Urteil des OLG Karlsruhe vom 29.08.2016

stand der technik, dvd, lizenz, zivilrechtliche ansprüche

OLG Karlsruhe Beschluß vom 29.8.2016, 6 U 57/16
Leitsätze
1. Ob und unter welchen Voraussetzungen der Erhebung einer Klage durch den Inhaber eines
standardessentiellen Patents (SEP) Art. 101 AEUV entgegensteht, ist offen.
2. Ob und unter welchen Voraussetzungen die FRAND-Bereitschaftserklärung des SEP-Inhabers den
Schadensersatzanspruch und die begleitende Rechnungslegung auf solche Angaben beschränkt, die für eine
FRAND-Lizenzberechnung erforderlich sind, ist ungeklärt.
3. Hinsichtlich der Namen und Anschriften der nichtgewerblichen und der gewerblichen Angebotsempfänger ist
dem Verletzer regelmäßig ein Wirtschaftsprüfervorbehalt einzuräumen.
4. Die Verwertung des Klagepatents über einen Patentpool führt nicht per se dazu, dass die nach §§ 719, 707
ZPO vorzunehmende Interessenabwägung zu Lasten des Patentinhabers ausfallen muss.
Tenor
1. Der Antrag der Beklagten, die Zwangsvollstreckung aus Ziffer 1 des Tenors des Landgerichts Mannheim vom
04.03.2016 (Az. 7 O 23/14) gegen Sicherheitsleistung einstweilen einzustellen, wird zurückgewiesen.
2. (…)
Gründe
I.
1 Die Parteien streiten über die Folgen einer von der Klägerin behaupteten Patentverletzung sowie die
hieraus resultierenden Ansprüche - nach Ablauf des Patents - auf Auskunftserteilung, Rechnungslegung und
Schadensersatz.
2 Die Klägerin ist Inhaberin des am 12.12.1995 unter Inanspruchnahme der Priorität des europäischen
Patents 94203642 vom 14.12.1994 angemeldeten europäischen Patents EP 0 745 307 B3 betreffend ein
Übertragungssystem für Untertitel. Die Veröffentlichung des Hinweises auf die Erteilung des Patents erfolgte
am 29.12.1999. Grundlage der vorliegenden Verletzungsklage ist Anspruch 14 des Patents (nachfolgend:
Klagepatent), der in der Verfahrenssprache (mit Bezugsziffern) folgenden Wortlaut hat:
3
A receiver coupled to a display screen for receiving encoded data defining a graphic image in the form of a
rectangular region within an area of an active video signal, comprising means for decoding said encoded
data into individual pixels constituting said region, means for storing said pixels, and means for generating
display signals representing said pixels,
characterized by
further comprising means for decoding from said
encoded data for each graphic image the size and position of said region and a time stamp, and means for
displaying the region with said size and position from a time representated by said time stamp.
4 Wegen der weiteren Einzelheiten der Klagepatentschrift, insbesondere wegen der Beschreibung und der
Figuren, wird auf die Patentschrift Bezug genommen. Gegen das Klagepatent haben die Firmen A… (Az.: 5
Ni 34/14) sowie H… (Az.: 5 Ni 2/13) Nichtigkeitsklage zum Bundespatentgericht erhoben.
5 Mit der Lizenzierung des Klagepatents hat die Klägerin den Patent-Pool „…“ (nachfolgend: „P“) beauftragt,
wobei die Klägerin daneben auch selbst Lizenzen anbietet. P ist ein in K… ansässiges Unternehmen, das
neben den Patenten der Klägerin auch Schutzrechte dreier weiterer namhafter Elektronikunternehmen in
deren Auftrag verwertet. P bietet seit Oktober 2012 Pool-Lizenzen für die DVD-Softwaretechnologie an.
6 Die Beklagte ist die deutsche Tochtergesellschaft des B-Konzerns und vertreibt Computer, darunter etwa die
Modelle „…“ und „…“, die eine Software beinhalten, die Datenströme mit DVD-standardgemäßen
Untertitel-Graphiken decodieren und anzeigen kann. Der DVD-Standard sieht vor, dass mit bestimmten
Parametern (SET_DAREA, PTS, SP_DSCQ_STM, FSTA_DSP, STP_DSP) Untertitel-Graphiken hinsichtlich
deren Größe und Position auf dem Bildschirm sowie hinsichtlich des Zeitpunkts ihres Erscheinens gesteuert
werden können (angegriffene Ausführungsformen).
7 Zwischen den Parteien steht außer Streit, dass die angegriffenen Ausführungsformen von sämtlichen
Merkmalen des Patentanspruchs 14 unmittelbar wortsinngemäßen Gebrauch machen, indem sie gemäß den
Vorgaben des DVD-Standards ausgebildet sind.
8 Im Hinblick auf das Klagepatent gab die Klägerin gegenüber dem sogenannten „DVD-Forum“, welches den
Standard verwaltet und dessen Mitglied die Klägerin ist, jedenfalls nachträglich eine sogenannte FRAND-
Erklärung ab (Anlage K 20). Ob die Klägerin eine solche Erklärung bereits abgegeben hatte, als sie das
Klagepatent als für den Standard essentiell deklarierte, steht zwischen den Parteien im Streit.
9 Die Klägerin verhandelte mit der Muttergesellschaft der Beklagten über den Abschluss eines
Lizenzvertrages. Zuvor hatte der für die Klägerin tätige Lizenzpool P der Konzernmutter der Beklagten ein
Angebot auf Abschluss eines Poollizenzvertrages unterbreitet, das jene nicht angenommen hatte. P nahm
für die Softwarelizenz einen Abschlag von 80 % auf den Standardlizenzsatz für DVD-Player vor und
gewährte einen weiteren Abschlag von 30 % für PCs mit vorinstallierter Software. Das Angebot sah eine
Rate von USD … vor.
10 Die Beklagte unterbreitete der Klägerin mit Schriftsatz vom 30.05.2014 ein Lizenzvertragsangebot (Anlage
B&B 11), das sich auf das Klagepatent bezieht und als Lizenzgegenstand solche Produkte erfasst, die im
Inland vertrieben werden. Die Bestimmung der Lizenzgebühr stellte die Beklagte wahlweise in das billige
Ermessen der Klägerin oder bot unter Hinweis auf ein Sachverständigengutachten (Anlage B&B 12) eine
Stücklizenz von USD … an.Die Beklagte hinterlegte beim Amtsgericht Düsseldorf berechnet aus einem
Lizenzsatz von USD … für eine deutsche Einzellizenz eine Summe von USD … (Anlage B&B 30; USD…
Lizenzgebühr nebst USD … Zinsen und Sicherheitszuschlag USD …) und rechnete gegenüber der Klägerin
diesbezüglich ab (Anlage B&B 31).
11 Die Klägerin unterbreitete der Beklagten mit Schriftsatz vom 25.07.2014 das Angebot, das ihr von der
Beklagten unterbreitete Angebot mit den in diesem Schreiben enthaltenen Änderungen anzunehmen
(Anlage K 5). Dieses Angebot nahm die Beklagte bzw. deren Muttergesellschaft nicht an.
12 Die Klägerin unterbreitete der Muttergesellschaft der Beklagten am 13.03.2015 ein weiteres
Lizenzvertragsangebot, welches sich auf ihr weltweites Patentportfolio hinsichtlich der DVD-Software
bezog. Zudem legte sie eine Liste von aus ihrer Sicht für das Portfolio repräsentativen Patenten vor und
wies nach Patentansprüchen sortiert auf Abschnitte des DVD-Standards hin, durch die jene implementiert
würden (Anlage K1f). Die Lizenzrate berechnete die Klägerin ausgehend von der P-Poollizenz, nahm
gegenüber der Lizenz für Hardware einen Abschlag von 80 % vor, da Gegenstand der Lizenz nur die
Softwarefunktionalität war (PCs mit vorinstallierter DVD-Software oder bloßem Playback-Laufwerk
einerseits und mit DVD-Brennern mit Codierungsfunktion zum Erstellen von DVDs anderseits),
differenzierte zwischen vergangener und künftiger Nutzung, bildete einen Bruchteilsfaktor entsprechend
dem anteiligen von ihr angenommenen Wert des klägerischen Anteils am Pool-Portfolio und setzte für
Verwaltungsmehraufwand 20 % als Aufschlag an und gelangte so zu einer Rate von USD … (Compliant
Rate) bzw. … (Standard Rate).
13 Die Beklagte forderte hierauf Claim-charts zu allen Portfoliopatenten ein und beanstandete die
Lizenzberechnung als nicht ausreichend nachvollziehbar (Anlage K 1g).Die Klägerin übersandte der
Beklagten bzw. der Konzernmutter am 24.06.2015 eine Präsentation mit technischen Erläuterungen zu den
Patentfamilien im Portfolio der Klägerin (Anlage K 1k).
