Urteil des OLG Karlsruhe vom 21.09.2006

OLG Karlsruhe (kläger, lebensversicherung, befreiung von der versicherungspflicht, höhe, eintritt des versicherungsfalls, rente, verhältnis zu, allgemeine versicherungsbedingungen, anrechnung, betrag)

OLG Karlsruhe Urteil vom 21.9.2006, 12 U 431/04
Zusatzversorgung im öffentlichen Dienst: Inhaltskontrolle der Regelung zur Anrechnung fiktiv errechneter
Lebensversicherungsbezüge
Leitsätze
Die Regelung der VBL zur Anrechnung fiktiv errechneter Lebensversicherungsbezüge auf die Gesamtversorgung
gemäß §§ 40 Abs. 2 d und 97a VBLS a.F. hält einer Inhaltskontrolle stand.
Tenor
1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Karlsruhe vom 05. November 2004 - 6 O 24/04 -
wird zurückgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Zwangsvollstreckung kann durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110
% des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abgewendet werden, wenn nicht die Gegenseite vor der
Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
1
Die Parteien streiten im wesentlichen darum, in welcher Höhe die beklagte Zusatzversorgungsanstalt bei
Bemessung der Betriebsrente des Klägers von seiner Gesamtversorgung (fiktive) Bezüge aus einer
befreienden Lebensversicherung in Abzug bringen darf. Der 1938 geborene Kläger war als Diplom-Ingenieur in
führender Funktion in der Luft- und Raumfahrtforschung beschäftigt. Im Jahr 1970 wurde er antragsgemäß von
der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung befreit. Seither war der Kläger bis zum
Renteneintritt ab 01.04.2003 bei der Beklagten pflichtversichert. Zu der von ihm außerdem genommenen
befreienden Lebensversicherung zahlte sein Arbeitgeber monatliche Zuschüsse in Höhe des Arbeitgeberanteils,
der bei fortbestehender Versicherungspflicht zur BfA zu entrichten gewesen wäre.
2
Mit Ablauf des 31.12.2001 hat die Beklagte ihr Zusatzversorgungssystem umgestellt von einer an der
Beamtenversorgung orientierten Gesamtversorgung auf ein auf die Verzinsung von Beiträgen ausgerichtetes
Punktemodell. Danach errechnet sich die bei Eintritt des Versicherungsfalls zu leistende Betriebsrente aus der
Summe der erworbenen Versorgungspunkte.
3
Der Systemwechsel beruht auf einer Einigung der Tarifvertragsparteien des öffentlichen Dienstes im
Tarifvertrag Altersversorgung vom 01.03.2002 (ATV). Die Tarifregelungen hat die VBL durch eine Neufassung
ihrer Satzung (VBLS) rückwirkend zum 01.01.2002 umgesetzt. Die neue Satzung enthält auch
Übergangsregelungen für die bereits Rentenberechtigten (§§ 75 - 77 VBLS n.F.) sowie Regelungen zu den
Rentenanwartschaften der über den Umstellungsstichtag hinaus bei ihr pflichtversicherten Arbeitnehmer
(Rentenanwärter - §§ 78 ff VBLS n.F.). Die Anwartschaften werden wertmäßig festgestellt und als so genannte
Startgutschriften auf die neuen Versorgungskonten übertragen. Dabei wird unterschieden zwischen
rentennahen Jahrgängen (die am 01.01.2002 das 55. Lebensjahr vollendet haben und nicht dem Tarifgebiet Ost
unterliegen) und den übrigen, so genannten rentenfernen Jahrgängen. Die Anwartschaften der rentennahen
Versicherten werden weitgehend nach dem alten Satzungsrecht ermittelt und übertragen.
4
Der Kläger gehört zu den rentennahen Jahrgängen. Gemäß Mitteilung vom 06.08.2003 erhält er seit 04.2003
von der Beklagten eine monatliche Betriebsrente in Höhe von 754,76 EUR sowie aufgrund einer Anpassung
zum 01.07.2003 in Höhe von 762,31 EUR. Im Rahmen der angegriffenen Rentenmitteilung hat die Beklagte die
Rentenanwartschaft des Klägers zum 31.12.2001 auf 731,36 EUR errechnet und ist dementsprechend von
einer Startgutschrift von 182,84 Punkten ausgegangen. Von der Gesamtversorgung wurden neben der
gesetzlichen Rente fiktive Leistungen wegen der befreienden Lebensversicherung gemäß § 40 Abs. 2d VBLS
a.F. in Abzug gebracht. Der verbleibende Betrag nach § 40 Abs. 1 VBLS a.F. war geringer als die
Mindestversorgungsrente in Höhe der Versicherungsrente nach § 40 Abs. 4 VBLS a.F..
