Urteil des OLG Karlsruhe vom 19.07.2005
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OLG Karlsruhe Beschluß vom 19.7.2005, 20 WF 65/05
Vollstreckungsgegenklage: Einwand nachträglicher Erfüllung
Leitsätze
Behauptet der Vollstreckungsschuldner, nachdem ein gegen ihn erlassener Zwangsgeldbeschluss gem. § 888 ZPO unanfechtbar geworden ist, er
habe die geschuldete Handlung nachträglich vorgenommen, so kann er den Erfüllungseinwand mit der Vollstreckungsgegenklage geltend machen.
Ein Antrag auf Aufhebung des Zwangsgeldbeschlusses im Vollstreckungsverfahren ist unzulässig.
Tenor
1. Auf die sofortige Beschwerde der Beklagten wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Bruchsal vom 19. April 2005 - 3 F 17/01 -
abgeändert:
Der Antrag der Klägerin auf Aufhebung des Beschlusses vom 01. August 2002 wird als unzulässig zurückgewiesen.
2. Die Kosten der Beschwerde trägt die Klägerin.
3. Der Beschwerdewert wird auf 1000 EUR festgesetzt.
4. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe
I.
1
Die sofortige Beschwerde betrifft die Aufhebung eines Zwangsgeldbeschlusses gem. § 888 ZPO. In der Hauptsache streiten die Parteien noch in
der Auskunftsstufe - um Zugewinnausgleich.
2
Die Parteien haben im Verhandlungstermin vom 20.02.2001 vor dem Amtsgericht einen Teilvergleich geschlossen. In diesem Vergleich hat sich
die Klägerin verpflichtet, "den Beklagten Auskunft über ihr Endvermögen zum Stichtag am 28.01.1998 durch Vorlage eines
Bestandsverzeichnisses und durch Vorlage der zur Wertermittlung notwendigen Unterlagen zu erteilen" (AS 45). Auf Antrag der Beklagten hat
das Amtsgericht mit Beschluss vom 01.08.2002 (AS 165) zur Erzwingung dieser Handlung gegen die Klägerin ein Zwangsgeld von 1000 EUR
und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, Zwangshaft von 10 Tagen festgesetzt sowie festgestellt, dass die Klägerin den
Verfall des Zwangsgeldes bis zur Beitreibung durch Erfüllung der Prozessvereinbarung abwenden kann. Der Beschluss ist der Klägerin am
06.08.2002 zugestellt (AS 183) und in der Folgezeit nicht angefochten worden.
3
Die Klägerin hat mit Schriftsatz vom 23.09.2004 (AS 651) eine Auskunft nebst einigen Unterlagen vorlegen lassen. Die Beklagten haben mit
Schriftsatz vom 17.11.2004 (AS 679) die Auskunft in verschiedenen Punkten als unrichtig bzw. unvollständig beanstandet.
4
Die Klägerin hat mit Schriftsatz vom 29.11.2004 (AS 685) und nochmals mit Schriftsatz vom 16.02.2005 (AS 743) die Aufhebung des
Zwangsgeldbeschlusses vom 01.08.2002 beantragt. Die Beklagten sind dem entgegengetreten (AS 707). Das Amtsgericht hat den Beklagten auf
ihren Antrag hin am 06.04.2005 eine vollstreckbare Ausfertigung vom 01.08.2002 erteilt (AS 765) und sodann mit Beschluss vom 19.04.2004 den
Zwangsgeldbeschluss aufgehoben, da die Auskunftspflicht erfüllt sei (AS 769).
5
Gegen die letztgenannte Entscheidung richtet sich die sofortige Beschwerde der Beklagten (Aktenseiten 775, 783). Sie meinen, die erteilte
Auskunft sei nicht ausreichend.
6
Die Klägerin verteidigt den angegriffenen Beschluss (AS 779).
II.
7
Die sofortige Beschwerde ist gem. §§ 793, 567, 569 ZPO zulässig, insbesondere rechtzeitig und formgerecht eingelegt. Sie ist auch begründet,
da der Antrag der Klägerin auf Aufhebung des Zwangsgeldbeschlusses vom 01.08.2002 unzulässig war.
8
Der Zwangsgeldbeschluss gem. § 888 ZPO ist Maßnahme der Zwangsvollstreckung und zugleich selbst Vollstreckungstitel gem. § 794 Abs. 1 Nr.
3 ZPO. Einem Schuldner, gegen den Zwangsgeld verhängt wurde, steht hiergegen der Rechtsbehelf der sofortigen Beschwerde gem. § 793 ZPO
zu. Der Zwangsgeldbeschluss erlangt formelle Rechtskraft, wenn wie im vorliegenden Fall - eine sofortige Beschwerde nicht eingelegt wird
(Musielak/Musielak, ZPO, 4. Aufl., § 329 Rn 17). Wird die geschuldete Handlung sodann nachträglich vorgenommen, darf allerdings aus dem
Zwangsgeldbeschluss nicht mehr vollstreckt werden, er wird gegenstandslos (Musielak/Lackmann, ZPO, § 888 Rn 14 f: Zöller/Stöber, ZPO, 25.
