Urteil des OLG Karlsruhe vom 22.10.2008

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OLG Karlsruhe Urteil vom 22.10.2008, 7 U 125/08
Unerlaubte Handlung: Ansprüche wegen der Anbringung eines dauerhaften Tattoos bei Einwilligung in
ein sich wieder auflösendes Tattoo
Leitsätze
Lässt sich der Geschädigte ein sog. Bio-Tattoo stechen, das sich spätestens nach 3 bis 7 Jahren „in Nichts
auflösen soll“, so steht ihm ein Schadensersatz- und Schmerzensgeldanspruch wegen rechtswidriger
Körperverletzung zu, wenn das Tattoo dauerhaft verbleibt. Die Verjährung des Anspruchs beginnt nicht vor Ablauf
der 7-Jahres-Frist, nach der das Tattoo spätestens verschwinden sollte, auch wenn vorher zu erwarten war, dass
dies nicht eintritt.
Tenor
I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Landgerichts Mannheim vom 21. Mai 2008 - 8 O 21/08 - im
Kostenpunkt aufgehoben und im Übrigen wie folgt abgeändert:
Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin sämtlichen materiellen und immateriellen
Schaden zu ersetzen, der dieser aus der Anbringung eines „Bio Tattoos“ auf dem Bauch am 17. Februar 1998
entstanden ist und noch entstehen wird.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II. Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.
III. Von den Kosten des Rechtstreits trägt die Klägerin ¼ und die Beklagte ¾.
IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
V. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
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Das Landgericht, auf dessen Urteil wegen des Sach- und Streitstands im ersten Rechtszug sowie der
getroffenen Feststellungen Bezug genommen wird, hat die Klage auf Feststellung der Ersatzpflicht der
Beklagten für materielle und immaterielle Schäden wegen der Anbringung eines sogenannten Bio-Tattoos, das
nach 3 bis 7 Jahren verschwinden sollte, abgewiesen. Die Klage sei teilweise unzulässig und im Übrigen
unbegründet, da der Anspruch jedenfalls verjährt sei. Mit ihrer Berufung verfolgt die Klägerin ihr Klagbegehren
in vollem Umfang weiter und beantragt hilfsweise die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von
Schadensersatz. Die Beklagte verteidigt das landgerichtliche Urteil. Wegen des weiteren Sach- und
Streitstands im zweiten Rechtszug wird auf die gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
II.
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Die Berufung der Klägerin ist zulässig und im Wesentlichen begründet.
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1. Entgegen der Auffassung des Landgerichts ist die Feststellungsklage auch insoweit zulässig, als materieller
Schadensersatz für die voraussichtlich anfallenden Kosten der Beseitigung des Tattoos begehrt wird. Das
Landgericht hat zu Recht ausgeführt, eine Feststellungsklage sei auch dann zulässig, wenn der Kläger zwar
einen Teil des Anspruchs beziffern könne, aber eine endgültige Bezifferung wegen der andauernden
Schadensentwicklung noch nicht möglich sei. Allerdings hat es verkannt, dass hier die Schadensentwicklung
noch nicht abgeschlossen ist. Zwar ist die rechtswidrige unerlaubte Handlung beendet, um die es sich bei der
Anbringung eines dauerhaften Tattoos handelt, wenn lediglich eine Einwilligung in ein sich wieder auflösendes
Tattoo gegeben wurde. Auch steht fest, dass sich das Tattoo nicht auflösen wird. Jedoch ist damit die
endgültige Schadensentwicklung nicht abgeschlossen. Denn zu Recht weist die Klägerin darauf hin, dass die
Entfernung des Tattoos erforderlich ist und Kosten verursachen wird. Deren Bezifferung ist noch nicht
abschließend möglich, sodass die Klage auf Feststellung zulässig ist.
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2. Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Ersatz ihres materiellen und immateriellen
Schadens gem. §§ 823 Abs. 1, 253 BGB.
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Der Senat ist aufgrund der glaubhaften Aussage der Zeugin I. davon überzeugt, dass die Beklagte das Tattoo
auf dem Bauch der Klägerin angebracht hat. Die Zeugin hat bestätigt, die Klägerin habe sich das Tattoo in ihrer
Gegenwart auf der Messe in W. stechen lassen, nachdem sie den Stand zuvor anhand der Standnummer, die
die Klägerin von der Beklagten vorher erhalten hatte, gesucht und gefunden hatten. Die Zeugin hat einen
glaubwürdigen Eindruck hinterlassen und deutlich unterschieden, was sie noch aus eigener Erinnerung wusste
und was sie von ihrer Schwester, der Klägerin, vor der Vernehmung erfahren hat. Die Aussage zur Suche des
Standes und der Vorgeschichte passt auch zu den Notizen der Klägerin über die Terminsabsprache mit der
Beklagten auf dem Flyer, den die Klägerin von der Beklagten erhalten hat (II 53). Diese bestreitet auch nicht,
auf der Messe in W. an ihrem Stand Bio-Tattoos gestochen zu haben.
