Urteil des OLG Karlsruhe vom 23.01.2017

öffentliche urkunde, leichenschau, ermächtigung, ausstellung

OLG Karlsruhe Urteil vom 23.1.2017, 2 (4) Ss 401/16; 2 (4) Ss 401/16 - AK 131/16
Ärztliche Bescheinigung über zweite Leichenschau
Leitsätze
1. Der nach § 17 Abs. 1 Nr. 3 BestattVO BW ermächtigte Arzt ist Amtsträger im Sinne des § 11 Abs. 1 Nr. 2
Buchstabe c StGB.
2. Die ärztliche Bescheinigung über die zweite Leichenschau (§ 16 Abs. 2 Nr. 2 BestattVO BW) ist eine
öffentliche Urkunde.
3. Füllt der Bestatter in Absprache mit dem ermächtigten Arzt die ärztliche Bescheinigung über die zweite
Leichenschau wahrheitswidrig aus, stellt er keine unechte Urkunde im Sinne des § 267 Abs. 1 StGB her.
4. Zwischen (täterschaftlicher) Urkundenfälschung (§ 267 Abs. 1 StGB) und Beihilfe zur Falschbeurkundung im
Amt (§§ 348 Abs. 1, 27 StGB) kann eine Verurteilung auf der Grundlage ungleichartiger Wahlfeststellung in
Betracht kommen.
Tenor
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Waldshut-Tiengen vom 24. März 2016
mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu erneuter Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine
andere Strafkammer des Landgerichts Waldshut-Tiengen zurückverwiesen.
Gründe
I.
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Dem Verfahren liegt ein Tatvorwurf aus dem Strafbefehl des Amtsgerichts Bad Säckingen vom 22.07.2014
zugrunde, wonach der Angeklagte, Inhaber eines Bestattungsinstituts, am 20.09.2012 gegen 13:15 Uhr
beim Standesamt in B eine ärztliche Bescheinigung über die Durchführung einer nach § 43 Abs. 3
Bestattungsgesetz Baden-Württemberg (in der Fassung vom 01.04.2014; BestattG BW) erforderlichen
zweiten Leichenschau vorgelegt habe, um einen behördlichen Leichenpass nach § 44 Abs. 1 Satz 1 BestattG
BW (in der Fassung vom 01.04.2014) zur Beförderung einer Verstorbenen zum Zweck der Feuerbestattung
in die Schweiz zu erhalten. Diese Bescheinigung, die ausweislich eines darauf angebrachten Stempels von
dem Facharzt für Pathologie Dr. X (im Folgenden: Pathologe), unterzeichnet gewesen sei, sei dem
Angeklagten vom Pathologen zuvor blanko unterschrieben zur Verfügung gestellt worden, um im Falle des
Erfordernisses einer zweiten Leichenschau die Daten des Sterbefalls durch den Angeklagten oder einen
seiner Angestellten eintragen zu lassen. Dabei habe der Angeklagte oder einer seiner Angestellten
vorliegend das Blankoformular mit den Daten des betreffenden Sterbefalls ausgefüllt, obwohl er gewusst
habe, dass der Pathologe die Leichenschau nicht durchgeführt habe, um die Bediensteten des Standesamts
bei der Beantragung des Leichenpasses darüber zu täuschen, dass eine zweite Leichenschau durchgeführt
worden sei, um gleichwohl das amtliche Dokument zu erhalten. Dem Pathologen sei - jedenfalls in diesem
Fall - nicht bekannt und er sei auch nicht damit einverstanden gewesen, dass der Angeklagte das zur
Vereinfachung von Verfahrensabläufen bei tatsächlich vorgenommen Leichenschauen zur Verfügung
gestellte Blankoformular vorliegend mit den Daten des Sterbefalls ausgefüllt habe, obwohl eine zweite
Leichenschau nicht durchgeführt worden sei. Auch im Falle eines Einverständnisses des Pathologen mit der
Vorgehensweise des Angeklagten habe der Angeklagte aufgrund seiner gegen § 11 der Rechtsverordnung
des Sozialministeriums Baden-Württemberg zur Durchführung des Bestattungsgesetzes (in der Fassung vom
15.09.2000; BestattVO [a.F.]) verstoßenden Vorgehensweise gewusst, dass eine Vertretung bei der
Ausstellung durch ihn nicht zulässig gewesen und daher der scheinbare Aussteller der Bescheinigung (der
Pathologe) und der Angeklagte als tatsächlicher Aussteller nicht identisch gewesen seien.
2
Der Angeklagte wurde durch Urteil des Amtsgerichts B vom 27.07.2015 - 7 Cs 21 Js 7027 - vom Vorwurf der
Urkundenfälschung aus tatsächlichen Gründen freigesprochen. Die hiergegen eingelegte Berufung der
Staatsanwaltschaft verwarf das Landgericht Waldshut-Tiengen mit Urteil vom 24.03.2016. Zum Sachverhalt
stellte die Strafkammer fest, dass zwischen dem Angeklagten und dem Pathologen zum Tatzeitpunkt eine
dauerhafte geschäftliche Verbindung bestanden habe, im Rahmen derer sich der Pathologe (und der mit ihm
in derselben Praxis zusammenarbeitende Kollege) verpflichtet habe, bei Bedarf gegen ein pauschales
Honorar von jeweils 45 Euro die benötigten Bescheinigungen über eine zweite Leichenschau für das Fehlen
von Anhaltspunkten für einen nicht natürlichen Tod auszustellen.Zu diesem Zweck hätten die Pathologen
dem Angeklagten Blankoformulare überlassen, die den Namen der Pathologen im Kopf getragen und im
Textteil unter ausdrücklicher Bezugnahme auf die Bestimmung des § 16 Abs. 2 Nr. 3 BestattVO [a.F.] die
ärztliche Bescheinigung - dass die Untersuchung des/der noch zu bezeichnenden Verstorbenen an einem
ebenfalls noch näher zu bezeichnenden Tag keinen Anhaltspunkt für einen nicht natürlichen Tod ergeben
habe - enthalten hätten sowie jeweils mit Namensstempel und Unterschrift eines der Pathologen versehen
gewesen seien. Als Leerstellen seien noch auszufüllen gewesen: Zeitpunkt der Untersuchung, Name und
Vorname, Geburtsdatum, Geburtsort, letzter Wohnort sowie Sterbedatum und Sterbeort des/der
Verstorbenen.Der Angeklagte bzw. dessen Angestellte seien von den Pathologen ermächtigt gewesen, die
Leerstellen in bestimmten Fällen zu ergänzen.Im vorliegenden Sterbefall habe entweder der Angeklagte
selbst oder auf seine Anweisung ein Angestellter seines Bestattungsunternehmens die auf dem durch den
Pathologen Dr. X unterschriebenen Blankoformular vorgesehenen Leerstellen durch verschiedene
Eintragungen von - im Urteil näher ausgeführten - Daten des Sterbefalls ergänzt und das ausgefüllte
Formular dem Standesamt zum Zweck der Ausstellung eines Leichenpasses vorgelegt. Dies sei im
Bewusstsein des Angeklagten erfolgt, dass der Pathologe die Verstorbene nie untersucht gehabt habe und
auch vor Verbringung in die Schweiz nicht mehr habe untersuchen sollen; des Weiteren sei ihm klar
gewesen, dass er hierdurch die für die Bearbeitung seines Antrags auf Ausstellung eines Leichenpasses
zuständigen Bediensteten des Standesamtes B über die Durchführung einer zweiten Leichenschau versucht
habe zu täuschen. Wegen Bedenken der Bediensteten des Standesamtes gegen die Richtigkeit der
Bescheinigung sei es allerdings nicht zur Ausstellung des Leichenpasses gekommen. Nicht festgestellt habe
ein Einverständnis beider Pathologen mit dem Ausfüllen der Blankoformulare und der Vorlage der
ausgefüllten Formulare bei der Behörde nur unter der Bedingung einer tatsächlich durchgeführten zweiten
Leichennachschau werden können; einiges spreche vielmehr für ein generelles Einverständnis der
Pathologen mit einer derartigen Vorgehensweise, das nicht ausschließbar dahin gegangen sei, dass der
Angeklagte stets inhaltlich unrichtige ärztliche Bescheinigungen zu Täuschungszwecken habe vorlegen
dürfen. Für den vorliegenden Fall stellt die Strafkammer fest (UAS 8):
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„Die Kammer kann jedoch nicht feststellen, dass Herr Dr. X in diesem Fall nicht damit einverstanden war,
dass das vom Angeklagten ausgefüllte Formular mit seiner Blanko-Unterschrift so verwendet wurde.