Aufl., § 888 Rn 13; OLG Zweibrücken FamRZ 1998, 384). Dies ist indessen nicht durch Antrag auf Aufhebung des Zwangsgeldbeschlusses
geltend zu machen, sondern durch den spezielleren Rechtsbehelf der Vollstreckungsgegenklage gem. § 767 ZPO. Ein Antrag auf Aufhebung des
Zwangsgeldbeschlusses wegen nachträglicher Erfüllung der Auskunftspflicht ist unzulässig (ebenso OLG Zweibrücken FamRZ 1998, 384).
9
Die nachträgliche Erfüllung der im primären Vollstreckungstitel (hier: Teilvergleich) festgesetzten Verpflichtung ist Einwendung i. S. der §§ 767 i.
V. m. 794, 795 ZPO. Die zugleich mit der Erfüllung eintretende Unzulässigkeit der Zwangsvollstreckung aus dem Zwangsgeldbeschluss ist
ebenfalls eine nachträgliche Einwendung gem. §§ 767 i.V.m. 794 Nr. 3, 795 ZPO. Somit steht im Fall der nachträglichen Erfüllung der
Rechtsbehelf der Vollstreckungsgegenklage zur Verfügung, wobei die Vollstreckungsgegenklage gleichzeitig gegen den primären Titel und
gegen den Zwangsgeldbeschluss gerichtet werden kann. Daneben ist die Möglichkeit der schlichten Aufhebung des Zwangsgeldbeschlusses
wegen nachträglicher Erfüllung nicht zuzulassen.
10 Zwar hat der Bundesgerichtshof im Beschluss vom 05.11.2004 (IXa ZB 32/04 - NJW 2005, 367) entschieden, dass der Erfüllungseinwand im
Verfahren auf Festsetzung eines Ordnungs- oder Zwangsgeldes gem. §§ 887, 888 ZPO zu berücksichtigen ist. Er hat dies damit begründet, dass
die Nichterfüllung der geschuldeten Handlung tatbestandliche Voraussetzung für den Erlass des Beschlusses gem. § 887 ZPO (und auch gem. §
888 ZPO) ist. Aus dieser Entscheidung folgt indessen nichts zu der Frage, mit welchem Rechtsbehelf geltend zu machen ist, dass nach
rechtmäßiger - jedenfalls formell rechtskräftiger - Zwangsgeldfestsetzung die geschuldete Handlung nachträglich vorgenommen wurde.
11 Gegen die Möglichkeit einer Aufhebung des Zwangsgeldbeschlusses wegen nachträglicher Erfüllung spricht, dass der Beschluss gem. § 888
ZPO einerseits einen selbstständigen Vollstreckungstitel darstellt, zum anderen einem befristeten Rechtsmittel (§ 793 ZPO) unterliegt und somit
in formelle Rechtskraft erwächst (Musielak/Musielak, ZPO, § 329 Rn 17). Dies legt es nahe, auf diesen Beschluss § 318 ZPO anzuwenden.
Nachdem für den Erfüllungseinwand in § 767 ZPO ein besonderes gesetzlich geregeltes Verfahren vorgesehen ist, besteht weder ein Bedürfnis
noch eine Rechtfertigung dafür, daneben die Aufhebung des Zwangsgeldbeschlusses wegen nachträglicher Erfüllung zuzulassen.
12 Vorsorglich weist der Senat für das weitere Verfahren auf folgendes hin:
13 In der Sache selbst ist die Entscheidung des Amtsgerichts zutreffend. Die Klägerin hat mit der als Anlage zum Schriftsatz vom 23.09.2004
vorgelegten Auskunft ihre in § 2 des Teilvergleiches übernommene Verpflichtung erfüllt. Die von Beklagtenseite vorgebrachten Einwände greifen
nicht durch.
14 Das vorgelegte Verzeichnis ist formal ordnungsgemäß. Es handelt sich um ein in sich geschlossenes, auf den Stichtag bezogenes, alle Aktiva
und Passiva geordnet und übersichtlich wiedergebendes Verzeichnis. Dass das Verzeichnis das Endvermögen zum Stichtag vollständig
umfassen, also nicht lediglich ein Teilverzeichnis darstellen soll, hat die Klägerin im Schriftsatz vom 29.11.2004 nochmals ausdrücklich
klargestellt. Eine zusätzliche ausdrückliche Versicherung, dass keine weiteren Giro- und Sparkonten bestehen, können die Beklagten daneben
nicht verlangen. Die Gegenstände und Verbindlichkeiten sind so weit individualisiert, dass die Bewertung des Endvermögens ermöglicht ist. Eine
Unterschrift ist nicht erforderlich (OLG Karlsruhe FamRZ 2004, 106).