14 Mit dem mit der Berufung angefochtenen Urteil (Urt. v. 04.03.2016 - Az. 7 O 23/14), auf das zur
Vermeidung von Wiederholungen hinsichtlich der getroffenen Feststellungen und der Einzelheiten verwiesen
wird, hat das Landgericht die Beklagte - soweit hier von Interesse - gemäß Ziffer 1 des Tenors zur Auskunft
über Angebot, Vertrieb und Inverkehrbringen der angegriffenen Ausführungsformen verurteilt, und zwar
unter Angabe
15 a) der Menge der erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse, sowie der Namen und Anschriften der Hersteller,
Lieferanten und anderer Vorbesitzer,
16 b) der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten und -preisen, den jeweiligen
Typenbezeichnungen sowie den Namen und Anschriften der Abnehmer,
17 c) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten und -preisen, der jeweiligen
Typenbezeichnungen sowie der Namen und Anschriften der Angebotsempfänger,
18 d) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe,
Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet, im Falle von Internet-Werbung der Domain, den
Zugriffszahlen und den Schaltungszeiträumen,
19 e) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns,
20 wobei der Beklagten vorbehalten wurde, die Namen und Anschriften der nicht-gewerblichen Abnehmer und
Angebotsempfänger statt der Klägerin einem von ihnen zu bezeichnenden, der Klägerin gegenüber zur
Verschwiegenheit verpflichteten vereidigten Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern die Beklagte dessen
Kosten trägt und ihn ermächtigt und verpflichtet, der Klägerin auf konkrete Anfrage mitzuteilen, ob ein
bestimmter Abnehmer oder Angebotsempfänger in der Aufstellung enthalten ist.
21 Mit der dagegen eingelegten Berufung verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf Klageabweisung weiter.
22 Die Beklagte beantragt, soweit hier von Interesse,
23 die Zwangsvollstreckung aus Ziffer 1 des Tenors des Landgerichts Mannheim vom 04.03.2016 (Az. 7 O
23/14) gegen Sicherheitsleistung, deren Höhe vom Senat zu bestimmen ist, einstweilen einzustellen soweit
sie über die Angabe der Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen und -zeiten hinausgeht.
24 Die Klägerin tritt dem Einstellungsantrag entgegen.
II.
25 Der Einstellungsantrag der Beklagten hat keinen Erfolg. Gemäß §§ 719 Abs. 1 Satz 1, 707 Abs. 1 Satz 1
ZPO kann, wenn gegen ein für vorläufig vollstreckbar erklärtes Urteil Berufung eingelegt wird, die
Zwangsvollstreckung aus dem Urteil gegen Sicherheitsleistung einstweilen eingestellt werden. Im Rahmen
der demnach zu treffenden Ermessensentscheidung hat das Gericht die widerstreitenden Interessen des
Gläubigers einerseits und des Schuldners andererseits abzuwägen. Dabei hat es die Wertentscheidung des
Gesetzgebers zu beachten, dass grundsätzlich den Belangen des Vollstreckungsgläubigers der Vorrang
gebührt. Der Vorschrift des § 709 Satz 1 ZPO ist zu entnehmen, dass der Vollstreckungsschuldner in aller
Regel bereits durch die vom Gläubiger vor der Vollstreckung zu leistende Sicherheit hinreichend geschützt
ist. Es entspricht daher gefestigter Rechtsprechung, dass in Fällen, in denen das angefochtene Urteil nur
gegen Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist, eine Einstellung der Zwangsvollstreckung nur in
Ausnahmefällen unter besonderen Umständen in Betracht kommen kann. Es ist jedoch anerkannt, dass die
Einstellung der Zwangsvollstreckung in Betracht kommt, wenn bereits im Zeitpunkt der Entscheidung über
den Einstellungsantrag bei der im Verfahren nach §§ 719, 707 ZPO gebotenen summarischen Prüfung
festgestellt werden kann, dass das angefochtene Urteil voraussichtlich keinen Bestand haben wird oder
wenn der Schuldner die Gefahr eines besonderen Schadens darlegen und glaubhaft machen kann, der über
die allgemeinen Vollstreckungswirkungen hinausgeht (vgl. OLG Düsseldorf, aaO.; Senat, GRUR-RR 2015,
326 Rn. 17 -Mobiltelefone, juris; Beschl. v. 31.05.2016 - 6 U 55/16, Rn. 17, juris).
26 Es kann weder bei der im Verfahren nach §§ 719, 707 ZPO gebotenen summarischen Prüfung festgestellt
werden, dass das angefochtene Urteil voraussichtlich keinen Bestand haben wird (1.) noch hat die Beklagte
die Gefahr eines besonderen Schadens dargelegt und glaubhaft gemacht, der über die allgemeinen
Vollstreckungswirkungen hinausgeht (2.).