Vielmehr ist zu Gunsten des Angeklagten davon auszugehen, dass Herr Dr. X mit solch einer Verwendung
des von ihm blanko unterschriebenen Formulars durch den Angeklagten einverstanden war und ihm auch
bewusst war, dass der Angeklagte damit auch ohne Erfüllung der gesetzlichen Voraussetzungen die
Ausstellung eines Leichenpasses erreichen wollte“.
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Angesichts dessen sei die beim Ausfüllen des Blanketts absprachegemäße Vorgehensweise des Angeklagten
in rechtlicher Hinsicht nach den zur Strafbarkeit einer Blankettfälschung nach § 267 Abs. 1 StGB
entwickelten Grundsätzen nicht strafbar. Nachdem durch den Angeklagten verwirklichte
Bußgeldtatbestände - § 49 Abs. 1 Nr. 23 BestattG BW - bereits verjährt seien, sei der Angeklagte
freizusprechen.
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Gegen das ihr am 03.05.2016 zugestellte Urteil wendet sich die Staatsanwaltschaft mit der am 29.03.2016
per Fax beim Landgericht Waldshut-Tiengen eingegangenen und am 30.05.2016 mit der Verletzung
sachlichen Rechts begründeten Revision; die Generalstaatsanwaltschaft vertritt das Rechtsmittel und hat
mit Schreiben vom 15.07.2016 beantragt, das angefochtene Urteil mit den Feststellungen aufzuheben und
die Sache an eine andere Kammer des Landgericht Waldshut-Tiengen zurückzuverweisen. Der Angeklagte
ist dem in seiner Gegenäußerung entgegengetreten.
II.
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Die Revision der Staatsanwaltschaft ist mit der allein erhobenen Sachrüge zulässig und auch begründet.
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Das Rechtsmittel führt zur Urteilsaufhebung, weil die Strafkammer - bei der ihr angenommenen
Tatsachenalternativität - Feststellungen dazu, ob zwischen dem Angeklagten und dem Pathologen eine
Absprache im Hinblick auf das Ausfüllen des Formulars bestanden habe, hätten nicht getroffen werden
können - der Kognitionspflicht (§ 264 Abs. 1 StPO) nicht in dem gebotenen Umfang nachgekommen ist. Auch
im Falle einer von der Strafkammer zu Gunsten des Angeklagten zugrunde gelegten absprachegemäßen
Ausfüllung des Blankoformulars kommt nämlich eine Verurteilung des Angeklagten nach den Grundsätzen
der ungleichartigen Wahlfeststellung in Betracht, da der Angeklagte sich unter Zugrundelegung dieser
Sachverhaltsvariante wegen Beihilfe zur Falschbeurkundung im Amt nach §§ 348 Abs. 1, 27 StGB strafbar
gemacht haben kann. Diesbezüglich sind allerdings noch weitere Feststellungen erforderlich.
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Eine Verurteilung wegen ungleichartiger Wahlfeststellung kommt in Betracht, wenn sich der Angeklagte
durch jede der beiden möglichen Sachverhaltsalternativen - bei absprachewidriger beziehungsweise
absprachegemäßer Ausfüllung des Blanketts - strafbar gemacht hat, eine exklusive Alternativität der
Sachverhalte besteht und die infrage stehenden Delikte rechtsethisch und psychologisch vergleichbar sind
(Eser/Hecker in: Schönke/Schröder, StGB, 29. Auflage, § 1 Rn. 80 ff., 98 ff.). Dies wäre vorliegend - unter der
Voraussetzung der Nachholung der diesbezüglich erforderlichen weiteren Feststellungen - der Fall.
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1. Unter Zugrundelegung der Grundsätze zur Strafbarkeit bei absprachewidrigem Ausfüllen eines Blanketts
- sogenannte Blankettfälschung - hat sich der Angeklagte bei Annahme dieser Sachverhaltsvariante wegen
Urkundenfälschung nach § 267 Abs. 1 StGB strafbar gemacht (Herstellen einer unechten Urkunde und
Gebrauchmachen von derselben in deliktischer Einheit; BGH NJW 2014, 871; Heine/Schuster in:
Schönke/Schröder, aaO, § 267 Rn. 79).
10 a. Bei dem dem Angeklagten nach den Feststellungen der Strafkammer durch den Pathologen
unterschrieben zur Verfügung gestellten und verwendeten Formular handelt es sich um ein Blankett.
Darunter ist jede ergänzungsfähige und mit Urheberangabe versehene Unterlage zu verstehen, wobei im
Blankett außer der Unterschrift auch bereits Erklärungen - laut den Feststellungen der vorgedruckte Textteil
in Form einerseits der ausdrücklichen Bezugnahme auf die Bestimmung des § 16 Abs. 2 Nr. 2 BestattVO (in
der Fassung vom 13.05.2015; wortgleich zum zur Tatzeit geltenden § 16 Abs. 2 Nr. 3 BestattVO [a.F.]) und
andererseits der Formulierung, dass die Untersuchung des/der (noch näher zu bezeichnenden) Verstorbenen
an einem (ebenfalls noch näher zu bezeichnenden) bestimmten Tag keine Anhaltspunkte für einen nicht
natürlichen Tod ergeben habe - vorhanden sein können und zur Urheberangabe ein Handzeichen genügt
(Zieschang in: Leipziger Kommentar, StGB, 12. Auflage, § 267 Rn. 187).
11 b. Kennzeichnend ist dabei, dass das Blankett erst zur Urkunde wird, wenn die Unterschrift, die es trägt,
später mit einem urkundlichen Inhalt - hier den Daten des konkreten Sterbefalls und dem Eintrag des
Zeitpunkts der Durchführung der zweiten Leichenschau - versehen wird (Zieschang, aaO, § 267 Rn. 186;
Heine/Schuster, aaO, § 267 Rn. 62).
12 c. In der Ausfüllung eines Blanketts liegt dabei nach allgemeiner Meinung dann das Herstellen einer
unechten Urkunde durch die ausfüllende Person, wenn die Ausfüllung - wie in der hier zugrunde gelegten
Sachverhaltsvariante - im Widerspruch zum Willen des Unterzeichners des Blanketts, hier des Pathologen,
steht (Heine/Schuster, aaO, § 267 Rn. 62; Fischer, StGB, 64. Auflage, § 267 Rn. 32; Erb in: Münchener
Kommentar, StGB, 2. Aufl., § 267 Rn. 121; BGH, B. v. 11.01.1994, 5 StR 754/93). Das Herstellen einer
unechten Urkunde liegt aber nicht bereits im Falle einer schriftlichen Lüge, sondern nur dann vor, wenn
über die Identität der Person des Ausstellers getäuscht wird, also derjenigen Person, der die
Gedankenerklärung nach dem Urkundeninhalt zuzurechnen ist. Dies ist dann der Fall, wenn die Erklärung
nicht von dem stammt, der in ihr (scheinbar) als Aussteller bezeichnet ist (Fischer, aaO, § 267 Rn. 30;
Heine/Schuster, aaO, § 267 Rn. 48). Bei der Frage, von wem eine Urkunde herrührt, ist dabei in erster Linie
maßgeblich, wer den darin verkörperten Inhalt zu seiner eigenen Erklärung gemacht hat. Es kommt nicht
darauf an, wer sie eigenhändig - durch Skripturakt - vollzogen hat (sog. Körperlichkeitstheorie);
entscheidend ist vielmehr, wem die Urkunde geistig zuzurechnen ist (herrschende sog. Geistigkeitstheorie).
