Urteil des OLG Karlsruhe vom 22.11.2016

widerrufsrecht, verbraucher, treu und glauben, wirtschaftliche einheit

OLG Karlsruhe Urteil vom 22.11.2016, 17 U 176/15
Leitsätze
1. Die Belehrung über den Beginn der Widerrufsfrist gem. § 355 Abs. 2 S. 1 BGB in der bis zum 10.06.2010
geltenden Fassung ist - unabhängig von der Kausalität des Fehlers im Einzelfall - unzureichend, wenn ihr nicht
deutlich zu entnehmen ist, dass die Frist nicht beginnt, bevor der Verbraucher im Besitz seiner eigenen
Vertragserklärung in Schriftform ist.
2. Der Abschluss einer "Aufhebungsvereinbarung" zur Ablösung des Darlehens lässt weder den Widerruf der
Vertragserklärung durch den Verbraucher ins Leere gehen noch führt er allein zur Verwirkung des
Widerrufsrechts.
3. Der Anspruch auf Rückzahlung des Aufhebungsentgelts folgt nicht unmittelbar aus §§ 346 Abs. 1, 357 Abs. 1
BGB oder § 812 Abs. 1 BGB, sondern aus dem allgemeinen Leistungsstörungsrecht nach Wegfall der
Geschäftsgrundlage, § 313 Abs. 1 S. 1, Abs. 3 S. 1 BGB i.V.m. § 346 BGB.
Tenor
1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Karlsruhe vom 9. Oktober 2015 - 6 O 149/15 -
wird zurückgewiesen.
2. Die Kosten des Berufungsrechtszuges fallen der Beklagten zur Last.
3. Das Urteil sowie das angefochtene Urteil des Landgerichts sind vorläufig vollstreckbar.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
5. Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 5.727,61 EUR festgesetzt.
Gründe
I.
1 Der Kläger begehrt Rückzahlung der von ihm an die beklagte Bank nach einvernehmlicher Auflösung eines
Immobiliardarlehens entrichteten Vorfälligkeitsentschädigungen.
2 Mit Verträgen vom 12.3./16.03.2008 und 28.02./02.03.2008 gewährte die Beklagte dem Kläger zwei
Darlehen zur Finanzierung eines Immobilienerwerbs in Höhe von insgesamt 55.000 EUR mit zehnjähriger
Zinsbindung. Die Widerrufsbelehrung beider Verträge lautete (Anlage K 1):
3
Widerrufsrecht
4
Sie können Ihre Vertragserklärung innerhalb von zwei Wochen ohne Angabe von Gründen in Textform (z. B.
Brief, Fax, E-Mail) widerrufen. Die Frist beginnt frühestens mit dem Erhalt dieser Belehrung.
5 Unter der Rubrik “finanzierte Geschäfte“ belehrte die Beklagte über verbundene Geschäfte und erläuterte
den Begriff der wirtschaftlichen Einheit folgendermaßen:
6
„Dies ist insbesondere anzunehmen, wenn wir zugleich auch Ihr Vertragspartner im Rahmen des anderen
Vertrages sind, oder wenn wir uns bei Vorbereitung oder Abschluss des Darlehensvertrages der Mitwirkung
ihres Vertragspartners bedienen. Beim finanzierten Erwerb eines Grundstücks oder grundstücksgleichen
Rechts ist eine wirtschaftliche Einheit nur anzunehmen, wenn wir zugleich auch Ihr Vertragspartner im
Rahmen des anderen Vertrages sind oder wenn wir über die Zurverfügungstellung von Darlehen
hinausgehen und ihr Grundstücksgeschäft durch Zusammenwirken mit dem Veräußerer fördern, indem wir
uns dessen Veräußerungsinteressen ganz oder teilweise zu eigen machen, bei der Planung, Werbung oder
Durchführung des Projekts Funktionen des Veräußerers übernehmen oder den Veräußerer einseitig
begünstigen.“
7 Hinsichtlich beider Darlehensverträge schlossen die Parteien, nachdem der Darlehensnehmer die finanzierte
Immobile veräußert hatte, auf der Grundlage des Angebots der Beklagten vom 07.10.2014 einen
„Aufhebungsvertrag“ über die Zahlung eines Vorfälligkeitsentgelts in Höhe von insgesamt 5.727,67 EUR
(Anlagen K 3 und K 4). Der Kläger zahlte diese Summe bei Ablösung der Darlehen. Mit Schreiben seines
Prozessbevollmächtigten vom 17.12.2014 erklärte der Kläger den Widerruf seiner
Darlehensvertragserklärungen. Die ihm erteilten Widerrufsbelehrungen seien irreführend und undeutlich, so
dass die Widerrufsfristen von je zwei Wochen nicht in Lauf gesetzt worden seien.
8 Die Beklagte hat sich gegen die allein auf Rückzahlung der Vorfälligkeitsentschädigung gerichtete Klage in
erster Linie damit verteidigt, die Widerrufsbelehrung sei rechtlich nicht zu beanstanden, jedenfalls stehe der
Geltendmachung des Widerrufsrechts der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung entgegen.
Insbesondere finde die zurückverlangte Zahlung in der gesonderten Aufhebungsvereinbarung der Parteien
ihren Rechtsgrund.
