Urteil des OLG Karlsruhe vom 26.07.2016

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OLG Karlsruhe Beschluß vom 26.7.2016, 11 Wx 61/16 (Wx)
Leitsätze
Die Kostenhaftung nach § 22 Absatz 1 GNotKG setzt nicht voraus, dass der Antrag von einer nach § 9 FamFG
verfahrensfähigen Person gestellt wurde.
Tenor
1. Die Beschwerde des Beschwerdeführers gegen den Beschluss des Amtsgerichts Maulbronn vom 4. April 2016,
Az. 302 AR 28/15, wird zurückgewiesen.
2. Das Verfahren ist gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.
Gründe
I.
1 Für den Beschwerdeführer besteht eine rechtliche Betreuung u.a. für den Aufgabenkreis der
Vermögensfürsorge. Außerdem ist ein Einwilligungsvorbehalt angeordnet, wonach der Antragsteller im
Bereich der Vermögensangelegenheiten für alle Rechtsgeschäfte, die er nicht sofort durch Barzahlung aus
eigenen Mitteln erfüllen kann, der Einwilligung des Betreuers bedarf. Die angeordnete Betreuung hält der
Beschwerdeführer für rechtswidrig und betrachtet sie als unzulässige Einmischung in seine
Angelegenheiten. Der Beschwerdeführer ist Eigentümer der im Grundbuch von K. unter den Nummern …
und … sowie im Grundbuch von D. Nummer … näher bezeichneten Liegenschaften. Ohne Kenntnis seiner
Betreuerin nahm der Beschwerdeführer wiederholt Rechtsgeschäfte vor.
2 Durch am 3. Juni 2014 beim Grundbuchamt Karlsruhe eingegangenen Antrag beantragte Herr Rechtsanwalt
und Notar W. M. aus B. für den Beschwerdeführer unter Vorlage der von ihm errichteten
Grundschuldbestellungsurkunde vom 28. Mai 2015 die Eintragung einer Buchgrundschuld über 1,5 Mio. Euro
zugunsten der W. Bank AG sowie die Eintragung der dinglichen Zwangsvollstreckungsunterwerfung im
Grundbuch von K. Nummer … . Die Eintragung erfolgte am 5. Juni 2014. Hierfür fielen Kosten von 2.555
Euro an. Abzüglich einer bereits geleisteten Zahlung von 627,60 Euro macht die Landesoberkasse Baden-
Württemberg unter dem Kassenzeichen … noch einen Betrag von 1.927,40 Euro geltend.
3 Mit am 25. Juni 2014 beim Grundbuchamt Karlsruhe eingegangenem Antrag beantragte Herr Rechtsanwalt
und Notar W. M. aus B. gemäß § 15 GBO die Löschung von zwei Erwerbsvormerkungen, einem
Gewerbebetriebsrecht und mehrerer Briefgrundschulden in den Grundbüchern von K. Nummer … und … .
Die Löschungen wurden in den betreffenden Grundbüchern vorgenommen. Hierfür fielen Kosten von 916,50
Euro an. Abzüglich einer bereits gezahlten Summe von 557,75 Euro macht die Landesoberkasse Baden-
Württemberg unter dem Kassenzeichen … noch eine Forderung 358,75 Euro geltend.
4 Am 8. September 2014 ging beim Grundbuchamt Karlsruhe der für den Beschwerdeführer gestellte Antrag
von Herrn Rechtsanwalt und Notar W. M. aus B. ein, im Grundbuch von K. Nr. … zwei
Eigentümergrundschulden zu jeweils 750.000 Euro einzutragen. Die Eintragungen wurden vorgenommen
und Grundschuldbriefe erstellt. Hierfür fielen Kosten von 3.481 Euro an. Zuzüglich einer Nebenforderung
von 24,50 Euro macht die Landesoberkasse Baden-Württemberg unter dem Kassenzeichen … einen Betrag
von 3.505,50 Euro geltend.
5 Durch am 19. Dezember 2014 beim Amtsgericht Maulbronn eingegangene Anträge beantragten die
Rechtsanwälte und Notare Dr. L., L., A., Dr. K. & Kollegen die Eintragung mehrerer Grundschulden im
Grundbuch von D. Nummer … über 460.000 Euro, 350.000 Euro, 400.000 Euro und 590.000 Euro. Die
Eintragungen wurden vorgenommen. Hierfür fielen Kosten von 3.465 Euro an. Diese Forderung macht die
Landesoberkasse Baden-Württemberg unter dem Kassenzeichen … geltend.