Aussteller einer Urkunde ist daher nicht notwendig der Schreiber, sondern typischerweise der, der seine
Erklärung in der Urkunde verwirklicht wissen und sich an diese gebunden fühlen will (Zieschang, aaO, § 267
Rn. 29; Heine/Schuster, aaO, § 267 Rn. 55). Unter Zugrundelegung der Sachverhaltsvariante einer
absprachewidrigen Ausfüllung des Blanketts hat der Angeklagte durch Ausfüllen des Blanketts eine unechte
Urkunde hergestellt, nachdem der Pathologe sich den erst durch die Vervollständigung des Blanketts
generierten Urkundeninhalt mangels Vornahme der zweiten Leichenschau nicht als in seiner Verantwortung
stehend zurechnen lassen wollte.
13 2. Unter der Voraussetzung der Nachholung erforderlicher weiterer Feststellungen bliebe der Angeklagte
indes auch im Falle einer absprachegemäßen Ausfüllung des Blanketts nicht straflos. Zwar kann sich der
Angeklagte unter Zugrundelegung dieser Sachverhaltsvariante entgegen der Auffassung der Revision nicht
wegen Herstellens einer unechten Urkunde gemäß § 267 Abs. 1 StGB strafbar gemacht haben (unten a.);
jedoch verwirklichte sein Verhalten unter der - von der Strafkammer noch festzustellenden - Voraussetzung,
dass es sich bei dem Pathologen um einen nach § 17 Abs. 1 Nr. 3 oder 4 BestattVO zur Vornahme einer
zweiten Leichenschau ermächtigten Arzt gehandelt hat, den Tatbestand einer Beihilfe zur
Falschbeurkundung im Amt nach §§ 348, 27 StGB (unten b.).
14 a. Bei absprachegemäßer Ausfüllung der Leerstellen des Blanketts mit dem von der Strafkammer
festgestellten Inhalt hat der Angeklagte unter Zugrundelegung der bisherigen Ausführungen (oben Ziffer 1,
c.) keine unechte Urkunde im Sinne des § 267 Abs. 1 StGB hergestellt. Eine Täuschung über den Hersteller
der Urkunde - denjenigen, der sich deren Inhalt auch nach außen zurechnen lassen und in seine
Verantwortung gestellt wissen will - liegt nicht vor. Bei demjenigen, der sowohl geistig hinter der
absprachegemäß verschrifteten urkundlichen Erklärung stand, sie als seine Erklärung gelten lassen wollte,
sich zu ihr bekannte und sich an sie gebunden fühlte, handelte es sich nur um den Pathologen. Dieser ging
auch nach außen - aus Sicht des Rechtsverkehrs - entsprechend dem Willen der Beteiligten aus der Urkunde
als deren Urheber hervor.
15 (1) Die Argumentation der Revision, dass auch in den Fällen einer absprachegemäßen Vorgehensweise eine
Blankettfälschung im Sinne des Herstellens einer unechten Urkunde dann vorliege, wenn die Ermächtigung
zum Ausfüllen des Blanketts wegen des Erfordernisses eigenhändiger Ausfüllung rechtlich unwirksam sei (so
in der „Testaments-Entscheidung“, OLG Düsseldorf, U. v. 23.12.1965, NJW 1966, 749), vermag -
unabhängig davon, dass für den Fall der Erstellung einer ärztlichen Bescheinigung über die Durchführung
einer zweiten Leichenschau nach § 16 Abs. 2 Nr. 2 BestattVO ein gesetzliches Erfordernis einer
eigenhändigen Niederschrift im Unterschied zu § 2247 Abs. 1 BGB nicht kodifiziert ist - vor dem Hintergrund
des bereits dargestellten Schutzzwecks des § 267 Abs. 1 StGB nicht zu überzeugen. Eine sich
gegebenenfalls aus zivilrechtlichen Formvorschriften, die vielfach anderen als den seitens des Strafrechts
verfolgten Schutzzwecken dienen, ergebende Unwirksamkeit einer Ermächtigung berührt die
Ausstelleridentität und den Willen des Ausstellers eines Blanketts, dieses in seinen Verantwortungsbereich
gestellt zu wissen, grundsätzlich nicht. Die Eigenhändigkeit bildet auch dort, wo sie im Einzelfall rechtlich
vorgeschrieben ist, kein taugliches Kriterium dafür, wer was erklärt (Erb, aaO, § 267 Rn. 143;
differenzierend Zieschang, aaO, § 267 Rn. 42). So ist dementsprechend die sogenannte „Testaments-
Entscheidung“ sowohl in der Rechtsprechung (BayObLG, U.v.17.12.1980, NJW 1981, 772 ff.) als auch in der
Kommentarliteratur (vgl. Erb, aaO, § 267 Rn. 126 aE; Zieschang, aaO, § 267 Rn. 42) aus Sicht des Senats
zurecht auf Kritik gestoßen.
16 (2) Soweit in Rechtsprechung und Teilen der Literatur auch bei absprachegemäßem Vorgehen des
Angeklagten in Fällen des Handelns unter fremdem Namen - also der Unterzeichnung mit dem Namen eines
anderen, daher besser: Zeichnen mit fremdem Namen (Zieschang, aaO, § 267 Rn. 40) -, das nach außen
nicht offen gelegt wird, als Voraussetzung für die Echtheit einer Urkunde unter anderem verlangt wird, dass
die Vertretung bei der Zeichnung rechtlich zulässig ist (so im „Fall - Mollath“, OLG Nürnberg, B. v.
06.08.2013, NJW 2013, 2692 ff., und im „Fahrtenschreiber-Fall“, BayObLG, B. v. 31.08.1993, NZV 119, 36;
vgl. zur h.M. lediglich Zieschang, aaO, § 267 Rn. 33, 40, 43; ablehnend als systemwidrige Überdehnung des
Schutzbereichs bereits insoweit Erb, aaO, § 267 Rn. 137), wird dieses Erfordernis zurecht für Fälle eines
absprachegemäßen Ausfüllens eines Blanketts - lediglich der Text stammt hier nicht vom Unterzeichner -
weder diskutiert noch angenommen (vgl. Erb, aaO, § 267 Rn. 121 bzw. 137; Zieschang, aaO, § 267 Rn. 33,
40, 43 bzw. 185 ff.). § 267 Abs. 1 StGB schützt die Urhebereigenschaft von Urkunden, die sich
typischerweise in dem - zumeist finalen, im Fall des Blanketts zeitlich vorgelagerten - Skripturakt einer
eigenhändigen Unterschrift widerspiegelt. Mag in Fällen des Zeichnens mit fremdem Namen mit der
herrschenden Meinung dennoch die rechtliche Zulässigkeit einer diesbezüglichen Vertretung als
Zuordnungskriterium zu fordern sein, ist ein solches jedenfalls dann nicht mehr erforderlich, wenn der
absprachegemäß Handelnde über eine Vollmacht zum Ausfüllen eines bereits mit Willen des Ausstellers
erstellten und von diesem gezeichneten Blanketts - gleichsam als Schreibhilfe - verfügt.