9 Das Landgericht hat der Klage durch Urteil vom 09.10.2015, auf das wegen der weiteren Feststellungen
zum erstinstanzlichen Sach- und Streitstand Bezug genommen wird, in vollem Umfang stattgegeben. Der
Widerruf der Darlehensvertragserklärungen durch die Kläger sei wirksam, weil die Beklagte es an einer
ordnungsgemäßen Belehrung über das Widerrufsrecht habe fehlen lassen. Die Beklagte könne sich auch
nicht auf die Gesetzlichkeitsfiktion der Musterbelehrung berufen, da sie den Mustertext abgeändert habe.
Eine Verwirkung des Widerrufsrechts komme ebenso wenig in Betracht wie eine unzulässige
Rechtsausübung. Die rechtlich selbständige Vereinbarung im Rahmen der Darlehensablösung stehe der
Rückforderung des gezahlten Vorfälligkeitsentgelts nicht entgegen. Mit dem Widerruf der
Darlehensvertragserklärungen entfalle auch die Rückzahlungsvereinbarung.
10 Hiergegen wendet sich die Beklagte, die unter Hinweis auf ihre bereits im ersten Rechtszug vertretene
Rechtsansicht mit der Berufung den Antrag auf Klageabweisung weiter verfolgt. Die Widerrufsbelehrung sei
als gesetzeskonform einzustufen; zumindest könne sich die Beklagte auf die Gesetzlichkeitsfiktion des
Mustertextes nach der Anlage 2 zu § 14 BGB-Info-VO berufen. Die Abweichungen vom Mustertext im
Abschnitt „Finanzierte Geschäfte“, welche das Landgericht allein beanstandet habe, seien irrelevant, da ein
Verbundgeschäft nicht vorliege, jedenfalls aber marginal und daher unschädlich. Schließlich stehe die
Aufhebungsvereinbarung den Rückforderungsansprüchen entgegen, da diese einen den ursprünglichen
Darlehensvertrag ablösenden und damit eigenständigen Behaltensgrund darstelle, der die Rechtslage im
Interesse beider Parteien auch für die Vergangenheit umgestalte. Mangels eines fortbestehenden
Schuldverhältnisses gehe der Widerruf ins Leere. Zu Unrecht habe das Landgericht den Einwand der
Verwirkung und des Rechtsmissbrauchs wegen zweckwidriger Ausübung des Widerrufsrechts
zurückgewiesen.
11 Der Kläger beantragt Zurückweisung der Berufung. Er verteidigt das Urteil des Landgerichts unter
Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vorbringens.
12 Wegen der weiteren Einzelheiten des Berufungsvorbringens der Parteien wird auf den Inhalt der im
Berufungsrechtszug gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
II.
13 Die Berufung der Beklagten ist zulässig, in der Sache aber nicht begründet. Die angefochtene Entscheidung
beruht weder auf einer Rechtsverletzung (§ 546 ZPO) noch rechtfertigen die nach § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO
zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung (§ 513 ZPO). Das Landgericht hat der
Zahlungsklage zu Recht stattgeben.
14 Entgegen der Rechtsansicht der Berufung ist der Widerruf vom 17.12.2014 wirksam, weil die
Widerrufsbelehrung fehlerhaft war und die Beklagte für die Belehrung auch kein Formular verwendet hat,
das dem damals geltenden Muster gemäß § 14 Abs. 1 Anlage 2 BGB-InfoV entspricht (1.). Der
Rechtsausübung stehen auch die von der Beklagten erhobenen Einwendungen nicht entgegen (2.).
Aufgrund wirksamen Widerrufs kann der Kläger die geleisteten Vorfälligkeitsentschädigungen in Höhe von
5.727,61 EUR zurückverlangen (3.).
15
1.
Dem Kläger stand hinsichtlich der Darlehensverträge vom Februar/März 2008 ein Widerrufsrecht nach
den §§ 491 Abs. 1, 495 Abs. 1, 355 BGB in der bis zum 10.06.2010 geltenden Fassung (im Folgenden: a.F.)
zu, welches er wirksam ausgeübt hat. Die Widerrufserklärung des Klägers ist auch rechtzeitig erfolgt, weil
mangels ordnungsgemäßer Widerrufsbelehrung der Lauf der Widerrufsfrist nicht begonnen hatte (§ 355 Abs.
2 Satz 1 BGB a.F. i.V. mit Art. 229 § 9 Abs. 1 Satz 1 EGBGB).
16
a)
Die Widerrufsbelehrung zu beiden Darlehensverträgen ist - was die Beklagte letztlich ernsthaft auch
nicht in Frage stellt - fehlerhaft. Sie entspricht nicht den Vorgaben der §§ 355, 495 Abs. 1 BGB a.F.
17
aa)
Nach § 355 Abs. 2 Satz 1 BGB a.F. beginnt die Widerrufsfrist mit dem Zeitpunkt, zu dem dem
Verbraucher eine deutlich gestaltete Belehrung über sein Widerrufsrecht, die ihm seine Rechte deutlich
macht, in Textform mitgeteilt worden ist. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs muss die
Widerrufsbelehrung umfassend, unmissverständlich und für den Verbraucher eindeutig sein. Der
Verbraucher soll dadurch nicht nur von seinem Widerrufsrecht Kenntnis erlangen, sondern auch in die Lage
versetzt werden, dieses auszuüben. Er ist deshalb auch über den Beginn der Widerrufsfrist eindeutig zu
informieren (BGH, Urteil vom 10.03.2009 - XI ZR 33/08, juris Rn. 14 m.w.N.). Deren Lauf hängt bei einem
Vertrag, der wie der streitgegenständliche Verbraucherdarlehensvertrag schriftlich abzuschließen ist (§ 492
Abs. 1 Satz 1 BGB), davon ab, dass dem Verbraucher über die Widerrufsbelehrung hinaus (§ 355 Abs. 2 Satz
1 BGB a.F.) auch eine Vertragsurkunde oder sein eigener schriftlicher Antrag im Original bzw. in Abschrift
zur Verfügung gestellt wird (§ 355 Abs. 2 Satz 3 BGB a.F.). Der Widerrufsbelehrung muss bei Schriftform des
Vertrags also eindeutig zu entnehmen sein, dass der Lauf der Widerrufsfrist zusätzlich zu dem Empfang der
Widerrufsbelehrung erfordert, dass der Verbraucher im Besitz einer seine eigene Vertragserklärung
enthaltenden Urkunde ist (BGH, Urteil vom 10.03.2009 - XI ZR 33/08, juris Rn. 15).