5
Der Kläger hat im ersten Rechtszug beantragt:
6
1. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger ab dem 01.04.2003 eine Rente für
Versicherte zu gewähren, bei der im Rahmen der Startgutschriftberechnung die von der Gesamtversorgung
abzuziehenden Bezüge nach § 79 VBLS i.V.m. § 40 Abs. 2d a.F. mit einem Betrag anzusetzen sind, der einer
Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung mit gleichen Einzahlungen entspricht.
7
Hilfsweise:
8
2. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger ab dem 01.04.2003 eine Rente für
Versicherte zu gewähren, bei der im Rahmen der Startgutschriftberechnung die von der Gesamtversorgung
abzuziehenden Bezüge aus der befreienden Lebensversicherung aus dem Doppelten der Summe der Beiträge
des Arbeitgebers ermittelt und mit dem Faktor 0,75 v.H. oder hilfsweise einem vom Gericht als angemessen
festzusetzenden Faktor multipliziert werden.
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3. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger ab dem 01.04.2003 eine Rente für
Versicherte zu gewähren, bei der bei der Berechnung der Startgutschrift eine gv-Zeit von 451,5 Monaten
zugrunde gelegt und ein Nettoversorgungssatz von 91,75 v.H. festgestellt wird.
10 Das Landgericht, auf dessen Urteil wegen der weiteren tatsächlichen Feststellungen verwiesen wird, hat die
Klage abgewiesen.
11 Die Beklagte hat dem Kläger mit Schreiben vom 17.12.2004 eine neue Rentenberechnung übermittelt, der bei
der Berechnung der Startgutschrift zum 31.12.2001 - wie mit dem Hilfsantrag des Klägers Ziffer 3 begehrt -
eine gesamtversorgungsfähige Zeit von 451,5 Monaten und ein Nettoversorgungssatz von 91,75 v.H. zugrunde
gelegt wurde. Daraus ergab sich eine Gesamtversorgung von 3.238.05 EUR. Hiervon wurden dem Kläger
gemäß § 40 Abs. 2 VBLS a.F. i.V.m. § 79 Abs. 2 VBLS n.F. neben Bezügen aus der gesetzlichen
Rentenversicherung in Höhe von 191,16 EUR fiktive Bezüge aus der Lebensversicherung in Höhe von 2.473,07
EUR abgezogen. Diese errechneten sich aus dem in der Satzung (§ 40 Abs. 2d VBLS a.F.) geregelten
pauschalen Satz von 1,25 % der doppelten Summe der zur Lebensversicherung geleisteten
Arbeitgeberzuschüsse. Da der sich gemäß § 40 Abs. 1 VBLS a.F. ergebende Versorgungsrentenbetrag mit
573,82 EUR niedriger war als die Mindestversorgungsrente nach § 40 Abs. 4 VBLS a.F. mit 731,36 EUR,
wurde - wie bereits in der Mitteilung vom 06.08.2003 - dieser Wert als Startgutschrift der Berechnung der
Betriebsrente zugrunde gelegt.