17 Ungeachtet dessen ist vorliegend auch nicht ersichtlich, woraus eine rechtliche Unwirksamkeit der zwischen
dem Angeklagten und dem Pathologen bestehenden Bevollmächtigung zur Ausfüllung der ärztlichen
Bescheinigung auch bei nicht durchgeführter zweiter Leichenschau folgen sollte. Soweit die Revision darauf
abhebt, dass nach der Bestattungsverordnung nicht davon ausgegangen werden könne, dass ein Arzt
strafrechtlich unbedenklich einen Laien mit der Durchführung „der Aufgabe“ beauftragen könne, geht dieser
Hinweis jedenfalls fehl. Der Pathologe hatte unter Zugrundelegung dieser Sachverhaltsvariante mit dem
Angeklagten lediglich die Erbringung eines Skripturakts im Sinne einer Ausfüllung des Blanketts vereinbart,
nicht jedoch die der Bescheinigung zu Grunde liegende Durchführung der zweiten Leichenschau anstelle des
Pathologen. Auch dass eine Ermächtigung nicht wirksam bei öffentlich-rechtlicher Ableitung einer Befugnis
erteilt werden kann (Fischer, aaO, § 267 Rn. 28), verfängt daher vorliegend nicht. Bei der Erteilung einer
Vollmacht zum absprachegemäßen Ausfüllen eines Blanketts wurde keine derartige Befugnis im Sinne einer
Stellvertretung übertragen, sondern der Angeklagte lediglich als Schreibhilfe tätig.
18 b. Demgegenüber kommt nach den Feststellungen der Strafkammer - von dieser jedoch nicht erkannt - im
Fall einer absprachegemäßen Ausfüllung des Blanketts eine Strafbarkeit des Angeklagten wegen Beihilfe zur
Falschbeurkundung - des Pathologen - im Amt nach §§ 348 Abs. 1, 27 StGB in Betracht.
19 (1) § 348 StGB ist ein echtes Amtsdelikt, so dass tauglicher Täter der Haupttat nur ein Amtsträger im Sinne
des § 11 Abs. 1 Nr. 2 StGB sein kann (Freund in: Münchener Kommentar, StGB, 2. Aufl., § 348 Rn. 3).
Amtsträger sind dabei nach grundsätzlicher Definition Personen, die in einem bestimmten Dienst- oder
Auftragsverhältnis zu einer öffentlichen Stelle stehen und deren Bestellung auf deutschem Recht beruht
(Hilgendorf in: Leipziger Kommentar, StGB, 12. Aufl., § 11 Rn. 21).
20 Angesichts dessen, dass es sich bei dem Pathologen nach den bisherigen Feststellungen der Strafkammer
jedenfalls um einen niedergelassenen Freiberufler handelt, kann er nach der Legaldefinition des § 11 Abs. 1
Nr. 2 Buchst. c StGB lediglich dann Amtsträger sein, wenn er nach deutschem Recht sonst dazu bestellt ist
(unten (a)), bei oder im Auftrag einer Behörde oder einer sonstigen Stelle (unten (b)) Aufgaben der
öffentlichen Verwaltung unbeschadet der zur Aufgabenerfüllung gewählten Organisationsform
wahrzunehmen (unten (c)).
21 Diese Voraussetzungen wären in der Person des Pathologen vorliegend erfüllt, soweit dieser zum
Tatzeitpunkt über eine nach § 17 Abs. 1 Satz 1 BestattVO von dem zuständigen Gesundheitsamt (Nr. 3)
oder in einem anderen Bundesland von einer öffentlich-rechtlichen Stelle (Nr. 4) ausgestellte Ermächtigung
zur Ausstellung der Bescheinigung über die zweite Leichenschau nach § 16 Absatz 2 Nr. 2 BestattVO
verfügte; dies ist Tatfrage und bedarf weiterer tatgerichtlicher Feststellungen, nachdem sich die angegriffene
Entscheidung hierzu nicht verhält.
22 (a) Im Ausgangspunkt besteht hinsichtlich der Erforderlichkeit einer Bestellung zum Amtsträger im Sinne des
§ 11 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c StGB zunächst in Rechtsprechung und Rechtslehre Übereinstimmung, dass es
sich dabei grundsätzlich um eine Ableitung der Wahrnehmung der Erfüllung öffentlicher Aufgaben von der
Behörde beziehungsweise einer sonstigen Stelle handeln muss (Radtke in: Münchener Kommentar, StGB, 3.
Aufl., § 11 Rn. 94). Unabhängig von der Rechtsnatur des sogenannten Grundverhältnisses („im Auftrag“
einer Behörde, dazu unten (b); zu dieser Terminologie vgl. Radtke, aaO, § 11 Rn. 98) muss zudem aus
gesetzessystematischen Gründen im Hinblick auf die übrigen gesetzlich nach § 11 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a und
b StGB bezeichneten Amtsträger einerseits, auf die für den öffentlichen Dienst besonders Verpflichteten
nach § 11 Abs. 1 Nr. 4 StGB andererseits, eine von der privatrechtlichen Beauftragung zu unterscheidende
Bestellung zum Amtsträger vorliegen (BGHSt 43, 96, 105, juris Rn. 46, 48), wobei hierzu ein öffentlich-
rechtlicher, indes nicht formgebundener Akt erforderlich ist (BGHSt [GS] 57, 202, juris Rn. 24; Hilgendorf,
aaO, § 11 Rn. 35; Radtke, aaO, § 11 Rn. 99 f.).
23 Zumindest im Falle des Vorliegens einer generell erteilten „Ermächtigung“ des Pathologen nach § 17 Abs. 1
Satz 1 Nr. 3 BestattVO durch das zuständige Gesundheitsamt zur Durchführung von zweiten
Leichenschauen handelt es sich nach der Systematik der Bestattungsverordnung um einen öffentlich-
rechtlichen Bestellungsakt im Sinne der vorbezeichneten Legaldefinition, nachdem der Pathologe in diesem
Falle anstelle der ansonsten berufenen und in öffentlich-rechtliche Strukturen eingebundenen Ärzte des
Gesundheitsamts oder eines gerichtsmedizinischen Instituts (§ 17 Absatz 1 Satz 1 Nr. 1 und 2 BestattVO)
tätig wird. Insoweit besteht entgegen der Rechtsansicht des Angeklagten keine Vergleichbarkeit des
Sachverhalts mit der Tätigkeit eines auf Hinzuziehung durch die Ermittlungsbehörden im Fall von
Blutentnahmen ohne darüber hinausgehende generelle behördliche Verpflichtung nur im Einzelfall tätig
werdenden niedergelassenen Arztes (insoweit hinsichtlich der Amtsträgereigenschaft zurecht ablehnend:
OLG Dresden NJW 2001, 3643, juris Rn. 6, 8, 9).
24 (b) Angesichts der festgestellten freiberuflichen Tätigkeit des Pathologen müsste dieser bei Ausstellung der
ärztlichen Bescheinigung „im Auftrag“ einer Behörde oder sonstigen Stelle gehandelt haben; „bei“ einer
Behörde erforderte seine Eingliederung in die Behördenstruktur, während sich „im Auftrag“ demgegenüber -
wie vorliegend - auf behördenexterne, häufig nicht in die Behördenstruktur eingegliederte Personen bezieht
(Saliger in: Nomos Kommentar, StGB, 4. Aufl., § 11 Rn. 39; Fischer, aaO, § 11 Rn. 18; Hilgendorf, aaO, § 11
Rn. 84).
25 Der Begriff des Auftrags im Sinne von § 11 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c StGB ist dabei weit zu verstehen; er ist
nicht auf Auftragsverhältnisse im Sinne des bürgerlichen Rechts nach §§ 662 ff. BGB begrenzt, sondern
umfasst sämtliche Arten von Dienst- und Auftragsverhältnissen (BT-Drs. 7/550, S. 209; Radtke, aaO, § 11
Rn. 96). Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist mit Blick auf das Auftragsverhältnis über einen
Bestellungsakt hinaus allerdings erforderlich, dass die Bestellung zu einer über den einzelnen Auftrag
hinausgehenden längerfristigen Tätigkeit führen muss (BGHSt 43, 96 ff., juris Rn. 46; kritisch zu dieser
Voraussetzung: Hilgendorf, aaO, § 11 Rn. 37; Radtke, aaO, § 11 Rn. 103).