18
bb)
Die von der Beklagten bei der Widerrufsbelehrung verwendete Formulierung, die Frist „beginnt
frühestens mit Erhalt dieser Belehrung“, genügt, wie mehrere Senate des Bundesgerichtshofs bereits
wiederholt entschieden haben, nicht diesen Anforderungen des § 355 Abs. 2 Satz 1 BGB a.F. Die
Formulierung informiert den Verbraucher nicht richtig über den nach § 355 Abs. 2 BGB maßgeblichen Beginn
der Widerrufsfrist und die zeitlichen Grenzen des Widerrufsrechts, weil sie nicht umfassend und zudem
irreführend ist. Die Verwendung des Wortes „frühestens“ ermöglicht es dem Verbraucher nicht, den
Fristbeginn ohne Weiteres zu erkennen. Er vermag ihr lediglich zu entnehmen, dass die Widerrufsfrist „jetzt
oder später“ beginnen, der Beginn des Fristlaufs also noch von weiteren Voraussetzungen abhängen soll.
Der Verbraucher wird nach einheitlicher Meinung des Bundesgerichtshofes mit diesem Belehrungstext
darüber im Unklaren gelassen, um welche etwaigen Umstände es sich dabei handelt (BGH, Urteil vom
09.12.2009 - VIII ZR 219/08, juris Rn. 13 ff; Urteil vom 29.04.2010 - I ZR 66/08, juris Rn. 21; Urteil vom
01.12.2010 - VIII ZR 82/10, juris Rn. 12; Urteil vom 02.02.2011 - VIII ZR 103/10, juris Rn. 14; Urteil vom
28.06.2011 - XI ZR 349/10, juris Rn. 34; Urteil vom 01.03.2012 - III ZR 83/11, juris Rn. 15). Ohne
klarstellenden Zusatz über den konkreten Beginn der Widerrufsfrist liegt ein Verstoß gegen das
Deutlichkeitsgebot vor (vgl. BGH, Urteil vom 02.02.2011 - VIII ZR 103/10, juris Rn. 15).
19 Die Belehrung ist im Übrigen, was die Berufung übersieht, auch deshalb fehlerhaft, weil die
Finanzierungsverträge schriftlich abzuschließen waren (§ 492 BGB). Ist aber der Vertrag schriftlich
abzuschließen, so beginnt gemäß § 355 Abs. 2 Satz 3 BGB a.F. die Frist nicht zu laufen, bevor dem
Verbraucher auch eine Vertragsurkunde, der schriftliche Antrag des Verbrauchers oder eine Abschrift der
Vertragsurkunde oder des Antrags zur Verfügung gestellt werden. Der Widerrufsbelehrung muss bei
Schriftform des Vertrags also eindeutig zu entnehmen sein, dass der Lauf der Widerrufsfrist zusätzlich zu
dem Empfang der Widerrufsbelehrung erfordert, dass der Verbraucher im Besitz einer seine eigene
Vertragserklärung enthaltenden Urkunde ist (BGH, Urteil vom 10.03.2009 - XI ZR 33/08, juris Rn. 15).
Daran fehlt es im Streitfall ebenfalls.
20
b)
Der Beklagten steht kein Vertrauensschutz mit Blick auf die Schutzwirkung des § 14 Abs. 1 BGB-InfoV
(mit dem Muster der Anlage 2 in der bis zum 31.03.2008 geltenden Fassung) zu. Der Bundesgerichtshof hat
zwar mit Entscheidung vom 15.08.2012 (VIII ZR 378/11, WM 2012, 1886 Rn. 14) klargestellt, dass sich der
Verwender der Musterbelehrung auf die Schutzvorschrift des § 14 Abs. 1 BGB-InfoV berufen kann. Das gilt
jedoch nur im Falle vollständiger Identität der erfolgten Belehrung mit der vorgenannten Musterbelehrung,
sowohl inhaltlich als auch der äußeren Gestaltung nach (BGH, Urteile vom 19.07.2012 - III ZR 252/11, WM
2012, 1668 Rn. 14 ff. vom 28.06.2011 - XI ZR 349/10, WM 2011, 1799 Rn. 36, 37 m.w.N. und vom
12.07.2016 - XI ZR 564/15, WM 2016, 1930 Rn. 22). Daran fehlt es hier.
