Urteil des OLG Karlsruhe vom 26.07.2004

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OLG Karlsruhe Beschluß vom 26.7.2004, 1 Ws 189/04
Strafrestaussetzung: Anforderungen an die Kriminalprognose bei Sexualdelikten gegenüber Kindern; keine bedingte Entlassung bei
mangelnder Tataufarbeitung infolge eines fortbestehenden Persönlichkeitsdefizits
Leitsätze
1. Bei sexuellen Straftaten zum Nachteil von Kindern bestehen in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht erhöhte Anforderungen an die im Rahmen
des § 57 Abs.1 StGB zu treffende Kriminalprognose.
2. Eine fehlende bzw. unzureichende Auseinandersetzung des Täters mit der Tat, ihren Ursachen und Folgen stellt nicht in jedem Fall einen
negativen prognostischen Umstand dar. Ein solcher ist jedoch anzunehmen, wenn die mangelnde Tataufarbeitung ihre Ursache in einem
fortbestehenden krankheits- oder emotional bedingten Persönlichkeitsdefizit hat und sich hierauf die Besorgnis gründet, ohne eine Überwindung
dieser Störung könne es zu erneuter Straffälligkeit nach Haftentlassung des Strafgefangenen kommen.
Tenor
Die sofortige Beschwerde des Verurteilten gegen den Beschuss des Landgerichts - Strafvollstreckungskammer - Karlsruhe vom 28. April 2004 wird
kostenpflichtig als unbegründet verworfen.
Gründe
I.
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Durch Urteil des Landgerichts H. vom 12.09.2002 wurde der 1956 in Z./Westsibirien geborene Y. wegen schweren sexuellen Missbrauchs von
Kindern in 17 Fällen, des sexuellen Missbrauchs von Kindern in 137 Fällen sowie des sexuellen Missbrauchs von Schutzbefohlenen in 57 Fällen
zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten verurteilt, weil er 1992 beginnend seine 1985 geborene Stieftochter V.
vorwiegend bei heimlichen Gelegenheiten im Badezimmer und nachts im Kinderschlafzimmer der ehegemeinschaftlichen Wohnung sexuell
belästigt hatte, indem er das Mädchen am Geschlechtsteil streichelte und mit dem Finger penetrierte. Mit dem angefochtenen Beschluss hat die
Strafvollstreckungskammer des Landgerichts K. nach Einholung eines die bewährungsweise Aussetzung der Reststrafe befürworteten
Sachverständigengutachtens die bedingte Entlassung des Verurteilten nach Verbüßung von mehr als zwei Dritteln abgelehnt, weil der Verurteilte
sich noch nicht mit der Tat und ihren Folgen auseinander gesetzt habe und sie die Ansicht des Sachverständigen, eine Wiederholung
vergleichbarer sexueller Übergriffe des Verurteilten sei mangels Vorhandenseins von Kindern in seinem künftigen Lebensumfeld nicht zu
erwarten, nicht zu teilen vermochte.
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Auf die hiergegen eingelegte sofortige Beschwerde des Verurteilte hat der Senat die Vornahme einer weiteren Sachaufklärung für notwendig
erachtet und hierzu die Gerichtshilfe der Staatsanwaltschaft H. mit der Abklärung der persönlichen Lebensumständen der derzeitigen
Lebenspartnerin des Verurteilten – Frau U. - sowie des Opfers und dessen Mutter – der geschiedenen Ehefrau des Verurteilten – veranlasst.
Außerdem hat der Senat am 08.07.2004 den Verurteilten, den Sachverständigen Dr. Sp. vom Zentrum für Psychiatrie in O. zu seiner Expertise,
die in der Justizvollzugsanstalt Z. für den Strafgefangenen zuständige Diplompsychologien Frau W. zum Vollzugsablauf und den dortigen
Bestrebungen zur Behandlungen des Verurteilten sowie die Gerichtshelfer zu ihrem Bericht persönlich angehört.
II.
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Die sofortige Beschwerde des Verurteilten ist zulässig, hat jedoch keinen Erfolg, da dem Verurteilten - noch - keine hinreichend günstige
Prognose gestellt werden kann.