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Das Anbringen des Tattoos stellt eine Körperverletzung gem. § 823 Abs. 1 BGB dar, die rechtswidrig war. Das
Bio-Tattoo ist nicht wie unstreitig u. a. auf dem Flyer der Beklagten versprochen nach 3 bis 7 Jahren
verschwunden, sondern auch heute, 10 Jahre später, noch deutlich sichtbar. Da die Klägerin unstreitig kein
dauerhaftes Ornament haben wollte, war ihre Einwilligung in die Körperverletzung auch für die Beklagte
erkennbar nicht darauf gerichtet, einer dauerhaften Veränderung ihres Körpers zuzustimmen. Diese ist daher
durch die Beklagte rechtswidrig verursacht worden. Verschulden liegt ebenfalls vor, da die Beklagte die
erforderliche Sorgfalt außer Acht ließ, als sie offensichtlich die Farbe nicht wie versprochen nur in die oberste
Hautschicht eingebracht hat, sondern in tiefer liegende Schichten, so dass das Tattoo dauerhaft ist.
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3. Der Anspruch der Klägerin ist nicht gem. § 852 BGB a. F. oder §§ 195, 199 BGB verjährt. Dabei kann dahin
stehen, ob hier das Verjährungsrecht in der bis zum 31.12.2001 geltenden Fassung oder in der danach
geltenden Fassung Anwendung findet. Verjährung ist in keinem Falle eingetreten.
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Die Beklagte hat unstreitig auf ihrem Flyer damit geworben, in einem überschaubaren Zeitraum von 3 bis 7
Jahren löse sich das Tattoo „wieder in Nichts auf“. Das war Grundlage der Vereinbarung der Parteien über das
Tattoo der Klägerin. Diese 7 Jahre wären am 17.02.2005 abgelaufen. Die Feststellung des Landgerichts, der
Klägerin hätte sich bereits im Dezember 2004 aufdrängen müssen, dass sich das Tattoo nicht bis dahin
auflösen würde, da es bis zu diesem Zeitpunkt nicht stärker verblasst war als ein normales Tattoo, ist zwar
naheliegend. Dies begründet jedoch nicht den Beginn der Verjährung am 01.01.2005 nach § 199 BGB. Denn
neben der Kenntnis oder grob fahrlässigen Unkenntnis (nach neuem Verjährungsrecht) des Anspruchsinhabers
von den anspruchsbegründenden Tatsachen und dem Anspruchsgegner ist erforderlich, dass der Anspruch
entstanden ist, § 199 BGB.
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Entstanden im Sinne der Verjährungsregelungen ist ein Anspruch dann, wenn er fällig ist. Dementsprechend
kann die Verjährung auch bei der vom Landgericht angenommenen grob fahrlässigen Unkenntnis von den
anspruchsbegründenden Tatsachen nicht eintreten, bevor Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüche
einklagbar waren. Davon kann aber im Dezember 2004 oder Januar 2005 nach der Aussage der Beklagten, in
maximal 7 Jahren werde das Tattoo sich auflösen, nicht ausgegangen werden. Erst mit Ablauf der 7-Jahresfrist
stand die Rechtswidrigkeit der Körperverletzung eindeutig fest und die Beklagte konnte sich nicht mehr darauf
berufen, dass sich das Tattoo in dem noch verbleibenden Zeitraum auflösen könne. Deshalb konnte die
Verjährung nicht vor Ablauf der 7-Jahresfrist beginnen. Damit war weder bei Anwendung des § 852 BGB a. F.
noch des § 199 BGB der Anspruch bei Klagerhebung mit der „demnächst“ erfolgten Zustellung der Klage am
23.02.2008 nach Einreichung am 15.02.2008 verjährt.
III.
10 Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 1, 97 ZPO. Dabei war zu berücksichtigen, dass die Klägerin
eine erheblich zu hohe Vorstellung vom angemessenen Schmerzensgeld bei der Klage hatte, was zu deren
teilweiser Abweisung und zur Kostenquotelung führt. § 92 Abs. 2 Nr. 2 ZPO war angesichts der um etwa
2000,00 EUR zu hohen Vorstellung zum Schmerzensgeld nicht anzuwenden (vgl. dazu
Thomas/Putzo/Hüßtege, 29. Aufl., § 92 Rn. 9). Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus
§§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.
11 Gründe für die Zulassung der Revision gem. § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor.