Urteil des OLG Karlsruhe vom 05.03.2007
OLG Karlsruhe (vorläufige einstellung, gegendarstellung, zpo, zwangsvollstreckung, einstellung, vorläufig, antrag, ausgabe, zeitschrift, aug)
OLG Karlsruhe Beschluß vom 5.3.2007, 14 W 84/06
Gegendarstellung: Zwangsgeld wegen vor einstweiliger Einstellung der Zwangsvollstreckung erfolgten
Verstoßes gegen vorläufig vollstreckbare Abdruckverpflichtung
Leitsätze
1. Die einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung beseitigt nicht die vorläufige Vollstreckbarkeit eines Titels
(hier: einer im Wege der einstweiligen Verfügung ergangenen Anordnung zum Abdruck einer Gegendarstellung).
Sie bewirkt vielmehr lediglich, daß die Vollstreckbarkeit nur für die Zukunft und nur so lange entfällt, bis sich der
Einstellungsbeschluß erledigt hat. (Anschluß an BGHR 2004, S. 987 f.).
2. Ein vor der einstweiligen Einstellung der Zwangsvollstreckung erfolgter Verstoß gegen ein vorläufig vollstreckbar
angeordnetes Handlungsgebot (hier: Abdruck einer Gegendarstellung) kann wieder geahndet werden, nachdem
sich der Einstellungsbeschluß durch Rücknahme des gegen den Vollstreckungstitel gerichteten Rechtsmittels
erledigt hat.
Tenor
1. Die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluß des Einzelrichters der 3. Zivilkammer des
Landgerichts Offenburg vom 08.11.2006 - 3 O 111/06 - wird als unbegründet zurückgewiesen.
2. Die Antragsgegnerin trägt auch die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
3. Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 515 EUR festgesetzt.
Gründe
I.
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1. Durch Urteil des Landgerichts Offenburg vom 05.04.2006 war der Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen
Verfügung auferlegt worden, im Innenteil der nächsten für den Druck noch nicht abgeschlossenen Ausgabe der
Zeitschrift „N. W.“ eine Gegendarstellung der Antragstellerin abzudrucken. Das Urteil wurde der
Antragsgegnerin am 12.04.2006 zugestellt. Am 05.04.2006 waren noch drei weitere Urteile des Landgerichts
Offenburg ergangen: Durch eines wurde die Antragsgegnerin verurteilt, eine dieselbe Ausgangsmitteilung
betreffende Gegendarstellung des Ehemanns der jetzigen Antragstellerin im Heftinneren abzudrucken. Die
beiden weiteren Urteile verpflichteten die jetzige Antragsgegnerin zum Abdruck einer Gegendarstellung der
Antragstellerin sowie einer weiteren Gegendarstellung des Ehemannes der Antragstellerin jeweils auf der
Titelseite der genannten Zeitschrift. Die Ausgangsmitteilungen waren auf der Titelseite bzw. im Heftinneren ein-
und derselben Ausgabe der Zeitschrift erschienen und standen in einem inneren Zusammenhang. Hinsichtlich
aller vier Urteile des Landgerichts hatte die Antragsgegnerin Berufung eingelegt, diese zugleich begründet und
Antrag auf vorläufige Einstellung der Zwangsvollstreckung gestellt. Durch Beschluß vom 05.05.2006 hat der
Senat die Zwangsvollstreckung aus dem Urteil des Landgerichts Offenburg vom 05.04.2006 - 3 O 111/06 -
vorläufig eingestellt.
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2. Nachdem bereits Berufung eingelegt worden war, hat die Antragstellerin mit Schriftsatz vom 24.04.2006 in
Bezug auf das hier in Rede stehende Urteil des Landgerichts die Festsetzung eines Zwangsgeldes in Höhe von
nicht unter 5.000 EUR gegen die Antragsgegnerin mit der Begründung beantragt, die Gegendarstellung sei noch
nicht abgedruckt worden. Dem war die Antragsgegnerin unter Hinweis auf die eingelegte Berufung und ihren
Antrag auf vorläufige Einstellung der Zwangsvollstreckung entgegengetreten. Mit Schriftsatz vom 14.06.2006
hat die Antragstellerin angeregt, daß das Landgericht über den Zwangsgeldantrag zunächst nicht entscheide,
sondern den auf den 23.06.2006 bestimmten Verhandlungstermin im Berufungsverfahren abwarte.
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3. In der mündlichen Verhandlung vom 23.06.2006 nahm die Antragsgegnerin ihre Berufung gegen das hier in
Rede stehende Urteil des Landgerichts zurück. Die Antragstellerin ließ durch ihren Prozessbevollmächtigten
sodann erklären, daß das nunmehr rechtskräftige Urteil nicht sofort, sondern erst zusammen mit einer etwaigen
Abdruckanordnung zu Gunsten der Antragstellerin in der - die Titelseite betreffenden - Sache 14 U 86/06, in
welcher Verkündungstermin auf den 07.07.2006 bestimmt war, umgesetzt werden müsse. Mit Schriftsatz vom
27.06.2006 bat die Antragstellerin das Landgericht um Zurückstellung der Entscheidung über den
Zwangsgeldantrag. Am 07.07.2006 wurde die Antragsgegnerin im Verfahren 14 U 86/06 - zu dem das ein
Abdruckverlangen ihres Ehemannes betreffendes Berufungsverfahren verbunden worden war - verurteilt, zu
Gunsten der Antragstellerin und ihres Ehemannes auf der Titelseite der „N. W.“ eine Gegendarstellung nach
Maßgabe der Entscheidung abzudrucken.
