Urteil des OLG Karlsruhe vom 16.02.2017

differenzmethode, abgabe, vollstreckung, auflage

OLG Karlsruhe Beschluß vom 16.2.2017, 2 Ws 34/17
Leitsätze
1. Trifft das Gericht bei der Kostenentscheidung keine Verteilung der Auslagen nach Bruchteilen, ist eine zur
Vermeidung der späteren Anwendung der Differenzmethode hiergegen eingelegte sofortige Beschwerde
mangels Beschwer unzulässig.
2. Eine Verteilung der Auslagen nach Bruchteilen steht im pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts.
3. Der Rechtspfleger kann im Kostenfestsetzungsverfahren die Entscheidung sowohl nach Bruchteilen als auch
nach der Differenzmethode treffen; Ersteres darf jedoch zu keiner unangemessenen Festsetzung führen.
Tenor
1. Auf die sofortige Beschwerde des Verurteilten gegen die Kostenentscheidung in dem Urteil des Landgerichts
Freiburg vom 6. Dezember 2016 wird die Kostenentscheidung dahin ergänzt, dass der Angeklagte die Hälfte der
Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen hat. Die Staatskasse trägt die Hälfte der dem Angeklagten im
Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen.
Im Übrigen wird die sofortige Beschwerde als unzulässig verworfen.
2. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen. Jedoch werden die Gebühr für das
Beschwerdeverfahren um ein Drittel ermäßigt und der Staatskasse ein Drittel der insoweit entstandenen
notwendigen Auslagen des Angeklagten auferlegt.
Gründe
I.
1 Auf die Revision des Beschwerdeführers wurde mit Beschluss des Senats vom 07.08.2015 - 2 (7) Ss 348/15 -
das Urteil des Landgerichts Freiburg vom 24.03.2015 mit den Feststellungen aufgehoben, soweit der
Angeklagte wegen unerlaubter Abgabe von Betäubungsmitteln an eine Person unter 18 Jahren in drei Fällen
zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt worden war. Die Sache wurde zur neuen
Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Kleine Strafkammer
des Landgerichts Freiburg zurückverweisen.
2 Mit Urteil des Landgerichts Freiburg vom 06.12.2016 wurde G. M. - unter Aufhebung des Urteils des
Amtsgerichts - Schöffengericht - Freiburg vom 04.06.2014 (21 Ls 620 Js 31986/13) - wegen unerlaubter
Abgabe von Betäubungsmitteln an eine Person unter 18 Jahren in Tateinheit mit unerlaubtem Handeltreiben
mit Betäubungsmitteln zu einer Freiheitsstrafe von acht Monaten verurteilt; hiervon gelten zwei Wochen
als vollstreckt. Die Vollstreckung der Freiheitsstrafe wurde zur Bewährung ausgesetzt. Soweit der
Angeklagte wegen unerlaubter Abgabe von Betäubungsmitteln an eine Person unter 18 Jahren in zwei
Fällen, jeweils im August 2013 begangen, verurteilt worden war, wurde das Verfahren wegen eines
Verfahrenshindernisses gemäß § 260 Abs. 3 StPO eingestellt. Die weitergehende Berufung des Angeklagten
wurde verworfen.
3 Das Landgericht traf folgende Kostengrundentscheidung:
4 Soweit das Verfahren eingestellt wurde, trägt die Staatskasse die Kosten des Verfahrens und die
notwendigen Auslagen des Angeklagten. Soweit der Angeklagte verurteilt wurde, hat er die Kosten des
Verfahrens und seine notwendigen Auslagen zu tragen.
5 Mit seiner am 13.12.2016 eingelegten sofortigen Beschwerde gegen die Kostenentscheidung erstrebt der
Beschwerdeführer eine Kostenquotelung nach Bruchteilen. Bei der Kostenentscheidung bleibe es dem
Rechtspfleger überlassen, ob die von der Staatskasse zu tragenden Kosten und notwendigen Auslagen nach
der Differenztheorie oder nach Bruchteilen zu bemessen seien. Aus Sicht des Beschwerdeführers werde eine
Quotelung mit jeweils hälftiger Kostentragungspflicht für sachgerecht erachtet. Die Kosten des
Revisionsverfahrens und die im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen müssten der
Staatskasse in vollem Umfang auferlegt werden.
6 Das Urteil des Landgerichts Freiburg vom 06.12.2016 ist - bis auf die Kostengrundentscheidung - seit dem
14.12.2016 rechtskräftig.
II.
7 Auf die fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde des Verurteilten gemäß § 464 Abs. 3 StPO ist die
Kostengrundentscheidung in Bezug auf die unterbliebene Entscheidung über die Kosten des
Revisionsverfahrens zu ergänzen. Im Übrigen ist die sofortige Beschwerde, soweit das Landgericht die
begehrte Bruchteilsentscheidung gemäß § 464d StPO in der Kostengrundentscheidung nicht getroffen hat,
als unzulässig zu verwerfen.
A.
8 Das Landgericht hatte in der Kostengrundentscheidung auch über die Kosten der vom Angeklagten
eingelegten Revision zu entscheiden, da der endgültige Erfolg des Rechtsmittels, auf den § 473 StPO
abstellt, erst durch die abschließende Sachentscheidung bestimmt wird (Gieg in KK-StPO, 7. Auflage 2013, §
473 Rn. 4). Auf die insoweit zulässige sofortige Beschwerde hat der Senat die Kostengrundentscheidung
daher wie tenoriert ergänzt (§§ 311, 309 Abs. 2 i.V.m. § 473 Abs. 4 StPO). Vorliegend ist ein Teilerfolg der
Revision insoweit gegeben, als auf die unbeschränkte Revision des Beschwerdeführers hin, der Angeklagte
durch das Berufungsurteil vom 06.12.2016 wegen unerlaubter Abgabe von Betäubungsmitteln an eine
Person unter 18 Jahren in Tateinheit mit unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln zu einer
Freiheitsstrafe von acht Monaten verurteilt wurde, wovon zwei Wochen als vollstreckt gelten. Im auf seine
unbeschränkte Revision hin aufgehobenen ersten Berufungsurteil vom 24.03.2015, war er dagegen wegen
unerlaubter Abgabe von Betäubungsmitteln an eine Person unter 18 Jahren in drei Fällen zu einer
Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt worden. In beiden Urteilen war die weitergehende Berufung
des Angeklagten verworfen und die Vollstreckung der jeweils verhängten Freiheitstrafe zur Bewährung
ausgesetzt worden. Angesichts des nur teilweisen Erfolgs des Rechtsmittels ist die vom Senat
vorgenommene Kostenverteilung angemessen (Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 59. Auflage 2016, § 473 Rn.
25a f).
B.
9 Soweit das Landgericht in der angegriffenen Kostengrundentscheidung keine Bruchteilsentscheidung gemäß
§ 464d StPO getroffen hat, ist die sofortige Beschwerde mangels Beschwer schon unzulässig, im Übrigen
jedenfalls unbegründet.
10 1. Die Beschwerde ist grundsätzlich nur zulässig, wenn der Beschwerdeführer eine Beschwer behauptet
(Zabeck in KK-StPO, a.a.O., § 304 Rn. 30). Beschwert ist der Rechtsmittelführer, wenn seine Rechte und
geschützten Interessen durch die angegriffene Entscheidung unmittelbar beeinträchtigt sind (Zabeck in KK-
StPO, a.a.O., m.w.N.). Vorliegend fehlt es an einer solchen unmittelbaren Beeinträchtigung, denn der
Beschwerdeführer wendet sich nicht gegen die - abstrakte - Entscheidung, dass er die Kosten insoweit zu
tragen hat, als er verurteilt worden ist (§ 465 Abs. 1 Satz 1 StPO). Er meint vielmehr sinngemäß, dass der
von ihm letztlich zu zahlende Betrag geringer ausfiele, wenn das Landgericht eine (hälftige)
Bruchteilsentscheidung (§ 464d StPO) getroffen hätte und damit im Kostenfestsetzungsverfahren die sog.
Differenzmethode (§§ 467, 464b StPO) nicht zur Anwendung käme.
11 Allein dadurch, dass das Landgericht die begehrte Bruchteilsentscheidung gemäß § 464d StPO in der
Kostengrundentscheidung nicht getroffen hat, ist der Beschwerdeführer jedoch nicht beschwert. Die
gerichtliche Kosten- und Auslagenentscheidung ergeht immer nur dem Grunde nach (Hilger in Löwe-
Rosenberg, StPO, 26. Aufl. 2010, § 464b Rn. 1). Die - nach der Vorstellung des Beschwerdeführers
möglicherweise zu einer Beschwer führende -
Höhe der vom Beschwerdeführer zu tragenden Kosten, wird
gemäß § 464b Satz 1 StPO erst im Kostenfestsetzungsverfahren festgesetzt, wobei der nach §§ 21 Nr. 1
RPflG, 464b Satz 3 StPO zuständige Rechtspfleger im Kostenfestsetzungsverfahren auch dann eine
Bruchteilsentscheidung treffen kann, wenn das Gericht seine Kostenentscheidung ausdrücklich nach der
Differenzmethode getroffen hatte (KG Berlin, Beschluss vom 25.11.2015 - 1 Ws 84/15 -, juris und KG Berlin
StraFo 2009, 260; Gieg in KK-StPO, a.a.O., § 464d Rn. 3; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 59. Aufl. 2016, §
464d Rn. 3).