27 1. Voraussichtlich keinen Bestand hat das angefochtene Urteil bei offensichtlicher bzw. evidenter
Fehlerhaftigkeit (OLG Düsseldorf, Beschl. v. 09.05.2016 - I-15 U 36/16). Ob diese vorliegt, beurteilt sich auf
der Grundlage der tatsächlichen Feststellungen und rechtlichen Erwägungen, die für die erstinstanzliche
Entscheidung tragend sind. Erweisen sich diese Feststellungen oder rechtlichen Erwägungen bereits bei der
anzustellenden summarischen Prüfung als nicht tragfähig, ist die Zwangsvollstreckung aus dem Urteil
regelmäßig einstweilen einzustellen. Dies gilt in der Regel ungeachtet dessen, ob das angefochtene Urteil
sich im Ergebnis möglicherweise mit anderen Feststellungen oder auf Grund anderer rechtlicher Erwägungen
als zutreffend erweisen kann (Senat, GRUR-RR 2015, 50 - Leiterbahnstrukturen; GRUR-RR 2015, 326 -
Mobiltelefone; Beschl. v. 31.05.2016 - 6 U 55/16 Rn. 19 - juris).
28 a) Entgegen der Auffassung der Beklagten erweist sich die Auffassung des Landgerichts, der Durchsetzung
der verfolgten Ansprüche stehe Art. 101 AEUV nicht entgegen, bei summarischer Prüfung als vertretbar. Das
Landgericht hat hierzu ausgeführt:
29 „Selbst wenn die Klägerin keine beachtliche FRAND-Erklärung abgegeben haben sollte und dadurch die
Standardisierung und/oder Einbringung der Lehre des Klagepatents in den Standard gegen Art. 101 AEUV
verstoßen würde, würde dies nicht zu einer Durchsetzungssperre der verfolgten Ansprüche, insbesondere
des Unterlassungs- und Rückrufsanspruchs führen. Ein Verstoß gegen Art. 101 AEUV hätte zunächst die
Nichtigkeit der Standardisierungsvereinbarung zur Folge. Darüber hinaus stünden Dritten nach nationalem
Recht zivilrechtliche Ansprüche zu, die in Deutschland nach § 33 GWB auf Unterlassung, Beseitigung und
Schadensersatz gerichtet sind. Bezugspunkt des Unterlassungs- und Beseitigungsanspruchs ist dabei der
Kartellverstoß, nämlich die Feststellung des Standards. Dementsprechend ist weder der
Unterlassungsanspruch noch der Beseitigungsanspruch gegen die Durchsetzung des betreffenden Patents
gerichtet. Die Verpflichtung zur Erteilung einer Zwangslizenz besteht nur bei einem Verstoß gegen Art. 102
AEUV und kann nur unter diesem Gesichtspunkt einen kartellrechtlichen Zwangslizenzeinwand begründen.
(…) Nichts anderes gilt für einen eventuellen Schadensersatzanspruch. Auch dieser Anspruch ist nicht auf
die Erteilung einer Lizenz gerichtet.“
30 Diese Auffassung ist jedenfalls vertretbar (ebenso: LG Düsseldorf, Urt. v. 19.01.2016 - 4b O 123/14 Rn. 322
mwN. - juris). Ob und unter welchen Voraussetzungen die Erhebung einer Klage durch den Inhaber eines
SEP gegen Art. 101 AEUV verstößt, ist höchstrichterlich noch nicht geklärt und streitig. Soweit im
Schrifttum vereinzelt vertreten wird, Art. 101 AEUV könne zu einem Durchsetzungshindernis für eine Klage
des Patentinhabers führen, bezieht sich diese Auffassung lediglich auf den Unterlassungsanspruch
(Barthelmeß/Gauß, WuW 2010, 626, 634), nicht aber auf die hier in Rede stehenden Schadensersatz- und
Auskunftsansprüche.
31 b) Die Verurteilung der Beklagten zur Auskunft über die Gestehungskosten und des erzielten Gewinns
(Tenor Ziffer 1 e) sowie der betriebenen Werbung (Tenor 1.d) erweist sich auch aus anderen Gründen nicht
als offensichtlich fehlerhaft. Es ist jedenfalls vertretbar, dass das Landgericht den Auskunftsanspruch nicht
auf diejenigen Angaben beschränkt hat, die zur Berechnung des Schadensersatzes in Lizenzanalogie
erforderlich sind (LU S. 14). Das Landgericht hat zu Recht angenommen, dass sich eine solche Beschränkung
nicht aus dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 16.07.2015 (C-170/13, NJW 2015, 2783 -
HUAWEI/ZTE) ergibt. Denn zu der Schadensberechnungsmethode verhält sich die Entscheidung nicht. Der
EuGH stellt lediglich klar, dass Art. 102 AEUV einer Verletzungsklage auf Rechnungslegung bezüglich der
vergangenen Benutzungshandlungen und Schadensersatz wegen dieser Handlungen nicht entgegensteht
(aaO. Tenor Ziffer 2).
32 Die Annahme des Landgerichts, auf die kartellrechtlichen Einwendungen und insbesondere die Abgabe einer
FRAND-Verpflichtungserklärung komme es für die hier in Rede stehenden Schadensersatz- und
Auskunftsansprüche nicht an, ist vertretbar. Zwar wird teilweise vertreten, die vom Schutzrechtsinhaber
übernommene Pflicht, die Benutzung seines marktbeherrschenden Patents jedermann gegen eine
ausbeutungsfreie Lizenz zu gestatten, reduziere den Schadensersatzanspruch auf diese FRAND-Lizenz und
die begleitende Rechnungslegung auf solche Angaben, die für eine Lizenzberechnung erforderlich sind
(Kühnen, Handbuch der Patentverletzung, 8. Aufl. Kap. E Rn. 313; LG Düsseldorf, Urt. v. 19.01.2016 - 4b O
123/14 Rn. 348). Eine solche Beschränkung des Rechnungslegungsanspruchs wird jedoch von weiteren
Voraussetzungen abhängig gemacht. So wird teilweise gefordert, dass der Patentbenutzer sich vor der
Benutzung über die bestehende Patentsituation informiert und sich um eine Lizenz bemüht hat (LG
Düsseldorf, Urt. v. 19.01.2016 - 4b O 123/14 Rn. 348). Nach anderer Auffassung soll die Beschränkung nur
gelten, solange der Patentinhaber seinen Verpflichtungen zum Abschluss eines FRAND-Lizenzvertrages nicht
nachkommt (Kühnen aaO. Rn. 313) bzw. eine Lizenzbereitschaft des Benutzers überhaupt festgestellt
werden kann (Kühnen aaO. Rn. 314). Folgte man dieser Ansicht bestünde insbesondere kein Anspruch auf
Auskunft über den Verletzergewinn, also über Kosten- und Gewinnangaben (LG Düsseldorf aaO.) sowie über
die betriebene Werbung (vgl. BGH, GRUR 2008, 254, 258 - THE HOME STORE), sofern die genannten
Voraussetzungen vorlägen.
33 Für eine Beschränkung des Schadensersatzanspruchs auf die FRAND-Lizenz könnte sprechen, dass sich der
Inhaber eines standardessentiellen Patents durch seine FRAND-Erklärung selbst der Marktchance begeben
hat, die sich daraus ergibt, dass allein der Schutzrechtsinhaber auf Grund seines Ausschließlichkeitsrechts
jeden Dritten daran hindern kann, ein mit seinem schutzrechtsgemäßen Erzeugnis (technisch) identisches
Produkt auf den Markt zu bringen und dass in dem Fall, in dem alle Produkte von dem Standard Gebrauch
machen, gerade nicht mehr davon ausgegangen werden kann, dass die technischen Vorteile der Erfindung
den Abnehmer veranlasst haben, Produkte des Verletzers anstelle der Produkte des Patentinhabers zu
beziehen (vgl. zu dieser Zielrichtung der Berechnungsmethode des Verletzergewinns: BGH, GRUR 2012,
1226 Rn. 30 - Flaschenträger). Da die Frage höchstrichterlich jedoch noch nicht geklärt ist, und sich
insbesondere aus § 139 Abs. 2 PatG, welcher die Berücksichtigung des Verletzergewinns bei der Bemessung
des Schadens vorsieht, eine entsprechende Einschränkung nicht entnehmen lässt, kann bei der gebotenen
summarischen Prüfung nicht davon ausgegangen werden, dass die Auffassung des Landgerichts nicht
vertretbar ist.
34 Es ist bei summarischer Prüfung im Übrigen auch nicht ausgeschlossen, dass die von der Klägerin begehrten
Angaben über die Liefer- und Angebotspreise für die Ermittlung einer im Wege der Lizenzanalogie zu
bestimmenden FRAND-Lizenz erforderlich sind (vgl. LU S. 14). Ohne Erfolg macht die Beklagte geltend, die
Parteien seien sich einig, dass hier allein eine Stücklizenz in Betracht komme, so dass die Lizenzsumme
allein durch Multiplikation des Lizenzsatzes mit der Gesamtabsatzmenge der lizenzierten Produkte zu
berechnen ist und insbesondere nicht der Angebots- oder Lieferpreis zu berechnen sei. Die Klägerin macht
zu Recht geltend, dass eine angemessene Lizenz nicht unabhängig vom erzielten bzw. erzielbaren
Verkaufspreis bestimmt werden kann.