12 Mit der Berufung verfolgt der Kläger - nunmehr bezogen auf die aktuelle Rentenberechnung vom 17.12.2004 -
zuletzt noch seine erstinstanzlichen Anträge zu 1. und 2. weiter; den Hilfsantrag zu 3. hat er in der mündlichen
Verhandlung zurückgenommen. Er ist der Ansicht, der in § 40 Abs. 2d VBLS a.F. vorgesehene
Multiplikationsfaktor von 1,25 % zur Ermittlung der fiktiven Bezüge aus der Lebensversicherung benachteilige
den Kläger gleichheitswidrig, treuwidrig, unverhältnismäßig und willkürlich, wobei zugleich die bei der Beklagten
eingezahlten Beiträge und Umlagen unter Verstoß gegen Art. 14 Abs. 1 GG entwertet würden. Die Beklagte
bereichere sich an den Erträgen aus der Lebensversicherung. Durch die überhöhte Anrechnung erspare sie
eigene Leistungen. Bei Übertragung des Fortsetzungswertes gemäß § 97a VBLS a.F. vereinnahme sie die
Gewinne aus den vom Kläger eingegangenen Risiken ohne Rechtsgrund und beraube ihn der hierdurch
erlangten wirtschaftlichen Vorteile. Rechentechnisch stelle die Beklagte den Kläger mit seinen 32 Jahren
Beitragszahlungen so, als habe er 53 Jahre lang in die gesetzliche Rentenversicherung mit Höchstbeträgen an
der Beitragsbemessungsgrenze eingezahlt. Die gesetzliche Rente hätte bei gleicher Beitragsdauer lediglich
1.416,71 EUR betragen. Eine Rendite von 1,25 % der Beiträge sei jedenfalls wegen der zwischenzeitlich
eingetretenen Verlängerung der durchschnittlichen Lebenszeit eines 65jährigen Mannes (von 11,93 Jahren im
Jahr 1967 auf 16,07 Jahre im Jahr 2003) nicht mehr zu erzielen gewesen. Der Verrentungswert der - in einer
Kapitalsumme von 410.884,16 EUR ausbezahlten - befreienden Lebensversicherung liege bei monatlich
1.790,19 EUR. Dieser Betrag sei gegenüber dem gemäß § 40 Abs. 2d VBLS a.F. fiktiv angerechneten Betrag
von 2.473,07 EUR um 682,88 EUR weniger und entspreche, bezogen auf die Einzahlungen in Höhe von
insgesamt 197.845,52 EUR, einem Faktor von nur 0,90 %. Entgegen der Auffassung des Landgerichts lasse
die Beklagte den Faktor von 1,25 % auch nicht gemäß § 40 Abs. 3 VBLS a.F. bei der freiwilligen
Weiterversicherung gegen sich gelten; vielmehr sei die Möglichkeit einer freiwilligen Weiterversicherung schon
seit Ende des Jahres 1978 abgeschafft worden. Spätestens damit habe die Beklagte gewusst, dass er Faktor
von 1,25 % zu einer überhöhten Anrechnung im Verhältnis zu den realen Leistungen führe. Auch der
Arbeitgeber des Klägers sei über die Problematik nicht informiert gewesen., Die Regelungen in § 40 Abs. 2d
und § 97a VBLS a.F. verstießen gegen das Bestimmtheitsgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB. Auch seien sie
tarifvertraglich nicht verankert. Damit werde gegen das grundgesetzliche Demokratieprinzip verstoßen.
13 Die Beklagte beantragt unter Verteidigung des angefochtenen Urteils,
14 die Berufung zurückzuweisen.
15 Wegen der weiteren Einzelheiten des beiderseitigen Vorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst
Anlagen Bezug genommen.
II.
16 Die Berufung des Klägers ist unbegründet. Das Landgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die
Berechnung der Versorgungsrente unter Abzug von 1,25 % der doppelten Summe der Arbeitgeberzuschüsse
zu der von dem Kläger genommenen befreienden Lebensversicherung gemäß §§ 79 Abs. 2, 78 VBLS n.F.
i.V.m. § 40 Abs. 2d VBLS a.F. ist nicht zu beanstanden. Die Beklagte ist daher nicht verpflichtet, dem Kläger
bei Abzug eines geringeren Betrages für die Bezüge aus der befreienden Lebensversicherung eine höhere
Betriebsrente zu zahlen.
17 1. Gemäß § 40 Abs. 1 VBLS a.F: wird als monatliche Versorgungsrente der Betrag gewährt, um den die
Summe der in Absatz 2 genannten Bezüge hinter der nach §§ 41 bis 43 b VBLS a.F. errechneten
Gesamtversorgung zurückbleibt. Hat ein Arbeitgeber Zuschüsse zu einer Lebensversicherung des
Versorgungsrentenberechtigten bis zum Versicherungsfall bezahlt, so sind gemäß § 40 Abs. 2d VBLS a.F.
1,25 % monatlich der doppelten Summe dieser Beträge, maximal jedoch 1,25 % der insgesamt mit
Arbeitgeberbeteiligung geleisteten Beiträge, als „Bezüge“ anzurechnen.
18 2. Bei den Bestimmungen der VBLS handelt es sich nach ständiger Rechtsprechung um Allgemeine
Versicherungsbedingungen, die der AGB-rechtlichen Inhaltskontrolle unterliegen (BGHZ 142, 103, 105 ff). § 40
Abs. 1 i.V.m. Abs. 2d sowie § 97a VBLS a.F. sind - im Rahmen der Verweisung in §§ 79 Abs. 2, 78 VBLS n.F.
