Urteil des OLG Karlsruhe vom 17.08.2016

ablauf der frist, rechtskräftiges urteil, auflage, straftat

OLG Karlsruhe Beschluß vom 17.8.2016, 2 Ws 261/16
Leitsätze
1. Die Feststellung des staatlichen Auffangrechtserwerbs nach § 111i Abs. 5 Satz 1 StPO kann auch die
Verletzten der Straftat beschweren und zur sofortigen Beschwerde berechtigen.
2. Materiell-rechtliche Grundlage des staatlichen Auffangrechtserwerbs sind ausschließlich die nach Maßgabe
von § 111i Abs. 2 StPO erfolgten Feststellungen im Urteil. Sie können durch die Aufrechterhaltung von
Sicherungsmaßnahmen gemäß § 111i Abs. 3 StPO nicht ersetzt werden.
3. Der Auffangrechtserwerb des Staates tritt auf der Grundlage rechtskräftiger Feststellungen auch dann ein,
wenn diese zu Unrecht erfolgt sind.
Tenor
1. Die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft Freiburg – Zweigstelle Lörrach – gegen den Beschluss des
Landgerichts Freiburg vom 8. April 2016 über die Feststellung des staatlichen Auffangrechtserwerbs gemäß §
111i Abs. 6 StPO wird als unbegründet verworfen.
2. Auf die sofortigen Beschwerden des K. S., des A. F. und des R. W. wird der Beschluss des Landgerichts
Freiburg vom 8. April 2016 über die Feststellung des staatlichen Auffangrechtserwerbs gemäß § 111i Abs. 6
StPO aufgehoben, soweit festgestellt wurde, dass das Land Baden-Württemberg mit Ablauf des 2. April 2012
gegen die Firma H. S. A. (C./Schweiz) einen Zahlungsanspruch in Höhe von 1.000.000 Euro erworben hat und
die Firma H. S. A. in dieser Höhe als Gesamtschuldnerin neben dem Verurteilten A. B. haftet. Die
weitergehenden sofortigen Beschwerden des K. S., des A. F. und des R. W. werden als unbegründet verworfen.
3. Die dem Verurteilten durch die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft – Zweigstelle Lörrach –
entstandenen notwendigen Auslagen fallen der Staatskasse zur Last. K. W., A. F. und R. W. haben jeweils die
durch ihre sofortigen Beschwerden entstandenen Kosten zu tragen; jedoch wird die Beschwerdegebühr jeweils
um ein Viertel ermäßigt und werden die den genannten Beschwerdeführern im Beschwerdeverfahren
entstandenen notwendigen Auslagen zu jeweils einem Viertel der Staatskasse auferlegt.
Gründe
I.
1 A. B. wurde durch seit dem 02.04.2009 rechtskräftiges Urteil des Landgerichts Freiburg vom 27.11.2008 (2
KLs 84 Js 16225/07) – wegen Betrugs in 167 Fällen verurteilt. Nummer 2 der Urteilsformel lautet:
2
„Von der Anordnung des Wertersatzverfalls in Höhe von 3.331.233 Euro wird abgesehen, da Ansprüche der
Geschädigten nach § 73 Abs. 1 Satz 2 StGB entgegenstehen“.
3 Am 27.11.2008 fasste das Landgericht Freiburg zudem folgenden Beschluss:
4
„Die mit Beschluss des Amtsgerichts Lörrach vom 31.01.2008 (32 Gs 23/08) angeordnete Beschlagnahme
von 40 Bildern in Luftpolsterfolie, der mit Beschluss des Amtsgerichts Lörrach vom 18.01.2008 (32 Gs
38/08) angeordnete dingliche Arrest in Höhe von 1.000.000 Euro in das Vermögen der H. S. A., CH- C., der
mit Beschluss des gleichen Gerichts vom 14.01.2008 (32 Gs 19/08) in der gleichen Höhe angeordnete
dingliche Arrest in das Vermögen des Angeklagten, die mit Beschluss des Amtsgerichts Lörrach vom
15.01.2008 (32 Gs 25/08) erfolgte Pfändung aller Ansprüche und Rechte des Angeklagten gegen die …
Versicherung AG sowie die durch Beschluss des Amtsgerichts Lörrach vom 22.01.2008 (32 Gs 42/08)
erfolgte Pfändung der in Abteilung III im Grundbuch von F., Bl. 14208, Flurstück Nr. 1790, unter den lfd.
Nrn. 1-4 auf die Fa. H. S. A. eingetragenen Briefgrundschulden werden – entsprechend § 111i Abs. 3 Satz 1
StPO – für die Dauer von drei Jahren ab Rechtskraft der heutigen Verurteilung aufrechterhalten.“
5 Mit Beschluss vom 09.06.2010 ergänzte das Landgericht Freiburg den vorgenannten Beschluss wie folgt:
6
„Die durch Beschluss des Amtsgerichts Lörrach vom 31.01.2008 (32 Gs 24/08) bestätigte Beschlagnahme
eines braunen Lederkoffers mit historischen Schriften (Wertgegenstand der H. S. A. - Rückgewinnungshilfe
Anleger), die durch Beschluss des Amtsgerichts Lörrach vom 23.06.2008 (32 Gs 176/08) in Vollziehung des
dinglichen Arrestes des Amtsgerichts Lörrach vom 18.01.2008 (32 Gs 38/08) erfolgte Pfändung sämtlicher
Ansprüche der Firma H. S. A. aus dem Darlehensvertrag vom 10.02.2004 gegenüber A. K., S. W. und E. I.
bis zur Höhe von maximal 15.000 Euro und die in Vollziehung des genannten dinglichen Arrestes am
22.01.2008 beim Amtsgericht Aichach – Grundbuchamt – bis zum Höchstbetrag vom 100.000 Euro
eingetragene Zwangssicherungshypothek betreffend das Grundstück im Grundbuchbezirk F. Blatt 14208 (F.
Flurstück 1790) werden entsprechend § 111i Abs. 3 StPO für die Dauer von drei Jahren ab der am
02.04.2009 eingetretenen Rechtskraft des Urteils des Landgerichts Freiburg vom 27.11.2008 (2 KLs 84 Js
16225/07 AK 25/08) aufrechterhalten.“
7 Im Laufe des Ermittlungsverfahrens waren verschiedene Vermögenswerte des Verurteilten und der H. S. A.
wie folgt gesichert worden:
8
- Mit Beschluss des Amtsgerichts Lörrach vom 14.01.2008 (32 Gs 19/08) wurde der dingliche Arrest in Höhe
von 1.000.000 Euro in das Vermögen des Verurteilten angeordnet. In Vollziehung dieses dinglichen Arrests
wurden mit Beschluss des Amtsgerichts Lörrach vom 15.01.2008 (32 Gs 25/08) Ansprüche des Verurteilten
gegen die ... Versicherung AG aus Lebensversicherungsverträgen bis zur Höhe von 1.000.000 Euro
gepfändet.
9
- Mit Beschluss des Amtsgerichts Lörrach vom 18.01.2008 (32 Gs 38/08) wurde der dingliche Arrest in Höhe
von 1.000.000 Euro in das Vermögen der H. S.A. angeordnet. In Vollziehung dieses dinglichen Arrests
wurde eine Zwangssicherungshypothek bis zum Höchstbetrag von 100.000 Euro auf ein Grundstück der H.
S. A. im Grundbuch eingetragen und mit Beschluss des Amtsgerichts Lörrach vom 18.01.2008 verschiedene
für die H. S. A. eingetragene Briefgrundschulden gepfändet. Zudem wurden mit Beschluss des Amtsgerichts
Lörrach vom 23.06.2008 (32 Gs 176/08) Ansprüche der H. S. A. aus einem Darlehensvertrag vom
10.02.2004 in Höhe von 15.000 Euro gegen drei Drittschuldnerinnen gepfändet.
10 - Mit Beschluss des Amtsgerichts Lörrach vom 31.01.2008 (32 Gs 23/08) wurde unter anderem die
Beschlagnahme von „40 Bildern in Luftpolsterfolie, Wertgegenstände der H. S. A. (Rückgewinnungshilfe
Anleger)“ „gemäß §§ 94, 98 Abs. 2, 111b, 111c StPO“ bestätigt.