35 Da es nach Auffassung des Landgerichts hinsichtlich der auf Auskunft gerichteten Anträge nicht darauf
ankommt, ob ihrer Geltendmachung kartellrechtliche Einwendungen entgegenstehen, bedarf seine
alternative rechtliche Begründung, wonach die Klägerin die Vorgaben des EuGH in der Entscheidung
Huawei/ZTE eingehalten hat, im Einstellungsverfahren keiner Überprüfung.
36 c) Auch soweit das Landgericht die Beklagte zur Auskunft über die Menge der erhaltenen oder bestellten
Erzeugnisse, sowie der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer (Ziffer
1a) verurteilt hat, kann von einer offenkundigen Fehlerhaftigkeit des Urteils nicht ausgegangen werden. Der
Anspruch ergibt sich aus § 140b Abs. 3 Nr. 1 PatG. Ohne Erfolg macht die Beklagte geltend, die Auskunft
korrespondiere mit dem Rückrufsanspruch, den die Klägerin bereits für erledigt erklärt habe. Die Auskunft
über den Herkunftsweg dient nämlich nicht der Vorbereitung des Rückrufsanspruchs, vielmehr soll die
Auskunft den Rechtsinhaber in die Lage versetzen, den Weg der patentverletzenden Gegenstände
nachzuvollziehen, um die Rechtsverletzung effektiv bekämpfen zu können (vgl. BGHZ 166, 233 Rn. 36 -
juris - Parfümtestkäufe; Senat, Urt. v. 11.02.2015, 6 U 160/13 Rn. 58 - juris).
37 d) Es trifft zwar zu, dass der Tenor des landgerichtlichen Urteils vorgesehene Wirtschaftsprüfervorbehalt
hinsichtlich der „Namen und Anschriften der nicht gewerblichen Abnehmer und Angebotsempfänger“
missverständlich formuliert ist, da vor „Angebotsempfänger“ der Artikel fehlt und damit nicht klar zum
Ausdruck gebracht wird, dass entsprechend der allgemeinen Meinung der Wirtschaftsprüfervorbehalt sich
auch auf gewerbliche Angebotsempfänger erstreckt (OLG Düsseldorf, Urt. v.09.01.2003, Az. 2 U 94/01,
InstGE 3, 176 Rn. 110, juris - Glasscheibenbefestiger; Kühnen aaO. Kap. D Rn. 521; Grabinski/Zülch in
Benkard, PatG, 11. Aufl. § 139 Rn. 89c). Ein schutzwürdiges berechtigtes Interesse der Klägerin, diese
Namen und Anschriften unmittelbar zu erfahren, ist nicht erkennbar, da sie durch den Empfang von
Angeboten noch nicht zu Verletzern bzw. Gehilfen des Verletzers geworden sind. Dagegen ist ein
berechtigtes Interesse der Beklagten an der Geheimhaltung anzuerkennen (OLG Düsseldorf aaO. Rn. 110).
Da das Landgericht als Vollstreckungsgericht verpflichtet ist, bei der Auslegung des Titels, den Grundsatz der
Verhältnismäßigkeit zu beachten (BGH, Beschl. v. 05.03.2015 - I ZB 74/14, GRUR 2015, 1248 Rn. 19), wird
es den Wirtschaftsprüfervorbehalt entsprechend auslegen.
38 e) Auch die Entscheidung des Landgerichts, den Rechtsstreit nicht gemäß § 148 ZPO wegen der
Nichtigkeitsklage auszusetzen, hält der summarischen Prüfung stand. Bei der Entscheidung über die
Aussetzung handelt es sich um eine Ermessensentscheidung, im Rahmen derer nicht nur das Interesse an
widerspruchsfreien Entscheidungen zu berücksichtigen ist, sondern auch das Interesse des
Verletzungsklägers an einem zeitnahen Abschluss des Verletzungsverfahrens (BGHZ 158, 372, 376 -
Druckmaschinentemperiersystem; BGH, GRUR 2012, 93 f- Klimaschrank; Beschl. v. 17.07.2012 - X ZR 77/11
Rn. 2). Für den Patentverletzungsprozess ist anerkannt, dass eine Aussetzung in erster Instanz im Regelfall
nur dann gerechtfertigt ist, wenn mit erheblicher Wahrscheinlichkeit von einem Widerruf oder eine
Nichtigerklärung des Klagepatents ausgegangen werden kann (vgl. BGH, GRUR 1987, 284 -
Transportfahrzeug; GRUR 2014, 1237 Rn. 4 - Kurznachrichten). Dem liegt die Erwägung zu Grunde, dass die
Aussetzung angesichts der begrenzten Laufzeit des Schutzrechts und der häufig langen Zeitdauer bis zur
endgültigen Klärung des Rechtsbestands typischerweise einen erheblichen Eingriff in die Rechtsposition des
Patentinhabers bedeutet. Bei der vom Verletzungsgericht zu treffenden Prognoseentscheidung fällt
außerdem jedenfalls im ersten Zugriff ins Gewicht, dass das Patent nur erteilt wird, wenn und soweit das
Patentamt auf Grund sachkundiger technischer Prüfung die Schutzfähigkeit der beanspruchten technischen
Lehre bejaht hat; auch dies spricht dafür, bei der Aussetzung des Verletzungsprozesses Zurückhaltung
walten zu lassen (Senat, GRUR 2014, 352, 354 - Stanzwerkzeug). Von diesen Erwägungen hat sich zu
Recht auch das Landgericht leiten lassen.
39 Gegen eine Vernichtungswahrscheinlichkeit spricht hier, dass die Schutzfähigkeit des Klagepatents in der
nunmehr erteilten Fassung bereits vom Bundesgerichtshof (BGH, Urt. v. 17.09.2009 - Xa ZR 128/05- juris)
bejaht wurde. Insoweit kommt eine Aussetzung nur in Betracht, wenn die Erfolgsaussicht der neuen
Nichtigkeitsklage offensichtlich ist (vgl. BGH, Beschl. v. 17.07.2012 - X ZR 77/12 Rn. 2 -
Verdichtungsvorrichtung juris) oder wenn weiterer Stand der Technik präsentiert wird, der weil er der
Erfindung näher kommt als der bisher gewürdigte Stand der Technik, mit der gebotenen Wahrscheinlichkeit
eine Vernichtung des Klagepatents erwarten lässt (vgl. Kühnen, aaO. Kap. E Rn. 530). Beide
Voraussetzungen liegen hier nicht vor.
40 Einen offenkundigen Fehler der Entscheidung des Bundesgerichtshofs zeigt die Beklagte nicht auf. Der
Bundesgerichtshof hat das Klagepatent hinsichtlich des hier maßgeblichen Anspruchs 14 auf den Hilfsantrag
der Klägerin mit der Maßgabe aufrechterhalten, dass vor den Wörtern „the size“ die Wörter „for each
graphic image“ eingefügt wird. Aus der Entscheidung des Bundesgerichtshofs wird deutlich, dass in
Abgrenzung zum vorbekannten MPEG-2-Standard damit zum Ausdruck gebracht werden soll, dass die
Angaben zu Größe und Lage jeweils für jedes graphische Bild kodiert sein sollen (aaO. Rn. 34, Rn. 36). Ohne
Erfolg macht die Beklagte geltend, die Einschränkung, dass „Lage und Größe jeweils für jedes graphische Bild
codiert sein sollten“ sei in Anspruch 14 nicht enthalten. Maßgeblich ist insoweit auf die englische Fassung
des Anspruchs abzustellen. Die Annahme des Bundesgerichtshofs, sein Verständnis des Merkmals komme im
geänderten Anspruch hinreichend deutlich zum Ausdruck, ist nicht offenkundig falsch. „Each“ ist sowohl
Adverb als auch Adjektiv und kann im Sinne von „jeweils“ und „jedes“ sowie mit doppeltem Sinngehalt
verstanden werden. Dass nach einem Verständnis in dem vom Bundesgerichtshof genannten Sinn der
MPEG-2-Standard nicht neuheitsschädlich ist, stellt auch die Beklagte nicht in Abrede. Im ersten
Nichtigkeitsverfahren nicht gewürdigten Stand der Technik führt die Beklagte nicht an. Es ist auch nicht
offenkundig, dass der Bundesgerichtshof den aufrechterhaltenen Patentanspruch eben um das
beschränkende Merkmal unzulässig erweitert hat.
41 2. Da nach alledem die Entscheidung des Landgerichts nicht offenkundig rechtsfehlerhaft ist, käme eine
Einstellung lediglich in Betracht, wenn die Beklagte die Gefahr eines besonderen Schadens dargelegt und
glaubhaft gemacht hätte, der über die allgemeinen Vollstreckungswirkungen hinausgeht. (vgl. OLG
Düsseldorf, aaO.; Senat, GRUR-RR 2015, 326 Rn. 17 - Mobiltelefone, juris; Beschl. v. 31.05.2016 - 6 U
55/16, Rn. 17, juris). Es kann nicht festgestellt werden, dass die von der Klägerin betriebene
Zwangsvollstreckung aus dem landgerichtlichen Urteil hinsichtlich des in Rede stehenden Auskunfts- und
Rechnungslegungsanspruchs bei der Beklagten zu außergewöhnlichen, nicht oder wenigstens nicht mit Hilfe
der vorher geleisteten Sicherheit wieder gut zu machenden Schäden führen würde. Ohne Erfolg rügt die
Beklagte die Höhe der Sicherheitsleistung als unzureichend. Ihr Vortrag, die vom Landgericht vorgesehene
Sicherheitsleitung in Höhe von nur 50.000,00 EUR sei völlig unzureichend, es sei mindestens eine
Sicherheitsleistung von 1.000.000,00 EUR festzusetzen, ist nicht näher begründet. Insoweit ist auch von
der Beklagten nicht vorgetragen noch sonst ersichtlich, dass das Landgericht entsprechenden Vortrag der
Beklagten in erster Instanz übergangen hätte (vgl. zu § 718 ZPO: OLG Düsseldorf, InstGE 9, 47; BeckRS
2008, 17095 - Zahnimplantat; GRUR-RR 2012, 304 - Höhe des Vollstreckungsschadens; Kühnen, Handbuch
der Patentverletzung, 8. Aufl., Kap. H. Rn. 66, S. 721; Lackmann in Musielak, ZPO, 13. Aufl. § 718 Rn. 1).
Soweit die Beklagte in erster Instanz eine Sicherheitsleistung in Höhe von 5.000.000,00 EUR gefordert hat,
betraf dies den Vernichtungs- und Rückrufanspruch (Klageerwiderung S. 41, AS I 134).
42 Die Einstellung der Zwangsvollstreckung ist nicht deshalb geboten, weil deren Folgen selbst dann nicht zu
beseitigen sind, wenn die Berufung Erfolg haben sollte. Allein der Umstand, dass die Vollstreckung, das
Prozessergebnis vorwegnehmen würde, ist kein unersetzlicher Nachteil (vgl. BGH, GRUR 1979, 807 Rn. 6,
juris -Schlumpfserie; GRUR 1991, 159 - Zwangsvollstreckungseinstellung; OLG Düsseldorf, Beschl. v.
07.04.2008 - I-2 U 116/07, BeckRS 2012, 13680). Ohne Erfolg macht die Beklagte geltend, die Angaben zu
den Gestehungskosten und zum erzielten Gewinn beträfen den Kernbereich legitimer unternehmerischer
Geheimhaltungsinteressen. Denn der Umstand, dass es sich bei den zu erteilenden Informationen um
Geschäftsinterna handelt, die mit Rücksicht auf die Wettbewerbslage der Parteien vor der Klägerin geheim
zu halten seien, rechtfertigt für sich alleine nicht die Annahme, dass eine Vollstreckung der Verurteilung zur
Auskunftserteilung für den Schuldner nicht zu ersetzende Nachteile zur Folge hätte (vgl. BGH, NJWE-
WettbR 1999, 138; OLG Düsseldorf aaO.) Es besteht kein Anlass von dieser Regel abzuweichen.
43 Der Aspekt, dass die Klägerin das Klagepatent über einen Patentpool verwertet, führt entgegen der
Auffassung der Beklagten für sich genommen nicht dazu, dass die Interessenabwägung zu ihren Lasten
ausfallen muss (vgl. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 02.02.2015 - I-15 U 135/14; OLG Düsseldorf, Beschl. v.
19.08.2015 - I-2 U 24/15; Beschl. v. 13.01.2016 - I-15 U 66/15, GRUR-RS 2016, 01680, Rn. 11). Soweit der
Senat in der Vergangenheit im Einstellungsverfahren dem Umstand, dass das wirtschaftliche Interesse der
Klägerin primär auf die wirtschaftliche Verwertung des Patents gerichtet ist, Bedeutung beigemessen hat,
erfolgte dies im Rahmen der Gesamtabwägung und betraf Fallgestaltungen, bei welchen aufgrund
summarischer Prüfung angenommen wurde, dass das Urteil mit den tragenden rechtlichen Erwägungen
keinen Bestand haben wird (Senat, GRUR-RR 2010, 120 Rn. 14, juris; Beschl. v. 23.04.2015 - 6 U 44/15 Rn.
25; Beschl. v. 31.05.2016 - 6 U 55/16, NZKart 2016, 334 Rn. 38 -juris).