- auch nach Inkrafttreten des mit Wirkung ab 01.01.2002 geänderten BGB kontrollfähig. Zwar nimmt § 310 Abs.
4 Satz 3 BGB durch die Gleichstellung von Tarifverträgen mit Rechtsvorschriften im Sinne von § 307 Abs. 3
BGB solche Allgemeinen Geschäftsbedingungen von der Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 und 2 sowie §§
308, 309 BGB aus, die mit einer tarifvertraglichen Regelung übereinstimmen. Die den Satzungsregelungen der
Beklagten zugrunde liegenden Tarifvereinbarungen enthalten jedoch keine entsprechende Regelung der Höhe
der aus einer befreienden Lebensversicherung anzurechnenden Leistungen (vgl. §§ 8 Abs. 3 und 14 des
Versorgungstarifvertrages vom 04.11.1966). Diese hat der Satzungsgeber der Beklagten selbst ausgestaltet.
Damit beruht die Regelung auch nicht auf einer Grundentscheidung der beteiligten Tarifpartner, welche nach der
Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs einer allenfalls eingeschränkten Inhaltskontrolle unterliegt (vgl. BGHZ
103, 370, 384 f; BGH VersR 2004, 319 unter II 1 b aa).
19 Die genannten Satzungsvorschriften gehören nicht zu dem nach den §§ 8 AGBG, 307 Abs. 3 Satz 1 BGB einer
Inhaltskontrolle nicht unterliegenden Bereich der Leistungsbeschreibungen, ohne die mangels Bestimmtheit
oder Bestimmbarkeit ein wirksamer Vertrag nicht mehr angenommen werden kann. Vielmehr sind die Klauseln
kontrollfähig, da sie zu den Bestimmungen gehören, die das Hauptleistungsversprechen der Beklagten
einschränken, verändern, ausgestalten oder modifizieren (vgl. BGHZ 123, 83, 84; BGH VersR 2004, 319 aaO).
20 3. Entgegen der Auffassung des Klägers sind die §§ 40 Abs. 2d und 97a VBLS a.F. - im Rahmen der
Verweisung in §§ 79 Abs. 2, 78 VBLS n.F. - für sein Versicherungsverhältnis wirksam. Es bedurfte keiner
entsprechenden Regelung im Tarifvertrag. Versicherte in der Situation des Klägers werden durch die
Bestimmungen nicht unangemessen benachteiligt (§ 307 Abs. 1 BGB). Sie sind weder willkürlich noch
gleichheitswidrig. Ebenso wenig handelt es sich bei § 40 Abs. 2d VBLS a.F. um eine überraschende oder
mehrdeutige Klausel (§ 305c Abs. 1 und 2 BGB).
21 a) Entgegen der Auffassung des Klägers konnte die Beklagte die Regelung ohne Verstoß gegen das in Art 20
Abs 2 des Grundgesetzes verankerte Demokratieprinzip in Kraft setzen. Einer entsprechenden Regelung im
Tarifvertrag bedurfte es nicht. Zweck der Beklagten ist die Gewährung einer zusätzlichen Alters-,
Erwerbsminderungs- und Hinterbliebenenversorgung im Wege privatrechtlicher Versicherung (vgl. § 2 VBLS
a.F. und n.F.). Die Ausgestaltung ihres Leistungsversprechens ist rein privatrechtlicher Natur und keine vom
Gesetzgeber delegierte Aufgabe. Folglich sind die erhöhten Anforderungen, die das Bundesverfassungsgericht
in dem von dem Kläger zitierten Beschluss vom 13.07.2004 (BVerfGE 111, 191) hinsichtlich der Delegierung
berufsrechtlicher Aufgaben an öffentlich-rechtliche Körperschaften und Anstalten als Organe der
Selbstverwaltung gestellt hat, auf die angegriffenen Versicherungsbedingungen nicht anwendbar. Ebenso wenig
bedurfte es als Rechtsgrundlage (zwingend) einer entsprechenden Regelung im Tarifvertrag. Im Übrigen haben
die Tarifpartner in §§ 33 Abs. 2, 32 Abs. 1 des Tarifvertrags Altersversorgung vom 01.03.2002 (ATV)
ausdrücklich festgehalten, dass die Startgutschriften der rentennahen Versicherten nach dem am 31.12.2000
geltenden Recht der Zusatzversorgung ermittelt werden. Dies schließt im Falle des Klägers die Anwendung von
§ 40 Abs. 2d VBLS a.F. ein.