11 - Mit weiterem Beschluss des Amtsgerichts Lörrach vom 31.01.2008 (32 Gs 24/08) wurde unter anderem
die Beschlagnahme eines „braunen Lederkoffers mit historischen Schriften, Wertgegenstand des H. S. A.
(Rückgewinnungshilfe Anleger)“ „gemäß §§ 94, 98 Abs. 2, 111b, 111c StPO bestätigt“.
12 Am 08.04.2016 fasste das Landgericht Freiburg folgenden Beschluss:
13 „Es wird festgestellt, dass das Land Baden-Württemberg mit Ablauf des 02.04.2012 gegen den Verurteilten
A. B. einen Zahlungsanspruch in Höhe von 3.331.233 Euro und gegen die Firma H. S. E. […] einen
Zahlungsanspruch in Höhe von 1.000.000 Euro erworben hat. In Höhe von 1.000.000 Euro haften A. B. und
die Firma H. S. E. als Gesamtschuldner.“
14 Dieser Beschluss wurde der Zweigstelle Lörrach der Staatsanwaltschaft Freiburg am 27.05.2016 und
verschiedenen durch die abgeurteilten Straftaten des Verurteilten verletzten Personen zugestellt;
insbesondere erfolgte die Zustellung an K. S. am 07.06.2016, an A. F. an einem – wegen eines nicht
vollständig ausgefüllten Rückscheins der Post nicht genau feststellbaren – Tag zwischen dem 08. und dem
13.06.2016 sowie an R. W. am 13.06.2016. Die Zweigstelle Lörrach der Staatsanwaltschaft Freiburg hat am
01.06.2016, K. S. am 13.06.2016, A. F. am 13.06.2016 und R. W. am 13. oder 14.06.2016 – die
Beschwerdeschrift wurde nicht mit einem Eingangsstempel versehen – sofortige Beschwerde erhoben.
II.
15 Die sofortigen Beschwerden der durch die abgeurteilten Straftaten des Verurteilten verletzten Personen K.
S., A. F. und R. W. sind gemäß § 111i Abs. 6 Satz 3 StPO statthaft (vgl. Spillecke, in: KK-StPO, 7. Auflage
2013, § 111i Rn. 24; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 59. Auflage 2016, § 111i Rn. 17) und auch im Übrigen
zulässig. Sie sind jedoch nur teilweise begründet.
16 1. Als – auch zum Nachteil der durch die Straftaten Verletzten – rechtsfehlerhaft erweist sich der
angefochtene Beschluss, soweit das Landgericht festgestellt hat, das Land Baden-Württemberg habe einen
Zahlungsanspruch in Höhe von 1.000.000 Euro gegen die H. S. A. (insoweit als Gesamtschuldnerin mit dem
Verurteilten) erworben.
17 a) Die Voraussetzungen des § 111i Abs. 5 Satz 1 StPO für einen entsprechenden Rechtserwerb des Landes
Baden-Württemberg liegen nicht vor. Nach dieser Vorschrift kommen als Gegenstand des staatlichen
Auffangrechtserwerbs nur die durch die Straftat(en) erlangten Vermögenswerte, die in dem
vorausgegangenen Urteil gemäß § 111i Abs. 2 Satz 2 StPO als solche bezeichnet sind, sowie ein
Zahlungsanspruch in Höhe des Geldbetrags, der in dem Urteil gemäß § 111i Abs. 2 Satz 3 StPO als dem
Wert des durch die Straftat(en) Erlangten entsprechend festgestellt ist, in Betracht. Eine solche
Bezeichnung von Vermögenswerten oder eine derartige Feststellung eines Geldbetrags ist dem Urteil des
Landgerichts Freiburg vom 27.11.2008 in Bezug auf die H. S. A., die an dem Verfahren nicht einmal gemäß
§ 442 Abs. 2 Satz 1 StPO beteiligt worden war, jedoch nicht zu entnehmen. Der Ausspruch, dass von der
Anordnung des Wertersatzverfalls in Höhe von 3.331.233 Euro abgesehen werde, da Ansprüche der
Geschädigten nach § 73 Abs. 1 Satz 2 StGB entgegenstünden, bezog sich ersichtlich ausschließlich auf den
Verurteilten. Das Fehlen einer Feststellung nach § 111i Abs. 2 Satz 3 StPO in dem Urteil kann durch die
bloße Aufrechterhaltung von Sicherungsmaßnahmen, die das Landgericht Freiburg durch Beschlüsse vom
27.11.2008 und 09.06.2010 in Anwendung des § 111i Abs. 3 Satz 1 StPO ausgesprochen hat, nicht ersetzt
werden (ebenso OLG Hamm, NZI 2016, 322 f., für die Bezeichnung von Vermögenswerten gemäß § 111i
Abs. 3 Satz 3 StPO; vgl. auch Bittmann, NStZ 2015, 1, 2). Auch ist vorliegend nicht der Fall gegeben, in dem
eine Feststellung nach § 111i Abs. 2 Satz 2 StPO zwar ausdrücklich getroffen wird, dies aber
rechtsformfehlerhaft nicht in dem Urteil, sondern in einem mit dem Urteil verkündeten Beschluss erfolgt
(vgl. insoweit BGH, NJW 2010, 1685, 1686).
18 Damit fehlt es an der erforderlichen materiell-rechtlichen Grundlage für einen staatlichen
Auffangrechtserwerb nach § 111i Abs. 5 Satz 1 StPO gegenüber der H. S. A. (vgl. BGH, NJW 2008, 1093,
1094; NJW 2010, 1685, 1686; OLG Celle, NStZ-RR 2011, 343, 344; Rogall, in: SK-StPO, 5. Auflage 2016, §
111i Rn. 18). Eine Feststellung gemäß § 111i Abs. 6 Satz 1 StPO hinsichtlich der Vermögenswerte der H. S.
A. kommt daher nicht in Betracht (vgl. zu einer gleichgelagerten Konstellation jüngst auch OLG Hamm, NZI
2016, 322 f.).
19 b) Die entsprechende Feststellung beschwert (auch) die durch die Straftaten des Verurteilten verletzten
Personen, da der Anspruch des Landes Baden-Württemberg – jedenfalls nach Ablauf der Frist des § 111i Abs.
7 Satz 2 Nr. 2 StPO – in Konkurrenz zu möglichen Ansprüchen der Verletzten gegenüber der H. S. A. träte.
Ob solche Ansprüche der Geschädigten (wirtschaftlich) werthaltig sind, was vorliegend eher fernliegen
dürfte, kommt es für die Frage der (rechtlichen) Beschwer nicht an. Die entsprechende Feststellung eines
staatlichen (Auffang-) Rechtserwerbs gegenüber der H. S. A. war demnach aufzuheben.
20 2. Nicht zu beanstanden ist der angefochtene Beschluss demgegenüber, soweit er gemäß § 111i Abs. 6 Satz
1 StPO festgestellt hat, dass das Land Baden-Württemberg mit Ablauf des 02.04.2012 gegen den
Verurteilten einen Zahlungsanspruch in Höhe von 3.331.233 Euro erworben hat. Insoweit liegen die
Voraussetzungen eines entsprechenden Rechtserwerbs gemäß § 111i Abs. 5 Satz 1 StPO vor.
21 a) Dem staatlichen Rechtserwerb steht nicht entgegen, dass § 111i Abs. 5 Satz 1 StPO erst am 01.01.2007
in Kraft getreten ist und in dem Urteil des Landgerichts Freiburg vom 27.11.2008 ganz überwiegend
Straftaten zur Verurteilung gelangten, die in den Jahren 2005 und 2006 begangen worden waren. Zwar ist
§ 111i Abs. 5 Satz 1 StPO auf vor dessen Inkrafttreten begangene Straftaten nicht anwendbar (BGH, NJW
2008, 1093 f.; Beschluss vom 18.12.2008, 3 StR 460/08). Der damit vorliegende materiell-rechtliche Fehler
des landgerichtlichen Urteils unterfällt jedoch den heilenden Wirkungen dessen Rechtskraft. Er hindert nicht
die Feststellung nach § 111i Abs. 6 Satz 1 StPO, die einen (rechtskräftigen) Ausspruch nach § 111i Abs. 2
StPO voraussetzt, ohne dessen rechtliche Voraussetzungen einer (erneuten) Prüfung unterziehen zu
müssen, und der ohnehin eine lediglich deklaratorische Bedeutung zukommt (vgl. BGH, NJW 2008, 1093,
1094; Spillecke, in: KK-StPO, 7. Auflage 2013, § 111i Rn. 23).