15 Soweit die Beklagten geltend machen, das Verzeichnis sei unrichtig, weil Einzelpositionen verschwiegen worden seien, folgt hieraus kein
Anspruch auf Nacherfüllung der Auskunftspflicht, sondern nach Maßgabe des § 260 Abs. 2 BGB auf Abgabe der eidesstattlichen Versicherung
(Palandt/Heinrichs, BGB, 64. Aufl., § 261 Rn 22). Dies betrifft insbesondere die von Beklagtenseite vermuteten weiteren Vermögenspositionen,
deren Vorhandensein die Klägerin bestreitet (Münzsammlung, Familienschmuck, Goldmünzen, Lebensversicherung). Nachdem die Klägerin
angibt, zum Stichtag weder Eigentümerin der Firma Musik M. noch hieran beteiligt gewesen zu sein, ist es nicht zu beanstanden, dass die
Auskunft keine Angaben zu Darlehen des Herrn R. I. an diese Firma und zu deren Betriebsvermögen enthält. Auch insoweit gilt, dass die
Beklagten beim Verdacht der Unrichtigkeit auf § 260 Abs. 2 BGB verwiesen sind.
16 Da die Auskunft gem. § 1379 BGB, zu welcher sich die Klägerin verpflichtet hat, lediglich den Vermögensbestand zum Stichtag erfasst, war sie
grundsätzlich nicht verpflichtet, Auskunft zu Einkommens- und Vermögensverhältnissen in der davor liegenden Zeit zu erteilen. Insbesondere
besteht keine Verpflichtung, Auskunft zu den Steuerangelegenheiten ab 1995 und zu etwaigen Verlustzuweisungen aus der Beteiligung an der
Golfanlage B. zu machen. Die Auskunft musste sich auch nicht auf etwaige Vermögensminderungen vor dem Stichtag erstrecken. Der
Auskunftsanspruch aus § 1379 Abs. 1 BGB erstreckt sich nicht auf nach § 1375 Abs. 2 BGB dem Endvermögen zurechnende
Vermögensminderungen (BGH FamRZ 2000, 948; st. Rspr.). Ob abweichend hiervon ausnahmsweise ein Auskunftsanspruch gem. § 242 BGB in
Betracht kommt, weil konkrete Anhaltspunkte für ein Handeln im Sinne des § 1375 Abs. 2 BGB vorgetragen sind (BGH a.a.O.), braucht nicht
entschieden zu werden; denn der Teilvergleich als Vollstreckungstitel umfasst jedenfalls eine solche erweiterte Auskunft nicht. Somit muss die
Klägerin weder Angaben machen zur Weitergabe von Tennis-Freiplätzen an die Neffen im Oktober 1997 noch dazu, wann sie am
Bankschließfach war und was sie entnommen hat.
17 Die Klägerin hat sich zwar - insoweit über § 1379 Abs. 1 BGB hinausgehend - auch verpflichtet zur Vorlage der zur Wertermittlung notwendigen
Unterlagen. Diese Verpflichtung hat sie indessen erfüllt, indem sie entsprechende Unterlagen, sofern in ihrem Besitz, vorgelegt hat. Zur
Erstellung etwa nicht vorhandener Unterlagen und insbesondere zur Wertermittlung hat sie sich nicht verpflichtet. Die von Beklagtenseite
vermissten Kopien der Kontoauszüge sind nicht zur Wertermittlung notwendig, sondern zur Überprüfung, und somit nicht geschuldet (vgl. OLG
Karlsruhe FamRZ 1998, 761; Palandt/Brudermüller, § 1379 Rn 12). Die Notarverträge zu den Immobilien sind zur Wertermittlung nicht tauglich
und erforderlich. Zur Erstellung eines Wertermittlungsgutachtens ist die Beklagte auf Grund der titulierten Verpflichtung nicht verpflichtet. Welche
weiteren wertbildenden Faktoren die Klägerin zu den Teppichen, Bildern, Figuren und Stofftieren mitteilen könnte, ist nicht ersichtlich. Insoweit
sind die Beklagten ggf. auf eine Wertermittlung auf ihre Kosten (BGH FamRZ 1982, 682) gem. § 1379 Abs. 1 Satz 2 BGB verwiesen.
18 Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO. Der Beschwerdewert entspricht dem mit Beschluss vom 01.08.2002 festgesetzten Zwangsgeld.
Die Rechtsbeschwerde wird gem. § 574 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 1 ZPO zugelassen. Die Frage, auf welchem Weg geltend zu machen ist, dass
nach rechtskräftigem Beschluss gem. § 888 ZPO die titulierte Verpflichtung erfüllt wurde, ist von grundsätzlicher Bedeutung und bisher - soweit
ersichtlich - höchstrichterlich nicht entschieden.