22 b) Die Beklagte musste die Anrechnung von Leistungen aus einer befreienden Lebensversicherung nicht auf
den Betrag einer mit gleichen Beiträgen erzielbaren fiktiven Sozialversicherungsrente beschränken. Zwar trifft
es zu, dass die befreiende Lebensversicherung an die Stelle der Grundversorgung aus der gesetzlichen
Rentenversicherung getreten ist. Dies bedeutet jedoch nicht, dass daraus auch gleich hohe Leistungen für die
Versicherten zu erwarten sind. Das ist vielmehr gerade nicht der Fall. Arbeitnehmern in der Situation des
Klägers stand schon weitgehend frei, welches der verschiedenen Angebote der verschiedenen
Versicherungsgesellschaften sie wählten. Auch die Ausgestaltung der in Betracht kommenden Verträge war
nach Voraussetzungen und Leistung unterschiedlich. So konnten Lebensversicherungsverträge mit oder ohne
Absicherung des – in der gesetzlichen Rentenversicherung erfassten – Berufs- oder Erwerbsunfähigkeitsrisikos
abgeschlossen werden. Ebenso war es möglich, die Leistung des Versicherers als monatliche Rentenleistung
oder wie im Falle des Klägers als einmalige Auszahlung der Versicherungssumme oder kombiniert
auszugestalten (vgl. Gilbert/Hesse/Bischoff, Die Versorgung der Angestellten und Arbeiter des öffentlichen
Dienstes, § 40 VBLS Anm.6 = B 138 d, e). Bei dieser unterschiedlichen Sachlage musste die Beklagte
Leistungen aus einer befreienden Lebensversicherung – ebenso wie solche aus berufsständischen
Versorgungen (vgl. Senat, Urteil vom 21.09.2004 – 12 U 211/04 – unter II 4 c ) - nicht im Umfang einer fiktiven
Sozialversicherungsrente anrechnen. Vielmehr konnte sie, auch zur Vermeidung einer möglichen
Überversorgung, einen anderen Berechnungsmaßstab wählen (vgl. auch BGH VersR 1986, 386 unter I 2 a).
23 c) ür die Beklagte bestand aufgrund der Vielfalt der Lebensversicherungssysteme und möglichen
Vertragsgestaltungen sowie der Möglichkeit erheblicher Abweichungen bei der Vertragsdurchführung im
Einzelfall (vgl. dazu Gilbert/Hesse/Bischoff aaO) bei Geltung der bisherigen, für den Kläger maßgeblichen
Satzung auch ein anzuerkennendes Bedürfnis, die Leistungen aus einer befreiend Lebensversicherung nicht
nach den tatsächlichen Bezügen zu bemessen, sondern einheitlich und pauschaliert. Damit konnten erhebliche
Unsicherheiten und Risiken für das Gesamtversorgungssystem vermieden werden. Die Beklagte - und damit
auch die Gesamtheit der an ihr beteiligten Versicherungsnehmer und der Versicherten - musste diese Risiken,
die sich als Folge der freiwilligen Entscheidung des einzelnen Versicherten sowohl im Hinblick auf die
Eingehung einer befreienden Lebensversicherung an sich als auch bezüglich der Auswahl des Versicherers
ergaben, nicht tragen. Zur Vermeidung war daher eine pauschalierte Bemessung sachgerecht. Sie ermöglicht
eine verlässliche Kalkulationsgrundlage für sämtliche Fallgestaltungen einer solchen Grundversorgung
außerhalb der gesetzlichen Rentenversicherung, die im Zusatzversorgungssystem der Beklagten
Ausnahmefälle sind (vgl. Senatsurteil vom 21.09.2004 – 12 U 211/04 – unter II 4 c aa). Nach Ansicht des
Bundesgerichtshofs ist die vereinfachte Rentenermittlung darüber hinaus schon deshalb sachangemessen, weil
die Altersversorgung durch befreiende Lebensversicherung nur einen Übergangstatbestand darstellt, nachdem
inzwischen alle Arbeitnehmer von den beteiligten Arbeitgebern in der Sozialversicherung pflichtversichert sind
(BGH VersR 1986, 386 unter I 2 a).
