem Standard Gebrauch
machen, gerade nicht mehr davon ausgegangen werden kann, dass die technischen Vorteile der Erfindung
den Abnehmer veranlasst haben, Produkte des Verletzers anstelle der Produkte des Patentinhabers zu
beziehen (vgl. zu dieser Zielrichtung der Berechnungsmethode des Verletzergewinns: BGH, GRUR 2012,
1226 Rn. 30 - Flaschenträger).
65 Da die Frage höchstrichterlich jedoch noch nicht geklärt ist und sich insbesondere aus § 139 Abs. 2 PatG,
welcher die Berücksichtigung des Verletzergewinns bei der Bemessung des Schadens vorsieht, eine
entsprechende Einschränkung nicht entnehmen lässt, kann bei der gebotenen summarischen Prüfung nicht
davon ausgegangen werden, dass die Auffassung des Landgerichts nicht vertretbar ist. Zudem ist bei
summarischer Prüfung nicht ausgeschlossen, dass die von der Klägerin begehrten Angaben über die Liefer-
und Angebotspreise für die Ermittlung einer im Wege der Lizenzanalogie zu bestimmenden FRAND-Lizenz
erforderlich sind, weil eine angemessene Lizenz nicht unabhängig vom erzielten bzw. erzielbaren
Verkaufspreis bestimmt werden kann (vgl. zum Ganzen Senatsbeschluss vom 28.09.2016, 6 U 57/16, juris-
Rn. 32-34).
66 c) Der bloße Umstand, dass die FRAND-Konformität des von der Klägerin unterbreiteten Lizenzangebots
bislang nicht in der nach Auffassung des Senats gebotenen Weise festgestellt ist, führt somit nicht dazu,
dass die Vollstreckung des Rechnungslegungsanspruchs hinsichtlich aller Umstände mit Ausnahme der
Liefermengen und Lieferzeitpunkte einstweilen einzustellen wäre. Vielmehr ist über die Frage des Umfangs
des Auskunfts- und Rechnungslegungsanspruchs im Berufungsurteil zu entscheiden.
67 Die Vollstreckung führt auch nicht zu einem Schaden, der über die allgemeinen Vollstreckungswirkungen
hinausginge. Das Risiko, aufgrund des vorläufig vollstreckbaren erstinstanzlichen Urteils Auskunft erteilen
und Rechnung legen zu müssen – auch über den Verletzergewinn und die für ihn maßgeblichen Faktoren –
besteht vielmehr in jedem Patentverletzungsprozess gleichermaßen; dass die Folgen der Rechnungslegung
im Falle eines Erfolgs der Berufung nicht rückgängig gemacht werden können, liegt ebenfalls in der Natur der
Sache. Ohne Erfolg macht die Beklagte geltend, die Angaben zu den Gestehungskosten und zum erzielten
Gewinn beträfen den Kernbereich legitimer unternehmerischer Geheimhaltungsinteressen. Denn der
Umstand, dass es sich bei den zu erteilenden Informationen um Geschäftsinterna handelt, die mit Rücksicht
auf die Wettbewerbslage der Parteien vor der Klägerin geheim zu halten seien, rechtfertigt für sich
genommen nicht die Annahme, dass eine Vollstreckung der Verurteilung zur Auskunftserteilung für den
Schuldner nicht zu ersetzende Nachteile zur Folge hätte (vgl. BGH, NJWE-WettbR 1999, 138; OLG
Düsseldorf, Beschl. v. 07.04.2008 - I-2 U 116/07, BeckRS 2012, 13680). Es besteht kein Anlass von dieser
Regel abzuweichen (vgl. Senatsbeschluss vom 29.08.2016, 6 U 57/16, juris-Rn. 41 f.). Dass die Folgen der
Rechnungslegung im Streitfall außergewöhnlich gravierend wären, lässt sich dem Parteivortrag nicht
entnehmen.
68 d) Dass die Entscheidung des Landgerichts, den Rechtsstreit nicht gemäß § 148 ZPO im Hinblick auf die
Nichtigkeitsklage auszusetzen, schon bei summarischer Prüfung erkennbar ermessensfehlerhaft sei, macht
die Beklagte nicht geltend; dies drängt sich im derzeitigen Stadium auch nicht auf. Das gilt auch für die
Frage des Beurteilungsmaßstabs. Das Landgericht hat die von der Beklagten angeführte
Kurznachrichten-
Entscheidung des Bundesgerichtshofs (GRUR 2014, 1237) nicht verkannt; die Gleichsetzung einer
„hinreichenden“ mit einer „überwiegenden“ Vernichtungswahrscheinlichkeit ist wiederum – zumal
angesichts der offensichtlichen Schwierigkeit, verschiedene Wahrscheinlichkeitsgrade abzugrenzen –
jedenfalls vertretbar. Die die Rechtsbeständigkeit des Klagepatents betreffenden Bedenken der Klägerin sind
daher ebenfalls im Rahmen der Entscheidung des Berufungsverfahrens zu würdigen.