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1. Die Bejahung einer günstigen Täterprognose nach der Verantwortungsklausel des § 57 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 StGB fordert die überwiegende
Wahrscheinlichkeit des Erfolges der Aussetzung der Vollstreckung, wobei - wie der Gesetzgeber mit dem Gesetz zur Bekämpfung von
Sexualstraftaten und anderen gefährlichen Straftaten vom 26.01.1998 (BGBl. I, 160) klargestellt hat – die Kriterien des Sicherheitsinteresses der
Allgemeinheit und des Gewichts des bei einem Rückfall bedrohten Rechtsgutes dem Wahrscheinlichkeitsurteil Grenzen setzen. In diesem Sinne
bedingt das mit der Aussetzung verbundene Erprobungswagnis gleichwohl keine Gewissheit künftiger Straffreiheit, es genügt, wenn eindeutig
festzustellende positive Umstände die Erwartung i.S. einer wirklichen Chance rechtfertigen, dass der Verurteilte im Falle seiner Freilassung nicht
mehr straffällig und die Bewährungszeit durchstehen wird. Dies entspricht ebenso der ständigen Rechtsprechung des Senates wie die
Einschränkung, dass nicht aufklärbare Unsicherheiten und Zweifel zu Lasten des Verurteilten gehen (vgl. ausführlich OLG Karlsruhe StV 2002,
322 f.). Die Anforderungen an die Erfolgsaussichten, welche an die Prognose zu stellen sind, werden dabei desto strenger, je höher das Gewicht
des bedrohten Rechtsgutes ist. Dies gilt insbesondere bei Verbrechen gegen das Leben und bei anderen Gewaltdelikten (OLG Karlsruhe a.a.O.
m.z.w.N.). Aber auch sexuelle Straftaten zum Nachteil von Kindern stellen in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht erhöhte Anforderungen an die
zu treffende Prognose, weshalb eine Aussetzung der Reststrafe dann nicht in Betracht kommt, wenn sich trotz einer Vielzahl günstiger Faktoren
noch nicht durch eine therapeutische Behandlung behobene bzw. herabgeminderte und Rückschlüsse auf eine Tatwiederholung rechtfertigende
Charaktermängel zeigen.
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So liegt der Fall hier.
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2. Vorliegend spricht zugunsten des Verurteilten, dass er bislang nicht strafrechtlich in Erscheinung getreten ist und der erstmalige Vollzug von
Haft ihn ersichtlich in erheblichem Maße beeindruckt hat. Auch hat er sich im Strafvollzug beanstandungsfrei geführt und familiäre Kontakte zu
seinen Eltern und seinem Bruder aufrechterhalten. Auch im Übrigen wäre seine Entlasssituation günstig. Zwar hätte er eine Arbeitsstelle noch
nicht unmittelbar in Aussicht, bis auf kurze Zeiten der Arbeitslosigkeit war er jedoch überwiegend in Arbeit und hat selbst für den Lebensunterhalt
seiner Familie gesorgt. Auch könnte er bei seiner neuen Lebenspartnerin - Frau U. - in H. Wohnsitz nehmen, was ihm einen neuen Anfang
erleichtern würde.
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3. Diese Gesichtspunkte können indes den aus dem bisherigen Verhalten des Verurteilten sich ergebenden erheblichen, hier eindeutig im
Vordergrund stehenden Bedenken hinsichtlich seiner künftigen Lebensführung nicht ausreichend entgegenwirken. Gerade bei Verurteilungen
wegen Gewalttaten und Delikten gegen die sexuelle Selbstbestimmung kommt - wie ausgeführt - eine Bewährungsaussetzung nur in Betracht,
wenn dies unter Berücksichtigung der Sicherheitsinteressen der Allgemeinheit verantwortet werden kann. Die kritische Probe in Freiheit kann nur
gewagt werden, wenn tatsächliche Anhaltspunkte es wahrscheinlich machen, dass der Verurteilte sie besteht (vgl. Senat, Beschluss vom
14.05.2002, 1 Ws 123/02).
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An einer solchen überwiegend günstigen Beurteilung mangelt es aber vorliegend, weil sich der Verurteilte bislang noch nicht hinreichend mit
seiner Tat, deren Ursachen und Folgen auseinander gesetzt hat.