24 d) Ohne Erfolg wendet sich der Kläger gegen die Festlegung des Anrechnungssatzes von 1,25 % der
verdoppelten Summe der Arbeitgeberzuschüsse. Es ist nicht feststellbar, dass dieser Satz damals, wie der
Kläger meint, willkürlich festgelegt wurde. Er entspricht, worauf der Kläger im ersten Rechtszug selbst
hingewiesen hat, dem Mittelwert der Faktoren, die der Gesetzgeber in § 269 SGB VI für die Bemessung von
Leistungen aus der Höherversicherung in der gesetzlichen Rentenversicherung festgelegt hat (1,667 v.H. für
Beiträge bis zum 30. Lebensjahr bis hin zu 0,8833 v.H. für Beitragszeiten ab dem 56. Lebensjahr). Eine exakte
Gleichbewertung der Lebensversicherungsleistungen mit Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung
schuldet die Beklagte, wie dargelegt, nicht.
25 Auch hat die Beklagte denjenigen Versicherten, denen noch die Möglichkeit einer freiwilligen
Weiterversicherung eingeräumt war und die hierfür Beiträge an sie entrichtet haben, eine zusätzliche
Versorgungsrente in Höhe desselben Satzes von monatlich 1,25 v.H. der Summe dieser Beiträge versprochen.
Dementsprechend kann auch nicht festgestellt werden, dass zu dem Zeitpunkt, in dem der Kläger von der
Versicherungspflicht befreit wurde, Leistungen in entsprechendem Wert aus einer Lebensversicherung
schlechterdings nicht erwartet werden konnten. Das gilt erst Recht für Verträge, bei denen - wie im Falle des
Klägers - das Erwerbsminderungs- oder Berufsunfähigkeitsrisiko nicht mitversichert war.
26 e) Der Kläger kann nicht sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, dass er aus dem von ihm abgeschlossenen
Lebensversicherungsvertrag nunmehr eine Leistung erhält, die – umgerechnet auf eine monatliche Rente –
deutlich geringer ist als der sich bei Zugrundelegung des Vomhundertsatzes von 1,25 ergebenden
Anrechnungsbetrages. Seine Behauptung, die von ihm tatsächlich bezogene Versicherungsleistung entspreche
einem Faktor von 0,9 %, kann insoweit als richtig unterstellt werden. Es mag auch unterstellt werden, dass die
langfristige Entwicklung der Renditen vieler Lebensversicherungsverträge, die zu der Zeit abgeschlossen
wurden, zu der der Kläger sein Vertragsverhältnis begründet hat, geringere monatlichen Leistungen als dem
Vomhundertsatz von 1,25 entsprechende ergeben haben.
27 Dies führt jedoch nicht zur Unwirksamkeit der angegriffenen Satzungsregelung. Ebenso wenig ergibt sich
daraus der vom Kläger ebenfalls geltend gemachte Anspruch auf eine Vertragsanpassung. Vielmehr hat sich
mit der eingetretenen Entwicklung ein Risiko verwirklicht, das die Betroffenen mit ihrer Entscheidung, die
Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung zugunsten der Eingehung einer
befreienden Lebensversicherung zu erwirken, eigenverantwortlich eingegangen sind und das sie folglich auch
selbst zu tragen haben (vgl. BGH VersR 1987, 724 unter II 2 b). Der Kläger war zu dieser Entscheidung nicht
gezwungen. Er kann nachträglich nicht einwenden, er stünde nun tatsächlich schlechter, als wenn er eine
privatrechtliche Grundabsicherung – ohne Versicherung des Berufsunfähigkeitsrisikos - nicht gewählt hätte und
in der gesetzlichen Rentenversicherung verblieben wäre. Das darin liegende Risiko ist er um der möglichen
Vorteile willen eingegangen. Ebenso wenig wie die Beklagte bei der Ermittlung der Versorgungsrente nunmehr
einen gegenüber dem Anrechnungsbetrag nach § 40 Abs. 2d VBLS a.F. erhöhten Betrag abziehen dürfte, wenn
der Kläger aus der Lebensversicherung eine wesentlich höhere monatliche Rente erhalten würde, kann dieser
nunmehr eine Absenkung des Anrechnungsbetrages zu seinen Gunsten verlangen. Aus demselben Grunde ist
der Beklagten auch eine ihr günstige Vertragsanpassung in denjenigen Fällen verwehrt, in denen sie für
Beiträge zur freiwilligen Weiterversicherung gemäß § 40 Abs. 3 VBLS a.F. eine zusätzliche Versorgungsrente
in Höhe von monatlich 1,25 % der Summe dieser Beiträge leisten muss.
