Urteil des OLG Karlsruhe vom 28.10.2016

transport, form, ordnungswidrigkeit, handel

OLG Karlsruhe Beschluß vom 28.10.2016, 2 (7) SsBs 583/16; 2 (7) SsBs 583/16 - AK 209/16
Leitsätze
Fahrten zur Überführung von Kraftfahrzeugen im Rahmen gewerblicher Tätigkeit unterfallen nicht der
Befreiungsvorschrift des § 1 Abs. 2 Nr. 5 BKrFQG.
Tenor
Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird das Urteil des Amtsgerichts Heidelberg vom 8. August 2016 mit
den Feststellungen zur subjektiven Tatseite aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu erneuter Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des
Rechtsmittels, an dieselbe Abteilung des Amtsgerichts Heidelberg zurückverwiesen.
Die weitergehende Rechtsbeschwerde wird verworfen.
Gründe
1 Das Amtsgericht Heidelberg verurteilte den Betroffenen - Geschäftsführer einer GmbH, deren Zweck der
Handel mit gebrauchten Fahrzeugen ist – wegen fahrlässigen Anordnens oder Zulassens der Fahrt eines
Kraftfahrzeugs im Güterkraftverkehr zu gewerblichen Zwecken, obwohl der Fahrer die vorgeschriebenen
Voraussetzungen des § 2 Berufskraftfahrerqualifikationsgesetz (BKrFQG) nicht erfüllte, zu der Geldbuße von
600 EUR.
2 Nach den Feststellungen überführte ein Mitarbeiter der GmbH, der nicht über die in § 2 Abs. 1 Nr. 2 BKrFQG
vorgeschriebene Qualifikation verfügte, auf Anordnung des Betroffenen am 14.8.2015 mit einem LKW mit
Anhänger zwei von der GmbH erworbene PKW von E. zum Betriebssitz der GmbH. Zum Führen des Gespanns
war die Fahrerlaubnis C1E erforderlich.
3 Die form- und fristgerecht eingelegte, auf die Sachrüge gestützte Rechtsbeschwerde des Betroffenen hat den
aus dem Tenor ersichtlichen (vorläufigen) Erfolg.
4 1. Allerdings ist im angefochtenen Urteil die Verwirklichung des objektiven Tatbestands einer
Ordnungswidrigkeit gemäß § 9 Abs. 2 BKrFQG - in der Variante des Anordnens - rechtsfehlerfrei festgestellt.
5 Die vom Betroffenen angeordnete Fahrt unterfällt § 2 Abs. 1 Nr. 2 BKrFQG; die Befreiungsvorschrift des § 1
Abs. 2 Nr. 5 BKrFQG greift - entgegen der vom Beschwerdeführer vertretenen Auffassung - vorliegend nicht.
Danach bedarf es der vom Berufskraftfahrerqualifikationsgesetz verlangten Qualifikationen nicht für Fahrten
mit Kraftfahrzeugen zur Beförderung von Material oder Ausrüstung, das der Fahrer oder die Fahrerin zur
Ausübung des Berufs verwendet, sofern es sich beim Führen des Kraftfahrzeugs nicht um die
Hauptbeschäftigung handelt. Bei dieser Ausnahme, die bereits in der Richtlinie 2003/59/EG des Europäischen
Parlaments und des Rates vom 15. Juli 2003 über die Grundqualifikation und Weiterbildung der Fahrer
bestimmter Kraftfahrzeuge für den Güter- oder Personenkraftverkehr und zur Änderung der Verordnung
(EWG) Nr. 3820/85 des Rates und der Richtlinie 91/439/EWG des Rates sowie zur Aufhebung der Richtlinie
76/914/EWG des Rates enthalten ist, auf die das Berufskraftfahrerqualifikationsgesetz zurückgeht, handelt es
sich um eine sog. Handwerkerklausel, die sich in ähnlicher Form auch in anderen Vorschriften zum
Güterkraftverkehr findet (vgl. Teil 1 Unterabschnitt 1.1.3.1. lit. c ADR, dazu Senat, Beschluss vom 4.8.2014 -
2 (7) SsBs 655/13 - AK 175/13, juris). Mit der tatbestandlichen Anknüpfung in § 1 Abs. 2 Nr. 5 BKrFQG daran,
dass es sich bei den transportierten Gütern um für die Ausübung des Berufs benötigtes Material oder
Ausrüstung handeln muss, wird dabei zum Ausdruck gebracht, dass die Befreiung nur greift, wenn der
durchgeführte Transport im Verhältnis zum Betriebszweck bzw. der vom Fahrer ausgeübten Tätigkeit nur
unselbständige Zwecke erfüllt, wie insbesondere der Transport von Grundstoffen oder Werkzeug, die für die
Erbringung von Werk- oder Dienstleistungen benötigt werden (vgl. dazu die Beispiele in Anhang 3 der vom
Bundesamt für Güterverkehr herausgegebenen und zwischen den für die Umsetzung des Berufskraftfahrer-
Qualifikationsrechts zuständigen obersten Behörden des Bundes und der Länder abgestimmten
Anwendungshinweisen zum Berufskraftfahrerqualifikationsrecht - im Internet abrufbar unter
http://www.bag.bund.de). Eine Abgrenzung kann dabei nur nach wertender Gewichtung der Umstände des
Einzelfalls vorgenommen werden. Diese führt vorliegend dazu, dass dem Transport von zum Handel
erworbenen Kraftfahrzeugen - selbst dann, wenn diese etwa noch instandgesetzt werden müssten - nicht
lediglich die von § 1 Abs. 2 Nr. 5 BKrFQG vorausgesetzte untergeordnete Bedeutung des Gütertransports
zukommt.
6 2. Gleichwohl kann die Verurteilung des Betroffenen keinen Bestand haben, weil die Ordnungswidrigkeit nach
§ 9 Abs. 2 BKrFQG nicht fahrlässig begangen werden kann. Da das Gesetz - anders als in § 9 Abs. 1 BKrFQG -
nicht ausdrücklich auch die fahrlässige Begehung bußgeldbewehrt, kann gemäß § 10 OWiG nur vorsätzliches
Handeln geahndet werden.
7 Obwohl das Amtsgericht nur von fahrlässigem Handeln des Betroffenen ausgegangen ist, erlauben die dazu
im Urteil getroffenen Feststellungen keine eigene Sachentscheidung des Senats (§ 79 Abs. 6 OWiG).
Insbesondere bleibt unklar, ob der Betroffene alle für die rechtliche Einordnung seines Handelns maßgeblichen
tatsächlichen Umstände erkannt hat oder diese nur rechtlich falsch eingeordnet hat. Letzteres würde als
Verbotsirrtum den Vorsatz nicht entfallen lassen. Die Sache war daher unter Aufhebung des angefochtenen
Urteils zurückzuverweisen (§§ 79 Abs. 3 Satz 1 und Abs. 6 OWiG, 353 Abs. 1, 354 Abs. 2 Satz 1 StPO). Da
der aufgezeigte Rechtsfehler nur die Feststellungen zur subjektiven Tatseite betrifft, war die Aufhebung
hierauf zu beschränken (§§ 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG, 353 Abs. 2 StPO).