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a. Inwieweit eine unzureichende Tataufarbeitung einen kriminalprognostisch negativen Umstand darstellt, lässt sich nicht für alle
Fallgestaltungen einheitlich beantworten, denn die Ursachen hierfür können mannigfaltig sein (OLG Karlsruhe a.a.O.; ausführlich hierzu: Kröber
R&P 1993, 140 ff.; Müller-Dietz StV 1990, 29 ff.). Manche Täter finden ihre Tat derart beschämend, dass sie allein deshalb nicht darüber reden
wollen (Kröber, a.a.O., 142). Auch kann insbesondere bei Affekttaten (OLG Karlsruhe a.a.O) und bei fortbestehender Tatleugnung (OLG
Saarbrücken NJW 1999, 438 ff.; OLG Frankfurt NStZ-RR 2000, 251 ff.; KG Beschluss vom 28.11.2000, 5 Ws 749/00) eine fehlende
Schuldeinsicht- und Schuldverarbeitung als Indiz für eine Tatwiederholung ungeeignet sein. Anders ist dies aber zu beurteilen, wenn die
mangelnde Tataufarbeitung ihre Ursache in einem fortbestehenden krankheits- oder emotional bedingten Persönlichkeitsdefizit hat und sich
hierauf die Besorgnis gründet, ohne eine Überwindung dieser Störung könne es zu erneuter Straffälligkeit nach Haftentlassung kommen. In
solchen Fällen ist - ungeachtet einer erfolgten therapeutischen Aufarbeitung - grundsätzlich eine aktive Auseinandersetzung des Verurteilten mit
der Tat erforderlich, wobei sich dieser u.a. damit beschäftigen muss, welche Charakterschwächen zu seinem Versagen geführt haben. Auch
muss er Tatsachen schaffen, die für eine Behebung dieser Defizite sprechen und die es wahrscheinlich machen, dass er künftigen Tatanreizen
zu widerstehen vermag (vgl. KG Beschlüsse vom 06.08.2001, 5 Ws 741/00, und 02.08.2000, 5 Ws 437/00; OLG Oldenburg Beschluss vom
30.09.1998, 1 Ws 421/98).
10 b. Einen gewichtigen Hinweis auf eine kriminalprognostisch relevante Versagungshaltung stellt insbesondere die emotionale Haltung des Täters
zur Tat dar. Ist er von dieser noch immer betroffen und erschüttert oder steht er dieser ruhig und distanziert gegenüber? Sucht er die Ursache
seiner Straffälligkeit bei sich selber oder bagatellisiert er die Tat und weist die Schuld daran dem Opfer zu? Als prognostisch ungünstig sind
dabei vor allem die Fälle anzusehen, in denn eine aggressive Handlungsbereitschaft durch eine gute Vollzugsanpassung verdeckt wird oder in
denen der Gefangene - ohne dass über Jahre eine Veränderung festzustellen ist - in seiner egozentrischen Sichtweise befangen bleibt (Kröber,
a.a.O., 143).
11 c. der Strafgefangene Y. hat - auch wenn keine krankheits- oder psychische bedingten Störungen bei ihm vorliegen - bislang noch keine
zureichenden Anstrengungen zur Überwindung der bei ihm und auch in der Anhörung zu Tage getretenen Persönlichkeitsdefizite unternommen.
Zwar stellt er die sexuellen Übergriffe gegenüber seiner Stieftochter - in der Hauptverhandlung hat er auf Anraten seines Verteidiger ein
pauschales Geständnis abgelegt - weiterhin nicht in Abrede, er beschönigt und bagatellisiert sein Verhalten jedoch noch immer. Das Angebot
der Vollzugsanstalt Z. auf Teilnahme an gruppentherapeutischen Gesprächen hat er abgelehnt, weil er in seinen regelmäßigen Gebeten
ausreichend Kraft finde, damit sich solche Übergriffe auf Kinder nicht wiederholen. Auch wenn der Senat nicht abschließend beurteilten kann, ob
diese Einlassung der Wahrheit entspricht oder nur zur Vermittlung eines guten Eindrucks - nach den Erkundigungen der Gerichtshelfer wird der
Verurteilte von seiner Familie und seiner neuen Lebenspartnerin nicht als besonders religiös eingeschätzt - gegenüber dem Gericht vorgebracht
wurde, ist festzustellen, dass eine solche „innere Befassung“ noch nicht zu einem wirklichen Einstellungswandel des Verurteilten geführt hat. In
die Situation seines Opfers kann er sich weiterhin nicht hineinversetzen, vielmehr hat er bei seiner Anhörung angegeben, „seine Stieftochter V.
tue ihm schon leid, er habe aber nie erfahren, dass das Mädchen deshalb Schaden genommen habe“. Auch sucht er eine „Mitschuld bei Dritten“,
indem er seiner früheren Frau vorwirft, diese habe nicht zureichend auf ihn aufgepasst. Schließlich lässt er seine neue Lebenspartnerin - Frau U.