26 Ob die Tätigkeit des Pathologen die zuletzt genannte Voraussetzung erfüllt, ist Tatfrage und bedarf
wiederum weiterer Feststellungen, nachdem sich das Urteil hierzu nicht verhält. Jedenfalls im Falle der
Erteilung einer Ermächtigung nach § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BestattVO durch das zuständige
Gesundheitsamt würde der Pathologe angesichts der Eingliederung der Gesundheitsämter in die
Verwaltungsstruktur der Land- und Stadtkreise (§ 2 ÖGDG BW) auch für eine Behörde tätig (Radtke, aaO, §
11 Rn. 150).
27 Entgegen der Rechtsauffassung des Angeklagten lässt sich dabei das Erfordernis einer Einbindung der
Behörde - vorliegend des Gesundheitsamts -, etwa im Sinne der Etablierung von Kontrollmechanismen, in
die tatsächliche Durchführung der in ihrem Auftrag wahrgenommenen einzelnen Verwaltungstätigkeit zur
Begründung der Amtsträgereigenschaft eines ermächtigten Pathologen der Legaldefinition des § 11 Abs. 1
Nr. 2 Buchst. c StGB nicht entnehmen. Vielmehr wird der Pathologe, auf dessen spezieller ärztlicher
Qualifikation seine Ermächtigung zur Durchführung der zweiten Leichenschau fußt, gerade anstelle der
Behörde tätig.
28 Die Begründung der Amtsträgereigenschaft setzt außerdem nicht voraus, dass für die Wahrnehmung von
Aufgaben der öffentlichen Verwaltung eine amtliche Vergütung gewährt wird (Hilgendorf, aaO, § 11 Rn. 38);
angesichts dessen steht ihr nicht entgegen, dass eine Pauschalgebühr an den Pathologen für die Ausstellung
einer Bescheinigung über die zweite Leichenschau nach den Feststellungen der Strafkammer lediglich
seitens eines privaten Auftraggebers auf Basis eines privatrechtlichen Dienstleistungsvertrages zu
entrichten war.
29 (c) Bei der Durchführung der zweiten Leichenschau und Ausstellung einer Bescheinigung hierüber nach § 16
Abs. 2 Nr. 2 BestattVO handelt es sich um eine Aufgabe der öffentlichen Verwaltung im Sinne des § 11 Abs.
1 Nr. 2 Buchst. c StGB.
30 Für die Inhaltsbestimmung des Begriffs der „Aufgaben öffentlicher Verwaltung“ besteht ein Primat des
Staats- und Verwaltungsrechts, das bei der strafrechtlichen Interpretation zu berücksichtigen ist, welches
aber auch der Korrektur durch spezifisch strafrechtliche Wertungen - wie etwa solche vom Rechtsgut der
einschlägigen Amtsdelikte oder dem systematischen Verhältnis zu den übrigen Gruppen strafrechtlicher
Amtsträger her - zugänglich ist (Radtke, aaO, § 11 Rn. 48). Im Grundsatz ist dabei davon auszugehen, dass
der Begriff „Aufgaben der öffentliche Verwaltung“ sämtliche Tätigkeiten umfasst, die ein Hoheitsträger in
(rechtlich) zulässiger Weise an sich ziehen darf (Radtke, aaO, § 11 Rn. 50; Hilgendorf, aaO, § 11 Rn. 43).
Aufgrund der legaldefinierten Irrelevanz der zur Erfüllung der Aufgaben gewählten Organisationsstruktur
und Handlungsform vermag auch die Übertragung von bisher im Wege der Eingriffsverwaltung bewältigten
Aufgaben auf einen privatrechtlich organisierten Träger nichts an dem Vorhandensein von Aufgaben der
öffentlichen Verwaltung, wie beispielsweise im Fall des sogenannten Beliehenen, zu ändern (Radtke, aaO, §
11 Rn. 53). Die Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben liegt auch dann vor, wenn das konkrete
Verwaltungshandeln nicht in Form von Befehl und Zwang erfolgt (Radtke, aaO, § 11 Rn. 52). Letztlich
beruht die Bestimmung des Begriffs der Wahrnehmung von Aufgaben öffentlicher Verwaltung im Sinne von
§ 11 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c StGB dabei auf einer wertenden Abgrenzung (BGHSt [GS] 57, 202, juris Rn. 18).
31 Hieran gemessen stellt sich die Durchführung der zweiten Leichenschau und die Erteilung einer ärztlichen
Bescheinigung nach § 16 Abs. 5, Abs. 2 Nr. 2 BestattVO in Verbindung mit § 43 Abs. 3 Satz 1 BestattG BW
im Falle einer beabsichtigten Beförderung eines Leichnams in Orte außerhalb Deutschlands zum Zweck der
Feuerbestattung als hoheitliche Tätigkeit im Sinne eines Tätigwerdens als „verlängerter Arm des Staates“
dar (so auch Waider/Madea, Archiv für Kriminologie 190, 176, 181; RGSt 22, 406, 407 [Leichenbeschauer];
allgemein: Saliger, aaO, § 11 Rn. 40; für den vergleichbaren Fall eines Trichinenbeschauers: OLG Karlsruhe,
Urteil vom 03.11.1966 - 1 Ss 44/66, Die Justiz 1967, 152). Zum einen unterfallen die vorliegend
einschlägigen Vorschriften der Bestattungsverordnung und des Bestattungsgesetzes, nach denen das
Erfordernis einer zweiten Leichenschau gesetzlich vorgeschrieben ist, als Teil des öffentlichen
Gesundheitsrechts dem Ordnungs- und Polizeirecht und gehören damit zum Bereich der klassischen
Eingriffsverwaltung (RGSt 22, 406, 407). Dementsprechend ist zuständige Behörde nach § 36 Abs. 3
BestattVO auch die Ortspolizeibehörde. Zum anderen ergibt sich dies auch aus der Gesetzessystematik,
nach der den nach § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2 BestattVO bezeichneten, in öffentlich-rechtliche
Strukturen eingebundene Ärzten - Angestellte des Gesundheitsamts sowie eines gerichtsmedizinischen
Instituts -, mit den an ihrer Stelle tätig werdenden, durch Behörden nach § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 und 4
BestattVO ermächtigten Ärzten gleichgestellt werden.
32 (2) Nach herrschender Meinung setzt die Befugnis zur Aufnahme (öffentlicher Urkunden) nach § 348 Abs. 1
StGB weiter voraus, dass der Amtsträger sachlich und örtlich für eine entsprechende Beurkundung
zuständig sein muss (vgl. lediglich Freund, aaO, § 348 Rn. 5). Eine „Aufnahme“ durch einen Amtsträger
erfolgt dabei, wenn sich die Beurkundung auf Erklärungen bezieht, die ein anderer vor ihm abgibt, auf
Wahrnehmungen, die er als Amtsträger selbst macht, oder auf Tatsachen, die er selbst vollzieht (Zieschang,
aaO, § 348 Rn . 7).
33 Bei dem mit der Bescheinigung nach § 16 Abs. 2 Nr. 2 BestattVO beurkundeten Gegenstand - stattgehabte
Durchführung einer zweiten Leichenschau mit der Feststellung eines natürlichen Todes - handelt es sich um
eine Tatsache, die der Arzt als Amtsträger als selbst vollzogen beurkunden konnte. Weitere Feststellungen
zum Sachverhalt werden indes bezogen auf den Inhalt einer erteilten Ermächtigung und die hieraus
gegebenenfalls abzuleitende örtliche Zuständigkeit zu treffen sein.