6 Mit Schreiben vom 26. Juni 2015 machte die Betreuerin geltend, dass die Kostenforderungen mangels
Verfahrensfähigkeit des Betreuten nicht entstanden seien.
7 Das Amtsgericht Maulbronn, das mittlerweile die Grundbuchführung der Grundbücher von K. und D.
übernommen hat, hat die Beanstandung der Betreuerin als Erinnerungen gegen die betreffenden
Kostenansätze ausgelegt und diese durch Beschluss vom 4. April 2016 zurückgewiesen. Zur Begründung hat
es ausgeführt, dass für eine Kostenhaftung nach § 22 Absatz 1 GNotKG eine Verfahrensfähigkeit des
Antragstellers nicht erforderlich sei.
8 Hiergegen hat der Beschwerdeführer vertreten durch seine Betreuerin Beschwerde eingelegt. Dabei
wiederholt und vertieft die Beschwerde ihren Rechtsstandpunkt, dass mangels Verfahrensfähigkeit des
Betreuten keine Kostenhaftung bestehe.
9 Durch Beschluss vom 3. Juni 2016 hat das Amtsgericht Maulbronn der Beschwerde nicht abgeholfen und die
Sache dem Oberlandesgericht zur Entscheidung vorgelegt.
II.
10 Die zulässige Beschwerde hat keinen Erfolg. Zu Recht hat das Amtsgericht in der fehlenden
Verfahrensfähigkeit des Beschwerdeführers keinen Hinderungsgrund für dessen Kostenhaftung nach § 22
Absatz 1 GNotKG gesehen.
11 1. Die Bestimmung des § 22 Absatz 1 GNotKG ist in der Weise auszulegen, dass sie die Kostenhaftung nicht
von der Geschäftsfähigkeit oder der Verfahrensfähigkeit des Antragstellers abhängig macht.
12 a) Nach § 22 Absatz 1 GNotKG schuldet - soweit nichts anderes bestimmt ist - in gerichtlichen Verfahren, die
nur auf Antrag eingeleitet werden, derjenige die Kosten, der das Verfahren des Rechtszugs beantragt hat.
13 b) Der Gesetzeswortlaut beschränkt sich bei der Definition des Kostenschuldners auf den Umstand, dass
dieser „das Verfahren des Rechtszugs beantragt hat“. Zwar wird in der Literatur für ein Eingreifen der
Kostenhaftung teilweise die Verfahrensfähigkeit nach § 9 FamFG vorausgesetzt (Korintenberg/Hellstab,
GNotKG 19. Aufl. § 22 Rn. 3; a.A. Leipziger-GNotKG/Wortmann, § 22 GNotKG Rn. 13 i.V.m § 29 Rn. 7) und
damit im Ergebnis ein wirksamer Antrag verlangt. Dem Wortlaut des § 22 Absatz 1 GNotKG kann jedoch
nicht entnommen werden, dass der zur Kostenhaftung führende Antrag wirksam sein muss.
14 c) Die Entstehungsgeschichte des § 22 GNotKG spricht dafür, dass die Kostenhaftung weder die
Geschäftsfähigkeit noch die Verfahrensfähigkeit des Antragstellers voraussetzt.
15 aa) Vorgängerbestimmung des § 22 Absatz 1 GNotKG war die Regelung des § 2 Nr. 1 KostO
(Bormann/Diehn/Sommerfeldt, GNotKG 2. Aufl. § 22 Rn. 1; HK-GNotKG/Friedrich, § 22 Rn. 3;
Korintenberg/Hellstab, GNotKG 19. Aufl. § 22 Rn. 1). Hiernach ist bei Geschäften, die nur auf Antrag
vorzunehmen sind, jeder, der die Tätigkeit des Gerichts veranlasst hat, zur Zahlung der Kosten verpflichtet.