- weiterhin im Glauben an seine Unschuld.
12 4. Diese Umstände sprechen dafür, dass dem Verurteilten bislang noch keine ausreichende Tataufarbeitung gelungen ist.
13 Eine solche ist nach Auffassung des Senats vorliegend aber zur Verhinderung künftiger Straftaten z.N. von Kindern dringend geboten (vgl.
BVerfG NStZ 2000, 502 ff.).
14 Dabei kann der Senat die von der Strafvollstreckungskammer aufgeworfene und im Ergebnis bejahte Frage, ob hierfür bereits die abstrakte
Möglichkeit genügt, der Verurteilte könne nach seiner Haftentlassung im Laufe der Zeit wieder in Kontakt zu Kindern kommen, genügt oder es
hierfür bereits einer konkreten Gefahr bedarf, offen lassen, denn nach den vom Senat durchgeführten Nachermittlungen stellt sich diese
Problematik nicht.
15 Zwar ist seine 1985 geborene Stieftochter V. zwischenzeitlich volljährig und scheidet damit als taugliches Opfer - Anhaltspunkte für die Gefahr
von Gewaltdelikten i.S.d. § 177 ff. StGB bestehen nicht - eines sexuellen Übergriffs nach § 176 StGB aus. Auch die Kinder der neuen
Lebensgefährtin des Verurteilten, mit welcher dieser im Falle seiner Haftentlassung zusammenziehen will, sind erwachsen. Jedoch hat der Sohn
von Frau U. eigene Kinder - eine dreijährigen Sohn und ein einjähriges Mädchen -, die regelmäßig die Oma besuchen und dort auch
übernachten. Bereits in absehbarer Zeit wird der Verurteilte damit in seiner neuen Lebensumgebung erneut einer Versuchung ausgesetzt sein,
der er über Jahre hinweg bei seiner Stieftochter V. nicht widerstehen konnte.
16 Bei dieser Sachlage hat auch der vom Senat angehörte Sachverständige Dr. Sp. in Abweichung von seiner schriftlich Expertise und in Anbetracht
der von ihm in seinem Gutachten aufgezeigten hohen Rückfallraten von 25 bis zu 50% bei Sexualdelikten (vgl. hierzu auch: Pfäfflin R&P 1995,
106 ff.; Nedopil, Forensische Psychiatrie, 2. Aufl., S. 239 ff.; ders. BewHi 2001, 341 ff. Venzlaff/Foerster, Psychiatrische Begutachtung, 4. Aufl., S.
439 ff., 447) es als überwiegend wahrscheinlich angesehen, dass der Verurteilte ohne Durchführung einer Therapie erneut in einschlägiger
Weise straffällig werden wird. Es besteht daher nicht nur ein vernachlässigbares Restrisiko der Begehung neuer Straftaten, sondern eine solche
Gefahr ist realistisch gegeben.
17 Eine bedingte Entlassung des Verurteilten ist daher derzeit nicht möglich.
18 5. Im Hinblick auf eine solche zu einem späteren Zeitpunkt durchaus in Betracht kommende Möglichkeit oder jedenfalls auf den im Juli 2005
anstehenden Endstrafentermin ist jedoch zu berücksichtigen, dass die Chance eines wirksamen Schutzes der Allgemeinheit vor einer erneuten
Rückfälligkeit des Verurteilten nur dann besteht, wenn der Verurteilte sich einer Behandlung seiner Defizite unterzieht. Eine Entlassung aus der
Strafhaft ohne vorherige ausreichende Auseinandersetzung mit den Ursachen der Straftaten würde demgegenüber der Intension des
Gesetzgebers zuwiderlaufen, bei Tätern aus dem Bereich der Sexualdelinquenz die Chance künftigen straffreien Verhaltens durch geeignete
Therapiemaßnahmen zu verbessern (siehe Bundesrats-Drucks. 163/97; vgl. auch Senat, Beschluss vom 02.05.2002, 1 Ws 139/02).
