Urteil des OLG Karlsruhe vom 28.10.2002
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OLG Karlsruhe Beschluß vom 28.10.2002, 7 U 87/02
BGB-Werkvertrag: Rechtsgrundlage für eine Gewährleistungshaftung bei Verletzung der Prüfungs- und Hinweispflicht
Leitsätze
1. Verletzt der Unternehmer die ihm obliegende Prüfungs- und Hinweispflicht, führt dies zur werkvertraglichen Gewährleistungshaftung und nicht zu
einem Schadensersatzan-spruch aus pVV.
2. Auch wenn der Unternehmer über die Erbringung der eigenen Werkleistung hinaus Planungs- und Bauleitungspflichten hinsichtlich der folgenden
Gewerke übernommen hat, begründet ein Mangel in diesem Bereich lediglich eine Haftung aus § 635 BGB und nicht aus pVV.
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Karlsruhe vom 7. Mai 2002 - 3 O 536/01 - wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsrechtszugs.
Gründe
1
Die Voraussetzungen für die Zurückweisung der Berufung durch Beschluss gem. § 522 Abs. 2 ZPO liegen vor. Sie hat - wie der Senat schon in
seinem Hinweis vom 26.09.2002 ausgeführt hat - keine Aussicht auf Erfolg. Was die Klägerin hiergegen vorbringt, rechtfertigt keine andere
Beurteilung.
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1. Die Klägerin meint, die Ansprüche auf Schadensersatz in Höhe der zur Schadensbehebung an der Terrasse erforderlichen Aufwendungen
seien nicht verjährt, weil die Beklagte für diese Schäden nicht nach § 635 BGB a.F., sondern aus positiver Vertragsverletzung hafte. Denn sie
habe die Anbringung des Einlaufblechs auf der Oberkante des Estrichs gesehen, also erkennen müssen, dass diese Lage falsch sei; das Blech
sei unter dem Estrich der Terrasse und unmittelbar über der Isolierung/Abdichtung oberhalb der Wärmedämmung anzubringen gewesen, damit
über es das in den Estrich eindringende Niederschlagswasser in die vorgehängte Kastenrinne abgeführt werden könne. Dieser Erkenntnis hätte
zu einem Hinweis und weiter dazu führen müssen, dass die Beklagte für die richtige Anordnung zu sorgen gehabt hätte. Das Unterlassen
begründe die Haftung aus positiver Forderungsverletzung.
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2. Dies ist nicht richtig, auch wenn der behauptete technische Sachverhalt zugunsten der Klägerin als richtig unterstellt wird. Die Erfüllung der
Prüfungs- und Hinweispflicht, die dem Unternehmer auch bei einen reinem BGB-Werkvertrag wie hier nach Treu und Glauben im selben Umfang
obliegt, wie dem Auftragnehmer bei Vereinbarung der VOB/B nach dessen § 4 Nr. 3, dient der mangelfreien Herstellung des eigenen Werks. Sie
ist damit Haupt- und nicht nur Nebenpflicht. Versäumt sie der Unternehmer begründet dies deshalb die werkvertragliche Gewährleistungshaftung
nach §§ 633, 634 BGB a.F. wegen des Mangels des eigenen Werks (vgl. nur § 13 Nr. 1 VOB/B; ganz herrschende Meinung in Rechtsprechung
und Literatur: BGH BauR 1987, 79, 80 m. N.; vgl. Ingenstau/Korbion, VOB, 14. Aufl., § 4 Rn. 263 ff.; Werner/Pastor, Bauprozess, 10. Aufl., Rn.
1528) und deshalb ggf. die Haftung auf Schadensersatz aus § 635 BGB a.F., nicht aber aus positiver Vertragsverletzung. Eine Haftung für Mängel
anderer Gewerke als des eigenen begründet eine solche Verletzung des Hinweispflicht gerade nicht.
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Selbst wenn also die Beklagte den von der Klägerin geforderten Hinweis hätte geben müssen und wenn dieses Unterlassen zu einem Mangel
der Fliesenarbeiten geführt haben sollte, wären die hieraus fließenden Ersatzansprüche, die Voraussetzungen des § 635 BGB a.F. einmal
angenommen, verjährt (§ 638 BGB a.F.); das Werk ist 1991 oder 1992 abgenommen worden. Zu einer Unterbrechung der Verjährung ist
substantiiert nicht näher, schon gar nicht im Berufungsrechtszug vorgetragen worden.
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3. Es ist auch nicht richtig, dass die Beklagte für eine andere Anbringung des Einlaufblechs wegen der ihr obliegenden Hinweispflicht hätte
sorgen müssen, wenn sie nicht auch den behaupteten Auftrag zur Bauleitung/Koordinierung gehabt hat (hierzu unten).