12 2. Die sofortige Beschwerde wäre im Übrigen auch unbegründet. Zwar hat das Landgericht in der
Kostengrundentscheidung davon abgesehen, die Auslagen der Staatskasse und die notwendigen Auslagen
des Verurteilten zwischen der Staatskasse und dem Verurteilten nach Bruchteilen zu verteilen, wie § 464d
StPO es zuließe und wie es der Beschwerdeführer allein für richtig hält. Jedoch steht der Erlass einer
solchen Bruchteilsentscheidung auch nach Einführung dieser Vorschrift durch Art. 8 Abs. 4 Nr. 2 des
KostRÄndG 1994 weiterhin im pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts ("können"), das stattdessen die
Berechnung, wie die Auslagen zwischen der Staatskasse und dem Verurteilten zu verteilen sind, anhand
von abstrakten Abgrenzungskriterien ("
Soweit das Verfahren eingestellt wurde,… Soweit der Angeklagte
verurteilt wurde ...") auch dem Kostenfestsetzungsverfahren nach § 464b StPO überlassen kann. Dies
entspricht dem Willen des Gesetzgebers, nach dem das Gericht nicht dazu gezwungen sein soll, von der
durch § 464d StPO gegebenen Möglichkeit der Bruchteilsentscheidung Gebrauch zu machen (BT-Dr.
12/6962, S. 112; OLG Karlsruhe StV 1998, 609; OLG Koblenz StraFo 1999, 105; KG Berlin StraFo 2009,
260; OLG Rostock StRR 2011, 120 m.w.N.; Gieg in KK-StPO, a.a.O., § 464d Rn. 3; Meyer-Goßner/Schmitt,
a.a.O., § 464d Rn. 1).
13 Da die Kostenquotelung für einfache, leicht überschaubare Fälle gedacht ist (Meyer-Goßner/Schmitt, a.a.O., §
464d Rn. 1), bedurfte die vom Landgericht vorliegend gewählte Nichtanwendung des § 464d StPO auch
keiner ausdrücklichen Erörterung (BGH NStZ 2000, 499; KG Berlin, Beschluss vom 25.11.2015 - 1 Ws 84/15
-, juris). Im vorliegenden Verfahren, in dem nach der Aufhebung eines Berufungsurteils auf die Revision des
Angeklagten das sodann zuständige Berufungsgericht ein amtsgerichtliches Urteil aufgehoben und das
Verfahren wegen zweier Taten gemäß § 260 Abs. 3 StPO eingestellt hat, handelt es sich in kostenrechtlicher
Hinsicht ersichtlich nicht um einen einfachen, leicht überschaubaren Fall.
14 Im Übrigen
kann auch dann, wenn das Gericht keine Bruchteilsentscheidung, sondern seine
Kostenentscheidung ausdrücklich nach der Differenzmethode getroffen hat, der Rechtspfleger im
Kostenfestsetzungsverfahren nach § 464 b StPO die zu erstattenden Auslagen dennoch nach Bruchteilen
bestimmen, wenn dies - etwa aufgrund nicht oder nur schwer rechnerisch trennbarer Auslagen -
ermessensgerecht ist (vgl. BT-Drucksache 12/6962 S. 111; KG Berlin StraFo 2009, 260; OLG Köln NStZ-RR
2004, 384; OLG Dresden NStZ-RR 2003, 224; Gieg in KK-StPO, a.a.O., § 464d Rn. 3 m.w.N.). Zwingend ist
eine solche Vorgehensweise jedoch auch dort nicht. Denn insoweit handelt es sich lediglich um einen
anderen, gegenüber der Differenzmethode vereinfachten und regelmäßig nicht minder zuverlässigen Weg
zur Ermittlung der zu erstattenden Auslagen, sofern nicht durch eine unangemessene Schätzung der auf
den Teilfreispruch (Teileinstellung) entfallenden Quote de facto eine nachträgliche Änderung der
(rechtskräftigen) Kostengrundentscheidung des Gerichts bewirkt wird. Das Prinzip der Kostengerechtigkeit
verlangt auch bei einer durch einen Teilfreispruch (Teileinstellung) bedingten Bruchteilsentscheidung, dass
die zum Freispruch (Verfahrenseinstellung) bzw. zur Verurteilung führenden Verfahrensanteile in ein
angemessenes Verhältnis zueinander gesetzt werden. Die mit einer Quotelung notwendig verbundene
pauschalierende Schätzung darf nicht dazu führen, dass höhere Auslagen festgesetzt werden als dies nach
der - insoweit als Korrektiv heranzuziehenden - Differenztheorie der Fall wäre (OLG Köln NStZ-RR 2004,
384; Gieg in KK-StPO, a.a.O., § 464d Rn. 3 m.w.N.; Hilger, a.a.O., § 464d Rn 8).
15 Gegen die Entscheidung des Rechtspflegers im Kostenfestsetzungsverfahren nach § 464b StPO ist im
Übrigen die sofortige Beschwerde statthaft (§§ 11 Abs. 1, 21 Nr. 1 RpflG; § 104 Abs. 3 Satz 1 ZPO; §§ 464b
Satz 3, 304 Abs. 3 StPO).
III.
16 Die Kostenentscheidung für das Beschwerdeverfahren folgt aus § 473 Abs. 1 und Abs. 4 StPO.