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4. Mit Schriftsatz vom 19.07.2006 machte die Antragstellerin geltend, die Gegendarstellung gemäß
Senatsurteil vom 07.07.2006 und damit im Zusammenhang stehend auch die aus dem durch
Berufungsrücknahme rechtskräftig gewordenen landgerichtlichen Urteil vom 05.04.2006 - 3 O 111/06 - sei noch
nicht abgedruckt, weshalb ihrem Antrag vom 24.04.2006 auf Verhängung eines Zwangsgeldes zu entsprechen
sei.
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5. Der Abdruck der Gegendarstellung ist dann auf Seite 12 der Ausgabe Nr. 30 der „N. W.“ vom 22.07.2006
erfolgt. Hierauf haben die Parteien unter Stellung gegenläufiger Kostenanträge hinsichtlich des
Zwangsgeldverfahrens die Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt.
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6. Mit Beschluß vom 08.11.2006, der Antragsgegnerin zugestellt am 17.11.2006, hat das Landgericht die
Kosten des Zwangsmittelverfahrens der Antragsgegnerin auferlegt. Hiergegen richtet sich deren am 21.11.2006
beim Landgericht eingegangene sofortige Beschwerde, welcher das Landgericht mit Beschluß vom 05.12.2006
nicht abgeholfen hat.
II.
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Das gem. § 891 S. 2 i.V.m. § 91 a Abs. 2 S. 1 ZPO zulässige Rechtsmittel hat in der Sache keinen Erfolg.
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1. Das Landgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt:
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In entsprechender Anwendung von § 91 a ZPO seien die Kosten des Zwangsgeldverfahrens der
Antragsgegnerin aufzuerlegen. Der Zwangsgeldantrag vom 24.04.2006 sei nämlich von Anfang an zulässig und
begründet gewesen, weil damals - was auch die Antragsgegnerin nicht in Zweifel gezogen habe - die
Zwangsvollstreckungsvoraussetzungen vorgelegen hätten. Solange die Zwangsvollstreckung vorläufig
eingestellt worden war, habe der Antrag zwar nicht weiterverfolgt werden können. Mit Rücknahme der Berufung
sei die Einstellungswirkung aber entfallen, so daß der Zwangsgeldantrag ohne die Erfüllung der
Abdruckverpflichtung Erfolg gehabt haben würde.
10 2. Diese Ausführungen sind nicht zu beanstanden, das hiergegen gerichtete Beschwerdevorbringen greift nicht
durch:
11 Da das im Wege der einstweiligen Verfügung ergangene Urteil des Landgerichts vom 05.04.2006 - ohne daß es
eines hierauf gerichteten Ausspruchs bedurfte - vorläufig vollstreckbar war (§§ 936, 929 ZPO), war die
Antragsgegnerin zum Abdruck der Gegendarstellung in der nächsten zum Druck noch nicht abgeschlossenen
Ausgabe der Zeitschrift verpflichtet. Diese Verpflichtung ist nicht etwa deshalb entfallen, weil die
Antragsgegnerin gegen das Urteil Berufung eingelegt hat. Daß die Gegendarstellung bei Beantragung des
Zwangsgeldes noch nicht abgedruckt war, obwohl sie hätte abgedruckt werden können, ist unstreitig. Damit
lagen die Voraussetzungen für die Verhängung des beantragten Zwangsgeldes vor.
12 Die durch Senatsbeschluß vom 05.05.2006 erfolgte vorläufige Einstellung der Zwangsvollstellung hat daran
nichts geändert. Er hat die Vollstreckbarkeit des Urteils nicht etwa beseitigt, sondern lediglich bewirkt, daß sie
für die Zukunft
(vgl. BGHR 2004, S. 987 f., 988; Münzberg, in: Stein/Jonas, ZPO, 22. Aufl. 2002, Rdn. 23, 27 zu § 707;
Krüger, in: Münchener Kommentar ZPO, 2. Aufl. 2000, Rdn. 20 zu § 707). Bis dahin war die
Zwangsvollstreckung dann unzulässig, vom Gläubiger bereits eingeleitete Zwangsvollstreckungsmaßnahmen
durften nicht fortgesetzt werden (BGH, a.a.O., S. 988).
13 Im hier zu entscheidenden Fall hat der Einstellungsbeschluß seine Wirkung dadurch verloren, daß die
Antragsgegnerin in der mündlichen Berufungsverhandlung ihre Berufung gegen das landgerichtliche Urteil
zurückgenommen hat (Münzberg, a.a.O., Rdn. 23 zu § 707 m.w.N.). Dies hatte zur Folge, daß die
Zwangsvollstreckung aus dem Urteil wieder fortgesetzt werden konnte und der
vor
Verstoß gegen das vorläufig vollstreckbar angeordnete Abdruckgebot wieder durch Festsetzung eines
Zwangsgeldes geahndet werden konnte (Brehm, in: Stein/Jonas, ZPO, 22. Aufl. 2004, Rdn. 27 zu § 890;
Zöller/Stöber, ZPO, 26. Aufl. 2007, Rdn. 14 zu § 888 und Rdn. 9 zu § 890). Ohne das erledigende Ereignis
hätte daher dem Zwangsgeldantrag der Antragstellerin stattgegeben werden müssen.
III.
14 Nach allem steht die Ermessensentscheidung des Landgerichts im Einklang mit § 91 a ZPO. Das Rechtsmittel
war daher mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO als unbegründet zurückzuweisen.