16 In der Rechtsprechung zu § 2 Nr. 1 KostO war anerkannt, dass die Geschäftsunfähigkeit eines Beteiligten
dessen Kostenpflicht als Antragsteller nicht berührt (OLG München, ZEV 2012, 109; OLG Köln, RNotZ 2001,
56; BayObLGZ 1991, 113; KG, MDR 1977, 764; OLG Frankfurt, KostRsp KostO § 2 Nr. 17; LG Köln, BeckRS
2006, 03828; vgl. auch OLGR Schleswig 2005, 350, a.A. KGR Berlin 2007, 562 zu § 22 GKG). Für die
Kostenhaftung genügte die reine Veranlassung. Hierfür wurde kein rechtsgeschäftlicher oder
geschäftsähnlicher Wille verlangt (OLG Frankfurt, KostRsp KostO § 2 Nr. 17), ausreichend war vielmehr eine
mit natürlichem Willen vorgenommene Handlung (LG Köln, BeckRS 2006, 03828). Diese natürliche
Handlungsfähigkeit für die konkrete Handlung hat nichts mit der in anderen verfahrensrechtlichen
Bestimmungen - z.B. § 36 SGB I oder § 79 AO - geregelten Handlungsfähigkeit im Sinne der Vornahme
wirksamer Verfahrenshandlungen zu tun. Deshalb wurde die Kostenhaftung nach § 2 Nr. 1 KostO auch für
Personen angenommen, die keinen rechtswirksamen Antrag hätten stellen können (vgl. LG Köln, BeckRS
2006, 03828).
17 bb) Nach der Gesetzesbegründung übernimmt § 22 Absatz 1 GNotKG die Regelung des § 2 Nr. 1 KostO (BT
Drs. 17/11471, Seite 160). Damit knüpft das neue Kostenrecht nahtlos an die oben skizzierte Kostenhaftung
des Veranlassers an. Der Begründung kann nicht entnommen werden, dass sich der Gesetzgeber des
GNotKG in irgendeiner Form von der durch die Rechtsprechung ausgestalteten Kostenhaftung des § 2 Nr. 1
KostO distanziert hätte. In Kenntnis der genannten Umstände hat der Gesetzgeber gerade keine Ausnahme
von der Kostenhaftung des Geschäftsunfähigen vorgenommen (vgl. HK-GNotKG/Leiß, § 29 Rn. 10).
18 d) Für eine Kostenhaftung des Antragstellers auch in Anbetracht seiner fehlenden Verfahrensfähigkeit
sprechen zudem Sinn und Zweck der Regelung.
19 aa) Die Berechtigung der Kostenhaftung ergibt sich daraus, dass Grundbuchämter und Gerichte ein
Tätigwerden nicht ablehnen können und daher auch veranlasst durch den Antrag eines Geschäftsunfähigen
Leistungen zu erbringen haben (vgl. OLG Köln, RNotZ 2001, 56; BayObLGZ 1991, 113 zu § 2 Nr. 1 KostO).
In Grundbuchsachen ist die Frage der Geschäftsfähigkeit der Vertragsparteien vom Grundbuchamt zu prüfen
(OLG München, NJW-RR 2015, 1043). Im Hinblick auf den Erfahrungssatz, dass die Geschäftsfähigkeit die
Regel und die Geschäftsunfähigkeit die Ausnahme ist, wird das Grundbuchamt beim Fehlen von
hinreichenden Tatsachen in Bezug auf eine Geschäftsunfähigkeit, das Verfahren wie bei Beantragung durch
einen Geschäftsfähigen führen (vgl. OLG München, NJW-RR 2015, 1043). Das ist vorliegend geschehen.
Ergeben sich auf Tatsachen beruhende, ernsthafte Zweifel an der Geschäftsfähigkeit, so ist ihre Behebung
aufzugeben (OLG München, NJW-RR 2015, 1043). Auch dies erfordert jedoch ein Tätigwerden des
Grundbuchamts.
20 bb) Die Kostentragung von Verfahrenskosten bestimmt sich nicht unter Heranziehung der Grundsätze der §§
104 ff. BGB. Dabei ist für die Kostentragungspflicht der prozessunfähigen Partei im Zivilprozess anerkannt,
dass für die Kostenhaftung nur der Bestand eines Prozessrechtsverhältnisses Voraussetzung ist und es
daher keine Rolle spielt, ob die unterlegene Partei partei- oder prozessfähig ist (BGH, VersR 1993, 1377;
RGZ 53, 65). Auch wenn sich die Kostentragungspflicht gegenüber der Staatskasse nicht aus den §§ 91, 97
ZPO ergibt, gilt diese Überlegung für das öffentlich-rechtliche Kostenschuldverhältnis des § 22 GNotKG in
gleicher Weise (vgl. OLG Köln, RNotZ 2001, 56; BayObLGZ 1991, 113 zu § 2 Nr. 1 KostO).