21 Entscheidend für die Frage, ob die Belehrung der Musterbelehrung in jeder Hinsicht entspricht, ist allein, ob
der Unternehmer den vom Verordnungsgeber entworfenen Text der Musterbelehrung bei der Abfassung der
Widerrufsbelehrung einer eigenen inhaltlichen Überarbeitung unterzogen hat. Greift der Unternehmer in
den ihm zur Verfügung gestellten Mustertext selbst ein, kann er sich auf eine mit der unveränderten
Übernahme der Musterbelehrung verbundene Schutzwirkung nicht berufen. Das gilt, wie der
Bundesgerichtshof entschieden hat (BGH, Urteile vom 01.03.2012 - III ZR 83/11, NZG 2012, 427 Rn. 17;
ebenso Urteil vom 28.06.2011 - XI ZR 349/10, WM 2011, 1799, Rn. 37 ff., 39), unabhängig von dem
konkreten Umfang der durch den Unternehmer vorgenommenen Änderungen, zumal sich schon mit
Rücksicht auf die Vielgestaltigkeit möglicher individueller Veränderungen des Musters keine
verallgemeinerungsfähige Grenze ziehen lässt, bis zu der die Schutzwirkung noch gelten kann und bei
deren Überschreitung sie entfallen soll.
22 Eine nicht nur geringfügige inhaltliche Abweichung von der Musterbelehrung liegt schon im Hinblick auf die
Formulierungen im Abschnitt „Finanzierte Geschäfte“ vor, wie der Senat bereits zu einer weitgehend
identischen Belehrung entschieden hat (Urteil vom 15.12.2015 - 17 U 145/14, juris Rn. 29 ff.; Urteil vom
08.11.2016 - 17 U 203/15 ebenso OLG Stuttgart, Urteil vom 29.09.2015 - 6 U 21/15, juris Rn. 30 ff.; OLG
Frankfurt, Urteil vom 27.01.2016 - 17 U 16/15, juris Rn. 29 ebenso jetzt BGH, Urteil vom 12.07.2016 - XI
ZR 564/15, WM 2016, 1930 Rn. 25). Dass die Beklagte - wie die Berufung meint - die diesbezüglichen
Passagen nach Gestaltungshinweis Nr. 9 mangels Vorliegens eines verbundenen Geschäfts im konkreten Fall
auch hätte weglassen können, ändert daran nichts; denn entscheidet sie sich dafür, dennoch über die
finanzierten Geschäfte zu belehren, kann sie sich auf die Schutzwirkung des § 14 Abs. 1 BGB-InfoV nur
berufen, wenn sie die vom Muster vorgegebenen Passagen keiner inhaltlichen Bearbeitung unterzieht (vgl.
für die Frage der Einhaltung des § 355 BGB: BGH, Urteil vom 23.06.2009 - XI ZR 156/08 -, juris Rn. 17). Die
Beklagte hat aber Satz 3 der Belehrung nach dem Muster hinter den eigentlich zu ersetzenden Satz 2
eingefügt und obendrein Satz 3 auch redaktionell umformuliert.
23
2.
Die gegen die Ausübung des Widerrufsrechts von der Beklagten erhobenen Einwendungen sind nicht
begründet.
24
a)
Die von den Parteien als „Aufhebungsvertrag“ bezeichnete Vereinbarung vom Oktober 2014 steht der
Wirksamkeit des Widerrufs nicht entgegen.
25 Entgegen der von der Beklagten vertretenen Rechtsansicht wurde das Schuldverhältnis zwischen den
Parteien durch diese Vereinbarung nicht beendet. Denn bei dieser handelt es sich rechtlich nicht um eine
Aufhebung der Darlehensverträge, sondern lediglich um eine auf die Vorverlegung des Erfüllungszeitpunktes
gerichtete Modifizierung der im Übrigen bestehen bleibenden Darlehensverträge (vgl. BGH, Urteil vom
01.07.1997 - XI ZR 267/96, juris Rn. 18; so auch OLG Karlsruhe, Urteil vom 27.02.2015 - 4 U 144/14 -,
juris), so dass die Widerrufserklärungen bereits aus diesem Grund entgegen der Ansicht der Beklagten nicht
ins Leere gingen.
26 Unabhängig davon bliebe ein Widerrufsrecht selbst dann von der sog. Aufhebungsvereinbarung unberührt,
wenn die Darlehensverträge hierdurch aufgehoben worden wären (ebenso OLG Hamm, Urteil vom
25.03.2015 - 31 U 155/14, juris Rn. 15 m.w.N.; Urteil vom 04.11.2015 - 31 U 64/15, juris Rn. 24 m.w.N.;
OLG Frankfurt, Beschluss vom 02.09.2015 - 23 U 24/15, juris Rn. 23). Denn der Kläger konnte sein
Wahlrecht zwischen Abschluss einer „Aufhebungsvereinbarung“ einerseits und Widerruf andererseits
mangels ausreichender Belehrung über sein Widerrufsrecht nicht sachgerecht ausüben (vgl. BGH, Urteil vom
16.10.2013 - IV ZR 52/12, juris Rn. 24 für den Fall einer Kündigung). Kenntnis des Klägers im Zeitpunkt der
Abgabe seiner Willenserklärungen in Bezug auf die Aufhebungsvereinbarung von der Fehlerhaftigkeit der
Widerrufsbelehrungen hat die Beklagte nicht behauptet. Daher stünde die „Aufhebungsvereinbarung“ dem
späteren Widerruf selbst dann nicht entgegen, wenn es sich bei dieser um einen echten Aufhebungsvertrag
handeln würde (so schon Senatsurteil vom 26.07.2016 - 17 U 160/15 - n.v.).
27
b)
Entgegen der Ansicht der Berufung ist das Widerrufsrecht des Klägers weder verwirkt noch wegen
Rechtsmissbrauchs unzulässig.
28
aa)
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist ein Recht verwirkt, wenn seit der Möglichkeit der
Geltendmachung längere Zeit verstrichen ist (Zeitmoment) und besondere Umstände hinzutreten, die die
verspätete Geltendmachung als Verstoß gegen Treu und Glauben erscheinen lassen (Umstandsmoment).
Letzteres ist der Fall, wenn der Verpflichtete bei objektiver Betrachtung aus dem Verhalten des Berechtigten
entnehmen durfte, dass dieser sein Recht nicht mehr geltend machen werde. Ferner muss sich der
Verpflichtete im Vertrauen auf das Verhalten des Berechtigten in seinen Maßnahmen so eingerichtet haben,
dass ihm durch die verspätete Durchsetzung des Rechts ein unzumutbarer Nachteil entstünde (st. Rspr.; vgl.
nur BGH, Urteil vom 23.01.2014 - VII ZR 177/13, juris Rn. 13 m.w.N.; Urteil vom 28.07.2015 - XI ZR
434/14, juris Rn. 45 m.w.N.).
29 Nach diesen Maßstäben, von denen auch das Landgericht ausgegangen ist, fehlt es im Streitfall an
hinreichenden, die Verwirkung begründenden Tatsachen. Zum einen fehlt es bereits an Vorbringen der
Beklagten dazu, dass sie sich im Vertrauen auf das Verhalten des Klägers in ihren Maßnahmen so
eingerichtet hat, dass ihr durch die verspätete Durchsetzung des Widerrufsrechts ein unzumutbarer
Nachteil entstünde. Dass und weshalb sie ab einem bestimmten Zeitpunkt nach Darlehensvalutierung nicht
nur darauf vertraut habe, der Kläger würde von seinem Widerrufsrecht keinen Gebrauch mehr machen,
sondern dass und ggf. welche Dispositionen von ihr im Vertrauen auf das Ausbleiben eines Widerrufs danach
vorgenommen worden sind, trägt die Beklagte nicht vor. Die Beklagte macht lediglich geltend, sie habe die
Auszahlung der Valuta seinerzeit erst nach Ablauf der Widerspruchsfrist vorgenommen. Aber diese
Vorgehensweise kann kein rechtlich geschütztes Vertrauen begründen, weil die Widerrufsfrist wegen der
fehlerhaften Widerrufsbelehrung nicht angelaufen ist.
30 Darüber hinaus liegen aber auch keine Umstände vor, auf die die Beklagte ein Vertrauen darauf hätte
gründen dürfen, der Kläger würde von seinem Widerrufsrecht keinen Gebrauch mehr machen. Der Senat
geht davon aus, dass der Beklagten seit den Entscheidungen des Bundesgerichtshofs vom 10.03.2009 (XI
ZR 33/08) und 09.12.2009 (VIII ZR 219/08) bekannt war, dass ihre Widerrufsbelehrungen fehlerhaft sein
könnten. Bis zu diesem Zeitpunkt durfte die Beklagte ohne Weiteres noch nicht von einer Verwirkung des
Rechts der Kläger zum Widerruf ihrer Vertragserklärungen ausgehen. Der Umstand, dass der Kläger bis
dahin seinen Verpflichtungen aus dem Darlehensvertrag kommentarlos nachgekommen ist, genügt für die
Annahme des für die Verwirkung erforderlichen Umstandsmoments nicht. Nach den o.g. Entscheidungen des
Bundesgerichtshofs gingen bei der Kreditwirtschaft zahlreiche Widerrufe von Anlegern ein. Daher musste
auch die Beklagte mit Widerrufserklärungen von Anlegern rechnen, so dass sie sich nicht auf den
Fortbestand des Vertrages einrichten durfte (so bereits Senat, Urteil vom 14.04.2015 - 17 U 57/14, juris Rn.
34). Soweit die Beklagte in diesem Zusammenhang die Ansicht vertreten haben mag, zu ihren Gunsten
greife die Gesetzlichkeitsfiktion des Mustertextes, handelte es sich wegen der vorgenommenen Eingriffe in
die Musterwiderrufsbelehrung jedenfalls um keine gesicherte Rechtsansicht. Diese fehlerhafte rechtliche
Beurteilung ginge daher zu ihren Lasten.
31 Soweit die Beklagte zur Begründung der Verwirkung ferner auf den Zeitablauf vom Vertragsschluss bis zur
Erklärung des Widerrufs abstellt, kommt es hierauf entscheidend nicht an, auch wenn im Streitfall zwischen
den auf den Abschluss der Finanzierungsverträge gerichteten Willenserklärungen des Klägers einerseits und
der Erklärung des Widerrufs fast sieben Jahre lagen. Ein schutzwürdiges Vertrauen kann die Beklagte hier
nämlich schon deshalb nicht in Anspruch nehmen, weil sie es bis dahin jederzeit in der Hand hatte, durch
eine nachträglich erteilte wirksame Belehrung den Lauf der - dann auf einen Monat verlängerten - Frist (vgl.
§ 355 Abs. 2 Satz 2 BGB a.F.) in Gang zu setzen und den Schwebezustand zu beenden (so bereits Senat,
a.a.O. m.w.N.; vgl. auch OLG Hamm, Urteil vom 04.11.2015 - 31 U 64/15, juris Rn. 26; OLG Dresden, Urteil
vom 11.06.2015 - 8 U 1760/14, juris Rn.35). Von dieser Möglichkeit hat die Beklagte aber nicht einmal
Gebrauch gemacht hat, als der Kläger im Jahr 2014 an sie im Zusammenhang mit der Veräußerung der
Immobilie mit dem Wunsch einer vorzeitigen Rückzahlung der Darlehen herangetreten war. Stattdessen hat
die Beklagte den Kläger mit Schreiben vom 07.10.2014 den Abschluss des Aufhebungsvertrages angeboten
und gerade nicht auf die Widerrufsmöglichkeit hingewiesen. Zu diesem Zeitpunkt war der Beklagten
aufgrund der Entscheidungen des Bundesgerichtshofs vom 10.03.2009 (XI ZR 33/08) und 09.12.2009 (VIII
ZR 219/08) indes ohne Weiteres bekannt, dass ihre Widerrufsbelehrungen fehlerhaft sein könnten.