22 b) Der Ausspruch des Urteils des Landgerichts Freiburg vom 27.11.2008, wonach von der Anordnung des
Wertersatzverfalls in Höhe von 3.331.233 Euro abgesehen werde, da Ansprüche der Geschädigten nach §
73 Abs. 1 Satz 2 StGB entgegenstünden, genügt zudem – noch – den Anforderungen des § 111i Abs. 2
StPO.
23 Unproblematisch gilt dies in Bezug auf die von § 111i Abs. 2 Satz 1 StPO geforderte Feststellung, dass von
der Anordnung des Verfalls (von Wertersatz) lediglich deshalb abgesehen wurde, weil Ansprüche eines
Verletzten im Sinne des § 73 Abs. 1 Satz 2 StGB entgegenstehen. Diese Feststellung hat der Tenor des
landgerichtlichen Urteils unzweideutig ausgesprochen.
24 Demgegenüber hat das Landgericht Freiburg im Tenor seines Urteils vom 27.11.2008 entgegen § 111i Abs.
2 Satz 3 StPO keine ausdrückliche Feststellung des Geldbetrags, der dem Wert des Erlangten entspricht,
getroffen. Dem Ausspruch, dass von der Anordnung des Wertersatzverfalls in einer Höhe von 3.331.233
Euro abgesehen werde, ist jedenfalls in Verbindung mit der Feststellung in den Urteilsgründen, der
Verurteilte habe Anlagegelder in eben dieser Höhe entgegen genommen, jedoch – noch – mit hinreichender
Deutlichkeit zu entnehmen, dass das Landgericht einen solchen Betrag als dem Wert des durch die
abgeurteilten Straftaten des Verurteilten Erlangten entsprechend angesehen und im Sinne von § 111i Abs.
2 Satz 3 StPO festgestellt hat.
25 c) Anhaltspunkte dafür, dass Verletzte im Wege der Zwangsvollstreckung oder Arrestvollziehung oder in
sonstiger, § 111i Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 bis 4 StPO gemäßer Weise eine finanzielle Befriedigung erfahren
haben, liegen nicht vor.
26 d) Die Frist des § 111i Abs. 5 Satz 1, Abs. 3 Satz 1, 2 StPO von drei Jahren nach Rechtskraft des Urteils ist
mit Ablauf des 02.04.2012 verstrichen. Auf diesen Fristablauf hätten etwaige Versäumnisse hinsichtlich der
gebotenen Unverzüglichkeit der Geschädigtenbenachrichtigungen nach § 111e Abs. 3, Abs. 4, § 111i Abs. 4
StPO keine Auswirkungen (vgl. OLG Celle, NStZ-RR 2011, 343, 344; Rogall, in: SK-StPO, 5. Auflage 2016, §
111i Rn. 35).
27 Insoweit waren die sofortigen Beschwerden der Verletzten daher als unbegründet zu verwerfen.
III.
28 Die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft Freiburg – Zweigstelle Lörrach – ist gemäß § 111i Abs. 6
Satz 3 StPO ebenfalls statthaft (vgl. Spillecke, in: KK-StPO, 7. Auflage 2013, § 111i Rn. 24; Meyer-
Goßner/Schmitt, StPO, 59. Auflage 2016, § 111i Rn. 17) und auch im Übrigen zulässig. Sie ist jedoch
unbegründet.
29 Das Landgericht hat in dem angefochtenen Beschluss zu Recht davon abgesehen, den Eintritt des
staatlichen Auffangrechtserwerbs nach § 111i Abs. 5 Satz 1, Abs. 6 Satz 1 StPO auch im Hinblick auf
während des Ermittlungsverfahrens beschlagnahmte oder auf der Grundlage eines Arrestbeschlusses
gepfändete Gegenstände festzustellen. Inhalt und Grenzen des staatlichen Rechtserwerbs nach § 111i Abs.