34 (3) Die Frage, ob es sich bei einer ärztlichen Bescheinigung über eine zweite Leichenschau durch einen
niedergelassenen hierzu ermächtigten Pathologen nach §§ 16 Abs. 2 Nr. 2, Abs. 5, 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3
oder 4 BestattVO um eine öffentliche Urkunde handelt, ist in der wenig überschaubaren Kasuistik zum
Vorliegen einer öffentlichen Urkunde soweit ersichtlich bisher noch nicht entschieden worden.
35 Jedoch ergibt sich nach Auffassung des Senats aus dem Zweck der Beurkundung der Durchführung einer
zweiten Leichenschau und der Gesetzessystematik, dass der Gesetzgeber gerade diese Bescheinigung
aufgrund ihrer besonderen Bedeutung in den Kreis der öffentlichen Urkunden erheben und ihrem legal
definierten Inhalt besondere Beweiskraft im Rechtsverkehr zubilligen wollte.
36 Der Begriff der öffentliche Urkunde wird auch für das Strafrecht in § 415 Abs. 1 ZPO legal definiert
(Zieschang, aaO, § 348 Rn. 5):
37
„Urkunden, die von einer öffentlichen Behörde innerhalb der Grenzen ihrer Amtsbefugnisse oder von einer
mit öffentlichem Glauben versehenen Person innerhalb des ihr zugewiesenen Geschäftskreises in der
vorgeschriebenen Form aufgenommen sind (öffentliche Urkunden), begründen, wenn sie über eine vor der
Behörde oder der Urkundsperson abgegebene Erklärung errichtet sind, vollen Beweis des durch die Behörde
oder die Urkundsperson beurkundeten Vorganges“.
38 Als mit öffentlichem Glauben versehene Personen im Sinne der Vorschrift gelten solche, denen für einen
örtlich und sachlich begrenzten Kreis durch Gesetz oder durch Verwaltungsanordnung die Befugnis
verliehen ist, Erklärungen oder Tatsachen mit voller Beweiskraft zu öffentlichem Glauben zu bezeugen
(Heine/Schuster, aaO, § 271 Rn. 5). Formal muss die Beurkundung insofern wirksam sein, als sie den
wesentlichen Erfordernissen einer öffentlichen Urkunde zu entsprechen hat; dazu gehört die Angabe der
ausstellenden Behörde und der Amtsstellung des Beurkundenden in dem Schriftstück selbst (Zieschang,
aaO, § 348 Rn. 14). Inhaltlich wird der strafrechtliche Begriff der öffentlichen Urkunde in § 348 StGB dabei
dadurch eingeschränkt, dass er eine Beweiskraft zu öffentlichem Glauben für und gegen jedermann - also
nicht nur für und gegen den Aussteller, sondern gegen jeden Dritten für die in ihr konstatierten Tatsachen -
voraussetzt (BGH NStZ 2016, 675; BGHSt 60, 66 ff., juris Rn. 21; Zieschang, aaO, § 348 Rn. 5). Wann einer
Urkunde eine öffentliche Beweiswirkung zukommt, kann sich dabei ausdrücklich aus einem Gesetz ergeben,
allerdings auch unter Berücksichtigung der Anschauung des Rechtsverkehrs aus einer am Schutzzweck der
gesetzlichen Vorschriften orientierten Auslegung (BGHSt 22, 201 [GS], juris Rn. 9; BGH NStZ 2016, 675;
Fischer, aaO, § 271 Rn. 5). Im Hinblick auf die begrenzte Reichweite begründbarer besonderer Beweiskraft
ist dabei jeweils der genaue Beurkundungsgegenstand zu bestimmen, denn von der Strafvorschrift des §
348 StGB werden nur solche Angaben erfasst, auf die sich die gesteigerte Beweiskraft bezieht (BGHSt 60,
66 ff., juris Rn. 21). Eine derart gesteigerte Beweiskraft gilt dabei nur für solche beurkundeten Angaben, die
gerade mit der Funktion besonderer amtlicher Richtigkeitsbestätigung erfolgen (Freund, aaO, § 348 Rn. 9).
Welche Angaben dies sind, ist, wenn es an einer ausdrücklichen Vorschrift fehlt, mittelbar den gesetzlichen
Bestimmungen zu entnehmen, die für die Errichtung und den Zweck einer Urkunde maßgeblich sind (BGHSt
60, 66 ff., juris Rn. 21). Eine derartige Beweiswirkung kann dabei nur angenommen werden, wenn kein
Zweifel besteht, dass dies unter Berücksichtigung der Verkehrsanschauung dem Sinn und Zweck des
Gesetzes entspricht (BGH NStZ 2016, 675, 676).
39 Dazu, ob die vorliegend ausgestellte ärztliche Bescheinigung über die Durchführung der zweiten
Leichenschau zunächst formal den Wirksamkeitserfordernissen einer öffentlichen Urkunde entspricht und ob
es sich bei dem Angeklagten um eine mit öffentlichem Glauben versehene Person handelt, treffen die
Urteilsgründe keine eindeutige Aussage, da der Inhalt der Bescheinigung nach § 16 Abs. 2 Nr. 2 BestattVO
dort lediglich im Wesentlichen beschrieben ist und Feststellungen zur Ermächtigung des Pathologen nach §
17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 bzw. 4 BestattVO nicht getroffen wurden.
40 Der Bescheinigung nach § 16 Abs. 2 Nr. 2 BestattVO kommt grundsätzlich die besondere Beweiskraft im
Sinne eines öffentlichen Glaubens zu.
41 Nach dem Wortlaut des § 16 Abs. 2 Nr. 2 BestattVO dokumentiert die Bescheinigung, dass bei einer
durchgeführten zweiten Untersuchung der verstorbenen Person keine Anhaltspunkte für einen nicht
natürlichen Tod festgestellt wurden. Diese Bescheinigung ist nach § 16 Abs. 2 BestattVO einerseits
Voraussetzung für die Erlaubnis zur Feuerbestattung nach § 35 Abs. 1 BestattG BW in Verbindung mit § 16
Abs. 1 BestattVO durch die Ortspolizeibehörde des Einäscherungorts. Zudem dient sie nach § 43 Abs. 3
BestattG BW in Verbindung mit §§ 16 Abs. 5, Abs. 2 Nr. 2 BestattVO auch im Fall der Beförderung eines
Leichnams unter anderem in Orte außerhalb Deutschlands zum Zweck der Feuerbestattung zum Nachweis
der Durchführung einer zweiten Nachschau gegenüber der Ortspolizeibehörde, die nach § 44 Abs. 1
BestattG BW in Verbindung mit § 36 Abs. 3 BestattVO für die Ausstellung eines hierfür erforderlichen
Leichenpasses zuständig ist. Nach dem gesetzgeberischen Willen dient dabei die Kodifizierung des
Erfordernisses der Durchführung einer zweiten Leichenschau in den vorbezeichneten Fällen der
Rechtssicherheit, da durch die Verbrennung eines Leichnams - im Gegensatz zur Erdbestattung - sämtliche
Spuren, die auch nach längerer Zeit noch auf einen nicht natürlichen Tod hinweisen können, mit der
Feuerbestattung unwiederbringlich beseitigt würden (vgl. hierzu Gesetzesentwurf der Landesregierung zur
Änderung des Bestattungsgesetzes vom 13.01.2009, LT-Drs. 14/3847, S. 20). Gerade der nach
Durchführung einer Feuerbestattung endgültigen Beweisvernichtung entspricht es angesichts dessen, der
über die vorangegangene ärztliche Untersuchung erstellten Dokumentation hervorgehobene
Beweisbedeutung zuzumessen.