32 Schließlich ist das Widerrufsrecht der Kläger auch nicht deshalb verwirkt, weil er den Widerruf kurze Zeit
nach vollständiger Rückführung der Darlehensvaluten erklärt hat. Wie der Senat bereits entschieden hat,
verwirkt ein Darlehensnehmer sein Recht zum Widerruf nach unwirksamer Widerrufsbelehrung selbst dann
nicht allein dadurch, dass die Finanzierung bereits über drei Jahre vollständig zurückgeführt ist (Urteil vom
14.04.2015 - 17 U 57/14, juris Rn. 34). Von dieser Rechtsprechung abzuweichen besteht im hiesigen
Streitfall schon deshalb kein Anlass, weil hier lediglich 2 Monate zwischen der Beendigung der
Darlehensrechtsbeziehung und dem Widerruf liegen (vgl. auch Senat, Urteil vom 08.11.2016 - 17 U
203/15).
33
bb)
Die Ausübung des Widerrufrechts ist schließlich auch nicht unter dem Gesichtspunkt des
Rechtsmissbrauchs zu beanstanden, weil das Widerrufsrecht zweckwidrig eingesetzt wurde, nachdem das
Vertragsverhältnis über Jahre hinweg als wirksam behandelt worden ist.
34 Das Recht zum Widerruf bedarf keines Grundes und setzt insbesondere kein berechtigtes Interesse des
Verbrauchers voraus. Vielmehr steht der Widerruf im Belieben der zum Widerruf berechtigten Partei und ist
grundsätzlich nicht von dem Motiv des Widerrufenden abhängig (BGH, Urteil vom 12.07.2016 - XI ZR
564/15, Rn. 42 ff.; Urteil vom 12.07.2016 - XI ZR 501/15, Rn. 17 ff.; OLG Dresden, Urteil vom 11.06.2015 -
8 U 1769/14, Rn. 36 m.w.N.; OLG Nürnberg, Urteil vom 11.11.2015 - 14 U 2439/14, juris Rn. 37). Die
Rechtsausübung unterliegt nicht einer besonderen Rechtfertigung mit Blick auf die Kausalität des Mangels
der Widerrufsbelehrung (so auch OLG Stuttgart, Urteil vom 06.10.2015 - 6 U 148/14, juris Rn. 44 m.w.N.).
Nach den gesetzlichen Voraussetzungen des Verbraucherwiderrufs kommt es nicht darauf an, ob sich die
Motivation des Verbrauchers für den Widerruf mit der des Gesetzgebers für dessen Einführung deckt. Auch
die Ausübung des Widerrufsrechts kann nicht mit dem Argument als unzulässig angesehen werden, der
Verbraucher verfolge zweckwidrige Ziele. Deswegen kommt ein Ausschluss des Widerrufsrechts wegen
Rechtsmissbrauchs beziehungsweise unzulässiger Rechtsausübung nur ausnahmsweise - unter dem
Gesichtspunkt besonderer Schutzbedürftigkeit des Unternehmers - in Betracht, etwa bei arglistigem
Verhalten des Verbrauchers gegenüber dem Unternehmer (BGH, Urteil vom 16.03.2016 - VIII ZR 146/15,
juris Rn. 16 m.w.N.).
35 Ein solcher Ausnahmefall liegt hier nicht vor. Ein im Verhältnis zu den Vorstellungen des Gesetzgebers
möglicherweise zweckwidriges Motiv des Widerrufs reicht allein nicht aus, um den Vorwurf des
Rechtsmissbrauchs zu begründen. Soweit die Berufung auf die Entscheidung des Oberlandesgerichts
Düsseldorf vom 21.01.2016 (I-6 U 296/14 -, juris) abstellt, wonach es eine gemäß § 242 BGB unzulässige
Rechtsausübung darstellen soll, wenn der Verbraucher einen Darlehensvertrag erst widerruft, nachdem das
marktübliche Zinsniveau für solche Darlehen um mehr als 30% unter den Vertragszins gefallen war, obwohl
er das mit den Mitteln des Darlehens erworbene Grundeigentum weiterhin zu eigenen Zwecken nutzt und
sich der von ihm mit der Bank vereinbarte Festzins im Rahmen des seinerzeit marktüblichen Zinsniveaus
bewegt hat, ist dieser Entscheidung mit den Urteilen des Bundesgerichtshof vom 12.07.2016 die Grundlage
entzogen.
36 Im Übrigen hat der Gesetzgeber mit der Möglichkeit zur Nachbelehrung (§ 355 Abs. 2 Satz 3 BGB a.F.; vgl.
jetzt § 492 Abs. 6 BGB) eine maßgebliche Interessenbewertung bereits vorgenommen. Es lag in der Hand
der Beklagten, mittels der Nachbelehrung für klare Rechtsverhältnisse zu sorgen und so den Konflikt in
Fällen dieser Art selbst aufzulösen. War die Beklagte aber in der Lage, ihr Risiko durch die Erteilung einer
ordnungsgemäßen Nachbelehrung zu begrenzen, so kann sie sich nicht auf eine unzulässige
Rechtsausübung der nicht hinreichend aufgeklärten Vertragspartner berufen.