28 Ein Versprechen, die Altersbezüge der Versicherten generell auf die Gesamtversorgung aufzustocken, hat die
Beklagte in § 40 VBLS a.F. ersichtlich gerade nicht abgegeben. Vielmehr gewährt sie insoweit lediglich eine
durch zahlreiche Einzelheiten näher bestimmte Zusatzversorgung (BGH VersR 2003, 720 unter 2). Letztendlich
hat die Beklagte bereits im Jahre 1973 mit § 97a VBLS eine Regelung geschaffen, wonach die Versicherten in
der Situation des Klägers es selbst in der Hand haben, etwaigen Nachteilen durch die Anrechnung nach § 40
Abs. 2d VBLS a.F. durch Abtretung ihrer Leistungsansprüche aus der Lebensversicherung an die Beklagte
binnen Jahresfrist seit dem erstmaligen Bezug der Versorgungsrente zu entgehen. Soweit der Kläger dagegen
vorbringt, die Beklagte vereinnahme ohne Rechtsgrund die Gewinne aus den von ihm eingegangenen Risiken
und beraube ihn der hierdurch erlangten wirtschaftlichen Vorteile, wird übersehen, dass es dem betroffenen
Versicherten frei steht, die Leistungen aus der befreienden Lebensversicherung zu behalten und von § 97a
VBLS a.F. keinen Gebrauch zu machen. Auch insoweit kann von einer willkürlichen, einseitig die Beklagte
bevorzugenden Regelung keine Rede sein.
29 f) Der Kläger kann auch aus Gründen des Eigentumsschutzes (Art. 14 GG) keine höhere Rente verlangen.
Satzungsgemäß war ihm eine Anwartschaft auf eine Versorgungsrente von vornherein nur im Rahmen der
Anrechnungsregelung des § 40 Abs. 2d VBLS eingeräumt. Soweit sich bei ihm das Risiko einer geringeren
Gesamtversorgung realisiert hat, wurde ihm daher keine bessere Rechtsposition entzogen, auf deren Bestand
er hätte vertrauen dürfen (Senatsurteil vom 21.09.2004 unter II 4 c bb). Hinsichtlich der Leistungen aus der
Lebensversicherung ist die Eigentumsgarantie nicht berührt, da der Kläger diese ungekürzt erhält (vgl.
BVerwG, Urteil vom 28.01.2004 – 2 C 4/03).
30 g) Damit führt § 40 Abs. 2d VBLS a.F. auch nicht zu einer Ungleichbehandlung der Versicherten in der
Situation des Klägers gegenüber den in der Sozialversicherung verbliebenen Versicherten. Dass auch eine
andere als die gewählte Regelung, die den Gegebenheiten ebenfalls oder sogar besser Rechnung tragen würde,
denkbar war, vermag einen Verstoß gegen das Gleichheitsgebot nicht zu begründen. Denn zu prüfen ist
insoweit nur, ob der Satzungsgeber - bei Ausschöpfung des ihm zukommenden Gestaltungsspielraumes -
gegen das Willkürverbot verstoßen hat (vgl. BGH VersR 1986, 386 unter III).
31 h) § 40 Abs. 2d VBLS a.F. enthält auch keine so ungewöhnliche Bestimmung, dass ein Versicherter in der
Situation des Klägers mit ihr nicht zu rechnen brauchte (vgl. im heutigen Recht § 305c Abs. 1 BGB). Dass die
Entscheidung für eine befreiende Lebensversicherung als andere Grundabsicherung gegenüber der
gesetzlichen Rentenversicherung je nach zukünftiger Entwicklung zu erheblichen Leistungsabweichungen im
Versorgungsfall führen konnte, lag für jeden an einer solchen Alternative Interessierten auf der Hand. Deshalb
sowie wegen der dargelegten Vielfalt der Lebensversicherungssysteme und der sich daraus ergebenden
Unsicherheiten und Risiken für das Gesamtversorgungssystem konnte es auch nicht überraschen, dass die
Beklagte eine pauschalierte Anrechung auf die Gesamtversorgung vorsah.