42 Dieser vom Gesetzgeber mit der Regelung verfolgte Zweck einer besonderen Beweissicherung findet
darüber hinaus auch in der Gesetzessystematik seine Bestätigung. So ist zwar jede niedergelassene Ärztin
oder jeder niedergelassene Arzt - unabhängig von einer besonderen Qualifikation - nach §§ 20 Abs. 2, 22
Abs. 2 BestattG BW sowie nach § 8 Abs. 1 BestattVO verpflichtet, die (erste) Leichenschau auf Verlangen
zur Feststellung und anderem der Todesart und der Todesursache vorzunehmen sowie unverzüglich eine
Todesbescheinigung zu erstellen. Demgegenüber ist das Ausstellen der Bescheinigung nach § 16 Abs. 2 Nr. 2
BestattVO nur einem eng begrenzten Personenkreis - den in § 17 Abs. 1 BestattVO bezeichneten, teils in
öffentliche Strukturen eingebundenen, teils behördlich ermächtigten Ärzten - vorbehalten, um aufgrund
deren besonderer Qualifikation eine zuverlässige Feststellung der Todesart zu gewährleisten (für die
Wertung bereits der (ersten) Todesbescheinigung als öffentliche Urkunde - allerdings ohne nähere
Begründung -: RGSt 22, 406, 409).
43 Liegt eine derartige amtliche Richtigkeitsbestätigung vor, wäre es bereits im Grundsatz verfehlt, eine für §
348 Abs. 1 StGB ausreichende besondere Beweiskraft im Hinblick auf das in der Rechtsprechung kaum
konturierte Erfordernis einer „vollen Beweiswirkung für und gegen jedermann“ zu verneinen, weil nur
wenige Personen oder vielleicht nur eine einzige Person von einer unrichtigen Beurkundung betroffen sein
können (so auch Freund, aaO, § 348 Rn. 28). Die Bescheinigung über die Durchführung einer zweiten
Leichenschau stellt gemessen am Erfordernis einer „vollen Beweiswirkung für und gegen jedermann“
jedenfalls gerade nicht lediglich ein Verwaltungsinternum dar, sondern dient im Rechtsverkehr zum
Nachweis der Untersuchung im Rahmen mehrerer - jeweils im Zusammenhang mit Feuerbestattungen
stehender - Verwaltungsvorgänge über die Erlaubnis zur Feuerbestattung einerseits und die Erteilung eines
Leichenpasses andererseits. Angesichts der nach einer Feuerbestattung vollzogenen absoluten
Beweisvernichtung stellt die Bescheinigung überdies auch die im Rechtsverkehr einzig verbleibende
Nachweisunterlage für das Vorliegen der bescheinigten Todesart dar.
44 (4) Angesichts des in § 16 Abs. 2 Nr. 2 BestattVO legaldefinierten Inhalts der Beurkundung wäre der
Pathologe vorliegend aufgrund der schriftlichen Dokumentation einer nach den tatgerichtlichen
Feststellungen tatsächlich nicht durchgeführten zweiten Leichenschau seiner besonderen Wahrheitspflicht -
im Sinne einer falschen Beurkundung - nicht nachgekommen, und zwar unabhängig davon, ob die betroffene
Person tatsächlich eines natürlichen Todes verstorben ist oder nicht.
45 Als im Sinne des § 348 Abs. 1 StGB falsch beurkundet gilt eine von besonderer Beweiskraft umfasste
rechtlich erhebliche Tatsache dann, wenn das beurkundete mit dem nicht übereinstimmt, was nach Sachlage
vom Urkundsbeamten korrekt beurkundet werden konnte (Freund, aaO, § 348 Rn. 28). Ohne
ordnungsgemäße amtliche Untersuchung konnte ein natürlicher Tod nicht in einer mit besonderer amtlicher
Richtigkeitsgewähr versehen Weise festgestellt - und in diesem Sinne beurkundet - werden. Eine dennoch
vorgenommene derartige Beurkundung ist mit Blick auf das spezifische Rechtsgüterinteresse des § 348 Abs.
1 StGB selbst dann zu beanstanden, wenn ein nicht natürlicher Tod zufällig der Fall gewesen sein sollte (so
auch im vergleichbaren Fall einer durch den Trichinenschauer mit Stempelaufdruck „Trichinenfrei“
dokumentierten, tatsächlich jedoch (noch) nicht durchgeführten Trichinenschau: OLG Karlsruhe, Urteil vom
03.11.1966 -1 Ss 44 / 66, Die Justiz, 152).
46 (5) Angesichts dessen, dass im Hinblick auf das Vorliegen einer Ermächtigung nach § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3
bzw. 4 BestattVO seitens der Strafkammer keine Feststellungen getroffen wurden, mangelt es auch an
Feststellungen zur inneren Tatseite des Haupttäters (hierzu Hilgendorf, aaO, § 11 Rn. 60).
47 (6) In Form des festgestellten Ausfüllens der Leerstellen der dem Angeklagten zur Verfügung gestellten
Blankobescheinigung einer ärztlichen Bescheinigung nach § 16 Abs. 2 Nr. 2 BestattVO läge eine äußere, der
Verwirklichung der Haupttat dienliche Bewirkungshandlung und damit eine Beihilfehandlung nach §§ 27, 28
Abs. 1 StGB zur Falschbeurkundung im Amt nach § 348 Abs. 1 StGB vor. Ob der Angeklagte neben einer
Förderung der Haupttat deren wesentliche Merkmale erkannt hat, bleibt der Klärung in der
Hauptverhandlung vorbehalten. Insoweit dürfte aufzuklären sein, ob es auch zu Kontakten zwischen der
zuständigen Behörde und dem Angeklagten gekommen war, die sich auch auf die Tätigkeit eines nach § 17
Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BestattVO ermächtigten Arztes bezogen haben.
48 3. Unter der Voraussetzung, dass die vorbezeichneten weiteren Feststellungen getroffen werden, liegt nach
Auffassung des Senats eine Strafbarkeit des Angeklagten auf alternativer Tatsachengrundlage nach den
Grundsätzen der ungleichartigen Wahlfeststellung wegen Urkundenfälschung nach § 267 Abs. 1 StGB oder
wegen Beihilfe zur Falschbeurkundung im Amt nach §§ 348 Abs. 1, 27 StGB vor, falls auch nach erneuter
Durchführung der Hauptverhandlung die Alternativität der Sachverhaltsvarianten weiterhin als nicht
aufklärbar bestehen bleibt. Der Senat folgt der nach wie vor herrschenden Ansicht des Bundesgerichtshofs,
dass die Rechtsfigur der gesetzesalternativen Verurteilung mit Art. 103 Abs. 2 GG in Einklang steht (vgl.
hierzu: Beschlüsse 1. StrS NStZ-RR 2014, 308, 3. StrS NStZ-RR 2015, 39, 4. StrS NStZ-RR 2015, 40 und 5.
StrS NStZ-RR 2014, 307; 2. StrS: Anfragebeschluss NStZ 2014, 392; Vorlagebeschluss StraFo 2016, 81
[Rücknahmebeschluss vom 09.08.2016, juris]; erneuter Vorlagebeschluss vom 02.11.2016 - 2 StR 495/12).
49 a. Die Exklusivität der beiden in Betracht kommenden Sachverhaltsalternativen - das Gericht muss bei
gedanklicher Ausschaltung der einen Möglichkeit vom Vorliegen der anderen überzeugt sein (vgl.
Eser/Hecker, aaO, § 1 Rn. 80) - ist vorliegend denklogisch - entweder absprachegemäßes oder
absprachewidriges Verhalten des Angeklagten - gegeben.
50 b. Die den vorbezeichneten gesetzlichen Tatbeständen zugrunde liegenden möglichen Verhaltensweisen
sind rechtsethisch und psychologisch vergleichbar (BGHSt [GS] 9, 390 ff.; BGH NStZ 1985, 123; Fischer,
aaO, § 1 Rn. 40; Eser/Hecker, aaO, § 1 Rn. 99).