37 Nach alldem ist davon auszugehen, dass die Widerrufserklärung der Kläger vom 17.04.2014 wirksam ist und
sich die widerrufenen Darlehensverträge daher in Rückabwicklungsschuldverhältnisse umgewandelt haben.
38
3.
Der Kläger kann nach alledem Rückzahlung der an die Beklagte gezahlten Aufhebungsentgelte in Höhe
des mit der Klage verfolgten Hauptantrags verlangen. Die Grundlage dieses Anspruchs ergibt sich jedoch
nicht schon aus dem Rückabwicklungsregime des Verbraucherwiderrufsrechts oder aus Bereicherungsrecht,
sondern aus dem Leistungsstörungsrecht im weiteren Sinne (Störung der Geschäftsgrundlage).
39
a)
Der Rückzahlungsanspruch kann nicht, wie das Landgericht angenommen hat, aus §§ 357 Abs. 1, 346
Abs. 1 BGB a.F. hergeleitet werden. Denn der Kläger hat die Aufhebungsentgelte nicht aufgrund einer aus
den Darlehensverträgen folgenden Verpflichtung an die Beklagte gezahlt. Rechtsgrund der Zahlung war
vielmehr die Vereinbarung gemäß Antrag der Beklagten vom 07.10.2014. Diese vertragliche Regelung bildet
entgegen der Meinung des Landgerichts kein einheitliches Vertragsverhältnis mit den
Ausgangsdarlehensverträgen, sondern begründet eine eigenständige Leistungsverpflichtung des
Darlehensnehmers.
40 Soweit auch in der obergerichtlichen Rechtsprechung vertreten worden ist, der Darlehensnehmer, der seine
auf Abschluss eines Darlehensvertrags gerichtete Willenserklärung wirksam widerrufen hat, habe gemäß §§
357 Abs. 1, 346 Abs. 1 BGB a.F. einen Anspruch auf Rückgewähr der aufgrund einer gesonderten
Vereinbarung an die Bank gezahlte Vorfälligkeitsentschädigung (OLG Düsseldorf, Urteil vom 17.04.2015 - 17
U 127/14, juris Rn.16; OLG Frankfurt, Beschluss vom 02.09.2015 - 23 U 24/15, juris Rn. 21; OLG Stuttgart,
Urteil vom 29.09.2015 - 6 U 21/15, juris Rn. 72; OLG Hamm, Urteil vom 04.11.2015 - 31 U 64/15, juris Rn.
21; OLG Frankfurt, Urteil vom 27.01.2016 - 17 U 16/15, juris Rn. 36; OLG Düsseldorf, Urteil vom
29.01.2016 - 7 U 21/15, juris Rn. 58), teilt der Senat diese Rechtsauffassung nicht.
41 Das gleiche gilt bezüglich der Auffassung, der Rückzahlungsanspruch könne auf §812 Abs. 1 Satz 1, 1. Alt.
BGB oder auf § 812 Abs. 1 Satz 2, 1. Alt. BGB gestützt werden (vgl. hierzu OLG Köln, Beschluss vom
08.12.2014 - 13 U 103/14, juris Rn. 2; Beschluss vom 10.08.2015 - 13 U 81/14, juris Rn. 2; OLG Düsseldorf,
Beschluss vom 09.06.2015 - 16 U 151/14, juris Rn. 2). Der Bereicherungsanspruch setzt jedoch den
mangelnden Rechtsgrund der Zahlung des Darlehensnehmers voraus, der erst noch rechtlich zu begründen
wäre. Der vom Darlehensnehmer mit der Leistung des Vorfälligkeitsentgelts verfolgt Erfüllungszweck wird
aber nur dann verfehlt, wenn die entsprechende vertragliche Zahlungsverpflichtung nachträglich wieder
entfällt. Der Behaltensgrund für die Erfüllungsleistung kommt mit der Ablösevereinbarung in Wegfall. Der
Fortbestand der Zahlungsverpflichtung ist jedoch im allgemeinen Schuldrecht geregelt, das auch eine
spezielle Regelung über die Rückgewähr der nicht geschuldeten Gegenleistung trifft.
42
b)
Nach den hier maßgeblichen Vorschriften des allgemeinen Schuldrechts folgt die Anspruchsgrundlage aus
der Vereitelung des der Ablösevereinbarung zu Grunde liegenden Vertragszwecks durch den späteren
Widerruf der Darlehensvertragserklärungen. Die beiden in Betracht kommenden Rückabwicklungssysteme
nach dem Recht der Unmöglichkeit (§§ 275 Abs. 1, 326 Abs. 4 BGB) und der Geschäftsgrundlage (§ 313 Abs.
1 und Abs. 3 BGB) führen einheitlich auf das Rücktrittsrecht des § 346 Abs. 1 BGB. Im Streitfall kann der
Kläger Rückzahlung der von ihm bewirkten Leistungen analog § 313 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 346 Abs. 1 BGB
verlangen.