19 Zwar hat der Verurteilte die Durchführung einer Gruppentherapie in der neuen Behandlungsabteilung der Justizvollzugsanstalt Z. abgelehnt,
jedoch auch bei seiner Anhörung durch den Senat - wenn auch in sehr zurückhaltender Weise - sich zu einer einzeltherapeutischen Maßnahme
bereit erklärt. Eine solche konkrete Möglichkeit ist ihm auch anstaltsintern in Aussicht gestellt worden, so dass ein Fall, in welchem einem
Strafgefangenen nach Ablehnung der Durchführung einer Gruppentherapie keine alternative Behandlungsmöglichkeiten mehr angeboten
werden (vgl. hierzu Senat ZfStrVo 2004, 118 f), nicht vorliegt. Vielmehr besteht für den Verurteilten die Möglichkeit von zunächst 14-tägigen
einzeltherapeutischen Sitzungen mit der im Anhörungstermin anwesenden Diplompsychologin W. und sodann ab Oktober 2004 - einhergehend
mit seiner Verlegung in die offene Abteilung des Justizvollzugsanstalt Z. - der Durchführung einer ambulanten Therapie bei der
Psychotherapeutischen Abteilung von Dr. Wi. beim Bewährungshilfeverein S. e.V. in S. Erforderlich hierfür ist aber die - bislang noch fehlende -
Bereitschaft des Verurteilten, sich wirklich und ernsthaft einer solchen und für ihn auch unangenehmen Behandlung und Befassung mit sich
selbst zu unterziehen.
20 Ein solcher ernsthafter und durch einen Sachkundigen - wie etwa Dr. Wi. - auch zeitnah feststellbarer Entschluss könnte nach den Bewertungen
des Sachverständigen Dr. Sp. und der Diplompsychologin W. wegen den Besonderheiten des vorliegenden Falles ausnahmsweise auch vor
vollständiger Absolvierung der Behandlung zu einer vorzeitigen Entlassung des Verurteilten führen, wenn dieser überhaupt behandlungsfähig
ist, die Therapie danach fortgesetzt würde und die Lebensgefährtin des Verurteilten hierin eingebunden wird, da zum jetzigen Zeitpunkt die
Gefahr eines sexuellen Übergriffs auf die altersmäßig sehr kleinen Enkelkinder von Frau U. (noch) als gering einzuschätzen wäre. Im Falle der
Durchführung einer derartigen Behandlung könnte dem Verurteilten im Falle einer Bewährungsaussetzung die Fortführung der bereits
begonnenen Therapie auferlegt und diese durch begleitende Maßnahmen, wie etwa dem Druckmittel der Widerrufsmöglichkeit eines zur
Bewährung ausgesetzten Strafrestes bei Abbruch der Behandlung oder durch Beiordnung eines Bewährungshelfers, abgesichert werden.
21 Ergänzend ist zu bemerken, dass eine solche Behandlung bereits jetzt durch die Gewährung von nach § 11 StVollzG vertretbaren Lockerungen
begleitet werden kann. Dabei weist der Senat darauf hin, dass bei der im Rahmen des § 11 Abs. 2 StVollzG zu treffenden Entscheidung lediglich
zu prüfen ist, ob sich aufgrund konkreter Umstände die Befürchtung ergibt, der Verurteilte werde die Gewährung von Vollzugslockerungen
missbrauchen. Maßgeblicher Ansatzpunkt ist dabei anders als bei der Prognose nach §§ 57, 57 a StGB nicht die Frage, ob überhaupt in der
Person des Verurteilten die erneute Gefahr der Begehung von Straftaten droht, vielmehr kommt es im Rahmen des § 11 Abs. 2 StVollzG
entscheidend darauf an, ob zu befürchten ist, der Verurteilte werde gerade die Gewährung von konkreten Lockerungen zu Straftaten oder zur
Flucht missbrauchen (OLG Karlsruhe StV 2002, 34 f.). Eine solche Gefahr liegt beim Verurteilten aber fern, da es sich bei den von ihm
begangenen sexuellen Übergriffen an seiner Stieftochter um sog. Beziehungstaten handelte.
III.
22 Die Kostenentscheidung folgt aus § 473 Abs. 1 StPO.