51 (1) Ein Stufenverhältnis zwischen den beiden in Betracht kommenden Tatbe-ständen der Urkundenfälschung
nach § 267 Abs. 1 StGB und der Beihilfe zur Falschbeurkundung im Amt nach §§ 348 Abs. 1, 27 StGB im
Hinblick auf eine täterschaftliche Verwirklichung einerseits, andererseits eine Teilnahme lediglich als Gehilfe
des Haupttäters, welches unter Zugrundelegung des Grundgedankens des Grundsatzes „im Zweifel für den
Angeklagten“ vorliegend die Annahme einer Wahlfeststellung ausschlösse und lediglich eine Verurteilung
wegen der geringeren Teilnahmeform zuließe, besteht nicht, da es sich um verschiedene Tatbestände und
nicht lediglich um unterschiedliche in bestimmter Weise aufeinander zugeordnete Beteiligungsformen am
selben Tatbestand handelt (hierzu BGH U. v. 16.12.1969, 1 StR 339/69, NJW 1970, 1052, Rn. 9, 10 juris).
52 (2) Eine rechtsethische Vergleichbarkeit ist dann gegeben, wenn bei Berück-sichtigung aller Umstände, die
den besonderen Unrechtscharakter der Straftatbestände ausmachen, den möglichen Taten im allgemeinen
Rechtsempfinden eine gleiche oder ähnliche sittliche Bewertung zuteilwird. Eine solche ist nicht schon dann
gegeben, wenn lediglich die Schwere der möglichen Schuldvorwürfe und damit die Strafwürdigkeit die
gleiche ist. Sie setzt vielmehr voraus, dass die in Betracht kommenden Tatbestände eine enge
Verwandtschaft aufweisen und es sich um die Verletzung derselben oder in ihrem Wesen ähnlicher
Rechtsgüter handelt, wie es zum Beispiel bei Diebstahl und Hehlerei, Diebstahl und Unterschlagung,
Unterschlagung und Hehlerei oder Raub und räuberischer Erpressung der Fall ist (vgl. nur BGH NStZ 1985,
123, Rn. 5, 9 juris; Eser/Hecker, aaO, § 1 Rn. 70, 100, 103).
53 Dies trifft aus Sicht des Senats vorliegend zu. Wiewohl die in Betracht kommenden Tatbestände
systematisch unterschiedlichen Abschnitten des Strafgesetzbuchs zugeordnet sind und § 267 Abs. 1 StGB
anders als § 348 Abs. 1 StGB nicht das Vertrauen in die Wahrheit des Urkundeninhalts, sondern das
Vertrauen in die Urheberschaft der Verkörperungen schützt (vgl. Fischer, aaO, § 267 Rn. 29), treffen sich
beide Tatbestände im Hinblick auf ihre Schutzrichtung bereits abstrakt jedenfalls darin, dass die Sicherheit
und Zuverlässigkeit des Rechtsverkehrs im Sinne des Beweisverkehrs unmittelbares Schutzgut des § 267
Abs. 1 StGB (vgl. Fischer, aaO, § 267 Rn. 1) und jedenfalls mittelbares Schutzgut des § 348 Abs. 1 StGB ist.
§ 348 Abs. 1 StGB soll über die Gewährleistung eines umfassenden Schutzes des allgemeinen Vertrauens in
die Wahrheitspflicht der mit der Aufnahme öffentlicher Urkunden betrauten Amtsperson (vgl. Fischer, aaO, §
348 Rn. 1) hinaus jedenfalls auch die durch das Verfälschen derartiger Urkunden betroffene Sicherheit und
Zuverlässigkeit des Rechtsverkehrs bewahren. Zudem stimmt der Strafrahmen beider Grundtatbestände
überein (Geldstrafe oder Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren); die aufgrund des Vorliegens der
Teilnahmeform einer Beihilfe obligatorische Strafrahmenverschiebung im Falle der Mitwirkung an der
Falschbeurkundung im Amt bleibt dabei außer Betracht (vgl. den Prüfungsansatz bei BGH NStZ 1985, 123,
Rn. 9 juris).
54 Nichts anderes ergibt sich aus der konkreten Betrachtungsweise der in Betracht kommenden
Sachverhaltsalternativen. Übereinstimmend wurde vorliegend sowohl durch die absprachegemäße als auch
durch die absprachewidrige Vorgehensweise des Angeklagten unter Ausnutzung desselben Dokuments, das
jeweils jedenfalls unter gewisser Mitwirkung des amtlich ermächtigten Pathologen in Umlauf gebracht
wurde, im Ergebnis die Sicherheit des Rechtsverkehrs im Hinblick auf die vom Angeklagten beabsichtigte
Beförderung der Verstorbenen ohne Durchführung der zweiten Leichenschau beeinträchtigt.
55 (3) Auch besteht eine psychologische Gleichwertigkeit der beiden Sachverhaltsalternativen im Sinne einer
jeweils einigermaßen gleichgearteten seelischen Beziehung des Angeklagten zu seiner Tat (vgl. zu diesem
Kriterium BGH NStZ 1985, 123, Rn. 5 juris;Eser/Hecker, aaO, § 1 Rn. 70). Diese liegt vor, wenn sowohl die
äußeren Modalitäten des Verhaltens (Art und Weise der Beeinträchtigung) als auch die in der Person des
Täters liegenden Umstände (täterbezogener Unwert beziehungsweise subjektive Unrechtselemente im
weiteren Sinne) vergleichbar sind (Eser/Hecker, aaO, § 1 Rn. 102). Zwar hat der Angeklagte vorliegend im
Fall des absprachegemäßen Vorgehens lediglich eine fremde Tat unterstützt, im anderen Fall die Tat als
eigene begangen. Jedoch besteht - aus Sicht des Angeklagten betrachtet - kein grundlegender Unterschied
zwischen beiden Sachverhaltsvarianten, da es in beiden Fällen gerade ihm als Bestatter darauf ankam,
entweder mit dem nicht dem Pathologen als Hersteller zuzurechnenden Dokument oder unter Zuhilfenahme
der in diesem mithilfe des Angeklagten dokumentierten scheinbar amtlich bekundeten schriftlichen Lüge das
in beiden Fällen angestrebte Ziel der Beförderung der Verstorbenen zum Zwecke der Feuerbestattung in die
Schweiz ohne die Durchführung einer zweiten Leichenschau zu erreichen.
56 c. Ergänzend bemerkt der Senat, dass im Falle einer wahldeutigen Verurteilung des Angeklagten ungeachtet
der alternativen Fassung des Schuldspruchs die Strafe dem mildesten Gesetz zu entnehmen ist
(Eser/Hecker, aaO, § 1 Rn. 107 mwN).
57 4. Das freisprechende Urteil des Landgerichts konnte deshalb keinen Bestand haben und war mit den
Feststellungen aufzuheben (§ 353 Abs. 1, Abs. 2 StPO). Die Sache war an eine andere Strafkammer des
Landgerichts Waldshut-Tiengen zurückzuverweisen (§ 354 Abs. 2 StPO), die auch über die Kosten des
Rechtsmittels zu befinden haben wird (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 59. Auflage 2016, § 464 Rn.
3).Dabei scheint dem Senat im Hinblick auf die Beweiswürdigung in der angegriffenen Entscheidung für die
neuerlichen Verhandlung - zur Ausschöpfung der zur Verfügung stehenden Erkenntnisquellen bezüglich der
zwischen den Beteiligten gegebenenfalls getroffenen Absprachen - der Hinweis angezeigt, dass
diesbezüglich die Verfahrensstadien der gegen den Pathologen und seinen in derselben Praxis tätigen
Kollegen gegebenenfalls in derselben Sache geführten Ermittlungsverfahren vor dem Hintergrund der
Prüfung des Bestehens von Auskunftsverweigerungsrechten nach § 55 StPO festzustellen sein werden.