5 Satz 1 StPO werden – wie ausgeführt (oben II. 1. lit. a) – durch die Bezeichnung des Erlangten bzw. die
Feststellung des Geldbetrags, der dem Wert des Erlangten entspricht, in dem Urteil gemäß § 111i Abs. 2
Satz 2, 3 StPO definiert. Das Urteil des Landgerichts Freiburg vom 27.11.2008 hat sich insoweit jedoch auf
die Feststellung beschränkt, dass von der Anordnung des Wertersatzverfalls in Höhe von 3.331.233 Euro
abgesehen wurde. Nachdem diese Feststellung – wie ausgeführt (oben II. 2. lit. b) – (noch) als Ausspruch im
Sinne von § 111i Abs. 2 Satz 3 StPO verstanden werden kann, wonach der Wert des von dem Verurteilten
durch seine abgeurteilten Straftaten Erlangten diesem Geldbetrag entspricht, hat der angefochtene
Beschluss auf dieser Grundlage den Erwerb eines entsprechenden Zahlungsanspruchs durch das Land
Baden-Württemberg gemäß § 111i Abs. 5 Satz 1, Abs. 6 Satz 1 StPO zutreffend festgestellt.
30 Mit ihrem Beschwerdebegehren der zusätzlichen Feststellung, weitere, von ihr allerdings nicht näher
bezeichnete Vermögenswerte seien in das Eigentum des Landes Baden-Württemberg übergegangen, vermag
die Staatsanwaltschaft nicht durchzudringen.
31 Soweit Vermögenswerte in Vollziehung dinglicher Arreste gesichert, nämlich Grundschulden und Ansprüche
gepfändet wurden und eine Zwangssicherungshypothek zur Eintragung gelangte, unterfallen derart
gesicherte Vermögenswerte von vornherein nicht (unmittelbar) dem staatlichen Auffangrechtserwerb nach §
111i Abs. 5 Satz 1 StPO, sondern unterliegen gemäß § 111i Abs. 5 Satz 2 StPO mit Ablauf der Frist des §
111i Abs. 3 Satz 1 StPO der Verwertung nach den Vorschriften des Achten Buches der Zivilprozessordnung.
32 Soweit die Staatsanwaltschaft die fehlende Feststellung des staatlichen Eigentumserwerbs an gemäß § 111b
Abs. 1, 111c StPO beschlagnahmten beweglichen Sachen, namentlich von 40 Bildern und eines Koffers mit
historischen Schriften, durch den angefochtenen Beschluss beanstandet hat, kommt eine solche Feststellung
nicht in Betracht. Es fehlt an der gemäß § 111i Abs. 2 Satz 2, Abs. 5 Satz 1 StPO für einen staatlichen
Rechtserwerb unabdingbaren Feststellung in dem landgerichtlichen Urteil vom 27.11.2008, dass der
Verurteilte oder ein anderer im Sinne von § 73 Abs. 3 StGB diese Gegenstände entweder gemäß § 73 Abs. 1
StGB unmittelbar aus einer Straftat oder gemäß § 73 Abs. 2 Satz 2 StGB als Surrogat eines unmittelbar aus
einer Straftat erlangten Gegenstands erlangt hat (zum Unmittelbarkeitserfordernis BGH, NStZ 2006, 334,
335; KG, Beschluss vom 01.03.2016, 4 Ws 6/16). Wie bereits ausgeführt (siehe II. 1. lit. a) konnte das
Fehlen einer Bezeichnung des Erlangten nach § 111i Abs. 2 Satz 2 StPO in dem Urteil durch die
Aufrechterhaltung entsprechender Beschlagnahmen, die das Landgericht Freiburg durch Beschlüsse vom
27.11.2008 und 09.06.2010 in Anwendung des § 111i Abs. 3 Satz 1 StPO ausgesprochen hat, nicht
kompensiert werden. Hinzu kommt, dass das Amtsgericht Lörrach die Bilder und den Schriftenkoffer in
seinen Beschlüssen vom 31.01.2008 ausdrücklich als „Wertgegenstände der H. S. A.“ und nicht als solche
des Verurteilten bezeichnet hat und die H. S. A. an dem Hauptverfahren nicht gemäß § 442 Abs. 2 Satz 1
StPO beteiligt wurde.
33 Die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft war daher insgesamt als unbegründet zu verwerfen.
IV.
34 Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1, Abs. 4 StPO. Der Erfolg der
sofortigen Beschwerden von K. S., A. F. und R. W. war jeweils mit einem Viertel zu bemessen.