21 2. Dies führt vorliegend zur Kostenhaftung des Antragstellers.
22 a) Die Bestellung eines Betreuers hat für sich gesehen keinen Einfluss auf die rechtliche Handlungsfähigkeit
des Betreuten; vielmehr ermöglicht es erst das Rechtsinstitut des Einwilligungsvorbehalts, die Teilnahme
eines geschäftsfähigen Betreuten am Rechtsverkehr in der Weise zu beschränken, dass er der Zustimmung
seines Betreuers bedarf (MünchKomm-BGB/Schwab, 6. Aufl. § 1903 Rn. 1). Damit schafft der
Einwilligungsvorbehalt eine ähnliche Lage, wie sie bei beschränkter Geschäftsfähigkeit besteht
(MünchKomm-BGB/Schwab, 6. Aufl. § 1903 Rn. 3). Da im vorliegenden Fall der Einwilligungsvorbehalt auch
den Verfahrensgegenstand der kostenauslösenden Grundbuchverfahren betrifft, bestand in diesen vom
Antragsteller ohne Wissen und Billigung seiner Betreuerin angestrengten Verfahren keine
Verfahrensfähigkeit (vgl. BFH, BtPrax 2012, 121; Bahrenfuss/Bahrenfuss, FamFG 2. Aufl. § 9 Rn. 2;
MünchKomm-FamFG/Pabst, 2. Aufl. § 9 Rn. 4). Allerdings kommt es wie dargestellt für die Kostenhaftung
nicht auf die Verfahrensfähigkeit des Antragstellers an. Für das Fehlen einer zum Ausschluss der
Kostenhaftung führenden natürlichen Handlungsfähigkeit beim Antragsteller gibt es keine Anhaltspunkte.
23 b) Anzeichen dafür, dass das Grundbuchamt die fehlende Verfahrensfähigkeit des Antragstellers kannte oder
hätte kennen müssen, gibt es nicht. Es kann deshalb dahinstehen, ob - wie das Amtsgericht seiner Prüfung
zu Grunde zu legen scheint - es für die Kostenhaftung des Antragstellers hierauf ankommt. Soweit
hinsichtlich der Notarkosten eine Einschränkung dahingehend vorgenommen wird, dass die Kostenhaftung
des Antragstellers nur besteht, wenn der Notar den Geisteszustand des geschäftsunfähigen Auftraggebers
weder kannte noch kennen musste (HK-GNotKG/Leiß, § 29 Rn. 10; Leipziger-GNotKG/Bauer, § 29 Rn. 6 f.),
dürfte diese Beschränkung der Kostenhaftung beim Handeln von Grundbuchämtern und Gerichten nicht
vorzunehmen sein. Die vorgenannte Einschränkung bei Notaren steht in Zusammenhang mit der
Bestimmung des § 11 Absatz 1 Satz 1 BeurkG, wonach die Beurkundung abgelehnt werden soll, wenn
einem Beteiligten nach der Überzeugung des Notars die erforderliche Geschäftsfähigkeit fehlt (vgl. KG, MDR
1977, 764). Eine derartige Bestimmung gibt es hinsichtlich des Tätigwerdens von Grundbuchämtern und
Gerichten nicht. Außerdem wird dem Notar der Auftrag in der Regel persönlich erteilt und nicht wie bei
Grundbuchämtern und Gerichten durch Einreichung eines Schriftsatzes, so dass dem Notar die Beurteilung
der Geschäftsfähigkeit bereits zu einem Zeitpunkt möglich ist, in dem das Auftragsverhältnis erst begründet
werden soll (Leipziger-GNotKG/Bauer, § 29 Rn. 7).
24 c) Ebenso wenig gibt es im vorliegenden Fall Anhaltspunkte für ein Absehen von der Kostenerhebung nach §
21 Absatz 1 Satz 3 GNotKG. Das Handeln des Antragstellers beruht nicht auf Unkenntnis von Inhalt und
Reichweite der für ihn eingerichteten Betreuung, sondern darauf, dass er die angeordnete Betreuung nach
Vortrag der Beschwerde für rechtswidrig hält und diese als Einmischung in seine geschäftlichen
Angelegenheiten betrachtet.
III.
25 Die Kostenentscheidung beruht auf § 81 Absatz 8 GNotKG.