43
aa)
Zwar ist die Vereinbarung über die Ablösung des Darlehens kein gegenseitiger Versprechensvertrag,
weil die Parteien ein Verfügungsgeschäft, nämlich die inhaltliche Änderung des Darlehensvertrages
bezüglich der Fälligkeit der Rückzahlungsverpflichtung (Vorverlagerung der Fälligkeit) gegen die
schuldrechtliche Verpflichtung des Darlehensnehmers zur Zahlung eines Entgelts vornehmen. Der zu
Grunde liegende Austauschzweck wird nach Widerruf der Darlehen jedoch verfehlt. Mit der Umwandlung
der Darlehensverträge in Rückgewährschuldverhältnisse kann der vereinbarte Austauschzweck nicht mehr
erreicht werden, weil die Regelung der Vorfälligkeit der Vertragsleistung mit dem ursprünglichen
Darlehensvertrag ihren Bezugspunkt verliert und daher gegenstandslos wird. Darauf reagiert das
Schuldrecht entweder speziell mit dem Recht der Leistungsstörungen (entsprechend § 275 Abs. 1, § 326
Abs. 4, § 346 Abs. 1 BGB) oder allgemein mit den Regeln der Geschäftsgrundlage (analog § 313 Abs. 1 und
3, § 346 Abs. 1 BGB).
44 Aus den primären Leistungsstörungsrecht der §§ 275 Abs. 1, 326 BGB kann das
Rückgewährschuldverhältnis aber nicht hergeleitet werden, weil der Ablösevereinbarung kein
Leistungsaustausch im Sinne einer gegenseitigen Vermögensverschiebung zu Grunde liegt. Eine Leistung im
Rechtssinne durch die Beklagte ist in der bloßen Vorverlagerung des Erfüllungszeitpunktes nicht zu sehen.
45
bb)
Durch die Umwandlung der Darlehensverträge in ein Rückabwicklungsschuldverhältnis ist jedoch die
gemeinsame Geschäftsgrundlage für die „Aufhebungsvereinbarung“ weggefallen. Beide Parteien sind
nämlich bei Abschluss der Vereinbarung - ohne Rücksicht auf ein mögliches Widerrufsrecht -
übereinstimmend vom Fortbestand der Darlehensverträge und einer sich hieraus ergebenden Verpflichtung
des Klägers ausgegangen, an die Beklagte bis zum Ende der Zinsbindungsfrist die vereinbarten Zinsen oder -
im Falle der vorzeitigen Kündigung der Darlehen im Hinblick auf den Verkauf der beliehenen Immobilie - eine
Vorfälligkeitsentschädigung zu zahlen. Dabei spielt es keine Rolle, ob die Parteien an das Widerrufsrecht
entweder überhaupt nicht gedacht haben (so - wie regelmäßig - hier im Streitfall) oder es zumindest nicht
für durchsetzbar gehalten haben.
46 Infolge des späteren Widerrufs haben sich die Umstände, welche die Parteien zur Grundlage ihrer
Vereinbarung gemacht haben, nachträglich schwerwiegend im Sinne von § 313 Abs. 1 Satz 1 BGB geändert.
In Kenntnis der Umwandlung der Darlehensverträge in Rückgewährschuldverhältnisse hätten die Parteien
die Vereinbarung nicht geschlossen. Da eine Anpassung dieser Vereinbarung im Hinblick auf den
vollständigen Wegfall der sich aus den Darlehensverträgen ergebenden Verpflichtung des Klägers zur
Zahlung der monatlich vereinbarten Zinsen nicht möglich ist, stand dem Kläger gemäß § 313 Abs. 3 Satz 1
BGB ein Rücktrittsrecht zu. Dieses hat er mit Anwaltsschreiben vom 17.12.2014 ausgeübt.
47 Der Kläger muss sich an der in der Ablösevereinbarung getroffenen Risikoverteilung nicht festhalten lassen.
Einerseits wurde ein Verzicht auf das Widerrufsrecht gerade nicht vereinbart. Andererseits hat der
Gesetzgeber eine Interessenbewertung zu Gunsten des Verbrauchers vorgenommen, wonach es dem
Darlehensgeber während der Schwebezeit bei laufenden Vertragsbeziehungen jederzeit möglich und
zumutbar ist, durch eine nach Belehrung des Verbrauchers (hier gemäß § 355 Abs. 2 Satz 2 BGB alter
Fassung i.V.m. Art. 229 § 9 Abs. 2 EGBGB) die Widerrufsfrist in Gang zu setzen und auf diese Weise die
Rechtsunsicherheit aufgrund seiner fehlerhaften Widerrufsbelehrung zu beseitigen. Diese Möglichkeit
bestand im Streitfall insbesondere auch noch im dem Zeitpunkt, als der Kläger an die Beklagte mit dem
Wunsch herangetreten ist, die bestehenden Darlehen abzulösen. Die Beklagte hat den Kläger seinerzeit
gleichwohl nicht über seine fortbestehenden Widerrufsrechte informiert. Schon deshalb kann dem Kläger ein
Festhalten an dem unveränderten „Aufhebungsvertrag“ nicht zugemutet werden.
48 Nach alldem ist die Beklagte gemäß § 346 Abs. 1 BGB zur Rückzahlung der an sie gezahlten
Vorfälligkeitsentgelte von insgesamt 5.727,67 EUR verpflichtet (vgl. auch Senatsurteile vom 26.07.2016 -
17 U 160/15 - n.v. und vom 08.11.2016 - 17 U 203/15).
III.
49 Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit
beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 S. 1 und 2, 709 S. 2 ZPO. Gründe für die Zulassung der Revision bestehen
nicht. Das Berufungsurteil orientiert sich an der höchstrichterlichen Rechtsprechung.
50 Gemäß § 63 Abs. 2 GKG war der Streitwert des Berufungsverfahrens festzusetzen.