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a) Die Hinweispflicht des Unternehmers bezieht sich, wie schon gesagt, auf das eigene Werk, das er nicht mangelfrei erstellen kann, wenn
Vorarbeiten anderer Unternehmer oder die Planung des Bauherrn bzw. seines Architekten fehlerhaft sind und diese Fehler die Tauglichkeit des
eigenen Werkes beeinträchtigen. Deshalb ist der Unternehmer nicht verpflichtet, auf Mängel hinzuweisen, die sein Werk nicht betreffen. Hier hat,
von der Berufung nicht angegriffen, das Landgericht festgestellt, dass die Beklagte nur mit den Fliesenarbeiten auf dem bauseits gestellten
Untergrund beauftragt war (zu weitergehendem Auftrag wegen der Bauleitung siehe unten). Nichts ist dafür vorgetragen oder ersichtlich, die
Verlegung der Fliesen habe mangelfrei wegen des oberhalb des Estrichs angebrachten Einlaufblechs nicht erfolgen können, die Klägerin trägt
selbst vor, die Arbeiten seien fehlerfrei ausgeführt. Deshalb hat der fehlende Hinweis zu einem Mangel der Fliesenarbeiten, also des in Auftrag
gegebenen Werks nicht geführt (Ingenstau/Korbion a.A. O. § 4 Rn. 229, 231).
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b) Nur ausnahmsweise ist der Unternehmer verpflichtet, Hinweise zu geben, dass das eigene Werk nicht durch die Leistungen anderer Schaden
nimmt. Nur in diesem Bereich begründet die Verletzung einer solchen Pflicht die Haftung aus positiver Vertragsverletzung. Dies sind die Fälle, in
denen der Unternehmer Fehler der ihm nachfolgenden Auftragnehmer besorgen muss, ferner die weiteren Beispielsfälle bei Ingenstau/Korbion §
4 Rn. 230 (von der Klägerin irrtümlich mit Rn. 231 zitiert). So liegt der Fall hier nicht.
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c) Es kommt auch für die Abgrenzung der Anspruchsgrundlagen (§ 635 BGB a.F.; positiver Vertragsverletzung) hier nicht darauf an, wo bzw. an
welchen Rechtsgütern der Schaden eingetreten ist. Die Klägerin schließt zu Unrecht von Ort bzw. Art des Schadens auf Umfang und Art der
Pflichtverletzung und vernachlässigt damit, dass sich die Pflicht des Werkunternehmers nicht darauf bezieht, den Besteller allgemein vor
Schäden zu bewahren, die aus der eigenen Werkleistung des Auftragnehmers nicht entstehen.
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4. Deshalb kann die Beklagte eine Haftung auf Ersatz des entstandenen Schadens nur treffen, wenn ihre Vertragspflichten weitergegangen
wären als nur die Fliesenarbeiten zu erbringen. Dies behauptet die Klägerin; sie will die Beklagte mit der Bauleitung beauftragt haben.
Abgesehen davon, dass dies nicht bewiesen ist, begründet ein Mangel in diesem Bereich, der sich im Bauwerk verkörpert hat, ähnlich wie bei
einem Mangel des Architektenwerks bei Bauleitung oder Koordination lediglich die Haftung aus § 635 BGB (vgl. BGH BauR 2000, 1762, 1763).
Solche Ansprüche wären indes verjährt.
10 Dass die Beklagte durch eine "Anweisung" ihre Geschäftsführers an den Ehemann der Klägerin, das Ablaufblech sei oberhalb des Estrichs
anzubringen, die Planung übernommen habe, hat das Landgericht für nicht erwiesen gehalten. Diese Feststellungen sind durch die Berufung
nicht erschüttert (§ 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO). Dies gilt auch unter Berücksichtigung des Vortrags, dass der Geschäftsführer der Beklagten bei seiner
Vernehmung als Partei wahrheitswidrig erklärt habe, er habe die Fliesen erst im Sommer 1992 (statt, wie die Klägerin behauptet, 1991) verlegt,
sodass an seiner Glaubwürdigkeit Zweifel gerechtfertigt seien. Die Klägerin zeigt nicht auf, warum diese Darlegungen, die erst nach Schluss der
mündlichen Verhandlung im ersten Rechtszug mit eingegangenem Schriftsatz vom 22.04.2002 enthalten sind, im Berufungsrechtszug zu
berücksichtigen wären (§§ 531 Abs. 2, 529 Abs. 2 S. 1 ZPO). Dies gilt auch für die erstmals mit dem genannten Schriftsatz vorgelegten
Aufzeichnungen über den Bauablauf. Abgesehen von alledem hat sich das Landgericht aufgrund seines persönlichen Eindrucks nicht davon
überzeugen können, dass nur die Darstellung des Ehemanns der Klägerin richtig sein könne und hat mit Recht darauf abgehoben, dass die
Aussagen dieses Zeugen, der seine Ansprüche an seine klagende Ehefrau abgetreten hat, nicht mehr Beweiswert haben als bloßer
Parteivortrag.