32 i) § 40 Abs. 2d VBLS a.F. ist auch nicht mehrdeutig (vgl. § 305c Abs. 2 BGB) oder nicht hinreichend klar und
verständlich (vgl. § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB). Der Anrechnungsbetrag ist mit 1,25 % monatlich der doppelten
Summe der Arbeitgeberzuschüsse exakt festgelegt. Der Beklagten ist auch nicht vorzuwerfen, dass ein
Versicherter vor seiner Entscheidung, eine Befreiung von der Sozialversicherungspflicht zu beantragen, nicht
ausdrücklich - in der Satzung selbst oder gesondert - darauf hingewiesen wurde, dass im Versorgungsfall die
Leistungen aus der befreienden Lebensversicherung hinter den sich nach § 40 Abs. 2d VBLS a.F.
anzurechnenden Beträgen zurückbleiben konnten und auch die Gefahr bestand, im Versorgungsfall über eine
tatsächlich geringere Gesamtversorgung zu verfügen als ein Versicherter in der gesetzlichen
Rentenversicherung, obwohl dessen Rente bei gleichen Beiträgen niedriger sein würde als die Rente aus der
Lebensversicherung. Es oblag jedem Versicherten selbst, sich rechtzeitig über die möglichen Auswirkungen
und Risiken der pauschalierten Anrechnungsregelung zu informieren. Dies gilt erst Recht unter
Berücksichtigung der großen Bedeutung dieser Frage für die eigene Altersversorgung. Dass der pauschale
Anrechnungssatz angesichts der ungewissen Entwicklung über mehrere Jahre oder Jahrzehnte hinweg unter
normalen Umständen nicht dem Umfang der tatsächlichen Leistungen aus einer Lebensversicherung
entsprechen konnte und ein Versicherter daher nicht nur die Chance auf eine wesentlich günstigere
Entwicklung hatte, sondern auch das Risiko einer erheblichen Verschlechterung einging, war ohne Weiteres
erkennbar. Der Kläger selbst hat sich nach den von ihm vorgelegten Angaben vor seiner damaligen
Entscheidung, aus der Privatwirtschaft in den öffentlichen Dienst zu wechseln, mit der Frage der
Altersversorgung maßgeblich befasst. Soweit er sich trotz der von ihm erkannten Bedeutung allgemein mit
dem Hinweis auf „die Vorteile“ der VBL-Versorgung begnügt und es darüber hinaus unterlassen hat, sich
genauer über die möglichen individuellen Auswirkungen einschließlich etwaiger Risiken zu unterrichten, kann er
hierfür nachträglich nicht die Beklagte verantwortlich machen.
33 j) Schließlich ist zu berücksichtigen, dass - entgegen dem persönlichen Vorbringen des Klägers in der
mündlichen Verhandlung - die Ansprüche aus der Zusatzversorgung aufgrund der angegriffenen
Anrechnungsregelung im Extremfall nicht auf „Null“ sinken können. Der Versicherte erhält in jedem Falle die
Mindestversorgungsrente gemäß § 40 Abs. 4 VBLS a.F. in Form einer Versicherungsrente gemäß §§ 44, 44a
VBLS a.F..
34 1. b die dem Kläger erteilte Startgutschrift den Wert seiner Anwartschaft überhaupt verbindlich festgelegt hat
oder ihn möglicherweise aus anderen Gründen als der beanstandeten Anrechnung gemäß § 40 Abs. 2d VBLS
a.F. benachteiligt, bedarf keiner Entscheidung, da der Kläger sein Klagbegehren auf dieses
Berechnungselement beschränkt hat (vgl. Senatsurteil vom 24.11.2005 aaO unter B II 3; BAG ZTR 2004, 377
unter I 1 und 2 m.w.N.). Ebenso wenig brauchte der Senat sich mit der gemäß § 78 Abs. 3 VBLS n.F. für
Beanstandungen gegen die mitgeteilte Startgutschrift vorgesehenen Ausschlussfrist zu befassen, da die
Beklagte sich hierauf nicht berufen hat.
35 2. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 97 Abs. 1, 91 Abs. 1, 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO. Der Ausspruch über
die Vollstreckbarkeit stützt sich auf die §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. Gründe für eine Zulassung der Revision
gemäß § 543 Abs. 2 ZPO bestehen nicht. Insbesondere ist nicht nachvollziehbar dargelegt worden, dass die
Regelung, die grundsätzlich auslaufendes Recht betrifft, noch in einer Vielzahl von Fällen eine Rolle spielen
wird und daher eine höchstrichterliche Entscheidung auch für die Zukunft richtungweisend sein kann (vgl. BGH
NJW 2003, 1943 unter II 1 c m.w.N.; BGH VersR 2004, 55 unter II 1 a).